Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2003, Az. 2 StR 209/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2003, 2270

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[X.]/03vom16. Juli 2003in der Strafsachegegenwegensexueller [X.] des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16. Juli 2003 gemäß § 349 Abs. 4StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Januar 2003 mit den Feststellungen aufge-hoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in [X.] zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revi-sion rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.Nach den Feststellungen des [X.] hat der Angeklagte den [X.] mit Schlägen oder deren Androhung dreimal veranlaßt, den [X.] Angeklagten an sich zu dulden. Der Angeklagte hat sich dahin eingelas-sen, die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich erfolgt. Diese [X.] das [X.] für widerlegt erachtet.Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das [X.] nicht hinrei-chend festgestellt hat, daß sich der Angeklagte bei den sexuellen [X.] 3 -bewußt und gewollt über den entgegenstehenden Willen des [X.]. Zudem ist nach den Erwägungen, mit denen das [X.] eine erhebli-che Verminderung der Schuldfähigkeit begründet hat, nicht auszuschließen,daß dem Angeklagten bei den Taten das Unrechtsbewußtsein fehlte.1. Der Tatbestand der sexuellen Nötigung erfordert in subjektiver Hin-sicht u.a., daß sich der Täter vorsätzlich über den entgegenstehenden [X.] hinwegsetzt (vgl. u.a. [X.], 244, 245; [X.], 26;[X.]/[X.], StGB 51. Aufl. § 177 Rdn. 22 m.w.[X.]). Diesen Vorsatz hat das[X.] nicht widerspruchsfrei festgestellt. Vielmehr ist nach den [X.] nicht auszuschließen, daß sich der Angeklagte bei den Taten in einemden Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB) befand,weil er den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen des [X.]nicht erkannte. Das [X.] meint, nicht ausschließen zu können, daß [X.] und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit (erheblich)vermindert gewesen seien. Zur Begründung schließt sich das [X.] derdahingehenden Einschätzung der Sachverständigen an. Diese habe ausge-führt, das Hemmungsvermögen des Angeklagten sei zur Tatzeit durch die er-rechnete Blutalkoholkonzentration von 2 %o vermindert gewesen. Dies habedazu geführt, daß auch die Fähigkeit des Angeklagten in die Einsicht einge-schränkt gewesen sei, daß das Tatopfer den sexuellen Kontakt nicht gewollthabe. Der Angeklagte habe daher möglicherweise nicht in jedem Fall uneinge-schränkt erkennen können, daß der Zeuge [X.] mit den sexuellen Handlungennicht einverstanden war ([X.]). Gleichwohl stellt das [X.] fest, [X.] habe verstanden, daß [X.] keinen sexuellen Kontakt zu ihm wollte([X.], und meint, er habe im Bewußtsein der Strafbarkeit seiner Taten vor-sätzlich und schuldhaft gehandelt ([X.]). Das ist widersprüchlich und des-halb rechtsfehlerhaft; denn eine Bestrafung wegen sexueller Nötigung ist nur- 4 -dann möglich, wenn sich der Angeklagte bewußt und gewollt über den [X.] Willen des [X.] hinweggesetzt oder dies zumindest billi-gend in Kauf genommen hat. Das liegt hier zwar nicht fern, ist jedoch bishernicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil es das [X.] für möglich hält, daßder Angeklagte aufgrund seiner Alkoholisierung den entgegenstehenden Wil-len des [X.] nicht erkannt hat.2. Die Feststellung der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten [X.] rechtlichen Prüfung nicht stand.Das [X.] hat aufgrund der Trinkmengenangaben des [X.] und im Anschluß an das Gutachten der Sachverständigen eine errechneteTatzeit-Blutalkoholkonzentration von 2 %o angenommen. Die [X.], die eine Überprüfung dieses Berechnungsergebnis-ses durch das Revisionsgericht ermöglichen würden, werden jedoch nicht [X.] (vgl. hierzu [X.]/[X.] aaO § 20 Rdn. 16; BGHR StGB § 21 Blutal-koholkonzentration 2; jew. m.w.[X.]). Es genügt nicht, die abstrakten Rechen-faktoren (stündlicher Abbauwert, Resorptionsdefizit und Reduktionsfaktor) zubenennen, nicht aber die auf den Angeklagten und seine Taten bezogenenFaktoren wie Körpergewicht, Trinkzeit, Abbauzeit und die angenommenen [X.] mitzuteilen. Allein die Angaben zum stündlichen Konsum von 2 bis 2 1/2l Bier ermöglichen es nicht, die Berechnung nachzuvollziehen. Der [X.] kanndaher nicht überprüfen, ob die Blutalkoholkonzentration rechtsfehlerfrei ermit-telt wurde.3. