Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.09.2014, Az. 5 AZR 240/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 3154

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Gegenstand

Auslegung einer tariflichen Mindestabstandsregelung für außertarifliche Angestellte - freiwillige Sonderzahlung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. November 2012 - 6 [X.] 818/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1,95 Euro seit dem jeweiligen [X.] - beginnend mit dem 1. Juni 2009 und endend mit dem 1. April 2011 - für die [X.] bis zum 30. April 2011 zu zahlen hat.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der aufgrund einer tarifvertraglichen Abstandsklausel geschuldeten Vergütung.

2

Der 1953 geborene Kläger ist bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingetreten. [X.]n einem von dieser an den Kläger gerichteten, mit der Überschrift „Dienstvertrag“ versehenen Schreiben vom 1. Juli 1990 heißt es ua.:

        

„…    

        

unter Bezugnahme auf die mit [X.]hnen geführten Gespräche möchten wir die zwischen [X.]hnen und M bestehenden dienstvertraglichen Beziehungen ab 01.07.1990 auf eine neue Grundlage stellen. Ab diesem Zeitpunkt nehmen wir Sie in den Kreis unserer Außertariflichen Führungskräfte auf.

        

Wir schlagen [X.]hnen vor, die beiderseitigen Rechte und Pflichten wie folgt zu regeln:

        

…       

        

§ 3 Vergütung

        

Sie erhalten als Vergütung für [X.]hre Tätigkeit Jahresbezüge in Höhe von [X.] 100.915,--/brutto. Diese Jahresbezüge setzen sich wie folgt zusammen:

        

[X.]:

[X.] 7.500,-- x 12 =

[X.] 90.000,--

        

Urlaubsgeld:

        

[X.] 5.415,--

        

Abschlußvergütung 1990:

        

[X.] 5.500,--

        

[X.]hre Bezüge werden in regelmäßigen Abständen überprüft.

        

Die Höhe der Abschlußvergütung ist abhängig von der Ertragslage des Bereiches und des Unternehmens. Sie wird im einzelnen von der individuellen Leistung bestimmt. Voraussetzung für die Zahlung der Abschlußvergütung ist ein am 31.12. ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Wir behalten uns vor, diese Abschlußvergütung als erfolgsabhängige variable Abschlußvergütung neu festzulegen, wenn eine entsprechende Verfahrensweise vom Vorstand genehmigt und verbindlich eingeführt wird.

        

Wir bezahlen [X.]hnen jeweils mit den Bezügen für den Monat April ein Urlaubsgeld in Höhe von 72,2 % eines Bruttomonatsgehalts. Voraussetzung ist ein am 30.04. ungekündigtes Dienstverhältnis von mindestens sechsmonatiger Dauer.

        

Ferner gewähren wir [X.]hnen monatlich eine Sonderzulage von [X.] 52,--. Wir überlassen es [X.]hnen, ob Sie diesen Betrag für eine vermögenswirksame Anlage verwenden wollen.

        

…“    

3

Mit Schreiben vom 22. November 2004 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger unter dem Betreff „Einbezug von Urlaubs- und Weihnachtsgeld/Jahresabschlussvergütung“ ua. mit:

        

„…    

        

[X.]hr Arbeitsvertrag beinhaltet bisher die Zahlung eines fixen Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeldes bzw. einer Jahresabschlussvergütung. Diese Gehaltsbestandteile wurden bisher im April bzw. November zur Auszahlung gebracht.

        

Wir möchten ab 01. Januar 2005 den [X.] dahingehend ändern, dass sowohl Urlaubs- als auch Weihnachtsgeld bzw. die Jahresabschlussvergütung nicht mehr als jeweilige Einmalzahlung, sondern anteilig monatlich ausbezahlt werden.

