Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.06.2022, Az. X R 6/20

10. Senat | REWIS RS 2022, 7063

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Gegenstand

Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung auch bei Veräußerung von Wirtschaftsgütern gegen wiederkehrende Bezüge im Rahmen einer Betriebsaufgabe


Leitsatz

Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann --wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge-- zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 24.01.2020 - 4 K 28/18 aufgehoben.

Die Einkommensteuer 2014 wird unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten vom 05.02.2018 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Berücksichtigung von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 34.344 € ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte einen handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt stellte die Klägerin ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten Versicherungsunternehmen.

2

Einen Großteil der Wirtschaftsgüter ihres Geschäftsbetriebs veräußerte die Klägerin an die [X.] gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente in Höhe von 3.000 € ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen. Weitere nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgüter (PKW, Kundenforderungen, Kassenbestand, Bankguthaben, Verpflichtungen aus Rückstellungen, Bank- und andere Verbindlichkeiten), die ebenfalls nicht an die [X.] veräußert wurden, sind in § 1 Abs. 2 des [X.] aufgeführt. Als Übertragungsstichtag wurde der 02.01.2014 vereinbart. An diesem Tag übergab die Klägerin die entsprechenden Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die [X.] und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen. Der gemeine Wert der in ihr Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter betrug 85.134,44 €. Auf diese entfielen [X.] in Höhe von 67.453,84 €.

3

In ihrer Einkommensteuererklärung für das dem Streitjahr vorhergehende [X.] vertrat die Klägerin die Ansicht, dass lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und deren [X.]n, also in Höhe von 17.680 €, eine Sofortbesteuerung zu erfolgen habe. Dagegen war der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) der Auffassung, die Klägerin habe auch die stillen Reserven der von ihr gegen [X.] an die [X.] veräußerten Wirtschaftsgüter schon im [X.] zu versteuern. Ein Wahlrecht zur [X.] bestehe nicht. Dieses lasse R 16 Abs. 11 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) nur für den Fall einer Betriebsveräußerung [X.] von § 16 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu. Vorliegend sei jedoch von einer Betriebsaufgabe auszugehen. Das [X.] ermittelte deshalb einen [X.], der auch den Barwert der [X.] umfasste. Diesen korrigierte das [X.] aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 auf 542.195,39 € und unterwarf ihn aufgrund des im dortigen Verfahren gestellten Antrags der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG. Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens beim Finanzgericht ([X.]) sind die Beteiligten übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, dass ein Betriebsaufgabegewinn erst im Streitjahr 2014 zu berücksichtigen sei, und haben den Rechtsstreit in der Hauptsache deshalb für erledigt erklärt.

4

Das [X.] erließ daraufhin am 05.02.2018 einen auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2014, in dem es den [X.] in voller Höhe berücksichtigte und ihn der ermäßigten Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG unterwarf. Im Rahmen der Sprungklage machte die Klägerin auch für die Einkommensteuerfestsetzung des [X.] geltend, es bestehe ein Wahlrecht auf Anwendung der [X.].

5

Das [X.] wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2020, 575). Der zutreffend ermittelte [X.] sei im Streitjahr 2014 zu erfassen. Ein Wahlrecht zur [X.] bestehe nicht. Da die Klägerin das Betriebsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage in ihr Privatvermögen überführt habe, liege eine Betriebsaufgabe vor. Anders als im Fall der Veräußerung des Betriebs verblieben in einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen ausreichende Mittel zur Zahlung der Einkommensteuer, die aufgrund der Sofortbesteuerung des [X.]s anfalle. Ansonsten komme eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 [X.] in Betracht.

