Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2012, Az. 3 StR 400/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 10284

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 400/11
vom
10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen
zu 1.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
u.a.

zu 2.: Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 10. Januar
2012
gemäß § 349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5.
Mai 2011 mit den Feststellungen aufge-hoben.
[X.] Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten H.

des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei weiteren Fällen sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in [X.] mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schul-dig gesprochen, gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und erklärt. Den Angeklagten S.

hat es wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der Beihilfe zum Bandenhan-del mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall frei-gesprochen. Außerdem hat es "die Einziehung der beschlagnahmten [X.] und der beschlagnahmten Handys" angeordnet.
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[X.] Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Verfahrensrüge nach §
24 Abs. 2, §
338 Nr. 3
[X.] Erfolg, weil ihr Befangenheitsantrag vom 23.
März 2011 gegen die erkennenden Berufsrichter und [X.] zu Unrecht zurückgewiesen worden ist.
1. Dem liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
a) Im vorliegenden Verfahren angeklagt waren die Angeklagten H.

und S.

sowie der frühere Mitangeklagte B.

, u.a. wegen des Vorwurfs einer von ihnen am 11.
Februar 2008 als Bande begangenen [X.]straftat. Im [X.] des ersten Verhandlungs-tages vom 8.
Dezember 2010 ist zu Gesprächen über eine Verständigung Fol-gendes festgehalten:
"Es hat ein ausführliches [X.] gegeben.
Hinsichtlich des [X.]

wurde seitens der Verteidigung eine Erklärung angekündigt. Es bestand zwischen den Verfahrensbetei-ligten Einigkeit, dass bei einer Aussage -
auch zu den hier anwesenden weiteren Angeklagten -
eine Einstellung des Verfahrens gem. §
154 [X.] in Betracht kommt. Im Übrigen ist im Rahmen des [X.] zuvor für den [X.]

eine Straferhöhung der bis-herigen Verurteilung (Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren) von bis zu einem Jahr einverständlich erörtert worden im Hinblick auf ein ent-sprechendes [X.].
Für den Angeklagten H.

hat es keine Verständigung gegeben. [X.] Kammer hatte bei einem umfassenden Geständnis eine Strafober-grenze von bis zu fünf Jahren und sechs Monaten vorgeschlagen.
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Hinsichtlich des Angeklagten S.

wurde Einigkeit erzielt, dass bei ei-nem umfassenden Geständnis eine Strafe bis zu vier Jahren in Be-tracht kommt."
Im Hauptverhandlungstermin vom 15.
Dezember 2010 erklärten die [X.] H.

und S.

, sich derzeit zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Verteidiger des [X.]

gab für seinen Mandanten mündlich Erklärungen zur Sache ab, zu denen sich dieser auf Befragen äußerte.
Mit Beschluss vom 16.
Dezember, der außerhalb der Hauptverhandlung erging, trennte die [X.] das Verfahren gegen den [X.]

gemäß §
4 Abs. 1 [X.] mit der Begründung ab, die Sache sei insoweit [X.]. Am 22.
Dezember 2010 wurde die Beweisaufnahme im [X.] gegen die Angeklagten H.

und S.

fortgesetzt, am 5.
Januar 2011 die Hauptverhandlung im Verfahren gegen den [X.]

.
Mit Urteil vom 5.
Januar 2011 wurde der frühere Mitangeklagten B.

wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechts-kräftigen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei [X.] verurteilt.
In der am 12.
Januar 2011 fortgesetzten Hauptverhandlung gegen die Angeklagten H.

und S.

wurden auf Beschluss
der [X.] aus dem Protokoll vom 5.
Januar 2011 Angaben des [X.]

zur Sa-che verlesen, die dieser in seinem Verfahren gemacht hatte und durch die er die Angeklagten H.

und S.

belastete.
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b) Anschließend stellten die Verteidiger der Angeklagten einen Befan-genheitsantrag gegen die Berufsrichter und die [X.]. Zur Begründung führ-ten sie im Wesentlichen aus: Aus Sicht der Angeklagten sei an der Unpartei-lichkeit und Unvoreingenommenheit der erkennenden [X.] zu zweifeln, weil die Besorgnis bestehe, sie hätten sich bereits eine vom Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht mehr beeinflussbare Meinung gebildet. Bei der mündli-chen Begründung des gegen den [X.]

