Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 1 StR 571/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15868

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100118B1STR571.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/17

vom
10. Januar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 10. Januar 2018
ge-mäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2017 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Einziehung zahlreicher näher bezeichneter Gegenstände angeordnet.
Mit seiner Revision macht der Angeklagte die Verletzung von [X.] geltend und erhebt die Sachrüge. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 [X.]. [X.] Erörterung bedarf lediglich das Fol-gende:
1.
Die Rüge, an dem angefochtenen Urteil hätten mit den beiden berufs-richterlichen Mitgliedern der erkennenden Strafkammer zwei [X.] mitgewirkt, bezüglich derer auf die Besorgnis der Befangenheit (§
24 Abs.
1 und 2 [X.]) gestützte Ablehnungsgesuche zu Unrecht verworfen worden seien

338 Nr.
3 [X.]), dringt nicht durch.
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3
-
Die Revision trägt bereits nicht sämtliche Verfahrenstatsachen vor, derer es bedurft hätte, um das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein auf-grund ihres Vortrags

dessen Richtigkeit unterstellt

über Erfolg oder [X.] zu entscheiden (zum Maßstab siehe nur KK-[X.]/Gericke, 7.
Aufl., §
344 Rn.
38 mwN). Welche Tatsachen vorgetragen werden müssen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, richtet sich dabei nach dem konkret geltend gemachten [X.], mithin nach der Angriffsrichtung der Rüge. Auf der Grundlage des erfolgten [X.] lägen zudem die Voraussetzungen der Besorgnis der Befangenheit der beiden abgelehnten [X.] nicht vor, was der Senat nach [X.] geprüft hat (st. Rspr.; siehe nur [X.], Beschluss vom 28.
Juli 2015

1 [X.], NStZ 2016,
164, 166 Rn.
30).
a)
Der Verfahrensbeanstandung liegt nach dem [X.] Geschehen zugrunde:
Das Verfahren war ursprünglich außer gegen den Angeklagten auch ge-gen zwei mittlerweile rechtskräftig Verurteilte geführt worden. Am dritten [X.], dem 6.
März 2017, war dieses Verfahren nach einem ent-sprechenden Antrag des Angeklagten gegen ihn abgetrennt und ausgesetzt worden. Das [X.] verurteilte anschließend unter Mitwirkung der beiden im hiesigen Verfahren abgelehnten [X.] die im Ausgangsverfahren verblie-benen (damaligen) Angeklagten teils ausschließlich, teils auch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in mehreren Fällen. In dem Urteil vom 6.
März 2017 sind einzelne von der Revision mitge-teilte Passagen enthalten, die sich auf die Rolle des hiesigen Angeklagten als Haupttäter im Hinblick auf die Strafbarkeit seiner früheren Mitangeklagten be-ziehen.
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4
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Der Angeklagte sieht in der [X.] der beiden berufsrichterlichen Mitglieder des jetzt erkennenden Gerichts aufgrund der im Urteil gegen die bei-den früheren Mitangeklagten

aus seiner Sicht

denknotwendigen Festlegung auf seine Täterschaft die Besorgnis der Befangenheit begründet. Er hat [X.] vor Beginn der neuen, allein noch ihn betreffenden Hauptverhandlung ein Ablehnungsgesuch gegen die beiden [X.] gestellt. Dieses ist durch [X.] des [X.]s vom 30.
März 2017 ohne Mitwirkung der abgelehnten [X.] zurückgewiesen worden.
b)
Die Revision trägt keine Tatsachen vor, bei deren Vorliegen die [X.] der Befangenheit gegen die die beiden abgelehnten
[X.] begründet wäre.
aa)
Eine den Verfahrensgegenstand betreffende Vortätigkeit eines er-kennenden [X.]s, soweit sie nicht gesetzliche Ausschlussgründe erfüllt, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s i.S.v. §
24 Abs.
2 [X.] zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzukom-men, die diese Besorgnis rechtfertigen (st. Rspr.; etwa [X.], Beschlüsse vom 10.
Januar 2012

3 [X.], [X.], 519, 520 Rn.
19 und vom 8.
Mai 2014

1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373
Rn. 12
jeweils mwN). Das gilt auch dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur [X.] abgetrennt werden und in dem abgetrennten Verfahren ein Schuldspruch ergeht, zu dem sich das Gericht im Ursprungsverfahren gegen den oder die früheren Angeklagten später ebenfalls noch eine Überzeugung zu bilden hat ([X.], Urteile vom 29.
Juni 2006

