Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. VI ZB 73/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1255

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 73/11
vom
20. November 2012
in dem Rechtsstreit

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2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
20. November 2012 durch den Vorsitzenden [X.], den
Richter [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 30. November 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
[X.]: 743,15

Gründe:
I.
Die Antragstellerin
nahm
die Antragsgegnerin
im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung
der Verbreitung einzelner, in der Zeitschrift "die aktuelle"
vom 26. Februar 2011 abgedruckter Behauptungen in Anspruch. Das [X.] gab dem Antrag statt und erlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf. .
Die Tochter der Antragstellerin erwirkte wegen derselben [X.] in einem Verfahren vor dem [X.] Köln eine Unterlassungsverfügung.
1
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In ihrem Kostenfestsetzungsantrag hat die
Antragstellerin
eine Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr.
3100 nebst Auslagenpauschale
und
Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 1.419,19

Festsetzung angemeldet. Die Rechtspflegerin beim [X.] hat dem Antrag
entsprochen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Verfolgung der Unterlassungsansprüche in getrenn-ten Verfahren sei rechtsmissbräuchlich und die hierdurch verursachten Mehr-kosten nicht notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz 1 ZPO. Die beiden [X.]innen müssten sich so behandeln lassen, als hätten sie gemeinsam ein Verfahren durchgeführt. In diesem Fall wäre lediglich eine Verfahrensge-bühr aus den addierten Gegenstandswerten der
beiden Einzelverfahren (65.000

i-entfalle. Unter Berücksichtigung der in dem
Parallelverfahren bereits festgesetz-e-trag in Höhe von 676,04

erfolglos geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbe-schwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren weiter.

II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass der von der [X.] erhobene Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden könne. Das [X.] diene lediglich dazu, die vom Prozessgericht ge-troffene Kostengrundentscheidung der Höhe nach auszufüllen und sei deshalb auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die
Beurteilung einfacher 2
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Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Die Entscheidung zwischen den [X.] und komplizierter Rechtsfragen sei in diesem Verfah-ren nicht vorgesehen. Nach diesen Grundsätzen könne der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht überprüfen, ob das Vorgehen einer [X.] gegen mehrere [X.]en oder das Vorgehen mehrerer [X.]en gegen eine [X.] in getrennten Verfahren rechtsmissbräuchlich sei. Bei dieser Frage gehe es nicht um die Ausfüllung einer konkreten Kostengrundentscheidung, sondern um die Kürzung der Erstattungsansprüche aufgrund umfangreicher materiell-rechtlicher Erwägungen, die die Entscheidungsmacht und die Entscheidungs-möglichkeiten des [X.] überschreite und in die Kompetenz des [X.] gehöre.

III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entge-gen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einst-weiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch §
574 Abs.
1 Satz 2, §
542 Abs.
2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 27. [X.] 2003 -
I
ZB 22/02, [X.]Z 154, 102, 103 f.). Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbständige [X.] mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist ([X.], Beschlüsse vom 6. April 2005
-
V
ZB 25/04, NJW 2005, 2233; vom 19. April 2007 -
I
ZB 47/06, [X.], 999 Rn.
8; vom 6. Dezember 2007 -
I
ZB 16/07, [X.], 2040 Rn.
6).
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5
-

2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des [X.] ist der von der Antragsgegnerin erhobene Einwand, die Antragstellerin
habe
durch die Geltendmachung gleichgerichteter,
auf identische [X.]en
gestützter
Unterlassungsansprüche
in ge-trennten Verfahren ungerechtfertigt
Mehrkosten verursacht, im [X.] zu berücksichtigen.
a) Es kann offenbleiben, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die ge-trennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche entstandenen erhöhten Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO gewesen seien (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11,
juris Rn.
7 (insoweit in [X.], 1314 nicht abgedruckt)).
b) Denn der
Einwand der Antragsgegnerin ist im Kostenfestsetzungsver-fahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berück-sichtigen.
aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] und des [X.] unterliegt jede Rechtsausübung -
auch im Zi-vilverfahren
-
dem aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot ([X.], Beschlüsse vom 10. Mai 2007 -
V
ZB 83/06, [X.]Z 172, 218 Rn. 13 f.; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
12
f.; Urteil vom 19. Dezember 2001 -
VIII
ZR 282/00, [X.]Z 149, 311, 323; [X.], NJW 2002, 2456, jeweils mwN). Als Ausfluss dieses auch das gesamte [X.] beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wah-rung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese 6
7
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6
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Verpflichtung kann dazu führen, dass das [X.] als rechts-missbräuchlich zu qualifizieren
ist und die unter Verstoß gegen [X.] und Glau-ben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kosten-festsetzungsverfahren abzusetzen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Sep-tember 2012 -
VI
ZB 59/11, [X.], 1314 Rn.
9; [X.], Beschlüsse vom
31.
August 2010 -
X
ZB 3/09, NJW 2011, 529 Rn.
10; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, aaO Rn.
12 ff.; vom 18. Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, z.[X.].; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105; [X.]/Giebel, 3.
Aufl., §
91
Rn.
41, 48, 110; Musielak/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
91 Rn.
9; [X.]/Wache in [X.], [X.] ZPO, §
91 Rn.
152 (Stand: April 2012);
Baumbach/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 70.
Aufl., §
91 Rn.
140; von [X.]/[X.], [X.], 20.
Aufl., Rn.
[X.]; vgl. auch [X.] vom 1. März 2011 -
VI
ZR 127/10, [X.], 184).
bb) So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der [X.] die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen einheitlichen Lebenssachverhalt willkürlich in mehrere Pro-zessmandate aufgespalten hat (vgl. [X.]/Giebel, aaO,
Rn.
48). Dies kann beispielsweise dann anzunehmen sein, wenn er einen oder mehrere gleichartige oder in einem inneren Zusammenhang stehende und aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat (vgl. Se-natsbeschluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11, aaO, Rn.
10; [X.], [X.] vom 18.
Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, z.[X.].; vom 2. Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, [X.], 2257 Rn.
13; [X.], [X.] 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; [X.], [X.], 339; KG, [X.] 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; [X.], [X.] 2001, 105 f.; [X.], [X.] 2001, 427, 428). Gleiches gilt für [X.] in [X.]
-
7
-

