Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2023, Az. 1 StR 151/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7662

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Gegenstand

Gewerbliche Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer: Begriff des Anlagegoldes; Entstehung deutscher Einfuhrumsatzsteuer bei Zollverstößen in anderen Mitgliedstaaten


Leitsatz

1. Das Merkmal "mit einem von den Goldmärkten akzeptierten Gewicht" im Sinne des § 25c Abs. 2 Nr. 1 UStG bedingt, dass in die Barren oder Plättchen Angaben des Herstellers, des Gewichts und des Goldfeingehalts eingestanzt sind.

2. Zur Entstehung deutscher Einfuhrumsatzsteuer bei Zollverstößen in anderen Mitgliedstaaten.

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten und der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 18. Oktober 2022 werden mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte [X.].   wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 85 tateinheitlichen Fällen und der Angeklagte [X.]wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in 78 tateinheitlichen Fällen verurteilt sind.

Jeder [X.]schwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.].   wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 85 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten, den Angeklagten [X.]     wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 86 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten [X.]wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in 78 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und [X.] getroffen. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten und der [X.], mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstanden, bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s brachte der Angeklagte [X.]      im Zeitraum von Ende Februar 2020 bis Ende Februar 2021 in 85 Fällen – handelnd für die von ihm gegründete und beherrschte [X.].   AG – Edelmetall aus [X.] über [X.] zu der [X.] B.    GmbH in [X.]          , ohne [X.] anzumelden oder abzuführen. [X.]i einer weiteren Fahrt wurde er Anfang März 2021 in [X.] festgenommen, so dass die Ware nicht mehr zu der [X.] gelangte. Im Schnitt übergab er rund 15 Kilogramm [X.]ld, welches er zuvor „fixiert“, sich also zu der Lieferung zu einem festen Preis verpflichtet hatte. Hierfür erhielt er als Vorschuss jeweils ca. 800.000 Euro in bar.

3

Rund zwei Drittel der Lieferungen waren Platten aus Feingold mit einem [X.]ldfeingehalt von 999 Tausendstel, die keine eingestanzten Angaben des Herstellers, des Gewichts und des [X.]ldfeingehalts aufwiesen. Das restliche Drittel bestand aus Barren mit einem [X.]ldfeingehalt zwischen 500 und 700 Tausendstel und unterschiedlichen Anteilen anderer Metalle. Der Angeklagte [X.]     lieferte in geringem Umfang auch Barren aus Feingold mit Hersteller-, Gewichts- und Feingehaltangabe. Diese gestanzten Barren übernahm die [X.] den Gebräuchen im Edelmetallhandel entsprechend als Anlagegold in ihr „Kabinett“ und veräußerte sie unverändert weiter. Das Anlagegold ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Der überwiegende, verfahrensgegenständliche Teil des [X.]ldes wurde geschieden (eingeschmolzen), auf seine [X.]standteile analysiert und an zertifizierte Scheideanstalten verkauft.

4

Die Vorlieferanten des Angeklagten [X.]      kauften in [X.] [X.]ld von nicht näher bekannten Personen gegen Bargeld an. Aufgrund der strengen [X.] [X.] mussten die Barmittel im Ausland – bei der [X.] – beschafft werden. Die Geschäftspartner schmuggelten das [X.]ld in die [X.] oder nach [X.]. Von dort aus brachte der Angeklagte [X.]      dieses zur Zwischenverwahrung nach [X.], wo er wohnte und über gut gesicherte Räume verfügte. Zur Verschleierung der Vorlieferanten führte er in der Buchhaltung der [X.].   AG Briefkastenfirmen als Verkäufer; das [X.]ld meldete er auch nicht beim Zoll an. Er umging Grenzkontrollen, indem er kleine und selten besetzte Grenzübergänge wählte sowie Späher, meistens den nichtrevidierenden Angeklagten [X.]     , einsetzte. Sodann fuhr er ohne Zwischenhalte durch [X.] zur [X.].

