Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2016, Az. III B 148/15

3. Senat | REWIS RS 2016, 7611

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ordnungsgemäßer Beweisantrag


Leitsatz

NV: Bei der Prüfung der Frage, ob ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ausreichend konkretisiert ist, sind auch die zuvor eingereichten Schriftsätze heranzuziehen. Ist darin das Beweisthema ausreichend konkretisiert, kommt es nicht darauf an, ob auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag ordnungsgemäß ist.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 4. November 2015  2 K 2020/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die [X.]lägerin und Beschwerdeführerin ([X.]lägerin) bezog für ihren [X.] zunächst [X.]indergeld. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob die Festsetzung durch Bescheid vom 25. Oktober 2010 auf und forderte das für den Zeitraum Dezember 2009 bis September 2010 gezahlte [X.]indergeld zurück. Sie war der Ansicht, [X.] habe keine Ausbildung mehr angestrebt. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Durch Urteil vom 21. Mai 2014  2 [X.] 1110/13 wies das Finanzgericht ([X.]) die [X.]lage ab, nachdem es zuvor einen Beschluss, aufgrund dessen [X.] als Zeuge vernommen werden sollte, aufgehoben hatte.

2

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]lägerin hin hob der [X.] ([X.]) das Urteil des [X.] auf, weil das Gericht den [X.]lageantrag zu Unrecht als unzulässige [X.]lage auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ausgelegt hatte (Beschluss vom 17. September 2014 VI B 75/14, [X.]/NV 2015, 51).

3

Im zweiten Rechtsgang trennte das [X.] das Verfahren hinsichtlich des Zeitraums Februar bis April 2010 ab; insoweit erklärten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt. Das [X.] wies sodann die zeitlich eingeschränkte [X.]lage durch Urteil vom 4. November 2015  2 [X.] 2020/14 ab. Es war nicht der Überzeugung, dass sich [X.] ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht habe. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag sei wegen mangelnder Bestimmtheit des [X.] abzulehnen gewesen. So seien der Zeitraum, das konkrete Bewerbungsdatum, ein angesprochener Betrieb oder ein Ansprechpartner nicht benannt worden.

4

Gegen das Urteil richtet sich die [X.]lägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit welcher sie einen Verfahrensmangel geltend macht. Sie trägt vor, das [X.] habe zu Unrecht ihre Anträge auf Einvernahme des [X.] und ihres Ehemannes als Zeugen abgelehnt.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Es liegt ein von der [X.]lägerin in der erforderlichen Form gerügter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O). Das [X.] hat seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 [X.]O).

6

1. Der Vortrag der [X.]lägerin zu dem von ihr gerügten Verfahrensmangel genügt den [X.] nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O.

7

Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend gemacht, das [X.] habe zu Unrecht Beweisanträge übergangen, so sind Angaben zu den ermittlungsbedürftigen Tatsachen, den angebotenen Beweismitteln und zum mutmaßlichen Ergebnis der Beweisaufnahme erforderlich. Da es sich bei der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes um einen verzichtbaren Mangel handelt, muss grundsätzlich vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt worden oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. z.B. [X.] vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, [X.] 2007, 1089; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 69). Hat jedoch das [X.] --wie im [X.] selbst im Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise abgesehen hat, genügt bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O (vgl. z.B. [X.] vom 14. August 2000 VII B 87/00, [X.] 2001, 147, m.w.N., und vom 30. Dezember 2002 XI B 58/02, [X.] 2003, 787). Darüber hinaus hat die [X.]lägerin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. November 2015 beantragt, ihren [X.] und ihren Ehemann als Zeugen zu vernehmen. Schon deshalb erübrigt sich ein Vortrag der [X.]lägerin, sie habe sich nicht [X.] auf die mündliche Verhandlung eingelassen.

