Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.09.2010, Az. I R 6/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 3561

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(§ 8a KStG 1999 a.F./n.F. verstößt gegen Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992 - unbeschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland - keine zwingende inhaltliche Verständigungsvorgabe durch OECD-Musterabkommen)


Leitsatz

Die Umqualifizierung von Zinsen in vGA nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG 1999 a.F./n.F. ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 25 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/1992 vereinbar    .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG [X.] Rechts mit statutarischem Sitz in der [X.], die in den Streitjahren 1999 bis 2001 ihre Geschäftsleitung in [X.] hatte. Ihr alleiniger Aktionär war der in der [X.] wohnhafte [X.].

2

1991 erwarb die Klägerin das Eigentum an einem in [X.] belegenen Grundstück, das mit einem Hotel bebaut war. Das Hotel war zunächst an eine GmbH verpachtet. In den Monaten Januar bis April 1998 und in den Streitjahren wurde es von der Klägerin von [X.] aus betrieben.

3

Mit zwei Verträgen vom 1. November 1991 gewährte [X.] der Klägerin Darlehen in Höhe von 600.000 DM und 150.000 DM zu einem Zinssatz in Höhe von 8 v.H. Die Verträge sahen vor, dass der Darlehenszins den wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Beginn eines jeden Jahres angepasst und der Zins nachschüssig jeweils am 15. Januar eines jeden Jahres ausgezahlt werden sollte. Die Laufzeiten der Darlehen waren bis zum 30. September 2001 fest vereinbart, danach sollten die Kredite in Darlehen von unbestimmter Dauer umgewandelt werden. In den Jahren 1992 bis 2001 gewährten [X.] (1993 bis 2001) sowie die ebenfalls in dessen alleinigem Anteilsbesitz stehende H-AG, [X.], (1992) der Klägerin weitere, vereinbarungsgemäß jeweils mit 6 v.H. zu verzinsende Darlehen in Höhe von insgesamt 2.214.623 DM. Die Darlehensverträge enthalten hinsichtlich der Rückzahlungstermine die Bemerkung "gem. gegenseitiger Vereinbarung, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten". Sicherheiten wurden nicht gewährt. Eine Auszahlung der Zinsbeträge erfolgte nicht, die Zinsen wurden in den Streitjahren dem Darlehenskonto von [X.] am Jahresende gutgeschrieben und wieder verzinst.

4

Aufgrund von Verlusten in den Vorjahren betrug das Eigenkapital der Klägerin in den Streitjahren ./. 2.338.349 DM (1999), ./. 2.664.318 DM (2000) und ./. 2.935.983 DM (2001).

5

Insgesamt machte die Klägerin aus den vorgenannten Darlehen Zinsen in Höhe von 163.318 DM (1999), 174.006 DM (2000) und 192.865 DM (2001) als Betriebsausgaben geltend. Alle Zinsen waren nach einem Zinssatz von 6 v.H. berechnet.

6

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) behandelte die Zinsen hingegen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und rechnete sie dem Gewinn der Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des [X.] ([X.] 1999) [X.] hinzu. Unabhängig davon seien die Darlehenszinsen ohnehin auch als Fremdkapitalvergütungen i.S. von § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.F./n.F. zu behandeln.

7

Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide war überwiegend erfolgreich. Das Finanzgericht ([X.]) verneinte das Vorliegen einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1999 und sah die an sich einschlägigen Vorschriften in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.F./n.F. als unanwendbar an, weil sie gegen Art. 25 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik [X.] und der [X.]ischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 ([X.] 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.[X.] vom 21. Dezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --DBA-[X.] 1971/1992-- verstießen ([X.] Köln, Urteil vom 22. Oktober 2008  13 K 1164/05, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2009, 509).

8

Das [X.] stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene [X.] ([X.]) unterstützt das [X.] in der Sache, hat jedoch keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat in den gewährten Zinszahlungen zu Recht keine vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1999 gesehen (2.). Es hat auch zu Recht angenommen, dass § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot in Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 verstößt und deshalb unanwendbar bleibt (3.).