6

Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das [X.] habe verkannt, dass auch im Fall einer Betriebsaufgabe die §§ 16, 34 EStG teleologisch reduziert werden müssten, da eine Sofortbesteuerung der [X.] als Teil des [X.]s unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen Gewinn versteuere. Soweit das [X.] darauf abstelle, dass bei einer Betriebsaufgabe Mittel zur Entrichtung der Steuer vorhanden seien, verkenne es die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf das Wahlrecht zur [X.]. Dies müsse auch bei der Betriebsaufgabe ermöglicht werden. Unter Aufteilung in einen Tilgungs- und Zinsanteil und unter Einbeziehung des sofort zu versteuernden Teils des [X.]s sowie der von der Klägerin zu tragenden Rückbauaufwendungen seien lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 34.344 € im Streitjahr anzusetzen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung für 2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 34.344 € herabgesetzt werden.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Es verweist auf das [X.]-Urteil und trägt ergänzend vor, durch die Gewährung des Wahlrechts, den Gewinn aus einer Betriebsveräußerung alternativ der [X.] unterwerfen zu können, werde die Übertragung ganzer lebender Gewerbebetriebe ohne Zerschlagung gefördert. Daran fehle es im Fall einer Betriebsaufgabe jedoch. Auch sei die Ausdehnung dieses Wahlrechts auf die Betriebsaufgabe nicht durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten. Vielmehr führe es zu einer ungerechtfertigten Abweichung von der gesetzlich angeordneten Sofortbesteuerung des [X.]s.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der [X.] entscheidet über die spruchreife Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und gibt der Klage nach Maßgabe des Antrags der Klägerin statt.

Zutreffend ist das [X.] von einer Aufgabe des Gewerbebetriebs der Klägerin im Streitjahr 2014 ausgegangen (unten 1.). Die Klägerin konnte das Wahlrecht ausüben, den Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der [X.] entfällt, erst bei einem das Kapitalkonto und die Aufgabekosten übersteigenden Zufluss der Rentenzahlungen zu realisieren und die Rentenzahlungen insoweit als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern (unten 2.). Im Streitjahr hat die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der beantragten Höhe von 34.344 € zu versteuern; die Einkommensteuer ist entsprechend zu reduzieren (unten 3.). Eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht (unten 4.).

1. Die Klägerin hat im Streitjahr 2014 den Tatbestand einer Betriebsaufgabe erfüllt.

a) Die Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG beginnt zwar bereits mit der ersten vom Aufgabeentschluss getragenen Handlung, die objektiv auf die Auflösung des Betriebs gerichtet ist (vgl. nur Urteil des [X.] --[X.]-- vom 21.10.1993 - IV R 42/93, [X.], 285, [X.] 1994, 385, unter 1.a). Für die Gewinnverwirklichung im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist aber nicht deren Beginn, sondern der Zeitpunkt des einzelnen [X.] relevant. Denn der Betriebsaufgabegewinn kann in verschiedenen [X.] entstehen ([X.]surteil vom 02.09.2008 - X R 32/05, [X.], 217, [X.] 2009, 634, unter [X.], m.w.N.).

b) Hiervon ausgehend hat das [X.] zu Recht eine Betriebsaufgabe im Streitjahr 2014 angenommen. Denn die Klägerin hat die zu ihrem Geschäftsbetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter erst zum 02.01.2014 an die [X.] veräußert und auch erst in diesem Zeitpunkt die übrigen Wirtschaftsgüter, insbesondere das als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehende Betriebsgrundstück, in ihr Privatvermögen überführt.

2. Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die [X.] gegen [X.] kann aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der [X.] unterliegen. Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen. Dieses Wahlrecht hat die Klägerin ausgeübt.

a) Im Fall der Betriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen bestimmte wiederkehrende Bezüge kann der Steuerpflichtige zwischen der Sofortbesteuerung und der [X.] wählen.

aa) Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge --insbesondere gegen eine [X.]--, gewähren sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung (R 16 Abs. 11 EStR) einkommensteuerrechtliche Erleichterungen. Die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. zur Entwicklung nur das [X.]surteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, [X.], 58, [X.] 2013, 883, Rz 16 ff., m.w.N.) geht dabei davon aus, dass zwar die Sofortbesteuerung der gesetzliche Normalfall ist, die [X.] aber "eine auf [X.] unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung" darstellt. Aus diesem Grund muss der Steuerpflichtige bei einer Betriebsveräußerung die [X.] auch ausdrücklich wählen (weiterführend auch [X.]surteil vom 05.11.2019 - X R 12/17, [X.], 224, [X.] 2020, 262, Rz 14).

