Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2002, Az. 1 StR 314/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1037

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[X.]/02vom24. Oktober 2002in der Strafsachegegenwegensexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 24. Oktober 2002 gemäߧ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2002 mit den Feststellungen aufge-hoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Miß-brauchs von Kindern in drei [X.] sowie wegen sexuellen Mißbrauchs vonSchutzbefohlenen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen Urteilzur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Re-vision des Angeklagten rügt mit Erfolg die Verletzung sachlichen Rechts. [X.] erhobenen Verfahrensbeschwerden kommt es deshalb nicht an.[X.] Nach den Feststellungen des [X.] mißbrauchte der Ange-klagte seit dem [X.] die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin undspäteren Ehefrau, die am 20. August 1982 geborene [X.]. Die erste [X.] sich 1991, als der Angeklagte die damals etwa neun Jahre alte [X.]auf einer Lkw-Tour mitnahm. [X.]mußte seinen Penis streicheln und ihn- 3 -schließlich oral befriedigen. Zwischen September 1991 und Februar 1994 [X.] im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung wiederum zum [X.] im Zeitraum zwischen März 1995 und Januar 1996 im Wohnzimmer eineranderen, von der Familie bewohnten Wohnung schließlich zum ungeschütztenGeschlechtsverkehr bis zum Samenerguß in die Scheide des Mädchens. Nacheinem Suizidversuchs [X.]s erstattete diese schließlich auf Anraten des Ju-gendamts Anzeige gegen ihren Stiefvater bei der Polizei. Darauf wurde [X.] in Untersuchungshaft genommen. [X.] wurde vom Jugendamt inder Wohngruppe eines Kinderheims untergebracht. Nachdem ihre Mutter ihreröffnet hatte, daß ihre Halbgeschwister sehr unter der Trennung von [X.] litten und "[X.] nach ihrem Vater schreien" würden, erschien[X.]bei der Kriminalpolizei und nahm ihre Anzeige "zurück"; sie stellte [X.] wegen angeblich strenger Erziehung durch ihren Stiefvater dar.Der Angeklagte wurde auf freien Fuß gesetzt.Nachdem [X.] noch im [X.] zu ihrer Familie zurückgekehrt war,kam es alsbald an einem nicht mehr feststellbaren [X.] in [X.] zu einem weiteren sexuellen Übergriff durch den Angeklagten. [X.] Couch im Wohnzimmer, "auf der sich beide nackt befanden", führte [X.] mit dem Mädchen erneut den ungeschützten Geschlechtsverkehrbis zum Samenerguß durch. [X.]war zu diesem Zeitpunkt noch nicht 16 Jahrealt. Der Angeklagte war derjenige, der in der Familie auch über [X.] und [X.] der Kinder bestimmte.I[X.] Die Verurteilung des Angeklagten kann von Rechts wegen keinen [X.] haben. Die Beweiswürdigung des [X.] ist lückenhaft.Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. [X.] Prüfung ist auf das Vorliegen von [X.] be-- 4 -schränkt (vgl. § 337 StPO). Ein sachlich-rechtlicher Fehler kann indessen [X.], wenn die tatsächliche Würdigung widersprüchlich, unklar oder lücken-haft ist. Bei bestimmten Fallgestaltungen sind an die Beweiswürdigung beson-dere Anforderungen zu stellen. Steht im [X.] "Aussage gegen Aussage", sohat der [X.] etwa in [X.], in denen die Aussage des [X.] in einem wesentlichen Detail als bewußt falsch anzusehenwar, verlangt, daß Indizien für deren Richtigkeit im übrigen vorliegen müssen,die außerhalb der Aussage selbst liegen (vgl. BGHSt 44, 256, 257). [X.] es, wenn - wie hier - die Hauptbelastungszeugin sich früher selbst [X.] und der falschen Verdächtigung zum Nachteil des [X.] dem Beweggrund der Rache