Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.11.2023, Az. VII R 10/21

7. Senat | REWIS RS 2023, 10253

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Gegenstand

Zu den Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung


Leitsatz

1. Die Vorschriften für die Nacherhebung von Zoll im Sinne von Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 des Unionszollkodex sind sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.

2. Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Anschlusslieferung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a des Umsatzsteuergesetzes kann grundsätzlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Identität des Erwerbers im Erwerbsmitgliedstaat feststeht. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft.

3. Eine als indirekte Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetretene Person ist Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 25.01.2021 - 4 K 47/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete mit Zollanmeldung vom 12.12.2016 als indirekte Vertreterin der [X.], Mitgliedstaat A, 100 Dokumententaschen mit einem Zollwert von 817,50 € bei einem Zollamt in der [X.] ([X.]) unter Verwendung des Verfahrenscodes ([X.]) 42 zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung an. Hierbei gab sie die [X.] (USt-IdNr.) des [X.] der [X.] und die von der drittländischen Verkäuferin [X.] erstellte Handelsrechnung Nr. … vom 28.11.2016 sowie die Lieferbedingung [X.] ([X.], [X.]) an.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt --[X.]--) setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 die Einfuhrabgaben auf 0 € fest. Der Bescheid war an die Klägerin und "als Vertreter für (für Rechnung)" die [X.] gerichtet.

3

Am 19.12.2016 teilte die Klägerin dem [X.] mit, dass die Ware nach deren Überlassung umdisponiert worden sei und ein anderer gewerblicher im Mitgliedstaat A ansässiger namentlich nicht benannter Abnehmer diese erhalten habe.

4

Daraufhin setzte das [X.] mit Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 gegen die Klägerin [X.] in Höhe von 183,83 € fest, weil nach Auffassung des [X.] die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (igL) gemäß § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht vorlägen.

5

Nach Einspruchseinlegung übersandte die Klägerin einen von der [X.], Mitgliedstaat A, am 28.12.2016 quittierten Lieferschein des Logistikdienstleisters E GmbH des [X.] vom 27.12.2016 sowie ein Schreiben der [X.] vom selben Tag, in dem diese mitteilte, dass sie eine Gelangensbescheinigung nicht ausstellen könne. Weiterhin übermittelte die Klägerin eine ihr von der [X.] am 09.12.2016 erteilte [X.] zur Fiskalvertretung.

6

Die Klägerin beantragte gemäß Art. 173 Abs. 3 des Unionszollkodex ([X.]) die Änderung der Zollanmeldung dahingehend, dass sie im Namen der [X.] abzugeben gewesen sei, was das [X.] ablehnte. Die Klage gegen die Ablehnung dieses [X.] blieb erfolglos.

7

Mit Bescheid vom 28.09.2017 nahm das [X.] den auf 0 € lautenden Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 gemäß Art. 27 [X.] zurück, weil das angemeldete indirekte Vertretungsverhältnis zwischen der [X.] und der Klägerin nicht bestanden habe.

8

Mit Einspruchsentscheidung vom 11.04.2018 wies das [X.] den Einspruch der Klägerin gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 über 183,83 € zurück.

9

Das [X.] urteilte, der Einfuhrabgabenbescheid sei rechtmäßig. Die Ermächtigungsgrundlagen für die Nacherhebung der [X.] seien Art. 101 Abs. 1, Art. 105 Abs. 4 und 3 [X.] in ihren gemäß § 21 Abs. 2 Halbsatz 1 UStG entsprechend anwendbaren Fassungen. Die genannten Zollvorschriften verdrängten die Art. 27 f. [X.] analog und §§ 131 f. der Abgabenordnung ([X.]). Die [X.] ([X.]) stehe der nachträglichen Geltendmachung der [X.] nicht entgegen. Mit dem [X.] 42 werde in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht ein eigenständiges Verfahren codiert, das allein mehrwertsteuerrechtliche Voraussetzungen habe. Die Geltendmachung der Steuerbefreiung sei nach Art. 143 Abs. 2 [X.] [X.]. Es handele sich bei diesem Vorgang um einen einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Antrag auf eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 22 [X.] analog. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 12.12.2016 sei, soweit darin [X.] in Höhe von 0 € festgesetzt werde, eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß Art. 22 und Art. 5 Nr. 39 [X.] analog.

Die Voraussetzungen der Nacherhebung lägen im Streitfall vor und das [X.] sei dafür zuständig. Die [X.]schuld sei in der festgesetzten Höhe entstanden. Eine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne liege jedenfalls dann vor, wenn eine Ware zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden sei und die Einfuhrabgaben gezahlt worden seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde die Besteuerungshoheit nicht auf den [X.] verlagert.

Die [X.] sei im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung entstanden, auch wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestanden habe, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht erfüllt seien. Die Voraussetzungen einer igL im Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a UStG lägen nicht vor. Dafür müsse die Identität des Abnehmers feststehen, weil ansonsten die Ziele der [X.] --unter anderem die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und [X.] negiert würden. Im Streitfall sei jedoch die Identität des Abnehmers der Ware im Mitgliedstaat A ungeklärt. Die Lieferung könne auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 UStG als steuerfreie igL angesehen werden, weil deren Voraussetzungen im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt seien. Als Grenzspediteurin habe die Klägerin zudem zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die Ware gehabt und daher die Lieferung nicht bewirken können. Die Klägerin sei als Vertreterin ohne Vertretungsmacht Steuerschuldnerin, sie schuldete aber auch als Vertreterin mit Vertretungsmacht die [X.], weil die Voraussetzungen der igL nicht vorlägen.

Die Klägerin begründet ihre Revision wie folgt: Die Art. 101 ff. [X.] könnten nicht nach § 21 Abs. 2 UStG auf eine (angeblich) fehlgeschlagene Lieferung angewendet werden. Art. 143 Abs. 1 Buchst. d [X.] enthalte eine doppelte Steuerbefreiung, nämlich von der [X.] und der (inneren) Umsatzsteuer. Zollrecht gelte hier nicht. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG verhindere, dass im [X.] 42 die [X.] entstehe. Die [X.]freiheit nach dieser Vorschrift sei mit der Einräumung von tariflichen oder außertariflichen [X.] nicht vergleichbar und hänge von der Steuerfreiheit der igL nach § 6a UStG ab, die der Verzollung nachfolge.

Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG beruhe auf einer [X.]en nationalen Entscheidung, auf die grundsätzlich die Abgabenordnung anwendbar sei. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG sei zudem lex specialis zu § 21 Abs. 2 UStG, weshalb diese Vorschrift im [X.] 42 nicht anwendbar sei. Folge das Antragserfordernis aus Art. 143 Abs. 2 [X.], sei es genauso wie die Steuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d [X.] selbst umsatzsteuerrechtlicher Natur. Der [X.] könne nicht in eine Zollanmeldung umgedeutet werden. Werde dem Anmelder oder dem indirekt Vertretenen die Steuerfreiheit eingeräumt, handele es sich um einen begünstigenden Steuerverwaltungsakt im Sinne von §§ 118, 130 Abs. 2 [X.]. Da die Einräumung der Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht durch einen Steuerbescheid im Sinne von § 155 Abs. 1 [X.] erfolge, seien die Art. 101 ff. [X.] nicht nach § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß anwendbar.

Der mit Art. 143 Abs. 1 Buchst. d [X.] i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG verbundene Steuervorteil dürfe ausschließlich nach §§ 130, 131 [X.] oder besser wegen der Anwendung des Zollverfahrens 42 auf den [X.] nach Art. 27, 28 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG korrigiert werden. Mit der Rücknahme der Steuerbefreiung entstehe die [X.] ex tunc nach Art. 77 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG. Eine Korrekturentscheidung nach Art. 27, 28 [X.] liege jedoch nicht vor, weshalb der [X.] des [X.] aufzuheben sei.

Die Klägerin als Grenzspediteurin habe die Steuerfreiheit nicht für ihr Unternehmen beanspruchen können, weil sie die Waren nicht aus dem [X.] in einen anderen Mitgliedstaat habe transportieren können. Im Übrigen sei sie auch schutzwürdig im Sinne von § 6a Abs. 4 UStG, weil zu erkennen gewesen sei, dass sie als Grenzspediteurin weder [X.] noch Lieferer sei. Sie habe auf die Angaben von [X.] vertrauen dürfen, deren Umdisponieren außerhalb ihres Verantwortungsbereichs gelegen habe.

Zum Einfuhrbegriff führt die Klägerin aus, dass jeglicher Einfuhrumsatz den Eingang in den Wirtschaftskreislauf voraussetze. In diesem Zusammenhang sei durch den [X.] ([X.]) zu klären, ob seine Einfuhrdefinition auch im Rahmen von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 [X.] gelte. Der Begriff "Einfuhr" im Sinne der [X.] 42-Vorschriften meine die Abgabe der [X.], also die aufgrund der Zollanmeldung erfolgte Überlassung der [X.] zum zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 201 [X.]. Der Eingang in den Wirtschaftskreislauf gehöre seit jeher zum Einfuhrbegriff. Einfuhr im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 [X.] i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG meine das Zollverfahren der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, nicht aber den Einfuhrumsatz im Sinne von Art. 30 [X.], der im [X.] durch den Erwerb im Sinne von Art. 20, 21 [X.] ausgeführt werde. Habe die Ware den [X.] in Richtung [X.] verlassen, liege somit im [X.] keine Einfuhr vor, weshalb im Streitfall in [X.] keine [X.] erhoben werden dürfe. Stehe der Verbrauch im [X.] fest, könne keine [X.] im [X.] erhoben werden, auch wenn die [X.] der igL nicht gegeben seien.

Der indirekte Vertreter des Importeurs tätige keinen warenbezogenen Einfuhrumsatz, sondern erbringe nur eine Dienstleistung, die keine Wareneinfuhr im Sinne von Art. 30 [X.] sei und auf die keine [X.] erhoben werden dürfe. Der Anmelder, der nicht zugleich auch Verfügungsmacht über die Ware habe, könne nach § 21 Abs. 2 UStG nicht Schuldner der [X.] werden. Somit hätte das [X.] der Klägerin die Steuerbefreiung schon von vorneherein mangels Eigenschaft eines Lieferers nicht gewähren dürfen. Art. 143 Abs. 2 [X.] gehöre nicht zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung, sondern stelle lediglich eine formelle [X.] dar.

Da es im Umsatzsteuerrecht keine indirekte Stellvertretung gebe, sondern nur im Zollrecht, könne Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 [X.] nicht nach § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß im Recht der [X.] angewandt werden. Der Fiskalvertreter helfe dem Importeur lediglich bei der Erfüllung der Grenzformalitäten nach Art. 143 Abs. 2 [X.] und stelle den Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung nicht im eigenen Namen, sondern nur für den Importeur. Nur der Importeur, der auch die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung tätige, könne die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen. [X.] er das zu Unrecht, könne auch nur ein solcher Importeur die [X.] nach Art. 201 [X.] schulden. Werde der Importeur durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, könne nur der Importeur Steuerschuldner werden.

Da die Angabe der USt-IdNr. im Streitfall lediglich ein formelles Kontrollinstrument sei, sei eine geänderte oder unbekannte Identität des Abnehmers kein Grund, die Steuerfreiheit zu versagen. Der [X.] folgere aus Art. 138 Abs. 1, Art. 143 Abs. 1 Buchst. d [X.], welche die materiellen [X.] normierten, dass die Identität des Erwerbers materiell-rechtlich nicht erforderlich sei. Es gebe noch nicht einmal eine Pflicht zur Vergewisserung des Steuerpflichtigen, dass die von dem Erwerber transportierten Waren tatsächlich das Bestimmungsland erreicht hätten. Die ab 01.01.2020 geänderte Rechtslage sei im Streitfall nicht anwendbar.

§ 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 102 Abs. 3 Unterabs. 1 [X.] könne zum Zweck der Nacherhebung der [X.] bei einem Nichtvorliegen der [X.] des § 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 6a UStG bereits deshalb nicht angewandt werden, weil dem Zollrecht der Begriff der Lieferung fremd sei.