[X.]) Die Eröffnung dieses Wahlrechts zur [X.] hat der [X.] mit dem für den Veräußerer verbundenen Wagnis begründet und ergänzend auf den [X.] dieser Zahlungen abgestellt.

(1) Schon lange erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung im Fall einer Betriebsveräußerung gegen [X.] "das Wagnis in der durch die Bindung an die Lebenszeit einer Person bedingten Ungewißheit der Rentenlaufzeit" ([X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 111, 477, [X.] 1974, 452, unter 2.a, m.w.N.) an. Demzufolge wird dem Veräußerer ein Wahlrecht eingeräumt, den Veräußerungsgewinn entsprechend dem Zufluss zu versteuern. Das EStG enthält keine eindeutige Regelung über das Verhältnis zwischen §§ 16, 34 EStG einerseits und § 24 Nr. 2 EStG andererseits. Deshalb ist die Einkommensbesteuerung "einer den Besonderheiten der Vertragsgestaltung im Einzelfall gerechtwerdenden Auslegung zugänglich", deren Ergebnis darin bestehen kann, dass das Gesetz dem Steuerpflichtigen insoweit ein Wahlrecht einräumt (so [X.]-Urteil in [X.]E 111, 477, [X.] 1974, 452, unter 2.a).

(2) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat darüber hinaus das Wahlrecht zwischen Sofort- und [X.] in Fällen anderer langfristig wiederkehrender Bezüge zugelassen, die nicht im Interesse des Erwerbers, sondern hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart wurden, um dessen Versorgung zu sichern. Dabei hat der [X.] darauf verwiesen, dass im Fall eines ungewöhnlich langen, nicht mehr übersehbaren Zeitraums diese Bezüge ähnlich wagnisbehaftet wie eine [X.] sind (vgl. nur [X.]-Urteil vom 26.07.1984 - IV R 137/82, [X.]E 141, 525, [X.] 1984, 829, unter [X.], m.w.N.). Auch hat der [X.] in diesen Fällen auf die ungewisse Versorgung des Veräußerers abgestellt. Erstreckt sich die Versorgung des Berechtigten nämlich über eine längere Zeit, ist eine Milderung des Grundsatzes der sofortigen Versteuerung der durch die Veräußerung des Betriebs realisierten stillen Reserven geboten und wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung die Erfassung des [X.] erst im Zeitpunkt des Zuflusses notwendig (vgl. [X.]-Urteil vom [X.] - VIII R 131/70, [X.]E 114, 79, [X.] 1975, 173, unter 2.b).

(3) Im Vordergrund dieser Rechtsprechung steht also das Risiko, dass im Fall eines frühen Todes des Veräußerers bei einer Sofortbesteuerung mehr versteuert werden muss als dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen ist (so schon [X.]surteil vom 17.07.2013 - X R 40/10, [X.], 58, [X.] 2013, 883, Rz 61). Das Wahlrecht trägt dem Umstand Rechnung, dass einerseits die wiederkehrenden Bezüge mit ihrem Gegenwartswert zu bewerten sind und damit der Veräußerungsgewinn bereits im Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen verwirklicht wird, andererseits jedoch das --gemessen an der statistischen Wahrscheinlichkeit-- vorzeitige Versterben des Rentenberechtigten nicht zu einer (rückwirkenden) Korrektur des Veräußerungsgewinns führt (vgl. [X.]-Urteil vom 14.05.2002 - VIII R 8/01, [X.]E 199, 198, [X.] 2002, 532, unter [X.]).