zug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Pro-zessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammen-hang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitge-hend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten [X.] gegen den-
oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind (vgl. Se-natsbeschluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11, aaO; [X.], Beschluss vom 18.
Oktober 2012 -
V
ZB 58/12, z.[X.].; [X.], [X.] 1974, 1599; [X.], [X.] 2001, 427, 428; [X.], [X.] 2001, 105 f.; KG, [X.] 2000, 414, 415; 2002, 172, 173; [X.]/Giebel, aaO Rn.
48, 110; Musielak/[X.], aaO; [X.]/
Wache in [X.], aaO Rn.
119.8 (Stand: April 2012)). Eine Qualifikation des [X.] als rechtsmissbräuchlich kommt auch dann in Betracht, wenn der bzw. die von demselben Prozessbevollmächtigten vertre-tenen Antragsteller die gleichartigen oder in innerem Zusammenhang zueinan-der stehenden und aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsenen [X.] vor unterschiedlichen Gerichten verfolgt haben, obwohl eine subjektive Klagehäufung auf der Aktiv-
oder Passivseite für den oder die Antragsteller nicht mit Nachteilen verbunden gewesen wäre (vgl. [X.], [X.], 105, 106; vgl. zu §
8 Abs.
4 [X.] [X.], Urteil vom 6. April 2000 -
I
ZR 76/98, [X.]Z 144, 165, 177
-
Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; [X.] in [X.]/Bornkamm, [X.], 30.
Aufl., §
8 Rn.
4.16).
c) Auf der Grundlage der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststel-lungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob das Festsetzungsverlan-gen der
Antragstellerin, soweit es auf die Erstattung der durch die getrennte Rechtsverfolgung entstandenen Mehrkosten gerichtet ist, als rechtsmissbräuch-lich anzusehen ist. Zwar leiten die Antragstellerin und ihre Tochter ihre Unter-lassungsansprüche aus demselben Lebenssachverhalt her.
Das Beschwerde-gericht hat -
aus seiner Sicht folgerichtig
-
aber keine Feststellungen dazu [X.]
-
8
-

troffen, ob
das Vorgehen der Antragstellerinnen die gleiche Zielrichtung
hat
und ob sie
von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wurden (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Juli 2010 -
V
ZB 153/09, NJW-RR 2011, 230 Rn.
14; KG, [X.] 2002, 172, 173; [X.], [X.] 2001, 105, 106). Auch [X.] Feststellungen zum zeitlichen Zusammenhang der Verfahren.
3. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache zur [X.] an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO). Sollte sich das [X.] als rechtsmissbräuchlich erweisen, müsste sich die Antragstellerin
kostenrechtlich so behandeln lassen, als hätten
sie
und ihre Tochter
ein einziges Verfahren als Streitgenossen geführt (vgl.
Senatsbe-schluss vom 11. September 2012 -
VI
ZB 59/11, juris Rn.
12 (insoweit in [X.], 1314 nicht abgedruckt);
[X.], Beschluss vom 2.
Mai 2007 -
XII
ZB 156/06, juris Rn.
6 (insoweit nicht in [X.], 2257
abgedruckt), jeweils mwN). Sie
könnte die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig im Verhältnis der Gegenstandswerte der Einzelverfahren zum -
gemäß §
22 Abs.
1 RVG ermittelten
-
(fiktiven)

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9
-

Gesamtgegenstandswert eines einheitlichen Verfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2012 -
VI
ZB 68/11, z.[X.].; KG, [X.] 2002, 172, 174).

Galke
[X.]
Diederichsen

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2011 -
27 [X.]/11 -

KG Berlin, Entscheidung vom 30.11.2011 -
2 W 170/11 -

Meta

VI ZB 73/11

20.11.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. VI ZB 73/11 (REWIS RS 2012, 1255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1255

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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