bezichtigt hatte, der Tatrichter die vormaligevermeintliche Falschaussage aber doch glauben will. Hängt die [X.] im wesentlichen davon ab, welchen Angaben er folgt, sind zu-dem gerade bei Sexualdelikten die Entstehung und die Entwicklung der [X.] Aussage aufzuklären. Das gilt vor allem dann, wenn ein Zusammen-hang mit familiären Auseinandersetzungen nicht von vornherein auszuschlie-ßen ist ([X.], 45; [X.], 496).Den danach auch hier zu stellenden strengen Anforderungen an die Be-weiswürdigung ist das [X.] nicht in jeder Hinsicht gerecht geworden. [X.] die Entstehung und die Entwicklung der Aussage der Zeugin [X.]K. inwesentlichen Teilen nicht mit. Die Zeugin war im März des Jahres 2000 - wieerst die Schilderung einer Aussage in der Beweiswürdigung beiläufig und eherkursorisch ergibt - bei der Zeugin [X.]erschienen und hatte erklärt, sie wolle"wegen der sexuellen Übergriffe ihres Stiefvaters nicht mehr nach Hause, siehabe nun genug" ([X.]). Was sich nach der Entlassung des [X.] der Untersuchungshaft im Jahr 1996 im Anschluß an die "Rücknahme" derso deklarierten Falschaussage der Zeugin [X.]K. und der Rückkehr der- 5 -Zeugin in die Familie zugetragen hat und schließlich im einzelnen die [X.] der Zeugin ausgelöst hat, teilt das Urteil nicht näher mit. Dies hätteaber der Darlegung und Bewertung bedurft. Den Urteilsfeststellungen ist auchnicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls welche weiteren sexuellen Über-griffe zeitnahe vor der erneuten Anzeige stattgefunden haben und aus wel-chem Grunde diese nicht zu einer Verurteilung geführt haben. Dieser Mangeldes Urteils hat gerade vor dem Hintergrund Gewicht, daß die Zeugin ihre erste,1996 erstattete Anzeige zwischenzeitlich als falsch und als Racheakt gegen-über dem Angeklagten bezeichnet hatte. Diesen Umstand würdigt die [X.] zwar, führt ihn auf den Einfluß der Mutter der Zeugin mit zurück underachtet die dazu von der Zeugin in der Hauptverhandlung getätigte [X.] glaubhaft. Das genügte unter den hier im übrigen gegebenen Umständenaber nicht. Danach bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.Der neue Tatrichter wird zu erwägen haben, ob im Blick auf Besonder-heiten im Verhalten der Zeugin eine aussagepsychologische Begutachtungwenigstens hilfreich erscheint. Er wird überdies zu bedenken haben, daß es jenach Lage des Falles geboten sein kann, eine teilweise Einstellung des [X.] nach § 154 StPO - etwa gar in Verbindung mit einem Hinweis auf eineverringerte Unrechtsqualität - und deren Gründe in der Beweiswürdigung [X.] anzusprechen, wenn dieses prozessuale Vorgehen mit der Würdigungder Aussage eines Belastungszeugen zusammenhängt (vgl. [X.], 582; 2001, 552). Der Senat weist zudem darauf hin, daß es keinen rechtli-chen Bedenken begegnet, wenn die [X.] in dem angefochtenen Urteilauf der Grundlage einer sog. Gesamtbetrachtung (Grundsatz "strikter Alternati-vität") das Tatzeitrecht angewandt und in den ersten beiden [X.] ([X.]) einen unbenannten besonders schweren Fall gemäß § 176 Abs. 3 [X.] 6 -aF angenommen hat (§ 2 Abs. 3 StGB; vgl. Senat, Beschluß vom 21. [X.] -- 7 -1 StR 160/98; [X.]/[X.] 50. Aufl. § 2 Rdn. 9). Allerdings darf [X.] dann in der Urteilsformel nicht nach dem neuen [X.] § 176a StGB als "schwerer" sexueller Mißbrauch bezeichnet werden.[X.] Wahl Boetticher Schluckebier [X.]

Meta

1 StR 314/02

24.10.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.10.2002, Az. 1 StR 314/02 (REWIS RS 2002, 1037)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1037

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