ergangenen Urteils habe der Vorsitzende die Überzeugung der [X.] dargelegt, dieser habe am 11.
Februar 2008 vom Angeklagten H.

gekauftes, zum gewinnbringen-den Weiterverkauf bestimmtes Kokain im bandenmäßigen Zusammenwirken mit den Angeklagten H.

und S.

aus den [X.] in die [X.] eingeführt. Für die Angeklagten müsse hieraus der Eindruck erwachsen, die Kammer habe sich allein aufgrund der geständigen Einlassung des [X.]

von einem bandenmäßigen [X.] überzeugt und
sich insoweit vor Abschluss der Beweisaufnahme im hie-sigen Verfahren festgelegt.
Alle Mitglieder des erkennenden Gerichts gaben daraufhin dienstliche Erklärungen mit dem Inhalt ab, es sei ausdrücklich erörtert worden, dass im Verfahren gegen die Angeklagten allein auf der Grundlage der in diesem Ver-fahren durchgeführten Beweisaufnahme zu entscheiden sei, und zwar unab-hängig vom Beweisergebnis des gegen den [X.]

gerichteten Verfahrens.
In der folgenden Hauptverhandlung vom 2.
Februar 2011 wurde ein
-
ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.] gefasster -
Beschluss des Landge-richts vom 28.
Januar 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: Es bestehe 10
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kein vernünftiger Grund, an der Unparteilichkeit der abgelehnten [X.] zu zweifeln. Der Angeklagte B.

habe vor der Abtrennung seines Verfahrens keine die früheren Mitangeklagten belastenden Angaben gemacht. Seine Ein-lassung nach der Abtrennung sei im Verfahren gegen die Angeklagten H.

und S.

nicht der Urteilsfindung zugrunde zu legen, wie die Berufsrich-ter den [X.] verdeutlicht hätten.
c) In der Hauptverhandlung vom 16.
März 2011 wurde den Verteidigern der Angeklagten eine Kopie des gegen den früheren Mitangeklagten B.

ergangenen Urteils vom 5.
Januar 2011 ausgehändigt. In den Urteilsgründen ist zur Tat vom 11.
Februar 2008 Folgendes feststellt: "[X.]

) sowie H.

und S.

schlossen sich spätestens Ende 2007 zusammen, um arbeitsteilig regelmäßig Betäubungsmittel aus den [X.] nach [X.] zu schmuggeln und hier gewinnbringend zu verkaufen. ... Es [X.] geplant, dass H.

alleine oder zusammen mit S.

die Drogen in den [X.] beschafft und dass der Angeklagte B.

diese vor der Grenze zum Zwecke der Einfuhr in seinem Pkw übernimmt. ... am 11.
Februar 2008 erwarb H.

zum Zwecke des Handeltreibens in [X.] eine nicht geringe Menge Kokain, zumindest 40 -
250 Gramm. S.

begleitete und unterstützte ihn bei dieser Fahrt. Gegen 18.40 Uhr übergaben sie in der Nähe von [X.]/[X.] wie zuvor vereinbart das erworbene Rauschgift an den [X.]

, der planmäßig das Rauschgift in seinem Fahrzeug deponierte und es unter Absicherung des Grenzübertritts und des weiteren Transportes durch H.

und S.

über die grüne Grenze nach [X.] einführte. ..."
d) Im folgenden Hauptverhandlungstermin vom 23.
März 2011 lehnten die Verteidiger der Angeklagten die Berufsrichter und die [X.] erneut we-gen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führten sie im Wesentli-13
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chen aus: Bei verständiger Würdigung der Gründe des gegen den früheren Mitangeklagten B.

ergangenen Urteils müssten die Angeklagten besorgen, die erkennenden [X.] hätten sich zumindest hinsichtlich der Tat vom 11.
Februar 2008 eine abschließende Meinung gebildet, obwohl die Beweisauf-nahme in dem gegen sie geführten Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. In der Beweiswürdigung habe die [X.]
die geständige Einlassung des [X.]

, die in Widerspruch zu den schriftlichen Einlassungen der Angeklagten stehe, als glaubhaft und das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend bezeichnet. Sie habe dabei [X.] auf die angebliche Aussage der Zeugin [X.] He.

abgestellt, die nicht in dem abgetrennten Verfahren gegen den [X.]