        

Hintergrund für diese Änderung ist der Wunsch, einheitlich ein modernes Entgeltsystem im [X.] einzuführen, das sich wie folgt darstellt:

        

12 x Monatsgehalt (incl. des anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bzw. Jahresabschlussvergütung) zuzüglich einer möglichen freiwilligen variablen Vergütung

        

[X.]hr Monatsgehalt ändert sich ab Januar 2005

        

von € 5.449,88 (brutto)

        

auf € 6.125,00 (brutto);

        

das Urlaubs- und Weihnachtsgeld bzw. die Jahresabschlussvergütung als Einmalzahlung entfällt.

        

…       

        

Zum Zeichen [X.]hres Einverständnisses bitten wir, die Zweitschrift dieses Schreibens bis spätestens 17.12.2004 unterschrieben an die Personalabteilung zurückzusenden.

        

…“    

4

Der Kläger sandte eine am 16. Dezember 2004 von ihm unter dem Vermerk „Einverstanden“ unterzeichnete Zweitschrift des Schreibens zurück.

5

Bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhielt der Kläger von Februar 2009 bis März 2011 ein monatliches Gehalt iHv. 6.750,00 Euro brutto und ab April 2011 bis März 2012 iHv. 6.935,40 Euro brutto jeweils zuzüglich weiterer 26,59 Euro brutto monatlich, die die Beklagte in den Gehaltsabrechnungen als „freiwillige Sonderzahlung“ ausgewiesen hat. Mit der Vergütung für den Monat April 2011 leistete die Beklagte für die Monate Mai 2009 bis März 2011 eine Nachzahlung iHv. 1,95 Euro brutto je Monat, insgesamt 44,85 Euro brutto, um die „[X.]“ einzuhalten.

6

Der Kläger ist Mitglied der [X.], die Beklagte Mitglied des [X.] [X.]m Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der [X.] Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni 2008 (im Folgenden: [X.]) ist ua. geregelt:

        

„§ 1 Geltungsbereich

        

Der Tarifvertrag gilt.

        

…       

        

3. Persönlich:

([X.])     

Für alle Arbeitnehmer sowie für die Auszubildenden.

                 

([X.][X.])   

Nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Vertrages gelten:

                 

…       

        
                 

d)    

sonstige Arbeitnehmer, denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes monatliches Entgelt zugesagt worden ist, das den Tarifsatz der [X.] 12 ([X.]) um 30,5 v.H. übersteigt,

                          

oder   

                          

denen auf außertariflicher Grundlage ein garantiertes Jahreseinkommen zugesagt worden ist, das den zwölffachen Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um 35 v.H. übersteigt.

        

…       

                 
        

Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. ([X.][X.]) d

        

‚Garantiert‘ ist das Monatsentgelt bzw. Jahreseinkommen dann, wenn auch hinsichtlich der Entgelthöhe ein Anspruch besteht, der nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung beseitigt werden kann. Erfolgs- bzw. ergebnisabhängige Zahlungen sind nur in der Höhe zu berücksichtigen, in der sie garantiert sind.

        

Zum Monatsentgelt bzw. Jahreseinkommen zählen insbesondere nicht geldwerte Vorteile und Aufwandsentschädigungen.

        

Der Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) bezieht sich auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gem. § 2 Ziff. 1 Abs. ([X.]). Bei einer abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit wird das nach der Formel gem. § 15 Ziff. 1 Abs. ([X.][X.]) berechnete Monatsgrundentgelt zugrunde gelegt.

                 
        

§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

        

1.    

([X.]) Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden.

        

…       

        
        

§ 15 Tarifliches Monatsgrundentgelt und

        

tarifliches Stundenentgelt

        

1.    

([X.]) Die Tarifvertragsparteien vereinbaren im Entgeltabkommen die tariflichen Monatsgrundentgelte, bezogen auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden gem. § 2 Ziff. 1 Abs. ([X.]).