(4) Die [X.] bewirkt lediglich eine zeitliche Streckung der anfallenden Steuerzahlungen, die sich der Steuerpflichtige durch den Verlust der Begünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG (Freibetrag) und des § 34 EStG (ermäßigter Steuersatz) quasi "erkauft" (vgl. [X.]surteil in [X.], 58, [X.] 2013, 883, Rz 63).

b) Im Fall einer Betriebsaufgabe, bei der Wirtschaftsgüter gegen langfristig wiederkehrende Bezüge, insbesondere [X.]n, veräußert werden, ist das Wahlrecht zur [X.] --bezogen auf diese veräußerten [X.] ebenfalls zu gewähren. Es liegt eine vergleichbare Interessenlage vor.

aa) Bislang hat der [X.] lediglich entschieden, dass ein solches Wahlrecht bei der Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts gegen [X.] aus einem fortbestehenden Betrieb nicht zu gewähren ist ([X.]-Urteil vom 20.01.1971 - I R 147/69, [X.]E 101, 218, [X.] 1971, 302, unter 1.b). Er hat dies damit begründet, dass der Betrieb nach der Veräußerung des Wirtschaftsguts beim Veräußerer fortbesteht und der Gewinn des [X.] durch eine Ausbuchung der aktivierten [X.]nforderung gemindert wird; dies gleicht --anders als in den Fällen des § 16 EStG-- das mit der [X.] verbundene Risiko eines statistisch vorzeitigen Versterbens aus.

[X.]) Hiervon unterscheidet sich jedoch eine Betriebsaufgabe, bei der ebenfalls Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert werden. Denn ebenso wie nach der Betriebsveräußerung im Ganzen ist der Veräußerer nach einer Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufgabe nicht mehr Inhaber des Betriebs. Wie bei einer Betriebsveräußerung liegt es in seinem Interesse, für diese Veräußerung nicht mehr Einkommensteuer zahlen zu müssen, als er nach Maßgabe der tatsächlich zugeflossenen Rentenzahlungen müsste. Dieses Risiko ist auch bei einer Betriebsaufgabe vorhanden. Stirbt der (frühere) Betriebsinhaber vor Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung, hätte er einen Gewinn zu versteuern, der nachträglich nicht korrigiert werden kann, da kein rückwirkendes Ereignis gegeben ist, sondern sich ein vertragsimmanentes Wagnis konkretisiert (vgl. [X.] in [X.]E 199, 198, [X.] 2002, 532, unter [X.][X.]b).

cc) Aufgrund des beschriebenen Wagnischarakters und im Hinblick auf den [X.] derartiger Bezüge erscheint eine gleiche Behandlung von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe jeweils gegen wiederkehrende Bezüge zwingend. Dies gilt umso mehr, als im Fall der Betriebsveräußerung das Wahlrecht, die wiederkehrenden Bezüge erst bei Zufluss zu versteuern, schon dann eröffnet ist, wenn nur ein Teil des Kaufpreises in dieser Form erbracht wird, der andere Teil aber aus einer Einmalzahlung besteht (so Kulosa in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 16 EStG Rz 582; vgl. auch [X.]-Urteil vom 20.12.1988 - VIII R 110/82, [X.]/NV 1989, 630, unter 1. zur Betriebsveräußerung gegen Einmalzahlung und wiederkehrenden Bezügen).

dd) Wie im Fall der Betriebsveräußerung kann das Wahlrecht zur [X.] bei der Betriebsaufgabe im Wege einer teleologischen Reduktion der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis zu § 24 Nr. 2 EStG hergeleitet werden. Auch bei einem Betriebsaufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 EStG, der wie der Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG zu behandeln ist, ist nicht geklärt, ob diese Vorschriften § 24 Nr. 2 EStG verdrängen. Sinn und Zweck der begünstigten Besteuerung des Veräußerungs- sowie des Aufgabegewinns aufgrund des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG --ggf. unter Berücksichtigung der Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG-- ist die Gewährung einer Tarifbegünstigung für den Fall einer zusammengeballten Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt und in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden (vgl. [X.]-Urteil vom 17.12.2014 - IV R 57/11, [X.]E 248, 66, [X.] 2015, 536, Rz 16, m.w.N.). § 24 Nr. 2 EStG ordnet dagegen zufließende Einkünfte nach der Beendigung einer Tätigkeit oder Einkunftsart --insoweit klarstellend-- der in der Vergangenheit verwirklichten Einkunftsart zu (statt aller vgl. nur [X.]/Horn, § 24 EStG Rz 70, m.w.N.).

