Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2018, Az. 5 AZR 439/17

5. Senat | REWIS RS 2018, 3651

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Gegenstand

Betriebliche Übung - Entgelterhöhung


Leitsatz

Beschränkt der Arbeitgeber Entgelterhöhungen nicht auf den Arbeitsverdienst, den er durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags zu zahlen verpflichtet ist, sondern erhöht er zugleich den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen, kommt es für das Entstehen einer betrieblichen Übung in Bezug auf den übertariflichen Vergütungsanteil allein darauf an, wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten und durften.

Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 13. Juli 2017 - 7 [X.]/17 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2017 - 28 [X.]/16 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 401,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 66,96 Euro seit dem 2. Oktober 2016, aus 133,92 Euro seit dem 2. November 2016 und aus jeweils weiteren 66,96 Euro seit dem 2. Dezember 2016, 2. Januar 2017 und 2. Februar 2017 zu zahlen. Im weitergehenden Zinsantrag wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Gehaltserhöhung.

2

Der Kläger ist seit 1989 bei der [X.] bzw. deren [X.] als Sachbearbeiter beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, in dem es ua. heißt:

        

„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Tarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken sowie der Dienstordnung in ihrer jeweiligen Fassung. Ein Exemplar des [X.] und der Dienstordnung fügen wir für Sie bei.

        

Als Arbeitsverdienst für Ihre Tätigkeit erhalten Sie, jeweils am Anfang des Kalendermonats, ein Bruttogehalt nach der Tarifgruppe 7 im 8. Berufsjahr in Höhe von [X.] monatlich. Über 12 Monatsgehälter hinaus erhalten Sie Sonderzahlungen, die in einem Kalenderjahr wenigstens 1 Monatsgehalt ausmachen.“

3

Der Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken ([X.] Banken) sieht eine nach der auszuübenden Tätigkeit erfolgende Eingruppierung in neun Tarifgruppen vor. Jede Tarifgruppe enthält mehrere Stufen, denen die Beschäftigten nach Berufsjahren zuzuordnen sind. Die vormalige Arbeitgeberin, deren Gesamtrechtsnachfolgerin die durch Staatsvertrag der Länder mit Wirkung zum 1. Juli 2012 gegründete Beklagte ist, beließ es im Bereich der Vergütung nicht bei dem tariflichen Vergütungssystem, sondern fügte seit jeher - als „Haustarif“ - jeder der neun tariflichen Vergütungsgruppen den spätestens „im elften Berufsjahr“ endenden Steigerungsstufen sog. übertarifliche Stufen - nummeriert mit 21, 31, 41 und 51 - hinzu.

4

Zur Vergütung teilte die damalige Arbeitgeberin dem Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 mit:

        

„ …     

        

Wir haben Ihr Gehalt mit Wirkung vom 1. Januar 1997 angehoben. Es beträgt jetzt in der Tarifgruppe 7 der übertariflichen Stufe 21 DM 5.431,-- monatlich.“

5

Anlässlich der „Überleitung“ der Arbeitsverhältnisse von einem Eigenbetrieb zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts im Jahre 2009 wandte sich der Vorstandsvorsitzende der vormaligen Arbeitgeberin per E-Mail vom 10. Juli 2009 an die Beschäftigten wie folgt:

        

„Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

        

wie Sie wissen, war im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang der [X.] vom Eigenbetrieb auf die Anstalt öffentlichen Rechts über die wichtige Frage der statischen oder dynamischen Anwendung des [X.] auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, bei denen sich eine dynamische Anwendung nicht aufgrund der Rechtslage ‚automatisch‘ ergab, zu entscheiden.

        

Auf seiner 1. Sitzung am 1. April 2009 ist unser Aufsichtsrat unserem Vorschlag gefolgt und hat der dynamischen Besitzstandswahrung für alle Mitarbeiter zugestimmt. Der Beschluss des Gremiums lautet konkret: ‚Der Aufsichtsrat stimmt einer Anwendung der dynamischen Besitzstandswahrung für alle Mitarbeiter der [X.] zu, die vor dem 1. April 2009 für die [X.] tätig waren.‘ Dies bedeutet, dass zukünftige Änderungen im Bankentarifvertrag wie z.B. Lohnerhöhungen, neue Regelungen zum Urlaub oder zur Arbeitszeit auch weiterhin für Sie alle gelten.