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 1999 sind Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die Klägerin ist nach den insoweit für den [X.] bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) eine nach [X.] Recht errichtete Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich in den Streitjahren im Inland befand. Auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland können unbeschränkt steuerpflichtig sein (vgl. [X.]surteile vom 23. Juni 1993 [X.], [X.] 1994, 661; vom 16. Dezember 1998 [X.]/97, [X.], 251, [X.] 1999, 437; vom 29. Januar 2003 [X.], [X.], 463, [X.] 2004, 1043; s. auch [X.] --BFH--, Urteil vom 23. Juni 1992 [X.], [X.], 285, [X.] 1992, 972; [X.] in [X.], [X.], S. 83).

2. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1999 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) --i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] 1999 und für die Gewerbesteuer mit § 7 des [X.] (GewStG 1999)-- auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. [X.]surteile vom 4. September 2002 [X.], [X.] 2003, 347; vom 22. Oktober 2003 [X.], [X.], 96, [X.] 2004, 121, jeweils m.w.[X.]). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der [X.] die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des [X.]s, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, [X.], 208, [X.]I 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]surteil vom 17. Dezember 1997 [X.]/97, [X.], 224, [X.] 1998, 545, m.w.[X.]). Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen ([X.]surteil vom 7. August 2002 [X.], [X.], 197, [X.] 2004, 131); diese Einschränkung spielt jedoch im Streitfall keine Rolle.

Diesen Anforderungen, die an die Annahme einer vGA zu stellen sind, genügen die im Streitfall in Rede stehenden Darlehensverträge und die daraufhin seitens der Klägerin gezahlten Zinsen nicht. Das hat das [X.] erschöpfend und beanstandungsfrei ausgeführt und ist unter den Beteiligten im [X.] auch nicht mehr streitig. Das beigetretene [X.] macht allerdings im Revisionsverfahren geltend, die geschlossenen Verträge zwischen der Klägerin und [X.] seien zivilrechtlich unwirksam. Die Klägerin als [X.] Kapitalgesellschaft sei infolge der Verlagerung des Ortes ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung von [X.] nach [X.] fortan nicht als Kapitalgesellschaft, sondern als rechtsfähige Personengesellschaft anzusehen, für die --da [X.] Alleingesellschafter [X.] die Regelungen für Einzelkaufleute gälten. Das ergebe sich aus internationalem Gesellschaftsrecht und der danach gegenüber sog. Drittstaaten --wie hier [X.]-- fortgeltenden "Sitztheorie" (vgl. dazu [X.], Urteil vom 8. Oktober 2009 IX ZR 227/06, [X.] 2010, 211, m.w.[X.]). Eine natürliche Person, wie vorliegend [X.], könne aber nicht mit sich selbst wirksame Verträge abschließen. Konsequenz sei die Annahme von vGA.

Dem ist nicht zu folgen. Die erwähnte Indizwirkung, die zivilrechtlich unwirksamen Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter für die Annahme einer vGA i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] 1999 beizumessen sein kann (s. z.B. [X.]surteil vom 23. Oktober 1996 [X.], [X.], 328, [X.] 1999, 35; s. auch BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 IX R 46/08, [X.], 112, zur entsprechenden Rechtslage bei sog. Angehörigenverträgen, jeweils m.w.[X.]), greift unter den beschriebenen Gegebenheiten des Streitfalls unabhängig davon, ob das [X.] in seiner gesellschaftsrechtlichen Einschätzung richtig liegt, nicht. Denn auch dann bliebe es dabei, dass die Klägerin als Steuersubjekt existent wäre. Vereinbarungen, die sie mit ihrem Gesellschafter trifft, sind dementsprechend aus steuerlicher Sicht zu akzeptieren. Stellt man demgegenüber allein auf die gesellschaftsrechtliche Existenz und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft und deren etwaiges Fehlen ab, entfiele andernfalls auch die Eignung des beanstandeten Vorteils, beim Empfänger eine gesellschaftlich veranlasste Zuwendung als Kapitaleinkunft i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen. Unabhängig davon kann es weder der Klägerin noch [X.] angelastet werden, die komplexe international-gesellschaftsrechtliche Regelungslage nicht im [X.] hinreichend erkannt und durchdrungen zu haben. Auch das spricht dagegen, in einer etwaigen zivilrechtlichen Unwirksamkeit ein tragfähiges Beweisanzeichen gegen die Ernstlichkeit des Vereinbarten zu erblicken (s. auch dazu die zitierten Rechtsprechungsnachweise).

