Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.02.2017, Az. 9 AZR 488/16

9. Senat | REWIS RS 2017, 15713

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Gegenstand

Urlaubs- und Weihnachtsgeld - Anrechnung auf ERA-Tarifentgelt


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25. Mai 2016 - 3 [X.]/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Urlaubs- und [X.]ansprüche für die [X.] und 2015.

2

Der Kläger trat am 1. März 2006 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten und ist seit Oktober 2010 Mitglied der [X.]. Sein Arbeitsvertrag vom 8. Februar 2006 regelt auszugsweise:

        

§ 6  

        

Urlaub

        

Der Mitarbeiter hat einen Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Tagen, den er nach Abstimmung mit dem für ihn zuständigen Vorgesetzten nehmen wird. Als Urlaubsvergütung wird der Arbeitsverdienst sowie ein zusätzliches Urlaubsgeld von 50 % des jeweiligen Entgeltes pro Urlaubstag im Monat Juni für den Jahresurlaub ausbezahlt.“

3

Mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 ging das Arbeitsverhältnis des [X.] im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die an ihn in den Jahren 2011 bis 2013 jeweils ein [X.] iHv. 50 % des jeweiligen [X.] zahlte; zuvor belief sich das [X.] auf 30 % des [X.]. Darüber hinaus erhielt der Kläger ein zusätzliches Urlaubsgeld iHv. 50 % des jeweiligen Entgelts pro Urlaubstag.

4

Am 4. Juli 2013 schlossen die [X.], die zu diesem Zeitpunkt noch unter [X.] firmierende Beklagte und die [X.] einerseits sowie die [X.] andererseits einen Anerkennungstarifvertrag ([X.]), in dem es ua. heißt:

        

§ 2   

        

Anerkennung der Tarifverträge

        

(1)     

Die in Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie, abgeschlossen zwischen der [X.] und dem Verband [X.] … gelten während der Laufzeit des vorliegenden Tarifvertrages in der jeweils gültigen Fassung für die jeweils im persönlichen Geltungsbereich aufgeführten Beschäftigten der im Geltungsbereich des vorliegenden Tarifvertrages genannten Unternehmen, soweit im [X.] keine abweichende Regelung getroffen wird.

        

(2)     

Der Wortlaut der in Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge lag den Parteien dieses Tarifvertrages vor.

        

…       

        
                          
        

§ 3     

        

Abweichungen von den anerkannten Tarifverträgen

        

…       

        
        

(5)     

§§ 6 bis 11 [X.] finden - abweichend von der Anerkennung des [X.] im Übrigen - keine Anwendung. Stattdessen gilt gemäß § 6 dieses [X.] eine erfolgsabhängige Sonderzahlung.

        

…       

        
        

(9)     

Die Tarifvertragsparteien prüfen innerhalb der Erklärungsfrist die möglichst kostenneutrale Einführung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung und einer betrieblichen Sonderzahlung. Bis dahin finden § 10 Ziff. 10 [X.] sowie § 2 TV BS keine Anwendung.

        

…       

        
                          
        

§ 4     

        

Überführung auf das [X.]-Entgeltsystem

        

(1)     

Die nachfolgenden Bestimmungen regeln den Einführungsprozess des Entgeltrahmentarifvertrages [X.] in den einzelnen Gesellschaften. Bis dahin gelten jeweils die derzeit angewendeten [X.]. …

        

(2)     

Der [X.]-Einführungsprozess wird bei der [X.] begonnen. Der Einführungsprozess erfolgt gemäß § 10 Einführungs-TV [X.]. Die übrigen Bestimmungen des Einführungs-TV [X.] finden keine Anwendung.

                 

Als Einführungsstichtag für [X.] wird der 01.04.2014 festgelegt.

                 

…       

        

…       

        
        

(5)     

Ist bei der Anwendung dieses Tarifvertrages und der hierdurch in Bezug genommenen Tarifverträge das neue Entgelt niedriger als das bisherige Entgelt, so besteht Anspruch auf eine Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen dem bisherigen Entgelt und dem sich aus der Umstellung ergebenden Entgelt. Diese Ausgleichszulage kann in den ersten beiden Jahren mit 100 % künftiger Tariferhöhungen und ab dem [X.] mit 50 % künftiger Tariferhöhungen angerechnet werden. Darüber hinaus kann die Ausgleichszulage bei Aufrücken in eine höhere [X.] oder -stufe und/oder auf sonstige Leistungen (Einmalzahlungen) vollständig angerechnet werden.