5

Der Angeklagte [X.]    war für die [X.] der wichtigste Lieferant. In manchen Monaten ging ihr Umsatz zur Hälfte auf seine Lieferungen zurück. Der dem Angeklagten [X.]      freundschaftlich verbundene Angeklagte [X.].   war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der [X.]. Er wusste, dass [X.]     Waren ohne Zollanmeldung und Abführung der [X.] aus [X.] lieferte. [X.].   stellte mit der [X.] die Infrastruktur, um diese Edelmetalle in den Wirtschaftskreislauf zu bringen und [X.]      Bargeld für den nächsten Ankauf zu verschaffen. [X.]i zentralen Entscheidungen in seinem Unternehmen hatte er das „letzte Wort“ und beeinflusste in hohem Maße die Geschicke der [X.]. Der Angeklagte [X.], der als Mitgeschäftsführer bis zu seinem Ausscheiden Ende Januar 2021 für das Tagesgeschäft zuständig war, nahm jedenfalls billigend in Kauf, dass für das von [X.]     angelieferte [X.]ld keine [X.] abgeführt wurde. Er führte keine echten Prüfungen durch, sondern schuf lediglich eine ihn entlastende Papierlage und gewährleistete den reibungslosen Ablauf der einzelnen Lieferungen. Als Zwischenhändlerin war es die Rolle der [X.], zweifelhaften Geschäften einen sauberen Anstrich zu geben und so den Weiterverkauf an Scheideanstalten mit deren höheren Compliance-Anforderungen zu ermöglichen.

II.

6

Aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] liegt weder ein Verfahrenshindernis vor, noch greifen die erhobenen Verfahrensrügen durch. Soweit sich die [X.] mit ihrer Verfahrensrüge gegen die der [X.] zugrundeliegenden Schuldsprüche wendet, vermag sie damit schon mit Blick auf § 431 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht durchzudringen (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, [X.]St 66, 147 Rn. 31 ff., 53 ff.; [X.]schluss vom 14. Juni 2023 – 1 [X.], zur [X.] in [X.]St vorgesehen, Rn. 68).

7

Die rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der [X.]schwerdeführer aufgedeckt. Sie führt lediglich zu einer Änderung der Schuldsprüche betreffend die Angeklagten [X.].    und [X.]. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

8

1. Der Schuld- und der Strafausspruch betreffend den Angeklagten [X.]     sind rechtlich nicht zu beanstanden.

9

a) Der Angeklagte [X.]     hinterzog die infolge der Einfuhr des Edelmetalls beim Inverkehrbringen in [X.] entstandene [X.] als Einfuhrabgabe (§ 373 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 3 [X.], Art. 5 Nr. 20 der Verordnung [[X.]] Nr. 952/2013 des [X.] und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des [X.] [[X.]szollkodex, im Folgenden: [X.]]).

aa) Er ließ die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]), indem er das Edelmetall sowohl in [X.] als auch in [X.] weder gestellte (Art. 139 Abs. 1 Buchst. a [X.] i.[X.]m. § 21 Abs. 2 Halbsatz 1 UStG, Art. 71 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem [[X.], im Folgenden: MwStSystRL]) noch hierfür eine Zollanmeldung (Art. 158 Abs. 1 [X.] i.[X.]m. § 21 Abs. 2 Halbsatz 1 UStG, Art. 71 MwStSystRL) abgab.

bb) Dadurch verkürzte der Angeklagte [X.]     [X.]. Denn eine solche entstand in [X.] ungeachtet dessen, dass das [X.]ld erstmals in [X.] in das Zollgebiet der [X.] gekommen war (nachfolgend (1)). Die Lieferung war auch nicht nach § 25c Abs. 1 Satz 1 UStG steuerfrei (nachfolgend (2)). Im Einzelnen:

(1) Für die [X.] gelten die Vorschriften über Zölle sinngemäß (§ 21 Abs. 2 Halbsatz 1 UStG, Art. 70, 71 Abs. 2 MwStSystRL).

Nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a [X.] entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in [X.]zug auf das Verbringen von Nicht-[X.]swaren in das Zollgebiet der [X.], auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die [X.]förderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet nicht erfüllt ist. Der Verstoß gegen die Gestellungspflicht lässt die Zollschuld entstehen ([X.], [X.]schluss vom 27. Oktober 2022 – [X.]/20 Rn. 25; Urteil vom 7. März 2006 – [X.]/04 [X.]E 212, 321, unter [X.], mwN aus der [X.]. des [X.]).