In Anbetracht dessen kann unbeantwortet bleiben, ob die besonderen Anforderungen, die steuerlich an die Leistungsbeziehung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren beherrschenden Gesellschafter gestellt werden, möglicherweise aus abkommensrechtlichen Gründen des Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 des Musterabkommens der [X.] --[X.]-- (hier Art. 9 und Art. 11 Abs. 4 [X.] 1971/1992) ohnehin nicht oder nur eingeschränkt anwendbar sind (vgl. dazu z.B. [X.]surteil vom 9. November 2005 [X.], [X.], 493, [X.] 2006, 564; [X.] Köln, Urteil vom 22. August 2007  13 [X.], E[X.] 2008, 161, jeweils m.w.[X.]).

3. Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.] (i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] 1999, § 7 GewStG 1999) gelten Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen ist, dann als vGA, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des [X.] das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des [X.] übersteigt. Die Hinzurechnung als vGA unterbleibt, wenn die Kapitalgesellschaft dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden [X.] erhalten hätte.

Nach § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 n.[X.] (i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] 1999, § 7 GewStG 1999) stellen Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt gewesen ist, vGA dar, wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart gewesen ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des [X.] das Eineinhalbfache des anteiligen Eigenkapitals des [X.] übersteigt. Zu einer solchen Umqualifizierung kommt es auch dann, wenn die Vergütung an eine dem Anteilseigner nahe stehende Person i.S. des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Besteuerung bei [X.] ([X.]) oder einen [X.] gezahlt worden ist, der auf den Anteilseigner oder eine diesem nahe stehende Person hat zurückgreifen können. Auch hier unterbleibt die Hinzurechnung als vGA, wenn die Kapitalgesellschaft nachweisen kann, dass sie das Fremdkapital unter sonst gleichen Umständen auch von einem fremden [X.] erhalten hätte. Nach § 8a Abs. 1 Satz 2 [X.] 1999 n.[X.] unterbleibt eine Hinzurechnung zudem dann, wenn die Vergütung bei dem Anteilseigner im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst worden ist.

a) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt sind. Der [X.] hat auch in diesem Punkt keine Veranlassung, etwas anderes anzunehmen. Die Zinsen, welche die Klägerin in den Streitjahren an [X.] gezahlt hat, waren folglich dem Gewinn der Klägerin als vGA außerbilanziell hinzuzurechnen.

b) Das [X.] hat der Klage der Klägerin dennoch entsprochen, weil es in der Umqualifizierung der Zinsen in vGA nach Maßgabe von § 8a [X.] 1999 in seinen jeweiligen für die Streitjahre einschlägigen Fassungen einen Verstoß gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 angenommen hat. Dem ist beizupflichten (ebenso --bezogen auf die entsprechende Regelung des Art. 24 Abs. 5 [X.]-- z.B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/[X.], Art. 24 [X.] Rz 108.1; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Art. 24 Rz 165a; Obser, [X.] im [X.] Konzern, 2005, [X.] ff.; [X.], Gesellschafterfremdfinanzierung inländischer Kapitalgesellschaften durch ausländische Anteilseigner, 1999, [X.]; [X.], [X.], 1. Aufl., § 8a Rz 29).

aa) Die Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar, einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, dürfen nach Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 in dem erstgenannten Vertragsstaat weder einer Besteuerung noch einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender sind als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staats unterworfen sind oder unterworfen werden können. Das ist unter den hier in Rede stehenden Gegebenheiten der Fall.

