Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2004, Az. 3 StR 500/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2004, 2973

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 500/03 vom 27. Mai 2004 in der Strafsache gegen

wegen räuberischer Erpressung u. a.
- 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. Mai 2004, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.]

Prof. Dr. [X.],

[X.] am [X.]

Dr. [X.],

[X.],

[X.],

[X.]

als [X.],

Oberst[X.]tsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. August 2003 a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte [X.] ist: [X.]) der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzli-cher Körperverletzung in zwei Fällen, [X.]) der räuberischen Erpressung in zwei Fällen, [X.]) der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung, zu [X.]) bis [X.]) jeweils in Tateinheit mit Zuhälterei, [X.]) der Nötigung, ee) des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen; b) im Ausspruch über die Einzelstrafe von fünf Jahren und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen [X.]. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Von Rechts wegen - 4 - Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten - unter Freisprechung im übri-gen - wegen "ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei in Tateinheit mit sexueller Nötigung, mit gefährlicher Körperverletzung und mit räuberischer [X.], davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung" (Einzelfreiheitsstrafe von fünf Jahren), wegen Nötigung (Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten) und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen ([X.] von jeweils sechs [X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die nicht [X.] Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten; sie hat teilweise Erfolg.
1. Soweit das [X.] den Angeklagten wegen "ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei in Tateinheit mit sexueller Nötigung, mit gefährlicher Körperverletzung und mit räuberischer Erpressung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung" verurteilt hat, führt dies zu einer - allerdings nur das Konkurrenzverhältnis betreffenden - Änderung des Schuldspruchs. a) Das [X.] hat hierzu festgestellt, daß die Nebenklägerin in Bor-dellbetrieben für den Angeklagten der Prostitution nachging. Dieser beutete sie planmäßig aus und überwachte ihre Tätigkeit im einzelnen. Als er erfuhr, daß die Nebenklägerin es abgelehnt hatte, mit [X.] den Geschlechtsverkehr auszuüben, die übergewichtig waren bzw. nach ihrem Eindruck an einer Ge-schlechtskrankheit litten, schlug er ihr mehrfach auf den [X.] und trat ihr - 5 - mit beschuhten Füßen in den Bauch. Er verlangte von ihr, künftig alle Freier ohne Ausnahme zu akzeptieren und mit ihnen ungeschützten Geschlechtsver-kehr auszuüben. Weiterhin erklärte er ihr, sie könne ihr "eigenes Grab [X.]", wenn sie nicht mehr verdiene. Aufgrund der vorangegangenen Schläge und Drohungen kam die Nebenklägerin in der folgenden [X.] nach und übte den Geschlechtsverkehr in einer Mehr-zahl von Fällen mit übergewichtigen [X.] aus, die sie ohne die vorherige und fortwirkende Einschüchterung als Kunden abgelehnt hätte. b) Entgegen der Auffassung des [X.] tragen diese Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB. [X.]) Der Angeklagte hat Gewalt gegen die Nebenklägerin angewendet und ihr zugleich mit Gefahr für Leib oder Leben gedroht. Diese war auch ge-genwärtig im Sinne einer Dauergefahr, denn die Möglichkeit, daß der unge-wöhnliche Zustand jederzeit in einen Schaden umschlagen konnte (vgl. [X.]R StGB § 255 Drohung 4, 6), bestand fortdauernd (vgl. [X.]R StGB § 255 [X.]; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § 34 Rdn. 4). Denn der Angeklagte war nach den Feststellungen bei der Abweisung eines übergewichtigen Freiers aufgrund der in dem Bordellbetrieb bestehenden ständigen Überwachung ohne weiteres in der Lage, innerhalb kurzer Zeit seine Drohung umzusetzen. [X.]) Zwischen dem Einsatz der [X.] durch den Angeklagten und der sexuellen Handlung der Nebenklägerin, nämlich der Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit zumindest einem übergewichtigen Dritten, besteht ein kausaler Zusammenhang. Daß insoweit detaillierte Feststellungen bezüglich - 6 - Anzahl und Ablauf der mehreren erzwungenen Sexualkontakte mit übergewich-tigen Kunden fehlen, führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht zur Auf-hebung des Urteils, weil das [X.] den Angeklagten lediglich wegen se-xueller Nötigung in einem Falle verurteilt hat. Soweit in Rechtsprechung und Schrifttum darüber hinaus