Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. VI ZB 9/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5412

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]

vom
20. Mai 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1, 103; BGB § 242 Cd
a)
Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die [X.] beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt oh-ne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind.
b)
Ein Kostenfestsetzungsverlangen ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifi-zieren, wenn die von demselben Prozessbevollmächtigten vertretenen [X.] den Antragsgegner zeitlich gestaffelt in Anspruch nehmen und ihr Vorgehen dazu bestimmt und geeignet ist, das Prozessrisiko insgesamt zu reduzieren.
c)
Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhän-gig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kos-ten (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO).

[X.], Beschluss vom 20. Mai 2014 -
VI [X.] -
O[X.]

LG [X.]
-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
20. Mai 2014
durch den Vor-sitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde
der Antragstellerin wird der Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 31.
Januar 2013 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kosten-festsetzungsbeschluss der 24. Zivilkammer des [X.] vom 8.
August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Antragsgegnerin.
[X.]: 582,72

Gründe:
I.
Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Verbreitung einzelner, in einem Artikel über sie und ihren Lebensgefährten Bastian S.
in der Zeitschrift "Closer"
vom 13.
Juni 2012 enthaltener
Behauptungen sowie eines Fotos in Anspruch. Das [X.] gab
dem Antrag vom 22.
Juni 2012 mit Beschluss vom 9.
Juli 2012 statt 1
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-

und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf. [X.] hatten die Antragstellerin und
Herr
S. die Antragsgegnerin mit Schreiben ihrer gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vom 15.
Juni 2012 abgemahnt; die
An-tragsgegnerin
hatte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zurückge-wiesen. Mit Schreiben vom 10.
Juli 2012 stellten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und des [X.] die einstweilige [X.] vom 9.
Juli 2012 zu und forderten sie auf, Herrn
S. gegenüber eine [X.] abzugeben. Dies lehnte die Antragsgegne-rin
ab. [X.]
beantragte daraufhin am 17.
Juli 2012 wegen derselben Wort-
und Bildberichterstattung
vor dem [X.] ebenfalls den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Diesem Antrag entsprach das [X.] mit Beschluss vom 23.
Juli 2012. Die Antragsgegnerin legte gegen keine der bei-den einstweiligen Verfügungen Widerspruch ein.

In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die Antragstellerin eine Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 65.000

nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 1.761,08

hat dem Antrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegne-rin hat das [X.] den Kostenfestsetzungsbeschluss geändert und die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.178,34

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses
des [X.]s.
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4
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II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die gerichtliche Verfol-gung der Unterlassungsansprüche durch die Antragstellerin und [X.] in ge-trennten Verfügungsverfahren rechtsmissbräuchlich sei. Die [X.] stützten sich auf die Verbreitung derselben Wort-
und Bildberichterstat-tung in demselben Artikel. Ein sachlicher Grund für die Aufspaltung der [X.] sei nicht gegeben. Dass die gemeinsamen
Prozessbevollmächtigten
der Antragstellerin und des Herrn
S. mit der isolierten Geltendmachung zunächst nur der Ansprüche der Antragstellerin das Kostenrisiko insgesamt hätten
redu-zieren wollen und die Antragsgegnerin im [X.] an die erlassene einstwei-lige Verfügung die Möglichkeit gehabt habe, durch Abgabe einer [X.] das zweite Verfahren zu vermeiden, rechtfertige die getrennte Verfolgung der Ansprüche nicht. Denn bei der vorzunehmenden ex
ante-Betrachtung sei völlig offen gewesen, wie die Antragsgegnerin auf die Zustellung der einstweiligen Verfügung reagieren werde. Sie hätte auch [X.] einlegen und gegen ein etwaiges, die einstweilige Verfügung bestäti-gendes Urteil Berufung einlegen können. [X.] wäre dann gezwungen gewe-sen, vor einer rechtskräftigen Entscheidung über den Verfügungsantrag der Antragstellerin ebenfalls einen Verfügungsantrag beim [X.] einzu-reichen, was zwangsläufig zu mehr Kosten geführt hätte. Die beabsichtigte Kos-tenschonung habe deshalb auf reiner Spekulation beruht. Abgesehen davon dürfe im Kostenfestsetzungsverfahren nicht in
dem Maße differenziert werden. Es sei nicht Aufgabe des [X.], die Motivation der Parteien für ein bestimmtes prozessuales Verhalten zu erforschen. Vielmehr sei eine typisie-rende Betrachtungsweise geboten. Danach sei darauf abzustellen, ob vor der Einreichung des ersten Verfügungsantrags mit hinreichender Sicherheit davon habe ausgegangen werden können, dass die Gesamtkosten reduziert würden. Dies sei vorliegend zu verneinen. Die Antragstellerin müsse sich [X.] 3
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deshalb so behandeln lassen, als hätten sie und ihr Lebensgefährte ein einzi-ges Verfahren als Streitgenossen geführt. Dann wäre lediglich eine Verfahrens-gebühr aus den addierten Gegenstandswerten der beiden Einzelverfahren (130.000

steuer in Höhe von [X.] 2.356,68

wovon die Hälfte, d.h. ein
Betrag
von 1.178,34

auf die Antragstellerin entfalle.