Gegebenenfalls sei der [X.] anzurufen.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung sowie den Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.04.2018 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich den Ausführungen des [X.] an und ergänzt, die zollrechtlichen Vorschriften über die Nacherhebung nach Art. 105 Abs. 4, Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 [X.] seien über § 21 Abs. 2 UStG auf die [X.] anwendbar. Die Vorschriften der [X.] stünden einer Nacherhebung von [X.] nicht entgegen, weil es den Mitgliedstaaten überlassen sei, die Einzelheiten der Entrichtung der Mehrwertsteuer für die Einfuhr von Gegenständen festzulegen. Auch Art. 143 Abs. 2 [X.] sei kein Verbot der sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften über die Nacherhebung von Einfuhrabgaben zu entnehmen. Bei dem Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG handele es sich um einen einfuhrumsatzsteuerrechtlichen Antrag auf eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 22 [X.] analog. Bei dem im Rahmen der Abfertigung zum Verfahren 42 erteilten Einfuhrabgabenbescheid handele es sich folglich um eine einfuhrumsatzsteuerrechtliche Entscheidung gemäß Art. 22 und Art. 5 Nr. 39 [X.] analog, mit welcher dem Antrag auf Gewährung einer Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG entsprochen worden sei. Gleichzeitig sei der Klägerin damit die Höhe der zu entrichtenden [X.] (0 €) mitgeteilt worden. Aus nationaler Sicht handele es sich bei der durch Festsetzung der [X.] auf "Null" gewährten Steuerbefreiung zudem um einen Steuerbescheid im Sinne von § 155 [X.], der nur nach Maßgabe der Art. 105 bzw. Art. 116 ff. [X.] analog aufgehoben oder geändert werden könne. §§ 130 und 131 [X.] seien nicht anwendbar.

Die Voraussetzungen für die nachträgliche Geltendmachung der [X.] seien im Streitfall erfüllt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Einfuhr im Verfahren 42 erst im [X.] erfolge. Zudem bedürfe es einer Steuerbefreiung nur insoweit, als eine Steuer bereits entstanden sei. Die [X.]e Steuerbefreiung des Art. 143 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 138 [X.] mache [X.] nur dann Sinn, wenn eine grundsätzlich mehrwertsteuerpflichtige Einfuhr bereits im Mitgliedstaat der Überlassung in den freien Verkehr vorliege. Soweit die Klägerin auf das vom [X.] verwendete Tatbestandsmerkmal des Eingangs in den Wirtschaftskreislauf abstelle, sei anzumerken, dass die Urteile dazu allesamt Sachverhalte beträfen, in denen es aufgrund von Unregelmäßigkeiten in zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren zu einer Zollschuldentstehung gekommen sei. Ob auch eine zollrechtliche Pflichtverletzung zu einer mehrwertsteuerrechtlichen Einfuhr führe, sei durch die [X.] nicht speziell geregelt. Im Gegensatz dazu beinhalte die [X.] für die hier relevanten mehrwertsteuerrechtlichen Folgen aus der Überlassung einer Ware zum zollrechtlich freien Verkehr durch Art. 30 Abs. 1 [X.] und Art. 29 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) sehr wohl eine klare Regelung. Im Streitfall sei die [X.]schuld daher mit der Überlassung der Ware zum zollrechtlich freien Verkehr in [X.] entstanden. Davon zu unterscheiden sei, ob diese entstandene Steuerschuld wegen einer zu gewährenden Steuerbefreiung auf 0 € festzusetzen sei.

Die tatsächliche Durchführung der igL sei eine weitere materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Dabei habe derjenige, der die Steuerbefreiung begehre, grundsätzlich den Nachweis für das Vorliegen dieser Voraussetzung zu erbringen.

[X.] und seiner Identität kämen für die Steuerfreiheit der igL entscheidende Bedeutung zu, zumal der [X.] der igL zu einem bestimmten Personenkreis gehören müsse. Darüber hinaus erscheine es bei einer nicht feststehenden Identität des Abnehmers bereits fraglich, ob überhaupt der mehrwertsteuerrechtliche Begriff einer Lieferung erfüllt sein könne, weil dieser die Verschaffung der Verfügungsmacht voraussetze. Komme der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach oder erwiesen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestünden zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräume, sei die Lieferung steuerpflichtig. Im Übrigen habe die Klägerin mit der Einfuhrware mangels Verfügungsmacht ohnehin keine Lieferung bewirken können. Vertrauensschutz käme nur dann in Frage, wenn auch tatsächlich eine igL durchgeführt worden sei, was vorliegend nicht habe nachgewiesen werden können.

Die Klägerin habe vorliegend als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt und sei damit Anmelderin und Steuerschuldnerin. Die Auffassung der Klägerin führte dazu, dass im Streitfall überhaupt kein Steuerschuldner existiere, der in Anspruch genommen werden könne.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht mit Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 gegen die Klägerin [X.] in Höhe von 183,83 € festgesetzt.

1. Das [X.] hat den Einfuhrabgabenbescheid vom 31.01.2017 zu Recht auf Art. 105 Abs. 4 [X.] gestützt. Ein gesonderter Widerruf der zunächst gewährten Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG war --entgegen der Ansicht der [X.] nicht erforderlich.

a) Die Rechtsgrundlage für die Nacherhebung von [X.] ist § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 [X.] in sinngemäßer Anwendung. Danach sind Einfuhrabgaben nachzuerheben, wenn der zu entrichtende Einfuhrabgabenbetrag nicht oder mit einem geringeren Betrag als dem zu entrichtenden Betrag festgesetzt und buchmäßig erfasst wurde.

aa) Eine unmittelbare Anwendung dieser zollrechtlichen Vorschriften auf die [X.] ist nicht möglich, weil diese nicht zu den Einfuhrabgaben im Sinne von Art. 5 Nr. 20 [X.] gehört (vgl. [X.]-Urteil [X.] (indirekter [X.]) vom 12.05.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.]:2022:374, Rz 48).

bb) Die Absätze 4 und 3 des Art. 105 [X.] sind jedoch sinngemäß auf die [X.] anzuwenden.

Gemäß § 21 Abs. 2 UStG gelten die Vorschriften für Zölle --bis auf hier nicht in Frage kommende Ausnahmen-- für die [X.] sinngemäß. Dies bedeutet nicht ohne weiteres die Anwendbarkeit der Zollvorschriften, sondern erfordert eine eigene Prüfung, ob und inwieweit eine Zollvorschrift im Einklang mit Sinn und Zweck der [X.] steht (Senatsurteil vom 26.04.1988 - VII R 124/85, [X.], 463; vgl. auch [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 27; [X.] in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 21 Rz 83; [X.], [X.] Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 11 [Stand: 15.01.2021]; [X.]-Eiselt in Reiß/[X.]/[X.], UStG § 21 Rz 12). Somit ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine sinngemäße Anwendung der genannten Vorschriften aus dem Zollschuldrecht zulässig ist.

Durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften soll insbesondere sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden; dieser Zweck wird nur erreicht, wenn es regelmäßig zur Anwendung der Zollvorschriften auf die [X.] kommt (Senatsbeschluss vom 27.10.2022 - VII R 1/20, Rz 38; Senatsurteil vom 06.05.2008 - VII R 30/07, [X.], 325, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2008, 301, mit Verweis auf Senatsurteil vom 03.05.1990 - VII R 71/88, [X.], 260; vgl. auch Senatsurteile vom 25.10.2006 - VII R 64/05, [X.] 2007, 527 und vom 23.05.2006 - VII R 49/05, [X.], 446, [X.], 345; vgl. auch [X.], [X.] Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 10 [Stand: 15.01.2021]; [X.] UStG/Hamster, 38. [X.]. [17.09.2023], UStG § 21 Rz 38; [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 15).

Die Vorschriften zur Zollschuld (Art. 77, 79 [X.]) sowie die Vorschriften über die Nacherhebung (Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 [X.]) kommen grundsätzlich für eine sinngemäße Anwendung auf die [X.] in Betracht (vgl. [X.], [X.] Ab 01.01.2021, § 21 UStG Rz 16 [[X.]]; [X.]-Eiselt in Reiß/[X.]/[X.], UStG § 21 Rz 10; [X.] in [X.]/Söhn/[X.], § 21 UStG Rz 511; [X.] in [X.]/[X.], [X.] Steuerrecht, Stand [139. Lfg. 08.2023] § 21 UStG Rz 7; [X.] in [X.]/Metzenmacher, [X.], § 21 UStG Rz 179; [X.] UStG/Hamster, 38. [X.]. [17.09.2021] UStG § 21 Rz 57 und 71; [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 21 Rz 62; einschränkend [X.] in [X.], [X.], § 21 Rz 339 ff.; vgl. Senatsbeschluss vom 27.10.2022 - VII R 1/20, Rz 38; [X.], Urteil vom 20.10.2016 - 14 K 1770/13, [X.] Beilage 2017, Nr. 7, 35, Rz 38 ff.; [X.], Urteil vom 04.06.2021 - 4 K 135/17, Zeitschrift für das Recht der Transportwirtschaft 2021, 444, Rz 25 und 28; [X.], Gerichtsbescheid vom 16.04.2021 - 4 K 473/19 Z, [X.], Rz 17; [X.], Beschluss vom 26.06.2018 - 7 V 2256/17, Außenwirtschaftsrechtliche Praxis 2018, 380, Rz 35). Dafür spricht auch, dass bestimmte zollrechtliche Vorschriften in § 21 Abs. 2 UStG von der sinngemäßen Anwendung ausgenommen werden, was der Gesetzgeber hinsichtlich der Vorschriften zur Zollschuld und zur Nacherhebung nicht getan hat.

Im Streitfall geht es um eine Steuerentstehung im Zusammenhang mit einer mehrwertsteuerrechtlichen Einfuhr und einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Steuerbefreiung für eine igL, weshalb die Situation --aufgrund der Tatsache, dass die Voraussetzungen einer igL nicht erfüllt sind-- im Ergebnis mit der Überlassung einer Ware zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr im Sinne von Art. 77 Abs. 1 Buchst. a [X.] beziehungsweise § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Buchst. a [X.] vergleichbar ist. Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts, die gegen eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Entstehung der Zollschuld sprechen könnten, wie zum Beispiel der Vorsteuerabzug, stehen im Streitfall deren sinngemäßer Anwendung nicht entgegen.

b) Die [X.] enthält keine Vorschriften zur Nacherhebung, sondern überlässt die Einzelheiten der Entrichtung der Mehrwertsteuer im Falle der Einfuhr gemäß Art. 211 MwStSystRL den Mitgliedstaaten. Die korrekte und gleichmäßige Festsetzung der [X.] beziehungsweise [X.] liegt, auch zum Erreichen von [X.], im Interesse des Richtliniengebers (vgl. Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL; Erwägungsgründe 5 und 7 der MwStSystRL), sodass eine Nacherhebung bislang nicht festgesetzter [X.] dem Sinn und Zweck der [X.] entspricht.

c) Die Vorschriften der §§ 130, 131 [X.] und der Art. 27, 28 [X.] stehen der Nacherhebung nicht entgegen.

Die Steuerbefreiung gemäß § 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL setzt zwar voraus, dass der Importeur den zuständigen Behörden des [X.] gegenüber bestimmte Angaben macht. Dies geschieht in der Weise, dass der Schuldner der [X.] der Zollverwaltung durch die Wahl des [X.] in der Zollanmeldung mitteilen muss, dass er die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG wünscht (Wäger in Reiß/[X.]/[X.], UStG, § 5 Rz 54; [X.]/[X.] in [X.], [X.], § 5 Rz 355; [X.] UStG/Hamster, 38. [X.] [17.09.2023], UStG § 5 Rz 27.1 spricht von einem Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung). Diese Mitteilung beziehungsweise dieser Antrag führt allerdings nicht dazu, dass neben der eigentlichen Abgabenfestsetzung eine gesonderte Verbescheidung über die beantragte Steuerbefreiung zu erfolgen hat. Vielmehr wird die Steuerbefreiung durch die Festsetzung der [X.] auf 0 € im Einfuhrabgabenbescheid gewährt.

Davon ausgehend handelt es sich bei der Gewährung der Steuerbefreiung nicht um einen eigenständigen, neben dem Steuerbescheid stehenden Verwaltungsakt, der nach §§ 130, 131 [X.] oder nach Art. 27, 28 [X.] zurückgenommen oder widerrufen werden müsste, um eine nachträgliche Änderung der [X.] zu ermöglichen.

Abgesehen davon gelten die §§ 130, 131 [X.] und die Art. 27, 28 [X.] nicht im Bereich der Steuerfestsetzung und werden durch die spezielleren Vorschriften über Steuerbescheide beziehungsweise [X.] verdrängt (vgl. dazu Loose in Tipke/[X.], § 130 [X.] Rz 3; [X.] in [X.] [23.06.2020], § 130 [X.], Rz 4; von [X.] in [X.], [X.] § 130 Rz 12; [X.]/Rüsken, [X.], 17. Aufl., § 155 Rz 1a; [X.]/[X.], Zollkodex der [X.], 8. Aufl., Vor Art. 27 Rz 3; [X.] in Dorsch, Zollrecht, Art. 27 Rz 5; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art. 27 Rz 4 bezüglich der Verdrängung von § 130 [X.] durch Art. 27 [X.]).