        

…“    

6

Bis zum [X.] haben die Beklagte bzw. ihre [X.] die Gehälter der Beschäftigten insgesamt, dh. einschließlich der übertariflichen Stufe, entsprechend den Tariferhöhungen im Bankengewerbe erhöht. Anlässlich der Unterrichtung über eine Tariferhöhung 2014 wies die Beklagte den Kläger erstmals darauf hin, es bestehe kein Anspruch „auf eine Erhöhung Ihres über- bzw. außertariflichen Teils Ihres Gehalts entsprechend der Tariflohnerhöhung“. Zur Tariferhöhung im privaten und öffentlichen Bankgewerbe von 1,5 % ab dem 1. Oktober 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Personalausschuss und Vorstand hätten beschlossen, diese „vollständig auf den übertariflichen Anteil der übertariflichen Gehälter anzurechnen“.

7

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, mit der er für die Gehälter der Monate Oktober 2016 bis Februar 2017 und die jeweils mit dem [X.]ovembergehalt geleistete jährliche Sonderzahlung eine Erhöhung um 1,5 % verlangt.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 401,76 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2016 auf 66,96 [X.], seit dem 1. [X.]ovember 2016 auf 133,92 [X.], seit dem 1. Dezember 2016 auf 66,96 [X.], seit dem 1. Januar 2017 auf 66,96 [X.] und seit dem 1. Februar 2017 auf 66,96 [X.] zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision begehrt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht die Berufung des [X.] gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat Anspruch auf eine Gehaltserhöhung um 1,5 % ab dem 1. Oktober 2016.

1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass auf ihr Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken Anwendung finden und diese Bezugnahme dynamisch ausgestaltet ist. Aufgrund dessen ist die Beklagte verpflichtet, das Gehalt des [X.] zum Zeitpunkt der Tariferhöhungen um den tariflich vorgesehenen Prozentsatz zu steigern.

2. Dass die Beklagte die Gehaltserhöhung, zu der sie dem Grunde nach durch die dynamisch ausgestaltete Bezugnahmeklausel verpflichtet ist, auf der Basis des dem Kläger zum Zeitpunkt der Erhöhung zustehenden tatsächlichen Gehalts und nicht nur eines - gedachten - „tariflichen Anteils“ daran vornehmen muss, ergibt sich aus betrieblicher Übung.

a) Die Beurteilung, ob eine betriebliche Übung entstanden ist und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung ([X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 20; 24. Februar 2016 - 4 [X.] - Rn. 18 mw[X.]).

b) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach [X.] unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich (st. Rspr., vgl. nur [X.] 11. Juli 2018 - 4 [X.] - Rn. 29 mw[X.]; 23. August 2017 - 10 [X.] - Rn. 18). Eine betriebliche Übung kann auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen ([X.] 29. August 2012 - 10 [X.] - Rn. 20 mw[X.]). Für den Anspruch aus betrieblicher Übung ist unerheblich, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bi[X.]er schon in die Übung einbezogen worden ist ([X.] 28. Mai 2008 - 10 [X.] - Rn. 18). Sie richtet sich an alle Beschäftigten eines Betriebs oder zumindest kollektiv abgrenzbare Gruppen. Das Vertragsangebot des Arbeitgebers ist regelmäßig so zu verstehen, dass er - vorbehaltlich besonderer Abreden - alle Arbeitnehmer zu den im Betrieb üblichen Bedingungen beschäftigen will (vgl. [X.]/[X.] 4. Aufl. § 10 Rn. 23; [X.]/Müller-Glöge 7. Aufl. § 611 Rn. 416; [X.] [X.]-HdB/[X.] 17. Aufl. § 110 Rn. 21; Waltermann RdA 2006, 257, 265). [X.] der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, muss er bei oder im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung den Beschäftigten klar und verständlich deutlich machen, er wolle sich für die Zukunft nicht binden ([X.], vgl. nur [X.] 18. März 2009 - 10 [X.] - Rn. 17 ff.; [X.]/Preis 18. Aufl. § 611a BGB Rn. 222; [X.]/Thüsing 8. Aufl. § 611a BGB Rn. 384; [X.] [X.]-HdB/[X.] 17. Aufl. § 110 Rn. 17; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 10 Rn. 18).

c) Von diesen Grundsätzen hat das [X.] eine Ausnahme gemacht, wenn der Arbeitgeber freiwillig - also ohne rechtliche Verpflichtung aufgrund von [X.] - die Entgelte der Beschäftigten entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet anhebt. In diesem Falle müssen für das Entstehen einer betrieblichen Übung auf weitere entsprechende Gehaltserhöhungen in der Folgezeit deutliche Anhaltspunkte in dem Verhalten des Arbeitgebers dafür sprechen, dieser wolle die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen ([X.] 24. Februar 2016 - 4 [X.] - Rn. 21; 19. Oktober 2011 - 5 [X.] - Rn. 14; 23. März 2011 - 4 [X.]/09 - Rn. 61 mw[X.]). Denn die fehlende [X.] des Arbeitgebers verdeutlicht - für den Arbeitnehmer erkennbar - den [X.]en des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen. Dadurch soll der nicht tarifgebundene Arbeitgeber, der freiwillig die Entgelte entsprechend den Tariferhöhungen seiner Branche steigert, nicht schlechter gestellt werden als der tarifgebundene Arbeitgeber, der die Möglichkeit hat, durch [X.] eine dauerhafte Bindung zu vermeiden.