8

2. Der von der [X.]lägerin gerügte Verfahrensmangel liegt vor.

9

a) Übergeht das [X.] zu Unrecht einen von einem Beteiligten i.S. des § 57 [X.]O gestellten Beweisantrag, kann dies einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O begründen. Stellt ein Verfahrensbeteiligter einen ordnungsgemäßen Beweisantrag, dann ist das [X.] grundsätzlich verpflichtet, ihm zu entsprechen. Ein Beweisantrag darf u.a. nur dann abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung unerheblich ist, das Gericht die Wahrheit der unter Beweis gestellten Tatsache zugunsten des [X.] unterstellt oder wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist (Senatsbeschluss vom 18. November 2013 III B 45/12, [X.] 2014, 342; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 [X.]O Rz 45 ff., m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

b) Im Streitfall war das [X.] fälschlich der Ansicht, der Beweisantrag der [X.]lägerin sei nicht ausreichend bestimmt und deshalb nicht ordnungsgemäß gestellt worden.

aa) Ein [X.] muss einem Beweisantrag nachkommen, wenn dieser substantiiert ist ([X.] vom 13. August 2002 VII B 267/01, [X.] 2003, 63; vom 17. März 2003 VII B 269/02, [X.] 2003, 825; vom 2. März 2006 XI B 79/05, [X.] 2006, 1132; Gräber/[X.], a.a.[X.], § 76 Rz 29, m.w.N.). Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn nicht angegeben wird, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll (z.B. [X.] vom 12. März 2014 XI B 97/13, [X.] 2014, 1062).

bb) Die [X.]lägerin hat lt. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 4. November 2015 beantragt, Beweis zu erheben über die Behauptung, dass sich [X.] ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht habe, und zwar durch Einvernahme ihres [X.]es und ihres Ehemannes als Zeugen. Ob dieser Beweisantrag bei isolierter Betrachtung ausreichend konkretisiert ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da auch die prozessuale Vorgeschichte einzubeziehen ist (vgl. [X.] vom 27. April 2010 X B 163/08, [X.] 2010, 1639). Die [X.]lägerin hat bereits im ersten Rechtsgang in den Schriftsätzen vom 15. Oktober 2013 und vom 10. Februar 2014 ausreichend konkretisierte Beweisanträge gestellt. Darin hat sie [X.] und ihren Ehemann als Zeugen für die Tatsache benannt, dass [X.] sich im Zeitraum Dezember 2009 bis September 2010 bei mehreren Stellen um einen Ausbildungsplatz bemüht habe und dass auch ihr Ehemann bei einzelnen namentlich aufgeführten Firmen vorgesprochen habe. Damit war das Beweisthema in ausreichendem Maße substantiiert. Auch das [X.] war zunächst von einem ordnungsgemäßen Beweisantrag ausgegangen, da es am 18. März 2014 beschlossen hatte, [X.] zur Frage eines ernsthaften Bemühens um einen Ausbildungsplatz als Zeugen zu vernehmen.

3. Das Urteil des [X.] kann auf dem Übergehen der Beweisanträge beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das [X.] nach Durchführung der Beweiserhebungen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Der beschließende Senat hält es für angezeigt, gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O zu verfahren.

4. Die Übertragung der [X.]ostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 148/15

26.07.2016

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 4. November 2015, Az: 2 K 2020/14, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.07.2016, Az. III B 148/15 (REWIS RS 2016, 7611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7611

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI B 87/13 (Bundesfinanzhof)

Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags gegenüber einer Sozietät - Substantiierung des Beweisantritts - Absehen von Zeugeneinvernahme


III B 39/16 (Bundesfinanzhof)

Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags


III B 134/15 (Bundesfinanzhof)

Erfolgreiche Verfahrensrüge/Übergehen eines Beweisantrags


IV B 46/17 (Bundesfinanzhof)

Verpflichtung des FG zur Erhebung eines Zeugenbeweises


V B 44/15 (Bundesfinanzhof)

Verfahrensfehler - Hinweispflicht - Sachaufklärungspflicht - Unsubstantiierter Beweisantrag


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.