Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2012, Az. 1 StR 59/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6013

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
[X.]

vom
29. Mai
2012
[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
______________________________

[X.] § 21

Bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit kommt der Blutalkoholkonzentration umso geringere Bedeutung zu, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiag-nostische Beweisanzeichen zur Verfügung stehen (Bestätigung und Fortfüh-rung von [X.], Urteil vom 29. April 1997 -
1 [X.], [X.]St 43, 66).

[X.], Beschluss vom 29. Mai 2012 -
1 [X.] -
LG [X.] II

in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 29. Mai
2012
beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.]s [X.] II vom 28. Oktober 2011 wird als unbegründet verwor-fen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] eines Kindes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§
349 Abs. 2 StPO).
A.
I. Auf der Grundlage eines umfassenden und näher überprüften Ge-ständnisses hat das [X.] folgendes Tatgeschehen festgestellt: Der An-geklagte begab sich am 16. Juli 2010 nach Beendigung seiner Arbeit -
er war im Frühdienst in einer Pension tätig, wo er u.a. für Abrechnungen zuständig war -
wie nahezu jeden Tag in seine Stammkneipe und trank dort ab 11.30 Uhr, spätestens ab 12.00 Uhr, mindestens sechs, maximal zehn Halbe Bier. [X.] hielt sich der Angeklagte vor der Kneipe auf einer Bank auf, die neben ei-nem Brunnen stand. An
diesem Nachmittag badeten Kinder in dem Brunnen, 1
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darunter der dem Angeklagten unbekannte, damals siebenjährige Geschädigte, der sich bis auf die Unterhose entkleidet hatte. Der Geschädigte verließ als letztes der Kinder den Brunnen und ging zu dem auf der Bank sitzenden Ange-klagten. Dieser trocknete den Jungen mit einem dort befindlichen Handtuch ab. Als der Junge seine Sorge äußerte, er könne mit seiner Mutter Ärger bekom-men, weil er nass und verdreckt sei, bot ihm der Angeklagte an, ihn mit in seine (des Angeklagten) Wohnung zu nehmen, um dort die Wäsche zu trocken.
Der Junge folgte dem Angeklagten in dessen nahegelegene Wohnung, die zu einem nicht ermittelbaren Zeitpunkt zwischen 17.00 Uhr und kurz nach 18.00 Uhr erreicht wurde. Dort brachte der Angeklagte den Jungen in das [X.], wo dieser sich entkleidete und in die Badewanne stieg. Nachdem der Angeklagte die Unterhose des Jungen zum Wäschetrockner gebracht und diesen angestellt hatte, ging er zu dem Jungen in das Bade
n-sprach den Jungen auf sichtbare Reste von dessen im April 2010 durchgeführ-ten [X.] an und äußerte, das werde helfen. Sodann griff er -
vor der Badewanne kniend -
mit seiner Hand an den Penis des Jungen, nahm die-am Geschlechtsteil des Jungen vor und zurück und zog mit dem Mund daran, um sich sexuell zu erregen. Dazu erklärte er dem Kind, er mache das, damit Der Angeklagte beendete den Oralverkehr, nachdem der Junge äußerte, dass er das eklig finde.
Anschließend trug der Angeklagte Babyöl oder eine Gleitcreme auf den [X.] auf und drang dabei mit einem seiner Finger dort ein und be-3
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4
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wegte den Finger mehrmals hin und her, um sich dadurch sexuell zu erregen. Dies verursachte bei dem Jungen, wie der Angeklagte zumindest billigend in [X.] gegenüber dem Angeklagten äußerte, beendete der Angeklagte diese sexuelle Handlung und hörte auch auf, den Jungen auf den
Mund zu küssen, wie er es im Verlauf des Geschehens getan hatte.
Als der Junge nach etwa 20 Minuten mit der zwischenzeitlich getrockne-ten Kleidung die Wohnung des Angeklagten verließ, sagte ihm der Angeklagte

