Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2001, Az. 4 StR 520/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2001, 2544

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[X.] DES VOLKESUrteil4 StR 520/00vom17. Mai 2001in der Strafsachegegenwegen [X.] des [X.] hat in der Sitzung vom 17. Mai 2001,an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.],[X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.]in am [X.] am [X.]. [X.]als [X.],Staatsanwalt als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt aus [X.],Rechtsanwalt aus [X.]als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1.Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Ange-klagten wird das Urteil des [X.]s [X.] vom30. Juni 2000a)im Schuldspruch dahin geändert, daß der [X.] Totschlags schuldig ist,b)im Strafausspruch mit den Feststellungen [X.] Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine als Schwurgericht zuständige Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.3.Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangerFreiheitsstrafe verurteilt. Gegen das Urteil wenden sich der Angeklagte und [X.] mit ihren Revisionen. Der Angeklagte beanstandet [X.] eines bedingten Tötungsvorsatzes. Ferner rügt er [X.] insofern in- 4 -Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel ausschließ-lich zu seinen Gunsten eingelegt hat [X.] die Annahme von Heimtücke sowie(auch für den Fall seiner Verurteilung wegen Mordes) die Verhängung lebens-langer Freiheitsstrafe. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Um-fang, das Rechtsmittel des Angeklagten hat teilweise Erfolg.1. Das [X.] hat festgestellt:Der Angeklagte war Angehöriger der Grenztruppen der [X.] an der Grenze zur [X.]. Im Juni 1976 waren in dem Abschnitt, in dem er seinen Dienst [X.] versah, von westlicher Seite [X.] worden. Da weitere Anschläge befürchtet wurden, herrschte bei derEinheit des Angeklagten eine figespannte Atmosphärefl.Am 10. Juni 1976, gegen 23.00 Uhr, hatte das spätere Tatopfer, das [X.] wohnte, von Westen aus die Grenze [X.] und auf einem alten Bahndamm den (aus Richtung der [X.] gesehen) ersten Zaun der Grenzsicherungsanlagen der [X.]. Nachdem der Grenzübertritt bemerkt worden war, erhielt der Ange-klagte als Führer einer Streife auf dem den Grenzanlagen vorgelagerten [X.] den Befehl, die Person festzunehmen. Gemeinsam mit dem ihn beglei-tenden Grenzsoldaten begab er sich zu dem Bahndamm. Der Angeklagte standunter dem Eindruck der in den Tagen zuvor von der [X.] ausgegangenen Grenzverletzungen. Er war fierbost über das dreiste [X.] der Person auf dem Bahndamm und wollte diese erneute Provokation ander Grenze unbedingt beenden". In dieser Stimmung kletterte er auf den Bahn-damm und näherte sich der [X.] stehenden, in Richtung Osten schauen-den und laut: [X.], wo seid Ihr?‚ rufenden Person von dieser unbemerkt- 5 -von hintenfl. Als er sich dem Tatopfer fiauf 4 bis 6 m genähert [X.], erwiderteder Angeklagte: [X.] sind Deine Freundefl und gab unmittelbar anschließendauf das sich umdrehende Tatopfer aus seiner im Hüftanschlag gehaltenen [X.] kurzen gezielten Feuerstoß (2 Schüsse) ab, um damitjeglichen Fluchtversuch bereits im Ansatz zu [X.] wurde in Arm und Bauch getroffen und verstarb kurze Zeitspäter an den Folgen des Schusses in den Bauch. Nachdem es zusammenge-brochen war, erkannte der Angeklagte zu seinem Erschrecken, daß es [X.] um einen fidreisten [X.], sondern [X.] den allgemein als harmlosbekannten [X.] der die Grenze seit 1967 bereits [X.] im alkoholisierten Zustand von West nach Ost überquert und sich [X.] hatte festnehmen [X.] Die Verfahrensrügen des Angeklagten sind unbegründet im Sinne des§ 349 Abs. 2 StPO. Das gilt auch für die an die Höhendifferenz zwischen Ein-und Ausschußwunde anknüpfende Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht.Die