5 [X.], [X.], 2864, 2866
Rn. 20
und vom 30.
Juni 2010

2 [X.], [X.], 44, 46 Rn.
23 f.; Beschluss vom 10.
Januar 2012

3 [X.], [X.], 519, 520 7
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5
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Rn.
20; siehe auch Beschluss vom 10.
August 2005

5 [X.], [X.]St 50, 216, 221).
Anders verhält es sich lediglich beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer [X.] als solcher und die damit [X.] verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies wird etwa ange-nommen, wenn Äußerungen in früheren Urteilen unnötige und sachlich unbe-gründete Werturteile über einen der jetzigen Angeklagten enthalten oder wenn ein [X.] sich bei seiner Vorentscheidung in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil des Angeklagten geäußert hat (st. Rspr.; etwa [X.], Beschlüsse vom 10.
Januar 2012

3 [X.], [X.], 519, 520 f. Rn.
20 und vom 8.
Mai 2014

1 StR 726/14, NJW 2014, 2372, 2373
Rn. 12
jeweils mwN; siehe auch Urteil vom 30.
Juni 2010

2 [X.], [X.], 44, 46 Rn.
24 sowie [X.] vom 10.
August 2005

5 [X.], [X.]St 50, 216, 222).
bb)
Da nach der Angriffsrichtung der Rüge die Befangenheit der beiden abgelehnten Berufsrichter ausschließlich aus der behaupteten Festlegung auf die Täterschaft des Angeklagten in dem gegen die beiden früheren [X.] ergangenen Urteil vom 6.
März 2017 abgeleitet wird, hängt der Erfolg esonderer l-che ist aus den dargelegten normativen Erwägungen von vornherein nicht [X.], die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

dem vorgenannten Sinne enthalten, mangelt es jedoch. Tatsächliches Gesche-hen, das außerhalb des Urteils gegen die früheren Mitangeklagten selbst derar-tige Umstände enthält, teilt die Revision nicht mit. Aus der Begründung des ge-nannten Urteils werden lediglich solche Passagen vorgetragen, die von vornhe-10
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rein keine die Besorgnis der Befangenheit aufgrund [X.] ausnahms-n

(S.
16 und 17 der [X.] vom 11.
September 2017) [X.] ausschließlich für die Begründung der Schuldsprüche gegen die [X.] Mitangeklagten wegen Beilhilfe zu Haupttaten des Angeklagten erforderli-che Feststellungen. Das ist jedoch stets zur Begründung von Befangenheit un-geeignet (vgl. [X.], Urteile vom 29.
Juni 2006

5 [X.], [X.], 2864, 2866
Rn. 20 f.
und vom 30.
Juni 2010

2 [X.], [X.], 44, 46 Rn.
23
f.; Beschluss vom 10. Januar 2012

3 [X.], [X.], 519, 520 f. Rn.
20; siehe auch Beschluss vom 10.
August 2005

5 [X.], [X.]St 50, 216, 221). Umstände, die als unnötige oder unsachliche Werturteile gedeutet werden könnten, enthält der [X.] nicht.
Im Übrigen genügt in Konstellationen wie der vorliegenden eine lediglich auszugsweise
Wiedergabe eines in einem anderen Verfahren ergangenen Ur-teils regelmäßig den Anforderrungen aus §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] nicht, weil die sonstigen Urteilspartien Inhalte aufweisen können, die für die Beurteilung

c)
Angesichts des vorstehend [X.] hätte die erhobene Verfah-rensrüge auf der Grundlage des Revisionsvorbringens auch in der Sache kei-nen Erfolg. Es fehlt an vorgetragenen tatsächlichen Umständen, aus denen die Besorgnis der Befangenheit der beiden abgelehnten Berufsrichter hätte [X.] können.
2.
Soweit die Revision die Beweiswürdigung des [X.]s im [X.] auf die Verwertung des Inhalts von sog. Hintergrund-
bzw. [X.] rügt (S.
1821 der [X.] vom 11.
September 2017), die durch Vorspielen der Aufzeichnung von Telekommunikationsüber-13
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wachung in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, legt der Senat die Beanstandung in Übereinstimmung mit der Antragsschrift des [X.] als Verfahrensrüge aus, weil die prozessuale Unverwertbarkeit einer Information geltend gemacht wird. Die Rüge ist allerdings ebenfalls nicht in [X.] zulässigen Weise ausgeführt.
a)
Es liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
In der Hauptverhandlung wurden von der Revision näher bezeichnete, überwachte [X.] durch Vorspielen der Aufzeichnung und deren Übersetzung eingeführt. Dies umfasste auch Gespräche, die einer der an der überwachten Telekommunikation Beteiligten mit
einer weiteren Person, die sich in demselben Raum wie er befand, während des Telefonats geführt hatte. Der Verwertung der aus dem [X.] stammenden Informationen ist seitens der Verteidigung widersprochen worden. Durch Einfügen einer Ablichtung des als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommenen Widerspruchs-schreiben trägt die Revision weiter [X.] die entsprechenden Beschlüsse des Ermittlungsrichters im Ermittlungsver-fahren. Diese Beschlüsse enthalten allerdings keine Befugnis, außerhalb der [X.] geführte Unterhaltungen abzuhören und aufzuzeichnen, wo-bei noch nicht einmal die Identität der beteiligten Personen bekannt war oder ist.
b)
Die Rüge ist nicht in einer §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] entsprechenden Weise erhoben worden. Der Vortrag verhält sich weder zu den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der betroffenen Anordnungs-entscheidungen für die Telekommunikationsüberwachung ergibt, noch beinhal-tet er Tatsachen, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des erforderlichen Verwer-tungswiderspruchs ergibt.
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aa)
Der Senat hält jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von sog. Hintergrund-
oder [X.]en bei Überwachung der Telekommunikation fest. Danach darf bei durch §
100a [X.] gerechtfertigter Aufzeichnung eines Telefonge-sprächs das gesamte während des Telefonats aufgezeichnete Gespräch ein-schließlich der Hintergrundgeräusche und -gepräche verwertet werden ([X.], Beschluss vom 24.
April 2008