[X.] Darüber hinaus hat das durch zwei Sachverständige beratene [X.] zur Schuldfähigkeit festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit alko-holbedingt enthemmt, jedoch in seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit weder aufgrund des Alkoholkonsums noch aufgrund sonstiger Umstände i.S.v.
§
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[X.] erheblich vermindert war.
Die [X.] hat unter Zugrundelegung der jeweils dem Angeklagten günstigsten Parameter (z.B. maximale Trinkmenge, kürzestmögliche [X.], Alkoholgehalt des Bieres) ohne den Angeklagten benachteiligenden [X.] Zeugen (u.a. der Wirt der Stammkneipe des Angeklagten) hat die [X.] entnommen, dass der Angeklagte an die angegebenen Trinkmengen gewöhnt war und seine dadurch bedingten Ausfallerscheinungen generell und sie, dass er nach einem im Mai 2010 erlittenen Schlaganfall und danach erfolg-ter Reha täglich sechs
bis zehn, gelegentlich auch vierzehn Halbe Bier trank, ohne dass es hierdurch zu Beeinträchtigungen in seinem Berufsleben gekom-men war. Die Kammer hat sich ferner -
nach eigener Prüfung -
die Ausführun-5
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gen des Sachverständigen (der aufgrund eines Rechen-/Schreibfehlers von zu eigen gemacht, wonach das Leistungsvermögen des Angeklagten sowie seine detailscharfe Erinnerung an die Abläufe am Tattag ebenso wie das [X.] eines stringenten intentionalen Handlungsbogens mit vielen planerischen Elementen und sinnvollen Reaktionen auf das Verhalten des Kindes gegen die Annahme erheblicher Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sprechen. Das Verhalten des Angeklagten am Tattag falle auch nicht aus dem Rahmen seines sonstigen Verhaltens.
Beim Angeklagten liege eine homosexuelle Kernpädophilie ohne forensi-schen Krankheitswert vor. Anhaltspunkte einer forensisch relevanten Leis-tungsminderung, einer endogenen Psychose, einer schweren Neurose oder einer schweren Persönlichkeitsstörung seien nicht erkennbar. Auch unter dem Aspekt eines Motivationsbündels mit Folgen des Schlaganfalls (zunehmende Ängstlichkeit, depressives Erleben) und der alkoholbedingten Enthemmung ergebe sich keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten.

B.
Die Revision des Angeklagten ist ohne Erfolg. Die Nachprüfung des [X.] auf Grund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nach-teil des Angeklagten ergeben
(§ 349 Abs. 2 StPO).
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I. Die Rüge, der gegen die Vorsitzende [X.]in angebrachte [X.] sei mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), bleibt aus den vom [X.] zutreffend
dargelegten Gründen erfolglos.
Der Angeklagte hatte sich in der Hauptverhandlung zunächst -
entgegen einem vom Verteidiger vor der Hauptverhandlung angekündigten Geständnis -
auf Erinnerungslücken berufen, so dass die [X.] seine Angaben zu-treffend nicht als Geständnis werten konnte. Daraufhin wurde die [X.] ausgesetzt und ein [X.] eingeholt. Die An-nahme, hieraus könnte sich die Besorgnis einer Befangenheit zu Lasten des Angeklagten ergeben, trifft offensichtlich nicht zu.
[X.] Der von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragene, auch von der Revision nicht näher beanstandete Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.
I[X.] Auch der Strafausspruch ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die [X.] von einem rechtsfehlerfrei gefundenen Straf-rahmen ausgegangen; Fehler bei der konkreten Strafbemessung sind nicht er-sichtlich.
1. Rechtsfehlerfrei hat die [X.] ungeachtet einer errechneten Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt von über 3