[X.] entsteht demgemäß, wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Entstehung der Zollschuld führte, angenommen werden kann, dass die fraglichen Waren in den Wirtschaftskreislauf der [X.] gelangt sind und somit einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden konnten ([X.], Urteile vom 10. Juli 2019 – [X.]/18 [X.] Deutsche Niederlassung Rn. 41 und vom 8. September 2022 – [X.] [X.] Rn. 29; jeweils mwN). Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass die [X.] in dem Mitgliedstaat anfällt, in dem ein Gegenstand unter Verstoß gegen zollrechtliche Verpflichtungen in das Zollgebiet der [X.] gelangte. Eine solche Vermutung kann jedoch nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass trotz des zollrechtlichen Fehlverhaltens, das zur Entstehung einer Einfuhrzollschuld in dem Mitgliedstaat führte, in dem dieses Fehlverhalten begangen wurde, ein Gegenstand im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats, in dem dieser Gegenstand zum Verbrauch bestimmt war, in den Wirtschaftskreislauf der [X.] gelangt ist. In diesem Fall tritt der Tatbestand der [X.] in dem anderen Mitgliedstaat ein ([X.], Urteile vom 8. September 2022 – [X.] [X.] Rn. 27 ff.; vom 3. März 2021 – [X.]/20 Hauptzollamt [X.] Rn. 31 ff. und vom 10. Juli 2019 – [X.]/18 [X.] Deutsche Niederlassung Rn. 44 ff.; vgl. im Übrigen zu §§ 373, 374 [X.], insbesondere zum "[X.]", bislang: [X.], Urteil vom 27. Juni 2018 – 1 StR 282/17 Rn. 8-10; [X.]schlüsse vom 19. August 2009 – 1 [X.], [X.]R [X.] § 373 Einfuhrabgaben 2 Rn. 4; vom 1. Februar 2007 – 5 [X.], [X.]R [X.] Einfuhrabgaben 1 § 373 Rn. 13 f. und vom 30. Juni 2005 – 5 [X.] Rn. 19). So verhält es sich hier, weil das [X.]ld erst mit der Veräußerung an die [X.] in [X.] (wieder) in den Wirtschaftskreislauf der [X.] gelangte.

(2) Die Lieferungen des Angeklagten [X.]     waren auch nicht (teilweise) nach § 25c Abs. 1 Satz 1 UStG steuerfrei. Denn bei dem verfahrensgegenständlichen [X.]ld handelte es sich in keinem Fall um Anlagegold im Sinne des § 25c Abs. 1 Satz 1 USt[X.] Die Lieferung, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Anlagegold sind nach § 25c Abs. 1 Satz 1 UStG steuerfrei. § 25c Abs. 1 Satz 1 UStG beruht auf Art. 346 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten unter anderem die Lieferung, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Einfuhr von Anlagegold von der Mehrwertsteuer befreien.

(a) Der [X.]griff des Anlagegoldes ist in § 25c Abs. 2 UStG legaldefiniert und umfasst nach § 25c Abs. 2 Nr. 1 UStG unter anderem [X.]ld in Barren- oder Plättchenform mit einem von den [X.]ldmärkten akzeptierten Gewicht und einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendstel. Für die Zwecke der [X.] und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften gilt nach Art. 344 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL als Anlagegold [X.]ld in Barren- oder Plättchenform mit einem von den [X.]ldmärkten akzeptierten Gewicht und einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendsteln, unabhängig davon, ob es durch Wertpapiere verbrieft ist oder nicht. Der [X.]griff „mit einem von den [X.]ldmärkten akzeptierten Gewicht“ in Art. 344 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL umfasst nach Art. 56 der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuerverordnung, im Folgenden: [X.]) mindestens die in [X.] dieser Verordnung aufgeführten Einheiten und Gewichte.

Weder der Gerichtshof der Europäischen [X.] noch der [X.] hat sich bislang ausdrücklich dazu verhalten, ob das Merkmal „mit einem von den [X.]ldmärkten akzeptierten Gewicht“ bedingt, dass in die Barren oder Plättchen Angaben des Herstellers, des Gewichts und des [X.]ldfeingehalts eingestanzt sind.