III.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des [X.] ist das Begehren der Antragstellerin nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, soweit
es auf die Festsetzung der Mehrkosten gerichtet ist, die dadurch entstanden sind, dass die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte in getrennten Prozessen gegen die Antragsgegnerin vorgegangen sind.
a)
Zutreffend ist das
Beschwerdegericht allerdings
davon ausgegangen, dass die Rechtsausübung im Zivilverfahren dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot unterliegt. Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes trifft jede Pro-zesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung
ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das [X.] als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen sind (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 4
5
6
-
6
-

11.
September 2012 -
VI
ZB 59/11, [X.], 207 Rn. 9
und -
VI
ZB 61/11, juris Rn. 9; vom 20. November 2012 -
VI
ZB 73/11, juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 18.
Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, NJW-RR 2013, 337
Rn. 5, jeweils mwN).

b)
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] hat das Beschwerdegericht ferner angenommen, dass
es als rechtsmissbräuch-lich anzusehen sein
kann, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehr-kosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozess-bevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11, aaO
Rn.
10; [X.], Beschluss vom 18.
Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, aaO Rn. 7, jeweils mwN).
c) Entgegen der Auffassung des [X.]
sind
die Voraus-setzungen für die Annahme eines
missbräuchlichen [X.]s vorliegend aber nicht gegeben. Die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte
S.
haben einen einheitlichen Lebenssachverhalt nicht willkürlich in mehrere Pro-zessmandate aufgespalten. Sie haben die Antragsgegnerin insbesondere nicht in engem zeitlichem Zusammenhang und ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen
auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Ihr zeitlich gestaffeltes Vorgehen
war vielmehr sachlich veranlasst und diente der Wahrung ihrer be-rechtigten Belange.
Es war dazu bestimmt und geeignet, das Prozessrisiko ins-gesamt zu reduzieren, und trug die Möglichkeit in sich, die Ansprüche der [X.] und ihres Lebensgefährten
insgesamt möglichst kostenschonend durchzusetzen.
Durch die
isolierte Geltendmachung nur der Ansprüche der [X.], für die Kosten aus einem Streitwert von lediglich [X.], wurde eine Frage der (ersten)
gerichtlichen Klärung zugeführt, die sich in 7
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7
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ähnlicher Weise in dem später eingeleiteten Verfahren ihres Lebensgefährten gegen die Antragsgegnerin stellte, nämlich diejenige, wie die Veröffentlichung der sowohl die
Antragstellerin
als auch [X.]
betreffenden Wort-
und Bildbe-richterstattung
rechtlich zu beurteilen war. Hätte das [X.] den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt, hätte [X.] nicht damit rechnen können, dass das [X.] seinen aus dem identischen Lebenssachverhalt abgelei-teten, gleichgerichteten Antrag positiv bescheiden würde. Er hätte deshalb von einem eigenen Antrag Abstand nehmen können. Dagegen bestand nach Erlass der von der Antragstellerin erwirkten einstweiligen Verfügung die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin
den Ansprüchen des [X.] nicht weiter entgegen-treten und
diesem gegenüber außergerichtlich eine
Unterlassungsverpflich-tungserklärung abgeben würde.
In beiden Fällen hätten
die Einleitung eines zweiten Verfügungsverfahrens und die Entstehung der damit verbundenen Kos-ten vermieden werden können. Dies genügt, um das Vorgehen der Antragstelle-rin und ihres Lebensgefährten als sachlich veranlasst anzusehen. Entgegen der Auffassung des [X.]
und der Beschwerdeerwiderung
ist es da-gegen nicht erforderlich, dass vor Einleitung des ersten Verfahrens
aufgrund begründeter Anhaltspunkte
mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Gesamtkosten
durch die isolierte Geltendmachung der Ansprüche nur einer Person reduziert werden.
2. Die Erstattun[X.] Rechtsanwaltsgebühren kann auch nicht mit der Begründung verneint wer-den, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung [X.] im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz 1 ZPO gewesen seien.
Denn die [X.] richtet sich nicht nach §
91 Abs.
1 Satz 1 ZPO, sondern nach §
91 Abs.
2 Satz 1 Halbs.
1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der [X.] in
allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet insofern eine 9
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8
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Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebote-nen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet. Die gesetzlichen Gebüh-ren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten (vgl. Senatsbe-schluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11, [X.], 207 Rn. 7; [X.], Beschlüsse vom 2. November 2011 -
XII
ZB 458/10, NJW 2012, 459 Rn.
35; vom 26. April 2005 -
X
ZB 17/04, [X.], 2317; vom 27. März 2003 -
V
ZB 50/02, juris Rn. 6; vom 4. Februar 2003 -
XI
ZB 21/02, NJW 2003, 1532, jeweils mwN; [X.], [X.], 1301, 1302; [X.], 4.
Aufl., §
91 Rn.
59; [X.] ZPO/[X.], §
104 Rn.
22
[Stand: 15. März 2014], jeweils mwN). Dieser Beurteilung steht der Beschluss des [X.] vom 8. Juli 2010 ([X.], NJW-RR 2011, 230 Rn.
14) nicht entgegen. Er betraf die klageweise Anfechtung desselben Beschlusses der Wohnungseigentümer durch eine Mehrheit von [X.], die in Hinblick auf die Notwendig-keit der [X.] gemäß §
47 [X.] und die umfassende Rechts-kraftwirkung des §
48 Abs.
3 [X.] Sonderregelungen unterworfen und deshalb mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar ist
(vgl. auch
[X.], [X.] vom 18.
Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, NJW-RR 2013, 337).
3. Der Senat hatte in der Sache selbst zu entscheiden, da weitere Fest-stellungen nicht zu treffen waren und die Sache deshalb zur Endentscheidung reif war (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
10
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9
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 Satz 1, §
97 Abs.
1 ZPO.
Galke
[X.]
[X.]

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.08.2012 -
324 O 373/12 -

O[X.], Entscheidung vom 31.01.2013 -
4 [X.]/12 -

11

Meta

VI ZB 9/13

20.05.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. VI ZB 9/13 (REWIS RS 2014, 5412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5412

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 9/13

V ZB 153/09

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