2. Die [X.] ist gemäß § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 [X.] mit der Annahme der Zollanmeldung in [X.] entstanden.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den in der Vorschrift aufgeführten [X.] Gebieten der [X.] und stellt somit einen steuerbaren Umsatz dar.

Der Begriff der Einfuhr wird im [X.] selbst nicht definiert. Allerdings lässt sich der Begriff anhand von Art. 30 Abs. 1 MwStSystRL bestimmen, der die Einfuhr eines Gegenstands als die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags (jetzt Art. 29 A[X.]V) befindet, in die [X.] (Art. 5 Abs. 1 MwStSystRL) definiert. Nach Art. 60 MwStSystRL erfolgt die Einfuhr von Gegenständen in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die [X.] verbracht wird.

[X.] und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt (Art. 70 MwStSystRL). Der [X.] stellt im Zusammenhang mit Pflichtverletzungen bei der Einfuhr zusätzlich auf die Überführung des Gegenstands in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten ab (vgl. [X.]-Urteil [X.] Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.], Rz 41).

Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die [X.] einem Verfahren oder einer sonstigen Regelung im Sinne der Art. 156, 276 und 277 MwStSystRL, der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren, treten Steuertatbestand und Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesem Verfahren oder dieser sonstigen Regelung nicht mehr unterliegen. Unterliegen die eingeführten Gegenstände Zöllen, landwirtschaftlichen Abschöpfungen oder im Rahmen einer gemeinsamen Politik eingeführten Abgaben gleicher Wirkung, treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem Tatbestand und Anspruch für diese Abgaben entstehen (Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL).

b) Davon ausgehend liegt im Streitfall eine Einfuhr der Dokumententaschen in [X.] vor, weil sie hier als in das Gebiet der [X.] verbracht anzusehen sind.

Die Waren befanden sich rein physisch in [X.] und wurden hier am 12.12.2016 zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen. Damit unterlagen sie nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 71 MwStSystRL, weil sich die Waren weder in einem externen [X.]sversandverfahren T1 (Art. 226 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. a [X.]) noch in der vorübergehenden Verwahrung (Art. 144 [X.], vgl. auch Art. 156 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) befanden. Dementsprechend wurden die Waren wie Inlandswaren behandelt. Art. 71 Abs. 1 MwStSystRL verschiebt die Erfüllung des [X.] und die Entstehung des Steueranspruchs auf den Zeitpunkt, in dem etwaige zollrechtliche Vorverfahren beendet werden.

Der vorliegende Streitfall liegt insofern anders als der Sachverhalt, der dem [X.]-Urteil [X.] Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.] zugrunde lag, weil dort die Waren unter Verletzung der Gestellungspflicht in das Zollgebiet der [X.] verbracht, ohne Überführung in ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren und damit unter unerlaubter Entfernung vom Verwahrungsort in einen anderen Mitgliedstaat befördert sowie nach Beendigung des externen Versandverfahrens unerlaubt vom Verwahrungsort entfernt wurden (Rz 21 f. sowie 42). Somit war zu klären, ob aufgrund dieser Pflichtverletzungen ein Eingang in den Wirtschaftskreislauf in [X.] bejaht werden konnte, obwohl die Waren tatsächlich nach [X.] weiterbefördert wurden. Im vorliegenden Streitfall wurde jedoch das der Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr vorausgehende zollrechtliche Verfahren ordnungsgemäß beendet.

Darüber hinaus besteht insofern ein wesentlicher Unterschied des Streitfalls zu dem [X.]-Urteil [X.] Deutsche Niederlassung vom 10.07.2019 - [X.] 26/18, [X.]:[X.], als die [X.] nach dem Vortrag der Klägerin dort in [X.] entrichtet wurde (Rz 24), während im vorliegenden Streitfall eine Besteuerung im [X.] nicht erfolgt ist. Außerdem hatte die Klägerin in dem vom [X.] entschiedenen Fall nachgewiesen, dass die Waren in [X.] verbraucht wurden (Rz 51), während vorliegend offen ist, was mit den Waren nach ihrer Ankunft im [X.] weiter geschehen ist. Abgesehen von einem möglichen Verbleib und einer möglichen Verwendung im [X.] ist ebenso denkbar, dass die Dokumententaschen in einen weiteren Mitgliedstaat befördert oder aus der [X.] ausgeführt wurden.

c) Das von der Klägerin angesprochene Vorabentscheidungsverfahren des [X.] vom 06.12.2022 - 4 K 1/18 (Rechtssache [X.]-791/22) hat für den Streitfall keine Bedeutung, weil es auf eine entsprechende Anwendung von Art. 215 Abs. 4 des Zollkodex vorliegend nicht ankommt.

3. Die [X.] wurde im Streitfall fälschlicherweise zunächst auf 0 € festgesetzt, indem eine Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche [X.]lieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG gewährt wurde, deren Voraussetzungen tatsächlich nicht erfüllt waren.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die von einem Schuldner der [X.] im [X.] an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden.

aa) Eine igL (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet hat (Nr. 1), der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. a), eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat (Nr. 2 Buchst. b), oder bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber (Nr. 2 Buchst. c) und der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (Nr. 3). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen werden (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).

Die innergemeinschaftliche [X.]lieferung wird in der Zollanmeldung durch Angabe des [X.] beantragt. Infolge des [X.]odes 42 und der beantragten innergemeinschaftlichen [X.]lieferung werden die Waren unter Befreiung von der [X.] in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt ([X.]-Urteil [X.]. Transporte vom 14.02.2019 - [X.]-531/17, [X.]:[X.]:2019:114, Rz 14). In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass sich die Rechtsgrundlagen für die beantragte Steuerbefreiung, eine etwaige Steuerentstehung und Steuerschuldnerschaft ausschließlich aus den gesetzlichen Grundlagen ergeben, während es auf die informationstechnische Abbildung der Befreiung von der [X.] sowie auf Verfahrensanweisungen dazu nicht ankommt.

Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen [X.]lieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft ([X.]-Urteil [X.] vom 20.06.2018 - [X.]-108/17, [X.]:[X.]:2018:473, Rz 67). Demnach hat der Unternehmer (Steuerpflichtige) die Voraussetzungen der igL nachzuweisen (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 17.02.2011 - V R 30/10, [X.], 341, Rz 18 und vom 22.07.2015 - V R 23/14, [X.], 559, [X.], 914, Rz 40, m.w.N.; [X.] vom 02.07.2021 - XI R 40/19, Rz 21).

bb) Die Voraussetzungen für eine igL im Sinne von § 6a UStG sind im Streitfall nicht erfüllt.

(1) Zunächst ist schon unklar, ob der Abnehmer der Waren tatsächlich ein Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist. Nach den für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen des [X.] ist im Streitfall die Identität des Abnehmers der Ware im [X.] ungeklärt ([X.]-Urteil, S. 31/unten). Damit ist unklar und wurde von der Klägerin somit nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Abnehmer um einen Unternehmer handelt. Die [X.], die zunächst als Abnehmerin angegeben worden war, hat die Waren jedenfalls unstreitig nicht erhalten, weil die [X.] nach der Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr in [X.] umdisponiert hat.

(2) Darüber hinaus hatte die Klägerin keine Verfügungsmacht über die Waren.

Die igL gemäß § 6a UStG setzt eine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG voraus, die wiederum die Verschaffung der Verfügungsmacht verlangt. Nach den Feststellungen des [X.] hatte die Klägerin als Grenzspediteurin jedoch keine Verfügungsmacht über die Waren ([X.]-Urteil, S. 33, erster Absatz), weshalb sie die Lieferung nicht ausführen konnte.

(3) Zu Recht weist das [X.] auch darauf hin, dass die Lieferung der Waren in den [X.] nicht von einem Schuldner der [X.] ausgeführt worden ist, wie von § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG verlangt wird.

Schuldnerin der [X.] ist im Streitfall die Klägerin gemäß § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 77 Abs. 3 Satz 1 [X.] analog. Diese hat als indirekte Vertreterin (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 [X.]) der [X.] die Zollanmeldung abgegeben und ist somit Anmelderin (Art. 5 Nr. 15 [X.]) geworden. Mangels Verfügungsmacht hat die Klägerin --wie bereits festgestellt-- die igL jedoch nicht ausführen können [s. unter (2)].

Ein anderes Unternehmen kommt nicht als Schuldner der [X.] in Betracht. Die [X.] hatte der Klägerin keine Vollmacht erteilt, weshalb die Klägerin insofern als Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetreten und gemäß Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 [X.] als im eigenen Namen handelnd anzusehen ist.

Die Vollmacht der [X.] zur Fiskalvertretung hat die Klägerin nicht zur Abgabe der Zollanmeldung und zur Beantragung der Steuerbefreiung für die igL ermächtigt. Denn gemäß § 22b UStG beinhaltet die Fiskalvertretung lediglich verschiedene steuerliche Melde-, Erklärungs- und Aufzeichnungspflichten wie zum Beispiel die Abgabe einer Steuererklärung oder einer Zusammenfassenden Meldung (vgl. [X.] in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 22b Rz 7; [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 22b Rz 6; Püschner, [X.], § 22b UStG Rz 6 ff. [Stand: 29.01.2020]).

b) Die Vorschrift des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ist auf den Streitfall nicht anwendbar, weil die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nicht auf unrichtigen Angaben des Abnehmers (weder von der [X.] noch von einem unbekannten Abnehmer) beruht.

Im Übrigen gehört der Spediteur, der als vollmachtloser Vertreter mit der Zollanmeldung den Antrag auf Befreiung von der [X.] gestellt hat, nicht zum geschützten Personenkreis des § 6a Abs. 4 UStG. [X.] dient ihrem eindeutigen Wortlaut nach dem Schutz des liefernden Unternehmers, der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen weitgehend auf die Angaben des Abnehmers angewiesen ist. Mit der Regelung soll das Risiko einer Täuschung durch den Abnehmer zwischen dem gutgläubigen Unternehmer und dem Staat angemessen verteilt werden ([X.], Urteil vom 20.10.2016 - 14 K 1770/13, Rz 78 mit Verweis auf [X.]-Urteile Teleos u.a. vom 27.09.2007 - [X.]-409/04, [X.]:[X.]:2007:548, [X.] --UR-- 2007, 774 und [X.] vom 21.02.2008 - [X.]-271/06, [X.]:[X.]:2008:105, [X.], 508).

4. Dass die Beförderung der Dokumententaschen von [X.] in den [X.] unter den Umständen des Streitfalls als steuerfreie igL zu behandeln ist, ergibt sich auch nicht aus den unionsrechtlichen Vorgaben.

a) Die Regelungen zur innergemeinschaftlichen [X.]lieferung beruhen auf Art. 143 Abs. 1 Buchst. d i.V.m. Art. 138 MwStSystRL, wonach eine zwingende Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche [X.]lieferung zu gewähren ist, sofern die Lieferung der Gegenstände durch den gemäß Art. 201 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 MwStSystRL befreit ist. [X.] des Steuerschuldners bei der Einfuhr wird gemäß Art. 201 MwStSystRL den Mitgliedstaaten überlassen.

Der Sinn von Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL besteht darin, dass aufgrund der Steuerbefreiung der Einfuhr der andernfalls gegebene Vorsteuerabzug hinsichtlich der ansonsten anfallenden [X.] entfallen kann ([X.]-Urteil [X.]. Transporte vom 14.02.2019 - [X.]-531/17, [X.]:[X.]:2019:114, Rz 40).

Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL beinhaltet zwei Befreiungen, nämlich erstens eine Befreiung von der Mehrwertsteuer, die gemäß Art. 201 MwStSystRL normalerweise bei der Einfuhr geschuldet wird, und zweitens eine Befreiung aufgrund der im [X.] an diese Einfuhr erfolgenden igL oder Verbringung. Sind die in Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL normierten Voraussetzungen erfüllt, wird die Mehrwertsteuer auf aus einem Drittland in die [X.] versandte oder beförderte Gegenstände grundsätzlich zum [X.] nicht in dem Mitgliedstaat geschuldet, in den sie zuerst eingeführt wurden, sondern in dem Mitgliedstaat, in dem die Versendung oder Beförderung endet ([X.]-Urteil [X.]. Transporte vom 14.02.2019 - [X.]-531/17, [X.]:[X.]:2019:114, Rz 39 f.).

b) Art. 143 Abs. 2 MwStSystRL schreibt für die innergemeinschaftliche [X.]lieferung vor, dass der Importeur den zuständigen Behörden seine im [X.] erteilte [X.] oder diejenige seines Vertreters sowie die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte [X.] des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL geliefert werden, mitteilt. Außerdem hat er den Nachweis zu erbringen, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem [X.] in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.