d) Weil es für das Entstehen einer betrieblichen Übung grundsätzlich unerheblich ist, ob der Arbeitgeber bei seinem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen handelt (oben Rn. 16), kommt diese (Ausnahme-)Rechtsprechung, auf die das [X.] seine Entscheidung zu Ungunsten des [X.] gestützt hat, nur zur Anwendung, wenn der [X.]e des Arbeitgebers, sich für die Zukunft nicht binden zu wollen, für die Arbeitnehmer erkennbar ist. Diese Voraussetzung liegt - anders als bei [X.] des nicht tarifgebundenen Arbeitgebers entsprechend den Tariferhöhungen seiner Branche, bei denen schon die fehlende Tarifbindung den fehlenden Bindungswillen erkennen lässt - im Streitfall nicht vor.

aa) Die Beklagte bzw. ihre [X.] haben sich durch die Inbezugnahme von Tarifverträgen gegenüber den Arbeitnehmern vertraglich gebunden und sich außerdem mit der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk für die Zukunft der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien anvertraut (vgl. [X.] 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 24).

bb) Des Weiteren haben die Beklagte bzw. ihre [X.] den bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmern seit jeher ein höheres Entgelt gezahlt als sie aufgrund der Inbezugnahme des Tarifvertrags für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken zu zahlen verpflichtet waren. Sie haben zusätzlich ein betriebliches Entgeltsystem geschaffen, das innerhalb des geltenden tariflichen Vergütungs- und Eingruppierungssystems eigene „Steigerungsstufen“ vorsieht und diesen bestimmte Geldbeträge zuordnet. Diese haben sie über Jahre hinweg entsprechend den Tariferhöhungen im Bankgewerbe erhöht. Beschränkt der Arbeitgeber [X.] nicht auf den Arbeitsverdienst, den er durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrags zu zahlen verpflichtet ist, sondern erhöht er zugleich den zusätzlich gewährten übertariflichen Entgeltbestandteil in gleicher Weise wie den tariflichen, kommt es für das Entstehen einer betrieblichen Übung in Bezug auf den übertariflichen Vergütungsanteil allein darauf an, wie die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers nach [X.] (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten und durften. Der Arbeitgeber definiert diesen Vergütungsbestandteil autonom, ordnet ihm bestimmte Geldbeträge zu und entscheidet, welche Arbeitnehmer in den Genuss einer „Höherstufung“ kommen. Die Gehaltsentwicklung ist in diesem Fall nicht „unüberschaubar“ im Sinne der Rechtsprechung zur freiwilligen Tariferhöhung nicht tarifgebundener Arbeitgeber ([X.]. etwa [X.] 19. Oktober 2011 - 5 [X.] - Rn. 15 mw[X.]), vielmehr sind lediglich die vom Arbeitgeber selbst geschaffenen „übertariflichen Stufen“ bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einer betrieblichen Übung der dynamischen Ausgestaltung unterworfen. Die übertariflichen Entgeltbestandteile sind in Bezug auf das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht anders zu behandeln als sonstige übertarifliche Leistungen, wie etwa Sonderzahlungen, die zusätzlich zu tarifvertraglich geschuldeten Zahlungen vom Arbeitgeber geleistet werden. Den Eintritt dieser Rechtsfolge kann der Arbeitgeber durch entsprechende Vorbehalte (vgl. oben Rn. 16) verhindern.

e) Danach ist durch die jahrelang wiederholte Erhöhung des übertariflichen [X.] in Höhe der Tarifsteigerungen eine betriebliche Übung dahingehend entstanden, die Entgelte derjenigen Arbeitnehmer, denen ein das tarifliche übersteigendes Entgelt zugesagt worden ist, insgesamt entsprechend den Tarifsteigerungen im Bereich des privaten Bankgewerbes und der öffentlichen Banken zu erhöhen.

aa) Die entsprechende jahrzehntelange Praxis der [X.] bzw. deren [X.] mussten und durften die Arbeitnehmer nach [X.] in diesem Sinne verstehen. Unerheblich ist, ob in der Person des [X.] die Voraussetzungen der betrieblichen Übung entstanden sind, weil es nach den Feststellungen des [X.]s bei der [X.] und deren [X.] seit jeher das System der vier übertariflichen Stufen gab, die Vergütung in einem einheitlichen Betrag ausgewiesen wurde und die [X.] auch stets den übertariflichen Gehaltsbestandteil erfassten. Einen dem entgegenstehenden Vorbehalt haben die Beklagte oder ihre [X.] nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s im Zusammenhang mit den [X.] nie geäußert (zum Transparenzerfordernis eines Vorbehalts vgl. zB: [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 13 ff.; 14. September 2011 - 10 [X.] - Rn. 20 ff., [X.]E 139, 156).

bb) Einem solchen Verständnis des Verhaltens der [X.] entgegenstehende Begleitumstände sind weder ersichtlich noch dargetan.