1 [X.], [X.], 473 f. mwN; siehe auch KK-[X.]/Bruns, 7.
Aufl., §
100a Rn.
54). Das gilt jedenfalls
dann, wenn es sich

wie hier

um Gespräche handelt, bei denen einer der Teilnehmer der aufgrund gerichtlicher [X.] überwachten [X.]n eine dritte Person in die Kommunikation mit dem telefonischen Gesprächs-partner einbezieht. Denn bei einer solchen Fallgestaltung sind die fraglichen Inhalte des Hintergrund-
bzw. [X.]s selbst Gegenstand der Tele-kommunikation (vgl. zu diesem Aspekt [X.], 437, 442; SK-[X.]/[X.]/[X.], 5.
Aufl., [X.], §
100a Rn.
26). Dass es sich vorliegend so verhält, entnimmt der Senat der Darstellung des Inhalts der fraglichen Tele-fongespräche und der währenddessen geführten Hintergrundgespräche in den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S.
48 f.).
Die von der Revision geltend gemachte Unverwertbarkeit allein aufgrund des Umstands, dass es sich um Informationen aus einem bei einer Telekom-munikationsüberwachung mitgehörten [X.] handelt, ist damit ausge-schlossen. Sie könnte sich allenfalls aus solchen Gründen ergeben, die [X.] zur Unverwertbarkeit aus Telekommunikationsüberwachung stammenden Informationen führen. Dazu fehlt es jedoch an dem erforderlichen [X.]. Insbesondere trägt die Revision, obwohl nach ihrem Vorbringen ermitt-lungsrichterliche Anordnungsentscheidungen zur Überwachung der Telekom-munikation getroffen worden waren, keine Verfahrenstatsachen vor, die dem 19
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Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob im Zeitpunkt der ermittlungsrich-terlichen Beschlüsse die Voraussetzungen für eine solche Überwachung vorge-legen haben (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 7.
März 2006

1 StR 534/05, [X.], 63, 64 und vom 24.
Oktober 2006

3 [X.], [X.], 117).
bb)
Richtet sich nach dem vorstehend Ausgeführten die Unverwertbar-den für ein Verwertungsverbot im Rahmen von Telekommunikationsüberwa-chung allgemein geltenden Voraussetzungen, bedarf es auch für die [X.] Fallgestaltung der rechtzeitigen Erhebung eines Verwertungswiderspruchs (zum Widerspruchserfordernis bei [X.] der Unverwertbarkeit aus [X.] stammenden Informationen siehe nur [X.] in [X.]/[X.], [X.], 60.
Aufl., §
100a Rn.
39 mwN). Wie in der Antragsschrift des [X.] näher dargelegt, trägt die Revision aber keine Tatsachen vor, aus denen sich die rechtzeitige Erhebung des Widerspruchs vor dem durch §
257 [X.] bestimmten Zeitpunkt (dazu [X.], Beschluss vom 27.
Februar 1992

5 [X.], [X.]St 38, 214, 225 f.) ergibt.
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3.
Das Urteil enthält auch keine zu Lasten des Angeklagten wirkenden sachlich-rechtlichen Mängel.
Raum

Jäger Cirener

Radtke Hohoff
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Meta

1 StR 571/17

10.01.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 1 StR 571/17 (REWIS RS 2018, 15868)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15868

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 571/17

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2 StR 455/09

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