Mit seinem Urteil [X.] vom 20.06.2018 - [X.]-108/17, [X.]:[X.]:2018:473, Rz 54 f. und 58 hat der [X.] klargestellt, dass es sich bei dem Erfordernis der Angabe der [X.] des Erwerbers nach Art. 143 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL nicht um eine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung handelt und diese nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil die Waren an einen anderen Erwerber als den, dessen Nummer zum Zeitpunkt der Einfuhr angegeben wurde, geliefert wurden, sofern dargetan wird, dass auf die Einfuhr tatsächlich eine igL folgt, die die in Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt, und dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungsgemäß über die Änderungen der Identität der Erwerber informiert hat.

Anders verhält es sich jedoch unter anderem dann, wenn der Verstoß gegen eine formelle Anforderung den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden ([X.]-Urteil [X.] vom 20.06.2018 - [X.]-108/17, [X.]:[X.]:2018:473, Rz 59, 61). Dem hat sich auch der [X.] angeschlossen und den Nachweis der materiellen Anforderungen der begehrten Steuerbefreiung für wesentlich erachtet (vgl. [X.]-Urteil vom 12.03.2020 - V R 20/19, [X.]E 268, 452, [X.], 608, Rz 17).

Dass die Mitteilung der zutreffenden USt-IdNr. seit dem 01.01.2020 eine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung ist (Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL n.F.; vgl. Richtlinie ([X.]) 2018/1910 des Rates vom 04.12.2018 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/[X.] in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems zur Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, Amtsblatt der Europäischen [X.] 2018, Nr. L 311, 3; vgl. dazu [X.] in [X.]/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 22), ist für den vorliegenden Streitfall nicht von Bedeutung, weil die streitgegenständliche Lieferung bereits im Dezember 2016 durchgeführt wurde.

c) Die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche [X.]lieferung kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn den zuständigen Behörden die Identität des neuen Erwerbers bekannt ist. Dies ergibt sich aus dem [X.]-Urteil [X.] vom 20.06.2018 - [X.]-108/17, [X.]:[X.]:2018:473, Rz 58 und 61, in dem der [X.] ein Fortbestehen der Steuerbefreiung davon abhängig gemacht hat, dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungsgemäß über Änderungen der Identität der Erwerber informiert und er den zuständigen Behörden des [X.] sämtliche Informationen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat. Der Identität des Erwerbers misst der [X.] also, wie das [X.] richtig erkannt hat, entscheidende Bedeutung bei. Dies ist insofern nachvollziehbar, als die Erhebung der [X.] bei der innergemeinschaftlichen [X.]lieferung auf den [X.] verlagert wird und somit feststehen muss, wer als Schuldner der [X.] in Betracht kommt (so auch [X.]-Urteil vom 17.02.2011 - V R 30/10, [X.], 341, [X.], 769, Rz 15). Dies ist gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG der Erwerber. Ein Verzicht auf die Identität des Empfängers würde die Gefahr eines unversteuerten Letztverbrauchs der eingeführten Gegenstände mit sich bringen und daher den Zielen einer gleichmäßigen Besteuerung (s. Erwägungsgrund 7 der MwStSystRL) und der [X.] zuwiderlaufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, Steuerpflichtige selbst zu ermitteln oder im Wege der gegenseitigen Amtshilfe in einem anderen Mitgliedstaat ermitteln zu lassen.

Auf die Identität des Erwerbers bei einer igL kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil der [X.] im Zusammenhang mit einer Ausfuhr von Waren nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a und b MwStSystRL entschieden hat, dass diese Steuerbefreiung nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass der Empfänger identifiziert wird ([X.]-Urteil Unitel vom 17.10.2019 - [X.]-653/18, [X.]:[X.]:2019:876, Rz 24 f., 32). Denn im Fall einer tatsächlich durchgeführten Ausfuhr findet im Gebiet der [X.] keine Steuererhebung statt, während bei einer innergemeinschaftlichen [X.]lieferung die Besteuerung lediglich in den [X.] verlagert wird, sodass nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine [X.] sicherzustellen ist. Demgegenüber besteht bei der Ausfuhr keine aus dem [X.] ableitbare Korrespondenz zwischen der Steuerfreiheit und der Ausfuhrlieferung mit der Folge der Besteuerung im [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung nicht allgemein, sondern nur erwerbsbezogen und damit "ad personam" zu gewähren, wenn der Erwerb des gelieferten Gegenstands beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt ([X.]-Urteil vom 12.03.2020 - V R 20/19, [X.]E 268, 452, [X.], 608, Rz 23). Im Übrigen hat der [X.] im vorgehend zitierten Urteil klargestellt, dass die Steuerbefreiung für die Ausfuhr dann abgelehnt werden kann, wenn aufgrund fehlender Identifizierung des tatsächlichen Empfängers nicht nachgewiesen werden kann, dass eine Ausfuhrlieferung vorliegt ([X.]-Urteil Unitel vom 17.10.2019 - [X.]-653/18, [X.]:[X.]:2019:876, Rz 31).

d) Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen sind die unionsrechtlichen Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen [X.]lieferung im Streitfall nicht erfüllt.

Nach den Feststellungen des [X.] sind die Waren zwar in den [X.] gelangt, aber der Empfänger der Waren im [X.] ist unbekannt ([X.]-Urteil S. 35/dritter Absatz). Deshalb ist offen, ob es sich bei diesem um einen Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL handelt [s. dazu bereits [X.] bb (1)] und ob die Ware endgültig im [X.] verblieben ist. Die unterbliebene Angabe der [X.] führt daher im Streitfall dazu, dass nicht nachvollzogen werden kann, ob die Voraussetzungen einer steuerbefreiten igL vorliegen. Die Klägerin ist ihrer Nachweispflicht insoweit nicht nachgekommen.