                          
        

…       

                 
        

ANLAGE 1

        

A.      

…       

                 

1.    

Manteltarifvertrag ([X.]) für die Beschäftigten der Metallindustrie [X.] und Umgebung sowie [X.] und [X.] vom 03.07.2008

                 

…       

        
                 

5.    

Gemeinsames Entgeltrahmenabkommen [X.] vom 23. Mai 2003 in der Fassung vom 26.03.2008

                 

…       

        
                 

7.    

Einführungstarifvertrag [X.] vom 11. September 2003 inkl. Auslegungsregelung vom 6. September 2004 jeweils in der Fassung vom 26.03.2008

                 

…“    

        

5

Unter dem Datum 18. April 2014 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien des [X.] in einem „Zusatz zum Verhandlungsergebnis vom 14. März 2013“ eine „Protokollnotiz zusätzliche Urlaubsvergütung / betriebliche Sonderzahlung“. Diese lautet auszugsweise:

        

„Die Tarifvertragsparteien haben gem. § 3 Ziff. 9 Anerkennungstarifvertrag als Anlage zum Verhandlungsergebnis vom 14.03.2013 eine möglichst kostenneutrale Einführung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung und einer betrieblichen Sonderzahlung geprüft.

        

Das folgende Modell erachten die Tarifvertragsparteien als Möglichkeit, eine möglichst kostenneutrale Einführung umzusetzen. …

                 
        

…       

        
                          
        

2.    

Für alle Gesellschaften soll Folgendes gelten:

                 

…       

        
                 

•       

Soweit Mitarbeiter bereits Anspruch auf ein 13. Monatsentgelt bzw. Sonderzahlungen haben, erfolgt eine entsprechende Verrechnung. Ansprüche auf doppelte Leistungen sind ausgeschlossen.

        

…       

        
        

Für den Fall der Nichtäußerung bzw. Ablehnung des Modells durch die [X.] gilt die Einigung vom 14.03.2013 unverändert, nach der in allen Gesellschaften für die Laufzeit des [X.] § 10 Ziff. 10.3 [X.] sowie der Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen nicht anerkannt werden, mithin Ansprüche auf zusätzliche Urlaubsvergütung und betriebliche Sonderzahlungen allein aufgrund individualrechtlicher Basis entstehen können.“

6

Die [X.] äußerte sich zu dem vorgeschlagenen Modell bis zum Ablauf der vereinbarten Erklärungsfrist am 25. April 2013 nicht. Die Tarifvertragsparteien des [X.] trafen auch in der Folgezeit keine Regelung über ein zusätzliches Urlaubsgeld oder eine betriebliche Sonderzahlung.

7

Das Gemeinsame Entgeltrahmenabkommen ([X.]) enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 15 

        

Besitzstandssicherung und Anrechnung übertariflicher Entgeltbestandteile

        

1.    

Durch die Einführung der neuen Entgeltstruktur und der damit im Zusammenhang stehenden Verträge (Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge) darf für den einzelnen Beschäftigten keine finanzielle Schlechterstellung erfolgen.

        

2.    

Tritt durch die Anwendung dieses Tarifvertrages eine Erhöhung des [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente ... gegenüber dem bisherigen [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente und [X.] gemäß § 3.3 B[X.] ein, so können

                 

a.    

von den Betrieben außer- und übertarifliche Vergütungsbestandteile jedweder Art und Rechtsgrundlage angerechnet werden; die Anrechnung gilt auch als Kompensation bei Anwendung von § 4 Ziff. 3, 2. Spiegelstrich [X.]-Einführungstarifvertrag.

                 

b.    

…       

                 

Für diejenigen Beschäftigten, die nicht zum Geltungsbereich der Gehaltstarifverträge gehörten, gilt dies entsprechend.

        

3.    

Ist bei der Anwendung dieses Tarifvertrages das neue [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente … niedriger als das bisherige [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente und [X.] gemäß § 3.3 B[X.], so besteht Anspruch auf eine Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen dem bisherigen [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente und dem sich aus der Umstellung ergebenden [X.] einschließlich tariflicher Leistungskomponente.