verlangt wird, es bedürfe einer konkreten Beziehung zwischen dem Einsatz des Nötigungs-mittels und einer bestimmten sexuellen Handlung im Sinne eines funktionalen Zusammenhangs (vgl. [X.] bei [X.] 1983, 984; [X.] 1977, 357, 359), ist auch diese Voraussetzung erfüllt. Sie zielt darauf ab, solche Fall-gestaltungen aus dem Anwendungsbereich des § 177 StGB auszunehmen, in denen lediglich allgemein zur Ausübung der Prostitution aufgefordert wird. Über diesen Sinngehalt hinausgehend kann aus der Forderung eines funktio-nalen Zusammenhangs indessen nicht abzuleiten sein, daß bereits im Zeit-punkt der Nötigung die sexuelle Handlung oder die Person des [X.] bestimmt sein müsse. Eine derart restriktive Auslegung wäre zum einen weder vom Wortlaut noch von Sinn und Zweck der Vorschrift geboten; zum an-deren würde der strafrechtliche Schutz der Prostituierten, die als Tatopfer des § 177 StGB nicht ausgenommen sind, unnötig zurückgedrängt. Die Strafvor-schrift des § 177 StGB ist danach - und mehr will die geschilderte Einschrän-kung nicht besagen - in Fällen der vorliegenden Art nur dann erfüllt, wenn [X.] einzelne sexuelle Handlungen als Folge der Drohung mit gegenwärti-ger Gefahr für Leib oder Leben festgestellt worden sind (vgl. [X.] NStZ 1989, 249, 251; [X.] in [X.] § 181 Rdn. 49). Das ist hier der Fall. Bei dem Geschlechtsverkehr mit dem übergewichtigen Kunden handelte es sich gerade nicht um einen von der Nebenklägerin im Rahmen ihrer gewöhnlichen Prostitutionsausübung freiwillig erbrachten Sexualkontakt. - 7 - [X.]) Auch der subjektive Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB ist gegeben. Mit der Anweisung, jeden Freier ohne Ausnahme zu akzeptieren, verband der Angeklagte die Vorstellung, die Nebenklägerin würde wenigstens in einem Fall gegen ihren Willen mit einem übergewichtigen Kunden verkeh-ren. Nur auf diese Weise konnte das Ziel der Umsatzsteigerung aus seiner Sicht erreicht werden. c) Nicht außer Zweifel steht, ob das [X.] eine Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Menschenhandels gemäß § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu Recht abgelehnt hat. Eine solche setzt voraus, daß der Täter eine an-dere Person durch den Einsatz von [X.]n zur Fortsetzung der [X.] bestimmt. Wird die Prostitution bereits - freiwillig - ausgeübt, ist es nach der Rechtsprechung des [X.] erforderlich und ausrei-chend, daß das Opfer durch die Einwirkung des [X.] zu einer qualitativ an-dersartigen, von ihm nicht gewollten Form der Prostitution bestimmt wird (vgl. [X.], [X.]. vom 9. Mai 2001 - 2 [X.]; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § 181 Rdn. 4). Der Senat neigt dazu, den erzwungenen Geschlechtsverkehr mit übergewichtigen Kunden dieser - wenig trennscharfen - Begriffsbestimmung nicht zuzuordnen. Als qualitativ andersartige Form der Prostitution und damit im vorliegenden Fall als zumindest versuchter schwerer Menschenhandel könnte es indessen zu beurteilen sein, daß auf die Nebenklägerin Druck aus-geübt worden ist mit dem Ziel, auch mit geschlechtskranken Kunden unge-schützt zu verkehren. Einer abschließenden Entscheidung bedürfen die aufge-worfenen Fragen indessen nicht. Dadurch, daß das [X.] insoweit keine Verurteilung ausgesprochen hat, ist der Angeklagte jedenfalls nicht beschwert. - 8 - d) Zwischen den vier Fällen räuberischer Erpressung und der sexuellen Nötigung besteht Tatmehrheit. Zwar sind die genannten Verbrechen - wie das [X.] zutreffend erkannt hat - jeweils tateinheitlich mit dem [X.] der Zuhälterei verwirklicht worden; eine zur Annahme von Tateinheit führende Verklammerung der [X.] durch das tateinheitlich begange-ne Vergehen scheitert jedoch am Fehlen zumindest annähernder Wertgleich-heit (vgl. [X.]St 39, 390, 391 f.; [X.]R StGB § 181 Abs. 1 Konkurrenzen 3; Rissing-van S[X.]n in [X.]. § 52 Rdn. 29 f.). 2. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als [X.] hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Einsatzstrafe von fünf Jahren und der Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen nach sich. Das [X.] wird im Umfang der Aufhebung für die nunmehr als tatmehrheitlich beurteilten Taten des Angeklag-ten neue Einzelstrafen festzusetzen und mit den aufrechterhaltenen Einzelstra-fen eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben.
3. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[X.]
[X.] [X.]

[X.]

[X.]

Meta

3 StR 500/03

27.05.2004

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2004, Az. 3 StR 500/03 (REWIS RS 2004, 2973)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2973

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