Es liegt auch nicht der Fall vor, dass dem Empfänger zwar die Möglichkeit verschafft wurde, wie ein Eigentümer über die Ware zu verfügen, aber die Lieferung nicht genau an die Adresse des Erwerbers befördert wurde (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 20.06.2018 - [X.]-108/17, [X.]:[X.]:2018:473, Rz 70). Vielmehr ist der Empfänger im Streitfall gänzlich unbekannt, weshalb die Rechtsauffassung der Klägerin im Ergebnis dazu führte, dass die [X.] in keinem Mitgliedstaat festgesetzt und erhoben würde und damit die Gefahr eines unversteuerten Letztverbrauchs bestünde.

Die Festsetzung der [X.] zu Lasten der Klägerin beruht auch nicht allein auf einem Betrug des Erwerbers, was der Rechtsprechung des [X.] in seinem Urteil [X.] vom 25.10.2018 - [X.]-528/17, [X.]:[X.]:2018:868 widersprechen würde. Vielmehr hatte die Klägerin in der Zollanmeldung einen falschen Vertretenen angegeben, während sie eine Vollmacht der [X.] nicht vorgelegt hat. Zudem war der Erwerber der Waren im [X.] unbekannt, was ebenfalls der Steuerfreiheit der igL entgegensteht. Die Klägerin kann daher nicht mit einem gutgläubigen Lieferer, der alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können ([X.]-Urteil [X.] vom 25.10.2018 - [X.]-528/17, [X.]:[X.]:2018:868, Rz 37, m.w.N.), gleichgestellt werden.

5. Die Klägerin ist gemäß § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG, Art. 77 Abs. 3 [X.] Schuldnerin der [X.] geworden, weil sie als indirekte Vertreterin der [X.] und damit als Zollanmelderin aufgetreten ist. Zugleich hat sie in dieser Weise die steuerbefreite innergemeinschaftliche [X.]lieferung beantragt.

Mit dem Verweis in § 21 Abs. 2 UStG auf das Zollrecht hat der [X.] Gesetzgeber von der Befugnis des Art. 201 MwStSystRL Gebrauch gemacht, wonach bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet wird, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimmt oder anerkennt (vgl. auch [X.], Urteil vom 20.10.2016 - 14 K 1770/13, [X.] Beilage 2017, Nr. 7, 35, Rz 64). § 21 Abs. 2 UStG ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt, weil durch die Inbezugnahme der Zollvorschriften und damit auch der zollschuldrechtlichen Vorschriften der Kreis der möglichen Steuerschuldner eindeutig festgelegt ist.

Es spricht auch nicht gegen die Steuerschuldnerschaft der Klägerin, dass sie als vollmachtlose Vertreterin gehandelt hat, weil die Klägerin nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 [X.] so gestellt wird, als hätte sie in eigenem Namen gehandelt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der [X.] in seinem Urteil [X.] (indirekter [X.]) vom 12.05.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.]:2022:374, Rz 57 entschieden hat, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, zur Durchführung von Art. 201 MwStSystRL vorzusehen, dass auch die Zollschuldner die [X.] schulden und dass insbesondere der indirekte [X.] mit der Person, die ihm eine Vertretungsvollmacht erteilt hat und die er vertritt, gesamtschuldnerisch für die Zahlung dieser Steuer haftet.

6. Da die Höhe der Steuer zwischen den Beteiligten bislang nicht im Streit stand und sich auch aus den vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Steuerbetrag falsch berechnet worden ist, sieht der Senat diesbezüglich von weiteren Ausführungen ab.

Das [X.] hat der Besteuerung nicht --wie die Klägerin [X.] die Erbringung der Verzollungsdienstleistung zugrunde gelegt, sondern die Lieferung der Dokumententaschen. Denn es hat als Bemessungsgrundlage für die Steuer deren Warenwert herangezogen.

7. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] besteht nicht, weil der erkennende Senat die hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen [X.]lieferung durch die oben genannten [X.]-Entscheidungen als geklärt ansieht (vgl. [X.]-Urteile [X.]ILFIT u.a. vom 06.10.1982 - [X.]-283/81, [X.]:[X.]:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rz 16 und [X.]onsorzio Italian Management e [X.]atania Multiservizi vom 06.10.2021 - [X.]-561/19, [X.]:[X.]:2021:799, Amtsblatt der Europäischen [X.] 2021, Nr. [X.] 481, 11, [X.] 2022, 12).

Insbesondere hat der [X.] mit seinem Urteil [X.] (indirekter [X.]) vom 12.05.2022 - [X.]/20, [X.]:[X.]:2022:374 entschieden, dass der indirekte [X.] als Schuldner der [X.] in Anspruch genommen werden kann. Im Übrigen wird auf die oben angeführte [X.]-Rechtsprechung zur innergemeinschaftlichen [X.]lieferung und zur Identität des Erwerbers verwiesen.

Im Übrigen ist die Klägerin als Vertreterin ohne Vertretungsmacht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 [X.] aufgetreten und gilt damit als in eigenem Namen und in eigener Verantwortung handelnd. Der Wortlaut und der Bedeutungsgehalt dieser Vorschrift sind eindeutig und geben keinen Anlass für eine Prüfung durch den [X.].

Die hier einschlägigen Bestimmungen des nationalen Umsatzsteuerrechts sind einer Vorlage an den [X.] nicht zugänglich.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 10/21

21.11.2023

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Hamburg, 25. Januar 2021, Az: 4 K 47/18, Gerichtsbescheid

Art 105 Abs 4 EUV 952/2013, § 5 Abs 1 Nr 3 UStG 2005, § 4 Nr 1 Buchst b UStG 2005, § 6a UStG 2005, Art 143 Abs 1 Buchst d EGRL 112/2006, Art 138 EGRL 112/2006, Art 201 EGRL 112/2006, Art 27 EUV 952/2013, Art 28 EUV 952/2013, Art 77 Abs 1 Buchst a EUV 952/2013, Art 77 Abs 2 EUV 952/2013, Art 77 Abs 3 EUV 952/2013, Art 105 Abs 3 EUV 952/2013, Art 19 Abs 1 UAbs 2 EUV 952/2013, Art 5 Nr 15 EUV 952/2013, § 1 Abs 1 Nr 4 UStG 2005, § 13a Abs 2 UStG 2005, § 21 Abs 2 UStG 2005, § 22b UStG 2005, § 130 AO, § 131 AO, UStG VZ 2016, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 21.11.2023, Az. VII R 10/21 (REWIS RS 2023, 10253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10253

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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