r-minderte Steuerungsfähigkeit i.S.v.
§
21 [X.] ausgeschlossen.
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a) Auszugehen ist dabei von Folgendem:
(1) Eine Blutalkoholkonzentration in der errechneten Höhe gibt -
wie die [X.] zutreffend erkannt hat -
Anlass zur Prüfung einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch; die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderter
Schuldfähigkeit ist dann grund-sätzlich zu erörtern.
(2) Darüber hinaus war in älterer Rechtsprechung die Auffassung vertre-ten worden, bei
Überschreiten bestimmter Grenzwerte sei die Steuerungsfähig-erheblich vermindert (vgl. nur [X.], Urteil vom 22. November 1990 -
4 [X.], [X.]St 37, 233 ff.). Dies war aus juristischer Sicht wegen des zu [X.] Gewichts der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. Nachweise bei [X.], Beschluss vom 9. Juli 1996 -
1 [X.], [X.], 592; zusammenfassend auch Schild in Kindhäuser/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 20 Rn. 81 f.) nie un-u
2000, [X.], 533). In der forensisch-psychiatrischen Wissenschaft
war diese
schematisierende Auffassung nahezu einhellig abgelehnt worden, weil die Wir-kung von Alkohol auf jeden Menschen unterschiedlich sei (z.B.
[X.] [X.], 569; [X.] [X.], 593).
Diese Rechtsprechung wurde deswegen aufgegeben, nachdem sämtli-che Strafsenate des [X.] auf Anfrage des Senates (§ 132 Abs.
2 [X.]; [X.], Beschluss vom 9. Juli 1996 -
1 [X.]) zuvor erklärt hatten, eine gegenteilige Auffassung nicht (mehr) zu vertreten ([X.], Beschluss vom 6. November 1996 -
2 [X.]; [X.], Beschluss vom 30. Oktober 15
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1996 -
3 ARs 17/96; [X.], Beschluss vom 3. Dezember 1996 -
4 ARs 6/95;
[X.], Beschluss vom 6. November 1996 -
5 ARs 59/96).
Seither ist gefestigte Rechtsprechung des [X.], dass es keinen Rechts-
oder Erfahrungssatz gibt, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer
verminderter Schuldfähigkeit auszugehen (grund-legend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 -
1 [X.], [X.]St 43, 66 ff.; vgl. weiter u.a. auch Beschluss vom 29. November 2005 -
5 [X.]; [X.], Urteil vom 22. Oktober 2004 -
1 [X.]; [X.], Urteil vom 16.
September 2004 -
1 [X.]; [X.], Beschluss vom
3. Dezember 2002
-
1 [X.]; [X.], Beschluss vom 5. April 2000 -
3 [X.];
[X.], [X.] vom 3. Dezember
1999 -
3 StR 481/99).
Allerdings wird in neueren Entscheidungen (Nachweise bei [X.] NStZ-RR 2012, 161, 162 ff.) vereinzelt unter Hinweis auch auf ältere (aufgegebene) Rechtsprechung der Blutalkoholkonzentration wieder stärkere indizielle Bedeu-tung beigemessen. Hierdurch sollte offenkundig (vgl. § 132 Abs.
2 [X.]) den Besonderheiten der zu entscheidenden Einzelfälle (z.B.
Möglichkeit einer
schockartigen Ernüchterung nach [X.]) Rechnung getragen, keineswegs aber die aufgezeigte Rechtsprechung des [X.] in Frage gestellt werden. Hierzu bestünde angesichts der ihr zugrundeliegenden und seither auch nicht angezweifelten medizinischen Erfahrungssätze auch keine Veran-lassung.