aaa) Die Klägerin ist ein Unternehmen eines Vertragsstaats [X.]. 25 Abs. 3 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f [X.] 1971/1992. Sie hat ihren Sitz in [X.], hatte jedoch ihre Geschäftsleitung in den Streitjahren in [X.] und war damit nach Lage der Dinge in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig und zugleich [X.]. 4 Abs. 1 [X.] 1971/1992 in beiden Vertragsstaaten ansässig. Eine derart doppelansässige Gesellschaft gilt aus Abkommenssicht als in dem Vertragsstaat ansässig, in dem sich der Mittelpunkt ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet (Art. 4 Abs. 8 Satz 1 [X.] 1971/1992). Dies war nach den tatrichterlichen Feststellungen in den Streitjahren in [X.]. Die Klägerin kann also den Diskriminierungsschutz des Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 beanspruchen.

bbb) Für die der Klägerin nachteilige Umqualifizierung der geleisteten Zinsen in vGA unterscheiden sowohl § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.] als auch § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 [X.] 1999 n.[X.] in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen im Ergebnis danach, ob es sich um eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft mit einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner bzw. mit einem im Inland veranlagten Anteilseigner handelt. Ist dies der Fall, unterbleibt die Umqualifizierung und Hinzurechnung. Damit werden stets und insbesondere diejenigen Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, gegenüber entsprechenden Unternehmen mit im Inland ansässigen Anteilseignern steuerlich benachteiligt. Dass die tatbestandlichen Unterscheidungsmerkmale der fehlenden Anrechnungsberechtigung zur Körperschaftsteuer (in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]) bzw. der fehlenden Veranlagung (in § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 [X.] 1999 n.[X.]) unmittelbar nicht auf die Ansässigkeit der Anteilseigner abstellen, tut insoweit nichts zur Sache. Vielmehr ist unbeschadet aller sonstigen Unterschiede zwischen den unionsrechtlichen [X.] einerseits und den abkommensrechtlichen [X.] andererseits jedenfalls in diesem Punkt vollumfänglich auf die insoweit --was den Vergleichsmaßstab anbelangt-- parallele gemeinschaftsrechtliche Sicht zu verweisen (s. auch [X.]surteil in [X.], 463, [X.] 2004, 1043), wie sie sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der [X.], vom 12. Dezember 2002 [X.]/00 "Lankhorst-Hohorst" (Slg. 2002, [X.]) ergibt. Ausschlaggebend ist hier wie dort, dass sowohl von der fehlenden Nichtanrechnungsberechtigung als auch von der fehlenden Veranlagungsmöglichkeit vorrangig im anderen Vertragsstaat ansässige Anteilseigner betroffen sind und dadurch im Ergebnis eine diskriminierende Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften mit in- und ausländischen Anteilseignern bewirkt wird. Damit ist die steuerliche Behandlung von Inlandsgesellschaften mit in [X.] ansässigen Anteilseignern [X.]. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 --und zwar unmittelbar und nicht lediglich mittelbar-- anders oder belastender als die Besteuerung, denen --nach Tätigkeit ebenso wie nach Rechtsform (vgl. dazu z.B. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 Rz 168)-- "andere ähnliche Unternehmen" in [X.] unterworfen sind oder unterworfen werden können. Der Umstand, dass § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] in bestimmten Situationen gleichermaßen auch für Gesellschaften mit inländischen Anteilseignern einschlägig werden kann, tritt dahinter zurück; Zielrichtung der genannten Vorschriften zur steuerlichen Beschränkung der [X.] bei Kapitalgesellschaften ist nach [X.] und -zweck in erster Linie und in der tatsächlichen Auswirkung die Erfassung grenzüberschreitender Sachverhalte der [X.] mit ausländischen Anteilseignern. Konsequenz dieser Ungleichbehandlung und des daraus abzuleitenden Verstoßes gegen Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 ist die Nichtanwendung der diskriminierenden Steuerregelungen.

bb) Das Vorbringen der Revision ist nicht geeignet, an diesem Ergebnis etwas zu ändern. Das betrifft namentlich das Vorbringen, eine schädliche Ungleichbehandlung scheide schon deswegen aus, weil die durch § 8a [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] bewirkte Rechtsfolge --die Umqualifizierung der Zinsen in vGA und deren außerbilanzielle [X.] in Einklang mit den allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätzen stünde, wie sie in Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 [X.] und in Einklang damit auch in Art. 9 und Art. 11 Abs. 4 [X.] 1971/1992 niedergelegt seien.