Das Finanzgericht [X.] (Urteil vom 18. Januar 2021 – 4 K 118/16 Rn. 24), die [X.] Finanzverwaltung (UStAE Abschn. 25c.1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1) und die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum ([X.] in Reiß/[X.]/[X.], UStG, Stand September 2023, § 25c Rn. 17; Nieskens in [X.], UStG, Stand August 2023, § 25c Rn. 87; [X.] in [X.]/Söhn/[X.], UStG, Stand August 2023, § 25c Rn. 13; Wäger in Wäger, UStG, 2. Auflage, § 25c Rn. 10; offengelassen von [X.] in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Juni 2023, § 25c Rn. 27) bejaht dies. Diese Ansicht teilt der Senat.

Das Erfordernis entsprechender Angaben folgt schon aus dem Wortlaut des § 25c UStG und des Art. 344 MwStSystRL und ist daher – entgegen der Auffassung der Revision – ohne Verstoß gegen den [X.]stimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG; z.B. [X.], [X.]schluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., [X.]E 126, 170 Rn. 68 ff. insbes. 77, mwN) auch der steuerstrafrechtlichen [X.]urteilung zugrunde zu legen.

Anlagegold muss nach der Legaldefinition neben einer bestimmten Form und einem Mindestfeingehalt ein „von den [X.]ldmärkten akzeptiertes Gewicht“ haben. Die Edelmetallmärkte akzeptieren Barren und Plättchen jeglichen Gewichts jedoch nur, wenn sie einen Prägestempel des Herstellers tragen, der für Gewicht und Feingehalt garantiert (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 1986 – [X.], [X.]E 147, 529, unter 1.b); zu ausgewählten Märkten auch [X.], [X.] 2013, 253, 255; [X.], [X.], 1568, 1570). Barren und Plättchen ohne diese Prägung werden unabhängig von ihrem Gewicht nicht akzeptiert. Sie werden dementsprechend nicht auf den [X.]ldmärkten gehandelt.

Wollte man unter den [X.]griff des Anlagegoldes im Sinne des § 25c UStG und des Art. 344 MwStSystRL auch solches erfassen, das mangels entsprechender Prägungen auf den [X.]ldmärkten nicht ohne Weiteres handelbar ist, widerspräche das der Zielsetzung der Steuerbefreiung. [X.]i der Auslegung einer [X.]svorschrift sind neben dem Wortlaut auch der [X.] und das Ziel zu berücksichtigen, das mit der Regelung verfolgt wird (z.B. [X.], Urteile vom 10. Februar 2022 – [X.]/20 [X.] 136 Rn. 39 und vom 26. Mai 2016 – [X.]/14 Envirotec Denmark Rn. 27; jeweils mwN). Die Steuerbefreiung für Anlagegold soll die Lieferung von Anlagegold steuerbefreiten Finanzanlagen gleichstellen; sie zielt daher nur auf [X.]ld, das zu Anlagezwecken gehandelt wird (vgl. Erwägungsgründe 2 bis 4 der [X.]/[X.]), während [X.] gerade nicht steuerbefreit sein soll (BT-Drucks. 14/1514, [X.]). Die intendierte Gleichstellung mit anderen steuerbefreiten Finanzanlagen bedingt, dass das Anlagegold auch ähnlich leicht handelbar wie diese sein muss. Eine vergleichbare Handelsvolatilität kann jedoch nur dadurch erreicht werden, dass sich aus den [X.]ldbarren und -plättchen selbst – wie auch bei anderen Finanzanlagen – ohne weitere Prüfung deren Werthaltigkeit ergibt. Für diese Werthaltigkeit können wiederum nur entsprechende Prägungen zertifizierter Scheideanstalten garantieren.

Auch aus Art. 56 [X.] folgt nicht, dass allein auf das Gewicht als solches abzustellen wäre, da diese [X.]stimmung erkennbar nur die Anforderungen an das Gewicht regelt, nicht die übrigen Voraussetzungen der Akzeptanz. Art. 56 [X.] lässt zudem nicht das Gewicht als solches genügen, sondern setzt voraus, dass es als ein in dem Anhang genanntes Vielfaches einer dort genannten Einheit ausgewiesen wird. Insbesondere der in dem [X.] verwendete [X.]griff „Taelbarren“ belegt, dass das [X.]srecht eine eindeutige Zuordnung eines Barrens zu einer bestimmten Einheit voraussetzt. Dies bedingt eine entsprechende Prägung, die Einheit und Vielfaches angibt.