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit istauch im übrigen rechtsfehlerhaft. Dies kann sich zum Nachteil des Angeklagtenausgewirkt haben. Das [X.] hat eine erhebliche Verminderung sowohlder Einsichts- als auch der Steuerungsfähigkeit angenommen und den [X.] 5 -rahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Beide Alternativen des § 21StGB können aber nicht gleichzeitig gegeben sein (vgl. BGHSt 40, 341, 349; st.Rspr.; [X.]/[X.] a.a.O. § 21 Rdn. 5 m.w.[X.]). Soweit die [X.] ei-ne erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit annehmen wollte, hätte sieeindeutig klären müssen, ob der Angeklagte trotz an sich erheblich verminder-ter Einsichtsfähigkeit das Unerlaubte seines Tuns (sexuelle Handlung gegenden Willen der anderen Person) noch erkannt hat oder nicht. Denn die [X.] wird nicht gemindert, wenn er ungeachtet seiner geistigen Verfas-sung das Unrecht tatsächlich eingesehen hat. Fehlt dem Täter die Einsicht auseinem in § 20 StGB benannten Grund, ohne daß ihm dies zum Vorwurf ge-macht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähig-keit - nicht § 21, sondern § 20 anzuwenden. Die Vorschrift des § 21 StGB kannin den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet wer-den, wenn die Einsicht gefehlt hat, dies aber dem Täter vorzuwerfen ist (vgl.BGHSt a.a.O. m.w.[X.]).Die Ausführungen [X.] und 17 lassen zudem besorgen, daß das[X.] bei seiner Erörterung der Einsichtsfähigkeit nicht hinreichend zwi-schen der Fähigkeit des Angeklagten unterschieden hat, den entgegenstehen-den Willen des [X.] [X.] zu erkennen und der Fähigkeit, das Unrecht sexu-eller Handlungen gegen den Willen des [X.] einzusehen.4. Das [X.] hat es rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob ge-gen den Angeklagten die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsan-stalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist. Die Erörterung dieser Frage drängte [X.] den Urteilsfeststellungen auf, weil der Angeklagte regelmäßig [X.] alkoholischer Getränke zu sich nahm und auch zu den [X.] untererheblichem Alkoholeinfluß stand. Diese Feststellungen legen nahe, daß bei- 6 -dem Angeklagten ein Hang besteht, berauschende Mittel im Übermaß zu sichzu nehmen. Das [X.] hätte daher mit Hilfe der Sachverständigen(§ 246 a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten [X.] besteht, daß er auch in Zukunft infolge seines offenbar vorhandenenHangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Unterbringung nach§ 64 StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungender Maßregel gegeben sind.Es ist nicht ersichtlich, daß bei dem Angeklagten keine hinreichend kon-krete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht (vgl. [X.] 91, 1 ff.). [X.] der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung einer Un-terbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der [X.] hat die Maßregel nach § 64 StGB auch nicht von [X.] ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).5. Schließlich wird im Fall einer neuerlichen Verurteilung zu berücksich-tigen sein, daß der von dem Angeklagten an dem Zeugen [X.] vorgenommeneOralverkehr jeweils eine Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGBdarstellt (vgl. BGHSt 45, 131, 132 f.; [X.]/[X.] a.a.O. § 177 Rdn. 30, 31).Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht dem nicht entge-gen, da sich dessen Wirkung nur auf Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tatbeschränkt, eine Verschärfung des Schuldspruchs aber nicht hindert (vgl.BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 9).- 7 -6. Im Hinblick auf die dargelegten Rechtsfehler hebt der [X.] das an-gefochtene Urteil insgesamt auf und läßt auch die Feststellungen zum äußerenTatgeschehen nicht bestehen.[X.] Detter [X.] [X.]

Meta

2 StR 209/03

16.07.2003

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2003, Az. 2 StR 209/03 (REWIS RS 2003, 2270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2270

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