                 

…“    

8

Mit Schreiben vom 13. März 2014 informierte die Beklagte den Kläger über die [X.]-Einführung zum 1. April 2014. Darin heißt es auszugsweise:

        

„... Im März 2014 beträgt Ihr Monatsgehalt 2.557,80 €.

        

Die Tarifparteien haben vereinbart, dass kein zusätzliches Urlaubs- und [X.] gezahlt werden soll.

        

Bisher erhielten Sie 1.764,00 € Urlaubsgeld und 3.042,90 € [X.]. Um Ihnen diese Bestandteile des [X.] abzusichern, wird Ihr bisheriges [X.] in Höhe von 33.736,50 € in 12 gleiche Monatsentgelte umgerechnet. Dies ergibt ein Monatsentgelt von 2.811,38 €.

        

…       

                 
        

Ab 01.04.2014 setzt sich Ihr Monatsentgelt gemäß dem Eingruppierungsvorschlag der Geschäftsführung wie folgt zusammen:

        

Tarifgruppe 06 H

        
        

Tarifgrundentgelt

€ 3.085,00

        

Gesamtentgelt brutto

€ 3.085,00

        

bei 174 Stunden/Monat“

        

9

Mit der Abrechnung für den Monat April 2014 zahlte die Beklagte an den Kläger neben dem neuen Monatsentgelt ein anteiliges Urlaubsgeld iHv. 441,22 Euro brutto und ein anteiliges [X.] iHv. 319,73 Euro brutto für die Monate Januar bis März 2014. Rückwirkend zum 1. April 2014 wurde seine Eingruppierung korrigiert und sein monatliches Bruttoentgelt auf 3.435,00 Euro festgelegt.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von (restlichem) Urlaubs- und [X.] für die [X.] und 2015 verlangt. Dazu hat er die Auffassung vertreten, dass diese zusätzlichen Leistungen nicht gemäß § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] auf die tariflichen [X.]-Monatsentgelte angerechnet werden dürften. Die Bestimmung des § 4 Abs. 5 [X.] regele abschließend die Rechtsfolgen einer Differenz zwischen dem bisherigen und dem neuen Entgelt und verdränge damit § 15 [X.] vollständig. Aber auch bei einer Anwendung des § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] sei eine Anrechnung unzulässig. Durch die Einführung des [X.]-[X.] habe nur das bisherige Monatsentgelt durch das neue tarifliche Entgelt ersetzt werden dürfen. Ein Günstigkeitsvergleich zwischen dem [X.]-Monatsentgelt und dem bisherigen Entgelt einschließlich des Urlaubs- und [X.] sei mangels eines inneren Zusammenhangs ausgeschlossen.

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das [X.] eine Sonderzahlung ([X.]) iHv. 1.542,50 Euro brutto abzüglich gezahlter 319,73 Euro brutto, somit 1.222,77 Euro brutto [X.] Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das [X.] zusätzliches Urlaubsgeld iHv. 2.127,60 Euro brutto abzüglich gezahlter 441,22 Euro brutto, somit 1.686,38 Euro brutto [X.] Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das [X.] ein zusätzliches Urlaubsgeld iHv. 2.127,60 Euro brutto [X.] Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 zu zahlen;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn für das [X.] eine Sonderzahlung ([X.]) iHv. 1.717,50 Euro brutto [X.] Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, etwaige Ansprüche des [X.] auf Urlaubs- und [X.] aus den Jahren 2014 und 2015 seien durch die nach § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] zulässige Anrechnung auf das höhere [X.]-[X.] erfüllt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Der Kläger kann für die [X.] und 2015 nicht die Zahlung von (weiterem) Urlaubs- und Weihnachtsgeld verlangen. Dabei kann zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden, dass die von ihm verfolgten Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach entstanden sind. Die Beklagte hat sie durch Anrechnung auf das seit dem 1. April 2014 gezahlte [X.] gemäß § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] iVm. § 2 Abs. 1 [X.] und der hierzu vereinbarten Anlage 1 erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

I. [X.] beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbare [X.] ordnet die Geltung der in seiner Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge (ua. das [X.]) an und modifiziert diese zugleich. Nach § 2 Abs. 1 [X.] gelten die in der Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge ua. bei der [X.], soweit der [X.] keine abweichenden Regelungen trifft. Die in der Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge finden somit nicht mit ihrem originären, sondern mit dem durch den [X.] verliehenen Inhalt Anwendung. Bei der Auslegung des [X.] und der in dessen Anlage 1 aufgeführten Tarifverträge, insbesondere des [X.], ist eine sich aus dem Zusammenwirken der Regelungen ergebende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

II. Danach ist § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] von der tariflichen Bezugnahme in § 2 Abs. 1 [X.] erfasst und damit Bestandteil des bei der [X.] zur Anwendung kommenden Tarifwerks.