                 

([X.][X.]) Bei einer von der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ([X.]RWAZ) errechnen sich die tariflichen Monatsgrundentgelte nach folgender Formel:

                 

Monatsgrundentgelt gem. Entgelttabelle x

                 

[X.]RWAZ in Stunden

                 

35 Stunden

                 

([X.][X.][X.]) Bei den Berechnungen ist eine kaufmännische Auf- oder Abrundung auf volle Euro vorzunehmen.

                          
        

…“    

        

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung begehrt der Kläger mit seiner am 13. September 2011 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage für den Zeitraum Februar 2009 bis März 2012 die Differenz zwischen dem sich aus § 1 Ziff. 3 Abs. ([X.][X.]) Buchst. d Unterabs. 2 [X.] ergebenden Zahlungsanspruch und den von der Beklagten erbrachten Leistungen. Er hat geltend gemacht, er habe Anspruch auf eine Vergütung, die den 12-fachen Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um [X.] übersteigt. Auf Grundlage des Schreibens vom 1. Juli 1990 sei eine Jahresvergütung vereinbart worden. Lediglich deren [X.] sei mit Schreiben vom 22. November/16. Dezember 2004 geändert worden. Die Sonderzahlung von monatlich 26,59 Euro brutto sei als freiwillige Leistung der Beklagten nicht Teil des garantierten Entgelts iSv. § 1 Ziff. 3 Abs. ([X.][X.]) Buchst. d [X.].

8

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.553,41 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, mit Schreiben vom 22. November/16. Dezember 2004 sei eine Monatsvergütung vereinbart worden. Zur Wahrung des Abstandsgebots genüge die Einhaltung entweder der auf den Monatsverdienst (§ 1 Ziff. 3 Abs. ([X.][X.]) Buchst. d Unterabs. 1 [X.]) oder der auf den Jahresverdienst (§ 1 Ziff. 3 Abs. ([X.][X.]) Buchst. d Unterabs. 2 [X.]) [X.] Grenze. Erstere sei eingehalten. Etwaige Ansprüche für die Monate Februar 2009 bis Dezember 2010 seien verfallen, weil der Kläger diese entgegen § 22 Ziff. 3 [X.] nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist in der Hauptsache unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche des [X.] für die streitgegenständlichen Monate Februar 2009 bis März 2012 mit Zahlung eines Entgelts erfüllt, das den Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um [X.] übersteigt. Lediglich die Zinsentscheidung ist im Hinblick auf die [X.]. 1,95 Euro brutto je Monat verspätete Zahlung der Vergütung für die Monate Mai 2009 bis März 2011 teilweise abzuändern.

I. Der Kläger hat aufgrund seiner Aufnahme „in den Kreis der außertariflichen Führungskräfte“ mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 1. Juli 1990 gemäß § 611 Abs. 1 BGB einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer das tarifliche [X.]gebot nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] wahrenden Vergütung.

1. Eine konstitutive „Ernennung“ zum außertariflichen Angestellten beinhaltet bei beiderseitiger Tarifgebundenheit eine arbeitsvertragliche Zusicherung, diesen Status durch Zahlung einer der Tarifentwicklung und ggf. einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung zu erhalten ([X.] 19. Mai 2009 - 9 [X.] - Rn. 21). Durch die Formulierung „nehmen wir Sie in den Kreis der [X.] Führungskräfte auf“, hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Ausdruck gebracht, dem Kläger konstitutiv die Rechtsstellung eines [X.] einräumen zu wollen.

2. Bei beiderseitiger Organisationszugehörigkeit darf nach § 4 Abs. 3 TVG zum Nachteil des Arbeitnehmers von den tariflichen Bestimmungen nur abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag keine Anwendung mehr findet. Dies setzt nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der [X.] Metall- und Elektroindustrie vom 23. Juni 2008 voraus, dass dem Angestellten ein Entgelt zugesagt ist, das mindestens dem in § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] geregelten tariflichen [X.] entspricht. Diese Mindestvergütung hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mit der Ernennung zum [X.] angeboten. Der Kläger nahm dieses Angebot zumindest stillschweigend an, § 151 BGB.

