Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.09.2016, Az. V R 13/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 5187

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Gegenstand

Kindbezogene Berechnung des Differenzkindergeldes


Leitsatz

NV: Das Differenzkindergeld ist kindbezogen zu berechnen (Anschluss an BFH-Urteil vom 4. Februar 2016 III R 9/15, BFHE 253, 139).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 10. März 2016 1 K 903/13 und die Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 27. März 2013 sowie der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2012 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und [X.] wegen ausgezahlten [X.] für den Zeitraum Mai 2010 bis April 2012 in Höhe von 1.883,52 €.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebt mit ihren sechs Kindern in der [X.] ([X.]), die im Streitzeitraum noch zur Schule gingen. Ihr Ehemann ist in [X.] nichtselbständig tätig und erhält dort [X.] Kindergeld.

3

Mit Bescheid vom 15. Januar 2010 setzte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) zu Gunsten der Klägerin [X.] in Höhe von 78,48 € monatlich vorläufig fest bis zur Vorlage von Nachweisen der in [X.] erhaltenen Familienleistungen. Hierbei ging die Familienkasse davon aus, dass das [X.] Kindergeld für das älteste Kind um diesen Betrag das [X.] Kindergeld überschreitet, während bei den übrigen Kindern das [X.] Kindergeld höher war.

4

Nach Vorlage der [X.]n Bescheinigung ergab sich, dass die Summe sämtlicher [X.] in [X.] (1.328 €) die Summe des [X.]n Kindergeldes (1.203 €) überschreitet. Daraufhin hob die Familienkasse ab Mai 2010 die Festsetzung des [X.] für das älteste Kind mit Bescheid vom 26. April 2012 auf und forderte bis zum April 2012 das ausgezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 1.883,52 € zurück.

5

Nach vergeblichem Einspruch wies das [X.] ([X.]) die Klage ab. Die Familienkasse sei zu Recht von einem Gesamtvergleich der [X.] für sämtliche Kinder ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Es sei von einer Einzelbetrachtung für jedes einzelne Kind auszugehen. Gemäß § 1612b des Bürgerlichen Gesetzbuches diene das Kindergeld der Deckung des Bedarfs jedes einzelnen Kindes.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil sowie den Aufhebungsbescheid der Familienkasse vom 26. April 2012 sowie den Rückforderungsbescheid aufzuheben.

7

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Nach der [X.] zum über- und zwischenstaatlichem Recht ([X.] 214.6 Satz 8) zu Art. 68 der Verordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr. 883/2004) sei von einer familienbezogenen Berechnungsweise auszugehen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] sowie der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 26. April 2012 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

a) Die im Inland mit ihren sechs Kindern wohnende Klägerin hat Anspruch auf Kindergeld gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Darüber hinaus hat ihr in [X.] [X.] tätiger Ehemann Anspruch auf [X.] Familienleistungen. Diese würden zwar gemäß § 65 EStG eventuelle inländische Ansprüche auf Kindergeld ausschließen. Jedoch ergibt sich aus der vorrangigen Konkurrenzregel des Art. 68 [X.] Nr. 883/2004, dass die [X.]n Familienleistungen, die auf der Beschäftigung des Ehemannes beruhen, vorrangig sind und nur insoweit zur Aussetzung des inländischen Kindergeldanspruchs führen, wie bei höheren Kindergeldleistungen [X.] ergänzend ein Anspruch auf Differenzkindergeld besteht.

b) Wie der III. Senat des [X.] ([X.]) inzwischen entschieden hat (Urteil vom 4. Februar 2016 III R 9/15, [X.]E 253, 139), hat die Berechnung des [X.] für jedes einzelne Kind und nicht nach einer Gesamtbetrachtung zu erfolgen, sodass eine Kürzung des [X.] bei einzelnen Kindern nicht durch Verrechnung eines Mehrbetrages bei anderen Kindern erfolgen darf.

Zur Begründung hat der [X.] ausgeführt, dass die [X.] Nr. 883/2004 keine Regelung zur Berechnungsmethode enthalte, weil sich die Mitgliedstaaten hierauf nicht einigen konnten. Dies sei daher Sache des jeweiligen Mitgliedstaates. Die inländischen einkommensteuerlichen Vorschriften seien jedoch dem Grunde und der Höhe nach [X.]. Auch die Günstigerprüfung nach §§ 31 und 32 EStG zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag sei für jedes einzelne Kind durchzuführen. Die entgegenstehende Regelung in der [X.] ersetze keine gesetzliche Regelung. Der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des [X.]es des [X.].

2. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Meta

V R 13/16

21.09.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 10. März 2016, Az: 1 K 903/13, Urteil

§ 63 Abs 1 EStG 2009, § 65 EStG 2009, § 31 EStG 2009, § 32 EStG 2009, Art 68 EGV 883/2004, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.09.2016, Az. V R 13/16 (REWIS RS 2016, 5187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5187

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