für jeden Einzelfall gültige psychopathologische, neurologisch-körperliche Symptome oder Verhaltensauffälligkeiten zuzuordnen. Es existiert keine lineare 19
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Abhängigkeit der Symptomatik von der Blutalkoholkonzentration. Aus diesen Gründen ist es prinzipiell unmöglich, allein aus der Blutalkoholkonzentration das Ausmaß einer alkoholisierungsbedingten Beeinträchtigung ableiten zu wol-[X.] in [X.]/[X.], Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. 2009, [X.]; ebenso [X.], Forensische Psychiatrie, 3. Aufl. 2007, S.
124 ff.; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Leygraf/[X.], Handbuch der Forensischen Psy-chiatrie, Band 1 S. 111 f.).
Es wäre daher auch verfehlt, einem psychodiagnos-tischen Beweisanzeichen -
etwa dem Leistungsverhalten vor, bei oder nach Tatbegehung -
von vornherein mit Blick auf eine bestimmte Blutalkoholkonzent-ration oder mit Blick auf eine zum Erreichen höherer Blutalkoholwerte notwen-digerweise bestehende Alkoholgewöhnung eine Aussagekraft zur Beurteilung der Schuldfähigkeit i.S.d.
§§ 20, 21 [X.] abzusprechen. Zur Problematik der Feststellung einer Blutalkoholkonzentration anhand von [X.] eines Angeklagten verweist der Senat überdies auf die zutreffenden Ausfüh-rungen von [X.] und [X.] (in [X.]/[X.]/Leygraf/[X.], Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 2 S. 245).
(3) Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit maßgeblich ist demnach eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des [X.] vor, während und nach der Tat beziehen (grundlegend Senatsentscheidung vom 29. April 1997 -
1 [X.], [X.]St 43, 66 ff.; auch [X.], Beschluss vom 5. April 2000 -
3 [X.]; [X.], Urteil vom 22. Januar 1997 -
3 [X.]). Dabei kann die -
regelmäßig deshalb zu bestimmende (vgl. [X.], Beschluss vom 28. März 2012 -
5 [X.]; [X.], Beschluss vom 8. Oktober 1997 -
2 StR 478/97) -
Blutalkoholkonzentration ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls [X.] maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein (vgl. [X.], Urteil vom [X.] 2004 -
1 [X.]; [X.], Urteil vom 6. Juni 2002 -
1 [X.]; [X.], 22
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Urteil vom 3. Dezember 2002 -
1 [X.]; vgl.
auch [X.], Urteil vom
11.
September 2003 -
4 [X.]; [X.], Urteil vom 22. April 1998 -

3 StR 15/98).
Welcher Beweiswert der Blutalkoholkonzentration (die weniger zur Aus-wirkung des Alkohols als lediglich zu dessen wirksam aufgenommener Menge aussagt) im Verhältnis zu anderen psychodiagnostischen Beweisanzeichen beizumessen ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Er ist umso gerin-ger, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Kriterien (Überblick hierzu z.B.: [X.], Psyche, Unrecht und Schuld, 2002, S. 194 ff.;

Detter, Strafzumessung, 2009, [X.] Teil Rn. 83) zur Verfügung stehen. So [X.] die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine erheblich vermin-derte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung auch bei einer [X.] -
3 StR 481/99), umgekehrt eine solche selbst bei errechneten Maximal--
1 [X.]

b) Dies zugrunde gelegt zeigt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
(1) Die [X.] hat den aufgezeigten Maßstab beachtet und [X.] von ihr bestimmten Blutalkoholkonzentration die Frage der Schuldfähigkeit in einer Gesamtschau aller Umstände beurteilt.
Die [X.] geht von einer ohne den Angeklagten [X.]

der Sachverständige seinem Gutachten eine Blutalkoholkonzentration von 3,46

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dass es sich hierbei um einen Schreib-
bzw. Rechenfehler des Sachverständi-gen handelt und sie darüber hinaus zugunsten des Angeklagten von einem früheren Trinkende als der Sachverständige (17.00 Uhr statt 18.00 Uhr) aus-geht.
Die Revision sieht § 261 StPO verletzt, weil die [X.] hierauf in der Hauptverhandlung nicht hingewiesen habe. Ob damit im Ergebnis nicht vielmehr eine Verletzung des § 265 StPO (zumindest in entsprechender An-wendung) gerügt sein soll (vgl. §
300 StPO), mag dahinstehen. Nachdem der Sachverständige selbst auf der Grundlage einer Blutalkoholkonzentration von