Da wie im Fall der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge auch bei der Betriebsaufgabe unter Veräußerung von Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen werden kann, ob eine unverhältnismäßig hohe Besteuerung trotz der Begünstigungen durch §§ 16 Abs. 4, 34 EStG droht, bedarf es der am Zweck dieser Normen orientierten Einschränkung der Besteuerung des wagnisbehafteten Teils des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns. Folglich kann auch dieser Teil des Aufgabegewinns, wenn der Steuerpflichtige es wählt, nach dem Zufluss der Zahlungen, also nach § 24 Nr. 2 EStG, besteuert werden.

ee) Dieses Wahlrecht ist im Fall der Betriebsaufgabe nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige einen Teil der zuvor betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in seinem Eigentum behält.

Bereits bei einer Betriebsveräußerung ist es für die Anwendung des Wahlrechts auf [X.] unerheblich, ob der Veräußerer die nötigen Mittel erhält, um die im Fall der Sofortbesteuerung zu erbringenden Steuern begleichen zu können. Zudem stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich auf das Wagnis des früheren Ausfalls der wiederkehrenden Bezüge und/oder den [X.] dieser Zahlungen für den Veräußerer ab (vgl. oben [X.] [X.]).

ff) Eine Beschränkung der [X.] auf den Fall der Betriebsveräußerung lässt sich dem [X.]-Urteil vom 14.12.1988 - I R 44/83 ([X.]E 155, 368, [X.] 1989, 323) nicht entnehmen. Vielmehr stellte der [X.] dort unter 5.2 heraus, dass die Rechtsprechung nicht ausschließe, in anderen Fällen als der Betriebsveräußerung laufende Bezüge erst mit dem Zufluss zu besteuern.

3. Aufgrund der zulässigen Inanspruchnahme des Wahlrechts auf [X.] sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin im Streitjahr 2014 mit 34.344 € anzusetzen.

a) Der Aufgabegewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG entsprechend dem Veräußerungsgewinn zu ermitteln. Einzelne dem Betrieb gewidmete Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußert werden, sind mit dem Veräußerungspreis anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG). Somit ist zunächst die Summe der Veräußerungserlöse der im Rahmen der Betriebsaufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter sowie der nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG zu berücksichtigende gemeine Wert der nicht veräußerten, in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter zu ermitteln; dieser Betrag ist dem Buchwert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gegenüberzustellen. Der Unterschied zwischen diesen Werten --abzüglich etwaiger [X.] und [X.] ergibt den Aufgabegewinn (vgl. nur [X.]surteil vom 22.10.2013 - X R 14/11, [X.]E 243, 271, [X.] 2014, 158, Rz 42, m.w.N.). Eine Aufteilung des Buchwerts des Betriebsvermögens, der dem Kapitalkonto des Betriebs entspricht, erfolgt ebenso wenig wie im Fall der Betriebsveräußerung in Form einer Rente neben einem bestimmten Kaufpreisteil (vgl. [X.]-Urteil vom 21.09.1993 - III R 53/89, [X.]E 172, 349, unter [X.] cc, sowie [X.] auch zur Frage der Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG-- [X.]surteil vom 10.07.1991 - X R 79/90, [X.]E 165, 75, unter [X.]).

b) Nach diesen Grundsätzen ist für das Streitjahr kein Aufgabegewinn gemäß § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 EStG in Ansatz zu bringen. Die nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG für die ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter anzusetzenden gemeinen Werte betrugen 85.134,44 €; sie waren somit geringer als die Summe aus dem --nicht aufzuteilenden-- Kapitalkonto des Betriebs der Klägerin (81.747,34 €) und den Aufgabekosten (13.323,71 €), mithin 95.071,05 €. Soweit die Klägerin einen Aufgabegewinn von 4.356 € ermittelt hat (gemeiner Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ./. Buchwerte jener Wirtschaftsgüter [67.453,84 €] ./. Aufgabekosten [Rückbauaufwendungen]), ist sie von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen zu ihren Lasten ausgegangen.

c) Nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG sind für das Streitjahr zu berücksichtigen, soweit die zugeflossenen Rentenzahlungen die Summe aus Kapitalkonto und Aufgabekosten (95.071,05 €) abzüglich der bereits berücksichtigten gemeinen Werte der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (85.134,44 €), d.h. einen Betrag von 9.936,61 € überschritten haben.

d) Ob der Zinsanteil von den Rentenzahlungen zu separieren ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn die Klägerin begehrt mit ihrem Revisionsantrag eine Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe von 34.344 €. Diesen Betrag kann der [X.] nicht unterschreiten.

aa) Würde man auf die gesamten --nicht zwischen [X.] und Zinsanteil [X.] Rentenzahlungen von 36.000 € abstellen, ergäben sich für die Klägerin steuerbare nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.063,39 € (36.000 € ./. 9.936,61 €).

[X.]) Wäre dagegen der Zinsanteil (29.988 €) zu separieren und nur der Tilgungsanteil von 6.012 € zu berücksichtigen, wäre der noch unverbrauchte Betrag von 9.936,61 € im Streitjahr zwar nicht überschritten. Eine günstigere Besteuerungsfolge ergäbe sich für die Klägerin in diesem Fall aber nicht, da der Zinsanteil im Jahr des Zuflusses ebenfalls zu nachträglichen Einkünften aus Gewerbebetrieb führt. Dies hat der [X.] für die [X.] bei einer Veräußerungszeitrente bereits entschieden (Urteil in [X.], 224, [X.] 2020, 262, Rz 26) und gilt bei einer Veräußerungsleibrente sinngemäß. Eine Zuordnung zu den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG scheidet jedenfalls bei der Wahl zur [X.] aus, da die sonstigen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 EStG gegenüber den [X.] auch nachträglichen-- gewerblichen Einkünften subsidiär sind (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).

4. Im vorliegenden Fall sind sämtliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb --unabhängig von dieser Frage der Aufteilung der [X.] im Fall der [X.] in einen Zins- und [X.] nicht nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern. Zum einen unterliegen sowohl der Zins- wie auch der Tilgungsanteil der [X.] als nachträgliche Betriebseinnahmen gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG, da insoweit keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gegeben sind. Zum anderen fehlen aber auch ansonsten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG qualifiziert werden könnten. Wie unter [X.] gezeigt, übersteigt das Kapital des Betriebs zuzüglich der Aufgabekosten die gemeinen Werte der von der Klägerin in ihr Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter um 9.936,61 €.

Somit kann der [X.] die Frage unbeantwortet lassen, ob an der älteren [X.]-Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach auch in Fällen der [X.] die Begünstigung nach § 34 EStG ungeachtet dessen gewährt werden kann, dass der Gewinn aus der Betriebsveräußerung bzw. der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter über viele Jahre verteilt wird (vgl. Urteile vom 28.09.1967 - IV 288/62, [X.]E 90, 324, [X.] 1968, 76, unter 5.; in [X.]E 165, 75, unter [X.], und in [X.]E 172, 349, unter [X.]), obwohl es damit an der von der neueren Rechtsprechung geforderten "Außerordentlichkeit" der Einkünfte (vgl. nur [X.]surteil vom 06.05.2020 - X R 24/19, [X.]E 269, 265, [X.] 2021, 141, Rz 17, und vom 25.02.2014 - X R 10/12, [X.]E 245, 1, [X.] 2014, 668, Rz 33) fehlen könnte.

5. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem [X.] übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

6. [X.] ergibt sich aus § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 6/20

29.06.2022

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 24. Januar 2020, Az: 4 K 28/18, Urteil

§ 16 Abs 1 EStG 2009, § 16 Abs 2 EStG 2009, § 16 Abs 3 EStG 2009, § 24 Nr 2 EStG 2009, § 34 Abs 1 EStG 2009, § 34 Abs 2 Nr 1 EStG 2009, § 34 Abs 3 EStG 2009, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.06.2022, Az. X R 6/20 (REWIS RS 2022, 7063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7063

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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