, sondern erst nach Abtrennung im hiesigen Verfahren vernommen worden sei. Deshalb müsse von den Angeklagten besorgt werden, die Kammer differenziere nicht zwischen den in beiden Verfahren erhobenen Beweisen. Bei einer Gesamtbe-trachtung aller Umstände müssten die Angeklagten den Eindruck gewinnen, die Verfahrensabtrennung habe nur dazu gedient, den [X.]

durch einen geringen Strafaufschlag zu konkreten, die Angeklagten H.

und S.

belastenden Aussagen zu bewegen.
[X.] abgelehnten [X.] erklärten in ihren dienstlichen Stellungnahmen, sie fühlten sie nicht befangen, sie würden zwischen den Beweisaufnahmen in beiden Verfahren differenzieren.
In der Hauptverhandlung
vom 31.
März 2011 wurde ein -
wiederum ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.] gefasster -
Beschluss des [X.] vom 29.
März 2011 verkündet, durch den die Befangenheitsanträge im [X.] mit folgender Begründung zurückgewiesen wurden: [X.] bloße Mitwirkung der abgelehnten [X.] in dem abgetrennten Verfahren reiche nicht aus, um eine Befangenheit anzunehmen. Auch die weiteren aufgeführten Umstände 15
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könnten aus Sicht eines verständigen Angeklagten nicht die Annahme begrün-den, die [X.] würden nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvorein-genommenheit urteilen. [X.] Feststellungen sowie die Beweiswürdigung in dem Urteil gegen den [X.]

ließen keine Rückschlüsse auf eine [X.] Überzeugung der Kammer im Verfahren gegen die Angeklagten H.

und S.

zu. [X.]se habe durch die Fortsetzung der Beweisaufnahme an acht weiteren Verhandlungstagen für die Angeklagten deutlich gemacht, dass sie ihre Aufgabe, zu einer von dem abgetrennten Verfahren losgelösten, unab-hängigen Entscheidung zu finden, sehr ernst nehme. An dieser Einschätzung könne auch nichts
der Umstand ändern, dass die Kammer in dem gegen den [X.]

ergangenen Urteil ihre Überzeugung rechtsfehlerhaft auch auf die Vernehmung der tatsächlich in dem Verfahren gegen B.

nicht ver-nommenen Zeugin [X.] He.

gestützt habe. Daraus könne nicht [X.] werden, dass sie im hiesigen Verfahren Beweismittel berücksichti-gen könnte, die allein im abgetrennten Verfahren erhoben worden seien. [X.] Abtrennung des Verfahrens habe ausschließlich der Beschleunigung des ge-gen B.

geführten, entscheidungsreifen Verfahrens gedient, eine Absprache mit ihm, dass er ein geringeres Strafmaß erwarten dürfe, wenn er die Angeklag-ten H.

und S.

belaste, habe es nicht gegeben. Auch die [X.] aller Umstände rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit.
2. [X.] zulässige Verfahrensrüge ist begründet.
Bei der gebotenen objektiven Beurteilung aus der Sicht eines verständi-gen Angeklagten konnten die Angeklagten H.

und S.