II. Der Kläger kann für den Zeitraum Februar 2009 bis März 2012 keine Vergütung beanspruchen, die den Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um mehr als [X.] übersteigt. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Abstandsklausel.

1. Tarifliche Inhaltsnormen sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der tariflichen Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa auf die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt ([X.] 12. November 2013 - 1 [X.] - Rn. 11).

2. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Tarifbestimmung ist das [X.] nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] eingehalten, wenn das in [X.] zugesagte, garantierte Entgelt den Mindestabstand nach Unterabs. 1 wahrt. Erst wenn dies nicht der Fall ist und dem Angestellten als garantiertes Jahreseinkommen neben dem in [X.] zu zahlenden Entgelt weitere, nicht im [X.] zu erbringende Leistungen zugesagt sind, ist der Mindestabstand nach Unterabs. 2 einzuhalten. Nicht entscheidend ist, ob die Arbeitsvertragsparteien eine Monatsvergütung oder ein Jahreseinkommen vereinbart haben.

a) Gegen die Annahme, der Tarifvertrag stelle rein formal darauf ab, ob arbeitsvertraglich eine Monatsvergütung oder ein Jahreseinkommen vereinbart wurde, spricht bereits der Wortlaut der tariflichen Abstandsklausel.

aa) § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] bezieht sich in Unterabs. 1 und Unterabs. 2 gleichermaßen auf das monatliche Entgelt bzw. Jahreseinkommen, das „auf außertariflicher Grundlage“ zugesagt und garantiert ist. Erfasst sind damit nicht nur Leistungen, deren Zahlung und Zahlungsmodalitäten arbeitsvertraglich vereinbart ist, sondern alle, auf die auf „nicht tariflicher“ Grundlage ein Anspruch besteht. Dies können zB [X.] aus Betriebsvereinbarungen sein, deren Zahlweise die Betriebspartner bestimmen, oder aus Gesamtzusagen, deren Zahlungsbedingungen der Arbeitgeber festlegt. Schon nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d des Manteltarifvertrags für die Angestellten der [X.] Metall- und Elektroindustrie in der Fassung vom 24. Mai 2002 war für die Einhaltung des tariflichen [X.]s nicht nur das arbeitsvertraglich vereinbarte, sondern das „auf außertariflicher Grundlage geregelte“ Gehalt insgesamt maßgeblich. Dieses umfasste nach der Rechtsprechung des [X.] nicht nur arbeitsvertragliche, sondern alle auf „nicht tariflicher“ Grundlage beruhenden Entgeltbestandteile (vgl. [X.] 19. Mai 2009 - 9 [X.] - Rn. 32). Die Beibehaltung der Formulierung „auf außertariflicher Grundlage“ in der Neufassung von § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] in Kenntnis der Rechtsprechung des [X.] zur Vorgängerregelung bestätigt ein Verständnis der in § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] verwendeten Begriffe „Entgelt“ bzw. „Jahreseinkommen“, das nicht nur auf vertragliche Ansprüche beschränkt ist. Stellte man allein auf die vertragliche Vergütungsvereinbarung ab, blieben sonstige - nicht bereits arbeitsvertraglich zu beanspruchende - auf außertariflicher Grundlage zu leistende Entgeltbestandteile, deren Zahlungsmodus nicht durch vertragliche Vereinbarung bestimmt wird, außer Betracht.

bb) Dieser Auslegung steht die Verwendung der Begriffe „monatliches Entgelt“ und „Jahreseinkommen“ nicht entgegen. Die Tarifvertragsparteien haben hiermit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei der Prüfung, ob der einzuhaltende Mindestabstand gewahrt ist, eine auf das monatlich zu zahlende Entgelt oder eine auf das Jahreseinkommen bezogene Betrachtung vorzunehmen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das den Mindestabstand wahrende außertarifliche Entgelt nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] „zugesagt“ sein muss. Damit soll sichergestellt werden, dass der künftige außertarifliche Angestellte bereits zu Beginn seiner neuen Stellung wissen muss, ob der Verlust tariflicher Rechte angemessen kompensiert wird. Das ist nur der Fall, wenn die Einhaltung des tariflichen [X.] vorab - wie vorliegend durch eine konstitutive Ernennung - auf außertariflicher Grundlage festgelegt wird (vgl. [X.] 19. Mai 2009 - 9 [X.] - Rn. 21).