(b) Es bedarf insofern keiner Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] (Art. 267 Abs. 3 A[X.]V). Wegen des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung ([X.], [X.]schluss vom 12. Januar 2022 – 1 [X.] Rn. 20 mwN) muss die Auslegung des § 25c Abs. 2 Nr. 1 UStG der Auslegung von Art. 344 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL folgen. Da sich der Gerichtshof der Europäischen [X.] zu der Frage, ob Anlagegold eine entsprechende Prägung aufweisen muss, noch nicht geäußert hat, müsste der Senat eine Vorabentscheidung einholen, wenn die Auslegung des Art. 344 MwStSystRL vernünftigen Zweifeln unterläge (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 – [X.]/81 [X.], Slg. 1982, S. 3415; [X.], [X.]schluss vom 29. Juni 2022 – 1 StR 130/22 Rn. 42). Aus den vorgenannten Gründen ist dies indes nicht der Fall.

(c) Der Umstand, dass den Angeklagten der Unterschied zwischen steuerbefreitem Anlagegold und [X.] bewusst war, ergibt sich aus der – auch dem Angeklagten [X.]    bekannten – Verwendung des von ihm angelieferten [X.]ldes: Entsprechend gekennzeichnete Barren gelangten als Anlagegold in das „Kabinett“ und wurden ohne weitere [X.]arbeitung weiterveräußert, während andere Metallstücke selbst mit hohem Feingehalt geschieden wurden ([X.] f.), was nach den Angaben der Zeugen allgemein branchenüblich war ([X.], 203 ff., 208, 364 ff., 380, 464 f.).

b) Die [X.] hat auch den [X.] zutreffend bestimmt. Ob der Angeklagte [X.]     oder die [X.].   AG die entstandene [X.] als Vorsteuer abziehen konnte (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG), ist dabei ohne [X.]deutung. Die Vorsteuer ist nicht im Zollverfahren, sondern in dem jeweils einschlägigen [X.]steuerungsverfahren gemäß § 18 UStG geltend zu machen. Dazu gehört gegebenenfalls auch das Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG für im Ausland ansässige Unternehmer. Sie kann daher die [X.]schuld schon nach steuerrechtlichen Grundsätzen weder ausgleichen noch mindern ([X.], [X.]schlüsse vom 4. September 2013 – 1 StR 374/13, [X.]R [X.] § 373 Einfuhrabgaben 4 Rn. 5 ff. und vom 26. Juni 2012 – 1 [X.] Rn. 7 ff.), weshalb sich die Frage des [X.] (§ 370 Abs. 4 Satz 3 [X.]) und die [X.]rücksichtigung von diesem unterliegenden Minderungsgründen oder Steuervorteilen bei den verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB, vgl. [X.], [X.]schluss vom 22. März 2023 – 1 StR 361/22 Rn. 20 mwN) nicht stellt. Auch auf eine etwaige Versagung des Vorsteuerabzugs wegen des unionsrechtlichen [X.]trugs- und Missbrauchsverbots (st. [X.].; z.B. [X.], Urteile vom 1. Dezember 2022 – [X.]/21 Aquila Part Prod Com und vom 24. November 2022 – [X.]/21 Finanzamt M; jeweils mwN) und die [X.]deutung von § 25f UStG kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für eine mögliche Stundung der [X.], da die Stundung zur Erhebung gehört (z.B. [X.], Urteil vom 25. Februar 2021 – [X.]/19, [X.]E 272, 19 Rn. 29), während die Verkürzung von der Festsetzung abhängt.

2. Hingegen hält die Verurteilung der Angeklagten [X.].   und [X.]wegen gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 [X.]) revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Angeklagten [X.].   und [X.]haben sich – die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.]s zugrunde gelegt – vielmehr wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 [X.]) strafbar gemacht. Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Im Einzelnen:

a) Die Angeklagten [X.].    und [X.]hinterzogen nicht selbst [X.], sondern kauften für die [X.] Waren an, hinsichtlich derer Einfuhrabgaben hinterzogen wurden. Sie machten im Zusammenhang mit der Einfuhr der Edelmetalle weder unrichtige oder unvollständige Angaben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), noch waren sie zu Angaben hierzu verpflichtet (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]), da sie nicht erklärungs-, insbesondere nicht gestellungspflichtig waren. Die vom [X.] herangezogene Gestellungspflicht nach Art. 139 Abs. 1 Buchst. b [X.] erfasst neben dem Fahrzeuglenker vor allem den Frachtführer/Spediteur ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Auflage, 23. Kapitel Rn. 101; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Lieferung, Art. 139 Rn. 39 und inhaltsgleich in [X.]/[X.]/[X.], 274. Lieferung, Art. 139 [X.] Rn. 39; [X.] in [X.], [X.], 8. Auflage, Art. 139 Rn. 7) und den Absender ([X.] aaO, zweifelnd [X.] aaO), nicht aber den [X.]steller. Gegen eine Erfassung des [X.]stellers spricht insbesondere, dass dieser zumeist nicht in der Lage ist, die Ware zu gestellen, weil er nicht weiß, wann und wo sie eingeführt wird. Er hat regelmäßig lediglich einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Ware. Sofern es sich nicht um eine Holschuld handelt, ist er auch nicht Auftraggeber des Transports.

b) Soweit der Angeklagte [X.]    als Vertreter der [X.].   AG mit der [X.] das Geschäft „fixierte“ und eine Vorfinanzierung erhielt, ändert dies nichts daran, dass er im Namen und auf Rechnung der [X.].   AG kaufte und verkaufte ([X.] f.). Indem er das [X.]ld nach [X.] brachte, um es dort an die [X.] zu übereignen, erfüllte er deren (der [X.].   AG) durch die „Fixierung“ als schuldrechtlichen Vertrag ([X.], 223) begründete Pflicht und handelte nicht im Auftrag der [X.] im Sinne des Art. 139 Abs. 1 Buchst. b [X.]. Dass die Vertragsparteien eine Holschuld vereinbart hätten und der Angeklagte [X.]     deshalb hinsichtlich des Transports im Auftrag der [X.] gehandelt hätte, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.

c) Zudem ist nach zoll- und steuerstrafrechtlicher Systematik mit Übergabe der Ware, auf der die Einfuhrabgaben lasten, an den Empfänger der Straftatbestand der Steuerhehlerei anzuwenden. Dies ist für die Abgrenzung der Steuerhehlerei von der Steuerhinterziehung bereits entschieden (st. [X.].; [X.], Urteile vom 7. Oktober 2021 – 1 [X.] Rn. 17 und vom 11. Juli 2019 – 1 [X.], [X.]St 64, 152 Rn. 22-24 mwN); nichts Anderes kann für die Strafvorschrift des § 373 [X.] gelten, die eine Qualifikation zum Grundtatbestand der Steuerhinterziehung ist.

d) Die Änderung der Schuldsprüche lässt die [X.] unberührt, da der Strafrahmen und die Strafzumessungskriterien, wozu namentlich die Höhe der Steuerverkürzung gehört, gleich sind (vgl. [X.], [X.]schluss vom 5. April 2023 – 1 StR 49/23 Rn. 6).

3. Auch die [X.] bleibt von der Änderung der Schuldsprüche unberührt. Zwar hat die [X.] aufgrund der Steuerhehlerei der Angeklagten [X.].   und [X.]nicht (nur) eine Steuerersparnis in Höhe der [X.], sondern das [X.]ld selbst als Tatertrag erlangt (vgl. z.B. [X.], [X.]schluss vom 5. April 2023 – 1 StR 49/23 Rn. 8, mwN). Nachdem dieses infolge der vorgenommenen Einschmelzungen nicht mehr körperlich vorhanden war, wäre der Wert desselben einzuziehen (§ 73c Satz 1 StGB). Dass dieser deutlich über dem eingezogenen [X.]trag läge, beschwert die [X.] nicht.

Jäger     

      

[X.]llay     

      

Wimmer

      

Allgayer     

      

Munk     

      

Meta

1 StR 151/23

17.10.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 18. Oktober 2022, Az: 6 KLs 203 Js 17195/20

§ 21 Abs 2 Halbs 1 UStG, § 25c Abs 2 Nr 1 UStG, Art 70 EGRL 112/2006, Art 71 Abs 2 EGRL 112/2006, Art 344 Abs 1 Nr 1 EGRL 112/2006, Art 5 Nr 20 EUV 952/2013, Art 79 Abs 1 Buchst a EUV 952/2013, § 3 Abs 3 AO, § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 373 Abs 1 S 1 AO, § 374 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2023, Az. 1 StR 151/23 (REWIS RS 2023, 7662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7662

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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