Voraussetzungen des § 21 [X.] verneint hatte, ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich der Angeklagte anders oder erfolgver-sprechender hätte verteidigen können als geschehen, wenn er darauf [X.] worden wäre, dass nicht von einer Blutalkoholkonzent
(vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2010 -
1 StR 587/09
Rn. 28).
(2) Anhaltspunkte, die [X.] könnte bei der ihr obliegenden Ge-samtwürdigung der zur Verfügung stehenden Indizien oder bei der Beurteilung der Erheblichkeit i.S.v.
§ 21 [X.] den ihr zustehenden tatrichterlichen Beurtei-lungsspielraum überschritten haben, sind nicht ersichtlich (zur nur einge-schränkten revisionsrechtlichen Überprüfung vgl.
auch [X.]/Wahl, FS 50 Jah-re [X.], 2000, [X.], 553). Insbesondere obliegt es tatrichterlicher Beurtei-lung, welches Gewicht der Blutalkoholkonzentration im Einzelfall in [X.] mit anderen zur Verfügung stehenden Beweisanzeichen beigemessen werden kann.
Die letzte Verantwortung für die Beurteilung der Schuldfähigkeit liegt beim Tatrichter ([X.], Urteil vom 18. Mai 1995 -
4 [X.]). Die Frage der Erheblichkeit ist eine allein vom [X.] zu beantwortende Rechtsfrage (vgl. 27
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[X.], Beschluss vom 7. April 2010 -
4 [X.]; [X.], Beschluss vom 23.
September 2003 -
1 StR 343/03).
(3) Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine der näher ausgeführten Erwä-gungen der [X.] ungeeignet wäre, zur Stützung des gefundenen Ge-samtergebnisses zumal in einer Gesamtschau mit herangezogen zu werden.
Namentlich bei größerer Alkoholaufnahme kommt der -
hier näher dar-gestellten und sachverständig begutachteten -
Alkoholgewöhnung eine wichtige Bedeutung zu ([X.] in LK-[X.], 12. Aufl., § 20 Rn. 17; [X.]/[X.]/[X.], Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 528 mwN). Ohne Rechtsfehler hebt die [X.] neben anderen Beweisanzeichen auch auf das isoliert gese-hen bei trinkgewohnten Personen freilich nur begrenzt aussagekräftige (vgl. [X.],
Beschluss vom 17. August
2011 -
5 [X.]; [X.], Beschluss vom 12. Juni 2007
-
4 StR 187/07) Fehlen erheblicher Ausfallerscheinungen ab. Sie stützt sich dabei nicht nur auf die Angaben eines Kindes (hierzu [X.], [X.] vom 26. März 1997 -
3 [X.]) oder ebenfalls erheblich
alkoholisier-ter Zechkumpane (hierzu [X.], Beschluss vom 17. August 2011 -
5 [X.]), sondern u.a. auf den im Umgang mit alkoholisierten Personen nicht unerfahrenen Gastwirt der Stammkneipe des Angeklagten. Die [X.] durfte hier auch dem Umstand, dass der Angeklagte trotz erheblichen Alkohol-hatte, Bedeutung beimessen. Ebenfalls ohne Rechtsfehler durfte die [X.] das nahezu gleich bleibende Verhalten des Angeklagten an anderen
Tagen, an denen der Angeklagte
nach eigenen Angaben weniger Alkohol kon-sumiert hatte, vergleichend zur Beurteilung der Steuerungsfähigkeit des Ange-klagten am Tattag heranziehen. Aussagekraft konnte die [X.] hier auch dem (aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlichen) planvollen und 29
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-
zielgerichteten Agieren des Angeklagten vor und bei Tatbegehung (z.B. die ein--beimessen (z.B.
der Hinweis auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit). Die hier mit Blick auf das gesamte Tatgeschehen fernliegende Möglichkeit einer nach der Tat eingetretenen plötzlichen Ernüchterung (dazu [X.], Beschluss
vom 7.
Februar 2012 -
5 StR 545/11) musste die [X.] nicht erörtern.
Soweit die Revision eine Gesamtwürdigung mit anderen die Schuldfä-higkeit tangierenden Umständen (Depression aufgrund erlittenen Schlaganfalls; Kernpädophilie) vermisst, übersieht sie zum einen die Bezugnahme der [X.] auf die dies in den Blick nehmenden Ausführungen eines Sachver-ständigen und zum anderen die darauf aufbauende, eigene Würdigung der -
gegebenenfalls mit [X.] und Alkoholkonsum -
die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht in erheblichem Maß einschrän