Revision macht geltend, daß der [X.] nach ihrer Behauptung [X.] [X.] etwa 2 bis3 Grad von vorn nach hinten absteigende Schußkanalfl durch einen Schuß ausdem Hüftanschlag bei einer Entfernung von 4 bis 6 m nicht ohne Gefälle zwi-schen dem Angeklagten und dem [X.] zu erklären sei. Indes gilt dies [X.]wie sie selbst einräumt - nur unter der Voraussetzung einer aufrechten Körper-haltung des [X.] im Zeitpunkt der Abgabe des Schusses. [X.], ob [X.] aufrecht stand oder ob und gegebenenfalls mit welcher Neigungsein Oberkörper nach vorn gebeugt war, waren dem [X.] aber ersicht-lich nicht möglich. Im übrigen ist auch die sachverständig beratene [X.] bei ihrer Beweiswürdigung [X.] entgegen dem durch die Revision erwecktenEindruck und letztlich in Einklang mit ihrem Vorbringen - nicht von einem waa-- 6 -gerechten, sondern von einem nur finahezu [X.] ausge-gangen.3. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge ergibt, daß [X.] keinen Bestand haben kann.a) Entgegen dem Revisionsvorbringen des Angeklagten läßt allerdingsdie Wertung, er habe den tödlichen Schuß mit bedingtem Tötungsvorsatz ab-gegeben, keinen Rechtsfehler erkennen. Die [X.] ist beiihren Feststellungen zum Vorsatz und deren Würdigung von rechtlich zutref-fenden Maßstäben ausgegangen und hat alle erheblichen Umstände in [X.] einbezogen. Über die Gesichtspunkte hinaus, die sie berücksich-tigt hat, sind keine Umstände ersichtlich, die das Ergebnis der Gesamtschauhätten dahin beeinflussen können, daß der Angeklagte trotz der objektivenGefährlichkeit seines Handelns darauf vertraut haben könnte, [X.] werde nichtoder nicht so schwer getroffen.b) Dagegen hält, wie beide Revisionen zu Recht geltend machen, dieAnnahme des [X.]s, der Angeklagte habe das Tatopfer heimtückischgetötet, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insofern ist zwar die Feststellung,das [X.] sei im Zeitpunkt der Abgabe des tödlichen Schusses objektivarg- und wehrlos gewesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Durch-greifende Bedenken bestehen aber in Bezug auf die subjektiven Vorausset-zungen der Heimtücke.In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des [X.], daß der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] kennt und [X.] ist, daß er diese zur Tat ausnutzt. Dabei genügt es nicht, daß er [X.], auf die sich die Würdigung der Tötung als heimtückisch stützt, in- 7 -einer äußerlichen, nicht ins Bewußtsein dringenden Weise wahrnimmt. Er mußvielmehr, was allerdings oft mit fieinem Blickfl geschehen wird, die [X.] Arg- und Wehrlosigkeit für seine Tat erfaßt haben (BGHSt 6, 120, 121; 6,329, 331). An einer in das Bewußtsein dringenden Wahrnehmung der [X.] kann es etwa dann fehlen, wenn der Täter in hoher Erregunghandelt (Jähnke in [X.]. § 211 Rdn. 47).An diesen Maßstäben gemessen vermögen die Urteilsgründe den [X.] heimtückischer Tötung nicht zu tragen:Es erscheint schon zweifelhaft, ob zumindest im Ergebnis mit der erfor-derlichen Deutlichkeit festgestellt ist, daß der Angeklagte die Arg- und Wehrlo-sigkeit des [X.] [X.] erkannt hat. Soweit das [X.] ausführt, fisub-jektiv (sei) die Arg- und die daraus resultierende Wehrlosigkeit des [X.] für [X.] erkennbarfl gewesen und an anderer Stelle betont, daß die [X.] Angeklagten erkennbare Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] fl durch bestimmteUmstände verstärkt worden sei, stellt es rechtlich unzutreffend nicht auf [X.], sondern auf die Möglichkeit der Kenntniserlangung ab. Dadurch wirdzugleich der Aussagewert der sich zwischen den beiden zitierten Passagenfindenden Feststellung gemindert, dem Angeklagten sei [X.] diesem Momentklarfl gewesen, daß das Opfer nicht mit einem Schußwaffeneinsatz gerechnethabe.Jedenfalls aber genügt die Beweiswürdigung zur subjektiven Seite unterden hier gegebenen besonderen Umständen nicht