cc) Auch Sinn und Zweck der Abstandsklausel sprechen gegen ein rein formal auf die vertragliche Vereinbarung abstellendes Verständnis der Tarifbestimmung.

Zweck tariflicher Abstandsregelungen ist es, durch das Anknüpfen an einen Mindestabstand des dem außertariflichen Angestellten zugesagten Entgelts zum höchsten tariflichen Entgelt eine Kompensation für die mit dem [X.] verbundene Preisgabe tariflicher Rechte zu schaffen. Für die sachliche Rechtfertigung eines Verzichts auf tarifliche Ansprüche ist jedoch die Höhe des dem außertariflichen Angestellten als Ausgleich zugesagten Entgelts entscheidend und nicht, ob die Arbeitsvertragsparteien ein Monatsentgelt oder ein Jahreseinkommen vereinbart haben. Dass die Tarifvertragsparteien entscheidend auf die Höhe der Vergütung abgestellt haben, wird durch die Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] bestätigt. Entsprechend der darin enthaltenen Definition des „garantierten“ [X.] bzw. Jahreseinkommens iSv. § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] ist Entgelt nur zu berücksichtigen, wenn der Anspruch auch der Höhe nach nur einvernehmlich oder durch Änderungskündigung änderbar ist.

b) Der [X.] des tariflichen [X.]s spricht auch dagegen anzunehmen, bei der Berechnung des tariflichen [X.] nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] sei Unterabs. 1 nur zugrunde zu legen, wenn dem Angestellten ausschließlich ein monatliches Entgelt zugesagt ist und Unterabs. 2 schon dann, wenn zusätzlich zu monatlichen Zahlungen weitere außerhalb des [X.] zu erbringende Leistungen zugesagt sind. Unterabs. 2 ist nicht anzuwenden, wenn bereits mit dem in [X.] zugesagten, garantierten Entgelt der Mindestabstand nach Unterabs. 1 gewahrt ist oder dem Angestellten neben dem garantierten monatlichen Entgelt keine weiteren Entgeltbestandteile zugesagt sind.

III. Die Beklagte hat den Anspruch des [X.] auf Einhaltung des [X.] mit Zahlung eines den Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um [X.] übersteigenden garantierten monatlichen Entgelts erfüllt.

1. Entsprechend den Entgelttarifverträgen der [X.] Metall- und Elektroindustrie vom 14. November 2008, vom 23. Februar 2010 und vom 22. Mai 2012 hat der Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) ab 1. Februar 2009 4.454,00 Euro, ab 1. Mai 2009 4.545,00 Euro, ab 1. April 2011 4.668,00 Euro und ab 1. Mai 2012 4.869,00 Euro betragen.

a) Nach der Anmerkung zu § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] bezieht sich der Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) auf die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gemäß § 2 Ziff. 1 Abs. (I) [X.]. Bei einer hiervon abweichenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein nach § 15 Ziff. 1 Abs. (II) [X.] zu berechnendes Monatsgrundentgelt zugrunde zu legen. Hierzu ist nach § 15 Ziff. 1 Abs. (II) [X.] das Monatsgrundentgelt gemäß [X.] mit der individuellen Wochenarbeitszeit in Stunden ([X.]) zu multiplizieren und durch die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit in Stunden zu dividieren. Das tarifliche [X.] nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d Unterabs. 1 [X.] ist gewahrt, wenn das zugesagte und garantierte monatliche Entgelt den Tarifsatz der [X.] 12 (Stufe B) um [X.] übersteigt.

b) Danach war zur Wahrung des [X.]s nach § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d Unterabs. 1 [X.] bei einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein Mindestentgelt wie folgt zu zahlen: bis April 2009 6.642,82 Euro brutto, von Mai 2009 bis März 2011 6.778,54 Euro brutto und von April 2011 bis März 2012 6.961,99 Euro brutto.