1. Hierfür sprechen bereits Wortlaut und Systematik des Tarifvertrags. § 2 Abs. 1 [X.] legt ein [X.] fest. Die in der Anlage zum [X.] aufgeführten Tarifverträge sollen nach § 2 Abs. 1 [X.] gelten, soweit im [X.] keine abweichenden Regelungen getroffen worden sind. Somit ist § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] nur dann nicht von der tariflichen Bezugnahme in § 2 Abs. 1 [X.] erfasst, wenn dessen Anwendung im [X.] ausgeschlossen worden ist.

a) Eine darauf abzielende ausdrückliche Regelung enthält der [X.] nicht. Die in § 3 Abs. 1 bis Abs. 6 [X.] geregelten Abweichungen und Ausnahmen von dem [X.] beziehen sich nicht auf § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.].

b) Entgegen der Auffassung des [X.] verdrängt § 4 Abs. 5 [X.] nicht die Regelung in § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.]. Die Tarifnorm regelt eine Besitzstandssicherung, wenn das [X.] im Anwendungsbereich des [X.] niedriger als das bisherige Entgelt ist. In diesem Fall besteht ein Anspruch auf Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen dem bisherigen und dem sich aus der Umstellung ergebenden Entgelt. § 4 Abs. 5 [X.] verdrängt Regelungen des [X.] nur insoweit, als der identische Regelungsgegenstand betroffen ist. Nur „insoweit“ liegt eine abweichende Regelung iSv. § 2 Abs. 1 [X.] vor. § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] gewährt keine Besitzstandssicherung bei Unterschreitung des bisherigen Entgelts, sondern enthält eine Anrechnungsbestimmung bei einer durch die Anwendung des [X.] eingetretenen Vergütungserhöhung.

c) Der Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die Anrechnung nach § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] „auch als Kompensation bei Anwendung von § 4 Ziff. 3, 2. Spiegelstrich [X.]-Einführungstarifvertrag“ gilt. Diese Verweisung gestattet nicht den Rückschluss, dass eine Anrechnung nach § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] ausgeschlossen ist, weil „§ 4 Ziff. 3, 2. Spiegelstrich [X.]-Einführungstarifvertrag“ gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 [X.] bei der [X.] nicht anwendbar ist. Die Verwendung des Worts „auch“ macht deutlich, dass die Tarifvertragsparteien mit der Anrechnungsmöglichkeit weitere Zwecke verfolgten.

d) Auch die Protokollnotiz vom 18. April 2014 schließt die Anwendbarkeit des § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] nicht aus. Die in deren Ziff. 2 vereinbarte Einführung eines Urlaubsgelds nach Maßgabe des § 10 Ziff. 10.3 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten der Metallindustrie [X.] und Umgebung sowie [X.] und [X.] sowie einer Sonderzahlung nach § 2 des Tarifvertrags über betriebliche Sonderzahlungen kam mangels Zustimmung der [X.] [X.] nicht zustande. Der in § 3 Abs. 9 [X.] zunächst nur als vorübergehend geregelte Ausschluss eines zusätzlichen Urlaubsgelds und einer betrieblichen Sonderzahlung wurde im letzten Absatz der Protokollnotiz vom 18. April 2014 dauerhaft festgeschrieben. Punkt 2 der Aufzählung in Ziff. 2 der Protokollnotiz führt nicht zu der Auslegung, dass § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] von der tariflichen Bezugnahme in § 2 Abs. 1 [X.] nicht erfasst ist. Die Bestimmung unterstellt zwar, dass Mitarbeiter „Anspruch auf ein 13. Monatsentgelt bzw. Sonderzahlungen“ haben, der mit dem Anspruch auf die in Aussicht genommene tarifliche Sonderzahlung verrechnet werden sollte. Die Bestimmung sah mithin lediglich eine gegenüber § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] spezielle Anrechnungsregelung vor. Da sie jedoch mangels Zustimmung der [X.] [X.] nicht geltendes Tarifrecht geworden ist, vermag sie § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] nicht (ganz oder teilweise) zu verdrängen.

2. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch der Sinn und Zweck des [X.] iVm. dem [X.]. Die Tarifvertragsparteien haben eine möglichst kostenneutrale Einführung des [X.]-Systems beabsichtigt. Dies zeigen § 3 Abs. 9 und § 4 Abs. 5 [X.]. In § 3 Abs. 9 [X.] haben sich die Tarifvertragsparteien dazu verpflichtet, innerhalb einer Erklärungsfrist die möglichst kostenneutrale Einführung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung und einer betrieblichen Sonderzahlung zu prüfen. Das Ziel einer möglichst kostenneutralen [X.]-Einführung kommt auch in § 4 Abs. 5 [X.] zum Ausdruck, dem zufolge eine Ausgleichszulage zu zahlen ist, wenn das neue Entgelt niedriger als das bisherige Entgelt ist, wobei diese Ausgleichszulage wiederum auf künftige Tariferhöhungen, das Aufrücken in eine höhere [X.] oder -stufe und/oder auf sonstige Leistungen (Einmalzahlungen) angerechnet werden kann. Nach dem [X.] der Tarifvertragsparteien ist somit die Anrechnung einer Einmalmalzahlung auf die Ausgleichszulage ein Gestaltungsmittel zur Erzielung der beabsichtigten Kostenneutralität. Es widerspräche dieser Intention, wenn die Anrechnungsvorschrift des § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] unanwendbar wäre und bestehende Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in jedem Fall vollumfänglich neben der neuen tariflichen Vergütung erhalten blieben.

III. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] für eine Anrechnung außer- und übertariflicher Vergütungsbestandteile jedweder Art und Rechtsgrundlage sind erfüllt. Die Anrechnungsmöglichkeit besteht, wenn „durch die Anwendung dieses Tarifvertrages eine Erhöhung des [X.] … gegenüber dem bisherigen [X.]“ eingetreten ist. Dies gilt entsprechend für diejenigen Beschäftigten, die nicht zum Geltungsbereich der [X.] gehörten. Im Anwendungsbereich des [X.] ist für den nach § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] vorzunehmenden Vergleich nicht auf das bisherige [X.], sondern auf die bisherige Bruttomonatsvergütung abzustellen. Dies sieht zum einen § 15 Ziff. 2 aE [X.] ausdrücklich für diejenigen Beschäftigten vor, die nicht zum Geltungsbereich der [X.] gehörten. Für diese Beschäftigten gilt die Anrechnungsbestimmung „entsprechend“. Weiterhin gilt das [X.] im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht kraft beiderseitiger Mitgliedschaft bei den tarifvertragschließenden Parteien, sondern durch die tarifliche Bezugnahme im [X.]. Diese Besonderheit ist bei der Auslegung des § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] zu berücksichtigen. Da mangels Tarifgebundenheit der [X.] ein bisheriges „[X.]“ bei dieser nicht existierte, ist in der durch den [X.] vermittelten Anwendung des § 15 Ziff. 2 [X.] darauf abzustellen, ob durch die Anwendung des [X.] iVm. dem [X.] eine Erhöhung des [X.] gegenüber dem bisherigen Entgelt, das die Beklagte nach Maßgabe der bis dahin geltenden Vergütungsordnung gezahlt hat, eingetreten ist. Dies ist der Fall. Das bisherige monatliche Entgelt des [X.] betrug 2.557,80 Euro brutto. Demgegenüber belief sich sein monatliches [X.] ab dem 1. April 2014 zunächst auf 3.085,00 Euro brutto und ist im Oktober 2015 durch die rückwirkende Berichtigung der Eingruppierung auf 3.435,00 Euro brutto erhöht worden.

IV. [X.] Ziff. 2 Buchst. a [X.] erfasst „außer- und übertarifliche Vergütungsbestandteile jedweder Art und Rechtsgrundlage“ und damit die geltend gemachten Ansprüche des [X.] auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die im Verhältnis zum [X.] „außertarifliche“, weil zusätzliche Entgeltbestandteile darstellen.

