Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2017, Az. 5 StR 176/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 7484

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:250717U5STR176.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 176/17

vom
25. Juli 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

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Der 5.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Juli 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] [X.],

[X.] [X.],
Richterin Dr. [X.],
[X.] [X.],
[X.] Dr. Mosbacher

als beisitzende Richter,

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft
wird das Urteil des [X.] vom 18. August 2016 im Strafaus-spruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. [X.] hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs angeordnet. Gegen dieses Ur-teil wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat mit einer zulässig erhobenen Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg.
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1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Am ersten [X.] fand in einer Verhandlungspause zwi-schen den Mitgliedern der [X.], dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den beiden Verteidigern eine Erörterung statt, die eine Verständigungs-möglichkeit klären sollte. Dabei stellten die Verteidiger eine [X.] des Angeklagten für den Fall in den Raum, dass eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung erfol-gen würde. Nachdem der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärt hatte, sich einem solchen Vorschlag nicht anschließen zu können und eine Verurteilung zu einer höheren Freiheitsstrafe anzustreben, hielt die Vorsitzende in ihrer proto-n-digung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten danach nicht (wird)

Nach diesem [X.] kam es auf Anregung der [X.] zu einem weiteren [X.] mit [X.], in dem der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, bei [X.] Einlassung des [X.] eine Freiheitsstrafe von drei Jahren für angemessen zu halten. Im Fortsetzungstermin unterrichtete die Vorsitzende über das Gespräch und hielt als dessen Ergebnis fest, dass es zu einer Verständigung nicht kommen werde. Am dritten [X.] fand während einer Sitzungsunterbrechung auf Anregung der Verteidiger zwischen den Mitgliedern der [X.], dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern eine erneute Erörterung statt, in deren Rahmen die Vorsitzende äußerte, dass sich die [X.] bei einem Geständnis des Angeklagten eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und zwei Jahren vier Monaten und auch eine Strafaussetzung zur Bewährung vorstellen könne. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erwiderte, dass er sich 2
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im Hinblick auf ein weiteres gegen den Angeklagten in [X.] laufendes Ermittlungsverfahren einem solchen Vorschlag nicht anschließen könne.
Die Vorsitzende ließ in der Hauptverhandlung ihre [X.] Verständi-gung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten demnach nicht zustande kommen

werde. Am darauffolgenden Verhandlungstag teilte die Vorsitzende zu Protokoll mit, dass der [X.] keine neuen Tatsachen bekannt gewor-mer daher bei ihrer Zusage nach dem letzten [X.] bleibe. Danach führte
die [X.] auf Anregung der Verteidiger in einer Sitzungspause mit den Verfahrensbeteiligten ein weiteres Gespräch über die Möglichkeit einer Verständigung, in dem der Vertreter der Staatsan-waltschaft bei seiner ablehnenden Haltung zu einer Bewährungsstrafe bei [X.] Einlassung blieb. Als Ergebnis auch dieses in der Hauptverhandlung mitgeteilten Gesprächs stellte die Vorsitzende erneut fest, dass es zu keiner Verständigung kommen werde. Anschließend legte der Angeklagte ein Ge-ständnis in Form einer schriftlich vorbereiteten Verteidigererklärung ab, die er sich zu eigen
machte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte mehrere Beweiserhebungen. Die [X.] lehnte diese Anträge am folgenden
[X.] ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus:

a-mentlich für eine Verurteilung des Angeklagten zu einer Frei-heitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die darin unter Beweis gestellten Tatsachen ungeeig-net

In diesem Fall wäre das vom Angeklagten abgegebene Geständnis nicht verwertbar. Denn der Angeklagte hat sein Ge-ständnis aufgrund der Zusicherung der Kammer, im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zu verhängen, deren Voll-

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Nach Verkündung dieses Beschlusses wurde die Beweisaufnahme [X.]. Der [X.] der Staatsanwaltschaft beantragte, den Ange-klagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten zu verurtei-len; die Verteidiger beantragten, auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu erkennen und deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Das [X.] verkündete sodann das Urteil.
2. Mit ihrer Verfahrensrüge
beanstandet die Staatsanwaltschaft im Er-gebnis zu Recht, dass die [X.] bei der Bemessung der Strafe von einer tatsächlich nicht bestehenden Bindung an die von ihr angenommene Zusiche-rung einer bewährungsfähigen Strafe ausgegangen ist.