38).
2. Auch mit dem Vorbringen, die [X.] habe einen minderschwe-ren Fall i.S.v.
§ 176a Abs. 4 [X.] rechtsfehlerhaft verneint, kann die Revision nicht durchdringen.
Nachdem das eingeholte Sachverständigengutachten keinen Zweifel an
der Glaubwürdigkeit des geschädigten Kindes ergeben hatte, hat der [X.] sich nicht länger auf [X.] berufen, sondern das bereits früher angekündigte Geständnis abgelegt und künftige (abgesicherte) Zahlungen an den Geschädigten versprochen. Die [X.] hat dies ohne den [X.]n [X.] Rechtsfehler als Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a Nr. 1 [X.]) bewertet, diesen bei der Prüfung eines minder schweren Falles zwar nicht aus-drücklich angesprochen, jedoch sogleich den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 Nr. 1 [X.] gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 [X.] gemildert (zum an sich gebotenen 31
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-
14
-
methodischen Vorgehen nach der Rechtsprechung des [X.] vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO, Rn. 588 ff.).
Dies begründet hier keinen, jedenfalls keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler. Der Tatrichter ist in der Entscheidung regelmäßig frei, welchen von mehreren in Betracht kommenden Strafrahmen -
hier also der des §
176a Abs. 4 [X.] (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) oder der gemäß § 46a, § 49 Abs. 1 [X.] gemilderte des § 176a Abs. 2 [X.] (Frei-heitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) -
er der Strafbemessung zugrunde legt (vgl. schon [X.], Urteil vom 3. Mai 1966 -
5 [X.], [X.]St 21, 57, 59; zusammenfassend, auch zur Gegenansicht, Kett-Straub in Kindhäuser/Neummann/[X.], aaO, § 50 Rn. 14). Einen Rechtsfeh-ler, der darin liegen könnte, dass sich die [X.] nicht bewusst gewesen wäre, dass ein dem Angeklagten günstigerer Strafrahmen zur Verfügung ste-hen könnte, kann der Senat hier nach der eingehenden Erörterung der [X.] zum Täter-Opfer-Ausgleich ausschließen. Es liegt fern, die [X.] könnte bei der zur Prüfung, ob ein minder schwerer Fall i.S.v. § 176a Abs.
4 [X.] vorliegt, vorgden zur Strafrahmenmilderung gemäß
§ 49 [X.] herangezogenen Täter-Opfer-Ausgleich in den Blick genommen haben (vgl. auch § 50 [X.]). Es kann deshalb hier dahinstehen, welches die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls
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(vgl. [X.] in LK-[X.], 12. Aufl.,
§ 50 Rn.
19 mwN) sein könnten, die den einen oder den anderen Strafrahmen zu einem dem Angeklagten günstigeren machen würden, nachdem sich die Strafe weder an einer möglichen Ober-
noch einer möglichen Untergrenze orientiert. Auch deshalb könnte der Senat ausschließen, dass der Angeklagte durch einen etwaigen Rechtsfehler [X.] wäre.
[X.]Wahl Rothfuß

Ri[X.] Hebenstreit ist

urlaubsabwesend und

deshalb an der Unterschrift

gehindert.

[X.]

Meta

1 StR 59/12

29.05.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2012, Az. 1 StR 59/12 (REWIS RS 2012, 6013)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6013

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

1 StR 59/12

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5 StR 545/11

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