durch die Ver-fahrensweise des Gerichts den Eindruck gewinnen, die abgelehnten [X.] stünden ihnen bei der Entscheidung über die Vorwürfe der Anklage, insbeson-dere zu der entscheidenden Frage einer Bandenbildung bei der Tat vom 17
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11.
Februar 2008 nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit ge-genüber (§
24 Abs. 2 [X.]).
a) Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines erken-nenden [X.]s ist, soweit sie nicht den Tatbestand eines Ausschlussgrundes gemäß §
23 [X.] erfüllt, nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht [X.], die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s im Sinne von §
24 Abs. 2 [X.] zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, die diese Besorgnis rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 9.
September 1966 -
4 [X.], [X.]St 21, 142; [X.], Urteil vom 10.
November 1967 -
4 [X.], [X.]St 21, 334; [X.], Beschluss vom 27.
April 1972 -
4 [X.], [X.]St 24, 336, 337; [X.], Urteil vom 30.
Juni 2010 -
2 [X.], [X.], 44;
[X.], [X.], 54.
Aufl., §
24 Rn. 12 f. mwN). Das betrifft nicht nur die [X.] mit Zwischenentscheidungen im selben Verfahren, insbesondere etwa die Mitwirkung am Eröffnungsbeschluss oder an Haftentscheidungen, sondern auch die Mitwirkung eines erkennenden [X.]s in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat.
Nach diesen Kriterien grundsätzlich unbedenklich ist auch die Mitwirkung an einem Urteil über dieselbe Tat gegen einen anderen Beteiligten in einem abgetrennten Verfahren. [X.]s gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und in dem ab-getrennten Verfahren ein Schuldspruch wegen einer Tat ergeht, zu der sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten [X.] ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2006 -
5 [X.], [X.], 2864, 2866). Da eine solche Beteiligung an Vorentscheidungen im nämlichen oder in einem anderen damit zusammenhän-genden Verfahren von Strafprozessordnung und Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich vorgesehen und vorausgesetzt wird, kann die [X.] als 19
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solche -
abgesehen von den in §
22 Nr. 4 und 5, §
23 und §
148a Abs. 2 Satz 1 [X.] genannten [X.] -
die Besorgnis der Befangen-heit aus normativen Erwägungen im Allgemeinen nicht begründen. Anders [X.] es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tat-sache bloßer [X.] als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. [X.]s wird etwa angenommen, wenn
Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbegründete Wertur-teile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein [X.] sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des [X.] geäußert hat ([X.], Beschluss vom 10.
August 2005 -
5 [X.], [X.]St 50, 216, 221; [X.], Urteil vom 30.
Juni 2010 -
2 [X.], [X.], 44).
b) Vorliegend waren solche besonderen Umstände gegeben. Es lag eine Vielzahl von Faktoren vor, die zwar isoliert für sich betrachtet noch nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigte aber in ihrer Kumulation waren die Einzelaspekte geeignet, aus der Sicht der
Angeklagten bei der gebotenen ob-jektiven Beurteilung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten [X.] zu begründen. Denn für ihre Befürchtung, die [X.] differenziere nicht ausreichend zwischen den getrennt geführten Verfahren und sei hinsicht-lich der Tat vom 11.
Februar 2008 auf eine bandenmäßige Begehung [X.], bestanden nachvollziehbare Gründe.
Bereits das protokollierte, formell rechtsfehlerfreie [X.] über eine Verständigung am ersten Hauptverhandlungstag konnte bei den Angeklag-ten den Eindruck erwecken, die [X.] sage dem früheren Mitangeklag-ten B.

eine Einstellung des Verfahrens gemäß §
154 Abs. 2 [X.] oder eine nur moderate Erhöhung der bereits rechtskräftigen Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur zu, um ihn zu einer die Angeklagten H.

und 21
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S.

belastenden Aussage zu veranlassen. Gegenstand der Vereinbarung mit dem [X.]

war ausdrücklich eine Aussage auch zu den [X.], während bei diesen die vorgeschlagene Strafobergrenze nur von ei-nem umfassenden Geständnis abhängig gemacht wurde.
In der hier gegebenen Verfahrenssituation, in der der frühere Mitange-klagte B.

entsprechend der getroffenen, für ihn günstigen Absprache in erster Linie über seinen Verteidiger Angaben zur Sache gemacht hatte, [X.] sich die Angeklagten in der Hauptverhandlung noch nicht eingelassen hat-ten, war die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren ge-gen B.

sei entscheidungsreif, für sich betrachtet zwar noch nicht [X.], bewegte sich jedoch im Grenzbereich zu einem Ermessensfeh-ler. Wenn mehrere Personen angeklagt sind, als Mitglieder einer Bande eine Betäubungsmittelstraftat begangen zu haben, ist es im Hinblick auf die [X.] (§
244 Abs. 2 [X.]) regelmäßig sachgerecht und erforder-lich, gegen alle Angeklagten aufgrund einer einheitlichen, alle Beweismittel um-fassenden Beweisaufnahme zu entscheiden. Denn es ist nicht fernliegend, dass der aussagebereite Angeklagte zu Lasten der Mitangeklagten seine [X.] beschönigende Angaben macht, die anschließend das Gericht nach einer nur rudimentären Beweisaufnahme dem Urteil gegen diesen zu-grunde legt. Unter Berücksichtigung der Pflicht zur Amtsaufklärung kann die Abtrennungsentscheidung mit der Begründung, das Verfahren sei insoweit [X.], aus der Sicht der schweigenden Angeklagten den Eindruck er-wecken, das Gericht werde auch in ihrem Verfahren von dem [X.], den der aussagebereite Angeklagte geschildert hatte.
[X.] weitere Gestaltung beider Verfahren sowie der Inhalt des gegen den [X.]