V. Eine einzelvertragliche Zusage, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht angerechnet werden dürfen (vgl. hierzu [X.] 27. August 2008 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]E 127, 319; 30. Mai 2006 - 1 [X.] - Rn. 17, [X.]E 118, 211; 1. März 2006 - 5 [X.] - Rn. 13), liegt nicht vor. Es ist weder festgestellt noch vom Kläger vorgetragen, dass ihm das Urlaubs- und Weihnachtsgeld als anrechnungsfeste, selbstständige Vergütungsbestandteile neben dem jeweiligen monatlichen Entgelt zugesagt worden sind.

VI. Ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 [X.] liegt nicht vor.

1. Für das Verhältnis von tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Regelungen gilt die gesetzliche Kollisionsregel des § 4 Abs. 3 [X.]. Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifnormen hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelungen gegenüber dem Tarifvertrag enthält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung ([X.] 15. April 2015 - 4 [X.] - Rn. 27, [X.]E 151, 221). Zu vergleichen sind nur Regelungen, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen (sog. Sachgruppenvergleich; vgl. [X.] 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 39, [X.]E 134, 130). Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien des Arbeitsvertrags die vertraglichen Regelungen vor oder nach Inkrafttreten des Tarifvertrags vereinbart haben ([X.] 12. Oktober 2010 - 9 [X.] - Rn. 19 mwN).

2. Eine solche Kollision liegt hier nicht vor. Einzelvertragliche Ansprüche auf Zahlung eines Urlaubs- und Weihnachtsgelds werden durch die Einführung des [X.] nach dem [X.] nicht berührt. Der Tarifvertrag greift nicht in diese Ansprüche ein; er regelt in § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] nur deren Anrechnung auf die - erhöhte - tarifliche Vergütung. Damit wird nicht ein einzelvertraglicher Anspruch beseitigt, sondern ein tarifvertraglicher Anspruch von vornherein nur bedingt durch die Kürzung um bestimmte einzelvertragliche Zahlungen eingeräumt, wobei die Anrechnung als [X.] ausgestaltet ist. Eine solche Regelung ist zulässig. Die Tarifvertragsparteien haben damit ihren Regelungsspielraum nicht überschritten. Sie haben nicht die Beseitigung individualrechtlicher Ansprüche vorgesehen, sondern die Einführung einer tariflichen Zahlung unter Anrechnung dieser Leistungen geregelt (vgl. hierzu [X.] 3. März 1993 - 10 [X.] - zu II 2 der Gründe; 19. Juli 1983 - 3 [X.] - zu I 2 der Gründe, [X.]E 43, 188).

VII. Die Beklagte hat durch die Zahlung des infolge der [X.]-Einführung erhöhten Entgelts und dessen Anrechnung nach § 15 Ziff. 2 Buchst. a [X.] iVm. § 2 Abs. 1 [X.] und der Anlage 1 die geltend gemachten Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die [X.] und 2015 erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

1. Für das [X.] macht der Kläger restliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld [X.]. insgesamt 2.909,15 Euro brutto (1.686,38 Euro brutto restliches Urlaubsgeld, 1.222,77 Euro brutto restliches Weihnachtsgeld) geltend. Dem steht - bereits unabhängig von der rückwirkenden Höhergruppierung - eine durch die [X.]-Einführung im [X.] eingetretene Entgelterhöhung von insgesamt 4.744,80 Euro brutto (9 Monate x 527,20 Euro brutto/Monat) gegenüber.

2. Auch das für das [X.] gezahlte höhere Entgelt [X.]. insgesamt 7.376,40 Euro brutto (ohne die rückwirkende Höhergruppierung) übersteigt das geltend gemachte Urlaubs- und Weihnachtsgeld von insgesamt 3.845,19 Euro brutto (2.127,69 Euro brutto Urlaubsgeld, 1.717,50 Euro brutto Weihnachtsgeld).

VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

       

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Zimmermann    

       

       

        

    Frank    

        

    Neumann-Redlin    

                 

Meta

9 AZR 488/16

14.02.2017

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 19. November 2015, Az: 23 Ca 178/15, Urteil

§ 4 Abs 3 TVG, § 1 TVG, § 611 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.02.2017, Az. 9 AZR 488/16 (REWIS RS 2017, 15713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15713

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