Außerhalb einer Verständigung gemäß § 257c StPO besteht keine Bin-dung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. [X.],
Urteil vom 9. Novem-ber 2011

1 [X.]/11,
Rn.
45;
Beschluss vom 4. August 2010

2 [X.]; Urteil vom 30. Juni 2011

3 StR 39/11, NJW 2011, 3463, 3464); erst recht ist es
nicht verpflichtet, die dort angesprochene
Strafuntergrenze zu ver-hängen. Ein Fall
des §
257c StPO liegt
hier mangels Zustimmung der Staats-anwaltschaft indes
nicht vor, wie auch das [X.] nicht verkannt hat. Nachdem die Staatsanwaltschaft in den verständigungsbezogenen Vorgesprä-chen jeweils angekündigt hatte,
ihre gemäß §
257c Abs.
3 Satz 4 StPO erfor-derliche Zustimmung nicht zu erteilen, hat
die Vorsitzende in den von ihr
zu Protokoll gegebenen Vermerken zu Recht stets
betont, dass eine Verständi-gung deshalb
nicht zustande komme. Auch der am vierten [X.] protokollierte Hinweis, dass die letzten [X.] bleibe, lässt sich trotz seiner missverständlichen [X.] auf den in jenem Gespräch von ihr vorgeschlagenen Strafrahmen 6
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und belegt noch keine von ihr schon zu diesem Zeitpunkt als bindend verstandene Erklärung. Denn im unmittelbaren Fortgang der Verhandlung hat sie
eine weitere verständigungsbezogene Erörterung durchgeführt, als deren Ergebnis
die Vorsitzende erneut feststellte, dass es zu keiner Verständigung komme.

Aufgrund der Formulierung in dem Beweisbeschluss, wonach
die Straf-kammer dem Angeklagten [X.], ist jedoch zu besorgen, dass
sie gleichwohl schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten und der nachfolgenden Urteilsbera-tung
von
der verbindlichen Zusage einer solchen Strafe ausgegangen ist. Für eine von ihr angenommene Selbstbindung spricht
auch, dass
sie
für die knapp 13 Kilogramm
Marihuana betreffende Einfuhrfahrt
tatsächlich
eine solche Strafe verhängt
hat.
Dies hat hier zu einer Verletzung von §
46 StGB geführt.
3. Auf dem Rechtsfehler beruht nur der Strafausspruch. Der Schuld-spruch und die Einziehungsentscheidung sind von ihm nicht betroffen. [X.] war das Geständnis des Angeklagten verwertbar. Denn dieses hat er in einem Zeitpunkt abgelegt, in dem nur der in dem Verständigungsgespräch vom [X.] vorgeschlagene Strafrahmen im Raum stand. Dies
hat
aber wegen der fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der
dem Ge-ständnis unmittelbar vorausgegangen
ausdrücklichen Feststellung der
Vorsit-zenden, dass eine Verständigung nicht zustande gekommen sei, für den Ange-klagten
keinen rechtlich geschützten Vertrauenstatbestand begründen können.

4. Die von der Staatsanwaltschaft weiter erhobenen und auf eine fehler-hafte Strafzumessung abzielenden Verfahrensrügen sind unzulässig, da sie nicht den sich aus § 344 Abs.
2 Satz
2 StPO ergebenden Anforderungen ent-sprechen. Auch die Sachrüge, die einen den Schuldspruch betreffenden 9
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Rechtsfehler nicht aufzeigt, hat keinen über die Aufhebung des Strafausspruchs hinausgehenden Erfolg. Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) sind nicht ersichtlich.
5. Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Ergänzend
ist zu den Strafzumessungsgründen des angefochte-nen Urteils zu bemerken:
a) Zu Recht hat die Beschwerdeführerin
bemängelt, dass die von der [X.] im Rahmen der [X.] als besonders strafmildernd ein-gestellte Erwägung, die Drogenfahrt hätte
aufgrund polizeilicher Überwachung schon in [X.] gestoppt und damit verhindert werden können, weder von den Feststellungen noch von der Beweiswürdigung getragen wird.
b) Da
der Angeklagte auf frischer Tat betroffen in einer unmittelbar an-schließenden Beschuldigtenvernehmung ganz überwiegend seine Tatbeteili-gung und weitere Einfuhrfahrten
gestanden hat, ist nicht ohne Weiteres nach-vollziehbar, weshalb ihm
im Rahmen der konkreten Strafzumessung auch noch zugutegehalten worden ist, ohne sein
in der Hauptverhandlung abgegebenes Formal-Geständnis
(vgl. UA S. 5)
hätte die [X.] umfangreiche Ermitt-lungen zu den Tathintergründen in der Tschechischen
Republik anstellen müs-sen.
c) Schließlich hat die [X.] bei der Strafzumessung nicht erkenn-bar in den Blick genommen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kurierfahrt um den Teil einer Tatserie handelte
und der Angeklagte erst am [X.] eine weitere Einfuhrfahrt vorgenommen hatte. Weil die Schuld des [X.] in Bezug auf Einzeltaten
durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, kann dieser

hier naheliegende

Umstand schon bei der Bemessung der Einzel-
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strafe und bei der Erwägung mit in Betracht gezogen werden, ob ein minder
schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 28. März 2013

4 StR 467/12 mwN).

[X.]
Sander
[X.]

Ri[X.] Dr. [X.] ist in-

Mosbacher

folge Urlaubs an der Unter-

schriftsleistung gehindert.

[X.]

Meta

5 StR 176/17

25.07.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.07.2017, Az. 5 StR 176/17 (REWIS RS 2017, 7484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7484

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