2. Die Beklagte hat das tarifliche Mindestabstandgebot gewahrt, indem sie dem Kläger von Februar 2009 bis April 2009 ein monatliches Gehalt [X.]. 6.750,00 Euro brutto, ab Mai 2009 bis März 2011 (einschließlich der Nachzahlung von 1,95 Euro brutto je Monat) [X.]. 6.778,54 Euro brutto und ab April 2011 bis März 2012 [X.]. 6.935,40 Euro brutto jeweils zuzüglich weiteren 26,59 Euro brutto monatlich zahlte. Die Leistungen der Beklagten sind in vollem Umfang berücksichtigungsfähig.

a) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger für seine Tätigkeit vertraglich ab Februar 2009 ein Monatsentgelt in Höhe von 6.750,00 Euro brutto und ab April 2011 in Höhe von 6.935,40 Euro brutto beanspruchen konnte und die Beklagte entsprechende Zahlungen leistete.

b) Entgegen der Ansicht des [X.] ist zusätzlich die von der Beklagten im Streitzeitraum geleistete Zahlung von monatlich 26,59 Euro als garantierter Entgeltbestandteil iSv. § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. [X.] zu berücksichtigen. Die Zahlungsverpflichtung resultiert aus der dem Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten in § 3 des Schreibens vom 1. Juli 1990 vorbehaltlos erteilten Zusage. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte die Zahlung in den dem Kläger erteilten Abrechnungen als „freiwillige Sonderzahlung“ ausgewiesen hat. Die Beklagte konnte sich hierdurch nicht einseitig von ihrer Zahlungsverpflichtung lösen. Die Bezeichnung einer Leistung als „freiwillig“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist (vgl. [X.] 20. Februar 2013 - 10 [X.] - Rn. 17).

c) Für die Monate Mai 2009 bis März 2011 leistete die Beklagte neben dem Monatsentgelt und der Sonderzahlung zur Erfüllung des [X.]s jeweils weitere 1,95 Euro brutto, so dass sich für diesen Zeitraum eine Zahlung von insgesamt 6.778,54 Euro brutto (6.750,00 Euro + 26,59 Euro + 1,95 Euro) ergibt.

IV. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche des [X.] für die Monate Mai 2009 bis März 2011, die nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts jeweils zum Monatsletzten fällig wurden, erst mit der Nachzahlung am 30. April 2011 vollständig erfüllt. Sie befand sich im genannten Zeitraum mit der Zahlung von 1,95 Euro brutto je Monat jeweils ab dem ersten des Folgemonats bis zum 30. April 2011 in Verzug. Die Zinsansprüche des [X.] sind nicht nach § 22 Ziff. 3 [X.] verfallen. Der Kläger war nicht gehalten, seine Ansprüche innerhalb der tariflichen Ausschlussfristen geltend zu machen, weil er nicht dem persönlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrags unterfällt.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Mandrossa    

        

    E. Bürger    

                 

Meta

5 AZR 240/13

03.09.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Augsburg, 15. Mai 2012, Az: 4 Ca 2450/11, Urteil

§ 151 BGB, § 289 Abs 2 Nr 1 BGB, § 288 Abs 1 BGB, § 611 BGB, § 1 TVG, § 4 Abs 3 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.09.2014, Az. 5 AZR 240/13 (REWIS RS 2014, 3154)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3154

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Referenzen
Wird zitiert von

5 Sa 222/16

5 Sa 153/16

1 Ca 5462/15

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