ergangenen Urteils waren geeignet, die dargestellten [X.] der Angeklagten von einer Befangenheit der erkennenden [X.] 23
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-
zu verstärken. In dem abgetrennten Verfahren gegen B.

stellte die [X.] zwei angeklagte
Taten gemäß §
154 Abs. 2 [X.] ein und verurteilte diesen nach einer kurzen Beweisaufnahme unter Einbeziehung der Strafen aus seiner rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von [X.] und drei Monaten und damit zu einer um lediglich drei Monate er-höhten Gesamtfreiheitsstrafe. In den schriftlichen Gründen des Urteils vom 5.
Januar 2011 stellte die Kammer zu der Tat vom 11.
Februar 2008 nicht nur eine bandenmäßige Begehung fest, sondern ging entsprechend der Einlassung des [X.]

davon aus, dass dieser lediglich als Kurier vom Ange-klagten H.

gekauftes, für dessen Betäubungsmittelhandel bestimmtes Kokain nach [X.] einführte. In der Beweiswürdigung bezeichnete sie die Einlassung des [X.]

, die im Gegensatz zu den späteren Einlassungen der Angeklagten H.

und S.

stand, als glaubhaft sowie das Ermittlungsergebnis der Polizei als plausibel und keine andere Deutung zulassend, obwohl die Beweisaufnahme in dem gegen die Angeklagten geführ-ten Verfahren noch andauerte. Dadurch, dass in der Beweiswürdigung darüber hinaus [X.] He.

als Zeugin angeführt wird, obwohl diese nach der Ab-trennung des Verfahrens gegen B.

ausschließlich in dem Verfahren gegen die Angeklagten vernommen worden war, verstärkten die erkennenden [X.] letztlich in entscheidender Weise die Besorgnis, sie vermischten die [X.] der beiden getrennt geführten Verfahren und behandelten diese [X.] ihren Beteuerungen als eine Einheit. [X.]ser Eindruck war auch schon zuvor hervorgerufen worden, weil in der Hauptverhandlung gegen die Ange-klagten H.

und S.

die protokollierte, die Angeklagten H.

und S.

belastende Einlassung des [X.]

aus dessen [X.] gemäß §
251 Abs. 1 [X.] verlesen worden war, ohne dass hierfür die Vo-raussetzungen dieser Vorschrift vorlagen oder eine andere Rechtsgrundlage erkennbar ist.
-
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-
Über die Anklagevorwürfe ist daher neu zu verhandeln und zu entschei-den.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Sollen nach §
154 [X.] eingestellte Straftaten bei der Beweiswürdi-gung berücksichtigt werden, ist in der Regel der Angeklagte zuvor darauf [X.] ([X.], [X.], 54.
Aufl., §
154 Rn. 25, §
154a Rn. 2).
b) [X.] Ausübung eines Auskunftsverweigerungsrechts nach §
55 [X.] muss ausdrücklich erklärt werden. Das bloße
Nichterscheinen eines geladenen Zeugen kann daher regelmäßig nicht als Ausübung dieses Rechts gewertet werden ([X.], Beschluss vom 9.
August 1988 -
4 [X.], [X.] 1989, 140).
c) In Fällen, in denen der Täter Betäubungsmittel zum Teil zum Eigen-verbrauch und zum Teil zum gewinnbringenden Weiterverkauf erwirbt, besteht zwischen dem Erwerb und dem Handel Tateinheit [X.], BtMG, 3.
Aufl., §
29 Rn. 726). Erwirbt ein Betäubungsmittelkonsument Rauschgift, liegt es nicht fern, dass ein Teil davon zum Eigenkonsum bestimmt ist.
d) Bei Verurteilung wegen Beihilfe drängt sich regelmäßig die [X.] auf, ob dieser vertypte Strafmilderungsgrund geeignet ist, im Zu-sammenwirken mit den allgemeinen Strafmilderungsgründen einen minder schweren Fall zu begründen.
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e) Einzuziehende Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (Fischer, StGB, 54.
Aufl., §
74 Rn. 4).
Becker von [X.]Schäfer

Mayer
Menges
31

Meta

3 StR 400/11

10.01.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2012, Az. 3 StR 400/11 (REWIS RS 2012, 10284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10284

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 400/11

2 StR 455/09

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