den an sie zu stellendenrechtlichen Anforderungen:Angesichts der Verhältnisse an der [X.] im [X.] versteht es sich keineswegs von selbst, daß sich ein fiGrenzprovokateurfl,- 8 -der sich nach Überschreiten dieser Grenze auf dem Gebiet der [X.] bis un-mittelbar an deren ersten Grenzzaun vorgewagt hatte, keiner feindseligen [X.] auf seine Person versah. Im Gegenteil mußte, wer die Grenze [X.], naheliegender Weise auch in Rechnung stellen, daß Angehörigeder Grenztruppen im Falle seiner Entdeckung möglicherweise Schüsse auf ihnabgeben würden. In der angespannten Situation, die in den Tagen vor der Tat[X.] unter anderem mit der Folge eines verstärkten Einsatzes von Grenzaufklä-rern - entstanden war, nachdem Unbekannte vom Westen aus [X.] an [X.] ‡ausgeschossen‚ bzw. [X.] hatten, mußtedie Gefahr eines Schußwaffeneinsatzes einem Grenzverletzer, zumal wenn erprovozierende Aktionen plante, deutlich vor Augen stehen. Vor diesem Hinter-grund erschließt sich nicht, aus welchen Gründen der Angeklagte, der das Ta-topfer bei Abgabe der Schüsse noch nicht als den [X.] allgemein als harmlos be-kannten [X.] [X.] identifiziert hatte, sondern der Meinung war, einen [X.] vor sich zu haben, abweichende Vorstellungen gehabt hatund von der Arglosigkeit des von ihm gestellten Grenzverletzers ausgegangensein muß, wie das [X.] als Ergebnis seiner im übrigen sorgfältigen Be-weiswürdigung annimmt.Hinzu kommt, daß sich die [X.] nicht mit der Frageauseinandergesetzt hat, ob dem Angeklagten die Bedeutung der von ihm [X.]nach ihrer Würdigung - erkannten Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] in dererforderlichen Weise in das Bewußtsein gedrungen ist. Hierzu hätte aber ins-besondere mit Blick auf die spannungsgeladene Situation, in der sich die [X.], sowie die Gemütsverfassung des Angeklagten Anlaß bestanden.Dieser befand sich vor der Abgabe des tödlichen Schusses ersichtlich in einemZustand hochgradiger Empörung und Erregung: Wie das Urteil [X.], war der Angeklagte, dem fidie Sicherung der Staatsgrenze [X.] (war), dem er sich kompromißlos verpflichtet [X.] nach den voraus-gegangenen Grenzprovokationen fierbost über das dreiste Verhalten der Per-son auf dem Bahndamm und wollte diese erneute Provokation an der Grenzeunbedingt beendenfl: Die Rufe [X.] empfand er als eine fihämischeProvokationfl. Diese Feststellungen sprechen nachhaltig für eine Seelenlage,die einer in das Bewußtsein des Angeklagten dringenden Wahrnehmung derobjektiven Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] hindernd entgegengestanden habenkann.4. Der Rechtsfehler führt zur Änderung des Schuldspruchs. Nicht zuletztunter Berücksichtigung der langen Zeit (25 Jahre) seit der Tat sieht der Senates als ausgeschlossen an, daß sich in einer erneuten Hauptverhandlung nochUmstände feststellen lassen, die [X.] rechtsfehlerfrei [X.] den Schluß auf die erfor-derlichen subjektiven Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung erlaubenkönnten.5. Infolge der Änderung des Schuldspruchs kann der auf die [X.] des § 211 StGB gestützte Strafausspruch keinen Bestand ha-ben. Ob dieser auch im Falle der Verwerfung der Rechtsmittel zum Schuld-spruch hätte aufgehoben werden müssen, weil die Tat des Angeklagten [X.] wieStaatsanwaltschaft und Angeklagter meinen [X.] durch so außergewöhnliche Um-stände geprägt ist, daß sich die vom [X.] angedrohte lebenslangeFreiheitsstrafe als unverhältnismäßig dargestellt hätte und eine Strafmilderung- 10 -in entsprechender Anwendung des § 49 StGB geboten wäre (vgl. BGHSt 30,105), bedarf danach keiner Entscheidung.[X.]Tolksdorf [X.] $

Meta

4 StR 520/00

17.05.2001

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2001, Az. 4 StR 520/00 (REWIS RS 2001, 2544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2544

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