(1) Angesichts des von der [X.] bzw. ihrer [X.] praktizierten innerbetrieblichen Entgeltsystems mit vorbehaltslosen „Tariferhöhungen“ auch bei den übertariflichen Stufen innerhalb der Tarifgruppen fehlte für die betroffenen Beschäftigten jeglicher Anhaltspunkt für die Annahme, die vormalige Arbeitgeberin wolle bei jeder Tariferhöhung neu darüber entscheiden, ob sie auch einen - gedachten - übertariflichen Gehaltsanteil anhebt. Dass die Beklagte nach jeder Tarifsteigerung eigene Gehaltstabellen erstellte, war entgegen der Auffassung des [X.]s nicht geeignet, einen (eventuell) fehlenden Bindungswillen zu verdeutlichen. Die Gehaltstabellen drücken - so auch die Beklagte in der Revisionserwiderung - lediglich den „aktuellen Stand“ ab, dh. die konkrete Höhe des Geldbetrags, der nach der Tariferhöhung den einzelnen Stufen der Vergütungsgruppen entsprechend dem „Haustarif“ zugeordnet war. Für einen (eventuell) fehlenden Bindungswillen sind sie ohne Aussagekraft.

(2) Ein Anhaltspunkt dafür, die Beklagte bzw. ihre [X.] hätten bei jeder Tariferhöhung neu entscheiden wollen, ob auch die übertariflichen Gehälter entsprechend gesteigert würden, ergibt sich auch nicht aus der E-Mail des Vorstandsvorsitzenden vom 10. Juli 2009. Im Gegenteil: Wenn dort die Rede ist von einer „dynamischen Besitzstandswahrung“ für die Beschäftigten, die - wie der Kläger - vor dem 1. April 2009 für die [X.] tätig waren, und in diesem Zusammenhang beispielhaft „Lohnerhöhungen“ erwähnt werden, ist dies vor dem Hintergrund der bis dahin geübten betrieblichen Praxis geeignet, den Eindruck zu erwecken, es gebe insoweit keine Änderungen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre die vormalige Arbeitgeberin gehalten gewesen, einen angeblich fehlenden Bindungswillen klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen hat sie noch jahrelang ohne Vorbehalt die Gehälter entsprechend den Tariferhöhungen in der Bankenbranche auch in den übertariflichen Steigerungsstufen erhöht und sogar noch in der Abrechnung für Oktober 2016 das Gehalt des [X.] insgesamt als „Tarifgehalt“ bezeichnet.

3. Die Beklagte hat den Anspruch des [X.] auf Gehaltserhöhung nicht erfüllt. Weil sie verpflichtet ist, das dem Kläger zu diesem Zeitpunkt geschuldete Gehalt in Gänze zum 1. Oktober 2016 um 1,5 % anzuheben, bleibt für eine irgendwie geartete „Anrechnung“ kein Raum.

4. Die Höhe des monatlichen Steigerungsbetrags (66,96 Euro brutto) steht zwischen den Parteien außer Streit. Desgleichen ist unstrittig, dass dem Kläger arbeitsvertraglich eine Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts zugesagt ist und diese - über die Vorgaben des § 10 [X.]r. 1 [X.] Banken hinausgehend - in der Vergangenheit stets entsprechend den Tariferhöhungen auch im „übertariflichen Anteil“ erhöht wurde.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 [X.]r. 1 BGB. [X.]ach dem Arbeitsvertrag erhält der Kläger die Vergütung „jeweils am Anfang des Kalendermonats“, sodass sie am jeweils [X.] fällig ist. Der Verzug beginnt somit nicht an diesem, sondern erst am Folgetag. Soweit der Kläger einen früheren Zinsbeginn beantragt hat, ist die Klage abzuweisen.

II. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    [X.]    

        

    Berger    

        

    Biebl    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Dohna-Jaeger    

                 

Meta

5 AZR 439/17

19.09.2018

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 15. Februar 2017, Az: 28 Ca 351/16, Urteil

§ 151 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2018, Az. 5 AZR 439/17 (REWIS RS 2018, 3651)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 169-170 NJW 2019, 385 REWIS RS 2018, 3651

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

9 AZR 579/16

3 AZR 267/20

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