Diese Abkommensregelungen betreffen den sog. Fremdvergleichsgrundsatz ("dealing at arm's length") bei Unternehmen oder Personen, die nach Maßgabe qualifizierter, auch im Streitfall zwischen der Klägerin und der H-AG gegebener Merkmale miteinander verbunden sind (Art. 9 [X.] 1971/1992), oder Schuldner und Gläubiger, zwischen denen --wie im Streitfall zwischen der Klägerin und ihrem Alleingesellschafter [X.]-- besondere Beziehungen bestehen (Art. 11 Abs. 4 [X.] 1971/1992). Sind solche miteinander verbundene Unternehmen oder Personen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen jener Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet oder entsprechend besteuert werden (Art. 9 [X.] 1971/1992). Entsprechendes regelt Art. 11 Abs. 4 [X.] 1971/1992 für Schuldner und Gläubiger, zwischen denen besondere Beziehungen bestehen: Übersteigen wegen dieser Beziehungen die gezahlten Zinsen, gemessen an den zugrunde liegenden Forderungen, den Betrag, den Schuldner und Gläubiger ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so wird Art. 11 [X.] 1971/1992 nur auf diesen letzten Betrag angewandt (Art. 11 Abs. 4 Satz 1 [X.] 1971/1992) und kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden (Art. 11 Abs. 4 Satz 2 [X.] 1971/1992).

Den wiedergegebenen abkommensrechtlichen [X.] soll nach Ansicht der Finanzverwaltung auch § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] unterfallen. Denn in Nr. 3 des [X.]s (OECD-MustKomm) 2008 zu Art. 9 [X.] wird die Auffassung vertreten, dass "zwischen den Abkommen und den innerstaatlichen Regelungen über die Unterkapitalisierung eine Wechselwirkung (besteht), die für den Anwendungsbereich des Artikels von Bedeutung" ist. Diese Auffassung ist seit 1992 in den [X.] aufgenommen worden. Es mag dahinstehen, ob sie gleichwohl auch für das ursprünglich schon im Jahre 1971 vereinbarte [X.] 1971/1992 bedeutsam ist (vgl. zu einem derartigen sog. dynamischen in Abgrenzung zu einem sog. statischen Verständnis aber auch z.B. [X.]sbeschluss vom 19. Mai 2010 [X.]/09, [X.], 322). Es mag ebenfalls dahinstehen, ob dann, wenn man dies bejahen würde, § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] infolge der in § 8a Abs. 1 Satz 2 [X.] 1999 a.[X.]/§ 8a Abs. 1 Satz 3 [X.] 1999 n.[X.] enthaltenen, dem Steuerpflichtigen eingeräumten Nachweismöglichkeit, dass die Zinszahlung mit dem Fremdvergleichsmaßstab übereinstimmt, tatsächlich in Einklang mit Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 [X.] stünde (vgl. dazu z.B. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 Rz 147; [X.] in Debatin/[X.], a.a.[X.], Art. 9 [X.] Rz 107; [X.], a.a.[X.], § 8a Rz 29; Köplin/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8a [X.] Rz 19 ff.; ferner [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]/[X.], Art. 24 Rz 42, jeweils m.w.[X.]). Und dahinstehen mag schließlich, ob es sich bei § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] bezogen auf vorgängig abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht im Ergebnis um ein faktisches sog. Treaty override handelt, dessen völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Zulässigkeit bezweifelt werden kann (vgl. auch dazu [X.]sbeschluss in [X.], 322; s. zu § 8a [X.] auch [X.], Der Betrieb 1993, 60).

