Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 434/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13980

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[X.]:[X.]:BGH:2016:230316UIVZR434.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 434/14

Verkündet am:

23. März 2016

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2016

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivil-senats des [X.] vom 2.
März 2012
wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a [X.] erklärten Widerspruch ge-stützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das
vorbezeichne-te Berufungsurteil auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 17.743,38

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]eite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) [X.]
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zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.

Diese wurde aufgrund Antrags d.
[X.] mit
Versicherungsbeginn zum 1. September
2003 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.]) abge-schlossen.

Mit Schreiben vom Februar
2008
erklärte d. [X.] die Kündigung des Versicherungsvertrages und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2010
erklärte d. [X.] den Widerspruch nach §
5a [X.]

Mit der Klage verlangt d.
[X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag
ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil er zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen §
5a [X.] mit
den Lebensversicherungs-richtlinien der [X.] nicht vereinbar sei.
Außerdem sei der Versicherer zum Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungsleistungen der Fondsgesellschaften
verpflichtet.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d.
[X.] das Klagebegehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist bezüglich des Schadensersatzanspruchs als unzu-lässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. Dieses
hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im [X.] zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht be-lehrt, weil die Belehrung nicht den notwendigen Hinweis auf die einzuhal-tende Textform enthalte. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz
4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. Ein Schadensersatzanspruch bestehe ebenfalls nicht.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten
Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.

Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz
1 [X.] für unwirksam erachtet hat.

Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] den Regelun-gen der [X.] entspricht. Diese Beschränkung ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils zu entnehmen, das die [X.] erkennbar nur für die Frage zulassen wollte, die zuvor eingehend in den Entscheidungsgründen behandelt worden war. Diese Beschrän-7
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kung der Revisionszulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014
[X.], BGHZ

201, 101 Rn. 11).

[X.] Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

[X.] Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

1.
Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]

auch
un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß im Sinne von
§ 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] über das [X.]. Die Widerspruchsbelehrung im maßgeblichen [X.] genügt diesen Anforderungen nicht, weil
sie inhaltlich [X.] ist. Sie enthält keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung erforderliche, aber auch ausreichende Textform des Widerspruchs. Dieses Formerfordernis konn-te d. [X.] entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge (Senatsurteil vom 22. Juli 2015 12
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IV ZR 35/14, juris Rn. 12). Dass d.
[X.], wie die Revisionserwiderung in Erwägung zieht, durch die Belehrung über den gesetzlichen Standard
hinausgehend die Möglichkeit eines Widerspruchs in mündlicher Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen (vgl. Se-natsurteil vom 29.
Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn.
24).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

b) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits 16
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vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
37 m.w.N.).

c) D. [X.] hat das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. [X.] keine ordnungs-gemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Ob

wie die Revisionserwide-rung meint

der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine [X.]sbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht ent-schieden zu werden. Der genannte [X.] ist nicht [X.], sondern betrifft einen wesentlichen Punkt
für die Ausübung des [X.]s, nämlich die Form des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 29, 30).

2.
Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
42-44).

I[X.] Der Höhe nach umfasst der
Rückgewähranspruch nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; 19
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bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
45 m.w.N.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 aaO Rn.
46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR
384/14, [X.], 1101 Rn. 35
ff.; [X.], [X.], 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 ([X.], [X.], 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.

[X.]

[X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.10.2011 -
26 O 423/10 -

O[X.], Entscheidung vom 02.03.2012 -
20 U 233/11 -

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Meta

IV ZR 434/14

23.03.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 434/14 (REWIS RS 2016, 13980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13980

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IV ZR 76/11

IV ZR 448/14

IV ZR 513/14

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