Denn unabhängig davon kann von einem derartigen tatbestandlichen Vorbehalt für das [X.] 1971/1992 keine Rede sein. Es trifft zwar zu, dass solche [X.] in Art. 24 Abs. 4 [X.] enthalten sind. Nach dessen Satz 1 sind u.a. Zinsen, die ein Unternehmen eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne dieses Unternehmens unter den gleichen Bedingungen wie Zahlungen an eine im erstgenannten Staat ansässige Person zum Abzug zuzulassen, vorausgesetzt, es ist nicht Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 6 oder Art. 12 Abs. 4 [X.] anzuwenden. Unterstellt, § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] 1999 a.[X.]/n.[X.] ist mit Art. 9 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 [X.] vereinbar, entfiele folglich auch ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 4 [X.] (s. dazu [X.], ebenda; s. auch [X.] und [X.] OECD-MustKomm 1992/2008 zu Art. 24 Abs. 4 [X.]). Eine derartige Abkommensregelung, wie sie Art. 24 Abs. 4 [X.] vorgibt, fehlt im [X.] 1971/1992 indessen. Aus diesem Fehlen lässt sich jedoch keineswegs ableiten, dass hinsichtlich von Zinszahlungen ein Diskriminierungsschutz nach dem Willen der Vertragsstaaten des [X.] 1971/1992 von vornherein entzogen wäre: Das [X.] stellt, wie schon das Wort "Musterabkommen" belegt, keine zwingende inhaltliche Verständigungsvorgabe für die Vertragsstaaten dar; etwaige Abweichungen lassen mithin keinen Rückschluss auf inhaltliche Einschränkungen zu. Es gibt deshalb auch keinen Grund, Zinszahlungen vom Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 auszunehmen. Überdies wurde Art. 24 Abs. 4 [X.] erst seit 1977 Bestandteil des Musterabkommens und war darin vordem --und damit auch bei Abschluss des [X.] 1971 in seiner ursprünglichen und insoweit maßgeblichen [X.] nicht enthalten (vgl. [X.] in Debatin/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 9). Auch für die Annahme eines entsprechenden --ungeschriebenen-- Anwendungsvorrangs von Art. 9 Abs. 1 sowie Art. 11 Abs. 6 [X.] (hier Art. 9 und Art. 11 Abs. 4 [X.] 1971/1992) zum Nachteil von Art. 24 Abs. 5 [X.] (und hier von Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992) ist nicht nur vom [X.] her "auf den ersten Blick" (so aber neuerdings [X.] Satz 1 OECD-MustKomm 2008 zu Art. 24 Abs. 5 [X.]), sondern auch in historischer und systematischer Sicht nichts ersichtlich. Es verbleibt deswegen allein bei denjenigen Anforderungen an eine Abkommensgleichbehandlung, wie sie in Art. 25 Abs. 3 [X.] 1971/1992 enthalten sind (ebenso zu Art. 24 Abs. 5 [X.] z.B. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], Art. 24 Rz 165a; von [X.] in [X.], [X.]/[X.], Art. 24 [X.] Rz 7; unklar [X.] in Debatin/[X.], a.a.[X.], Art. 24 [X.] Rz 102). Und diese Voraussetzungen sind, wie dargestellt, hier erfüllt.

Meta

I R 6/09

08.09.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 22. Oktober 2008, Az: 13 K 1164/05, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 1999, § 8a Abs 1 S 1 Nr 2 KStG 1999, § 8a Abs 1 S 2 KStG 1999, Art 9 Abs 1 DBA CHE 1971, Art 11 Abs 4 DBA CHE 1971, Art 25 Abs 3 DBA CHE 1971, Art 9 Abs 1 DBA CHE 1992, Art 11 Abs 4 DBA CHE 1992, Art 25 Abs 3 DBA CHE 1992, OECDMustAbk, § 1 KStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.09.2010, Az. I R 6/09 (REWIS RS 2010, 3561)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3561

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