Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2022, Az. 3 StR 69/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 10155

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Gegenstand

Anforderungen an richterliche Beweiswürdigung im Rahmen der Bewertung eines Geständnisses


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. November 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen schloss sich der Angeklagte mit fünf anderen Personen zusammen, um im arbeitsteiligen Zusammenwirken Menschen mit guten Deutschkenntnissen mit verfälschten Aufenthaltstiteln oder Ausweisen anderer Personen auszustatten. Damit sollte jeweils in fremdem Namen ein [X.] absolviert und so die Grundlage für eine Einbürgerung der legitimen Ausweisinhaber geschaffen werden. Dementsprechend vermittelte der Angeklagte sechs Kunden und übergab deren originale Ausweisdokumente am [X.] an einen Mittäter. Dieser verfälschte die Dokumente durch Überkleben der Passbilder und reichte sie an diejenigen weiter, die im Folgenden die Ausweise den Prüfern beim Sprachtest vorlegten und unter dem Namen der Kunden an der Prüfung teilnahmen.

3

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die [X.] lediglich dargelegt, dass dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen sei. Der festgestellte Sachverhalt stehe zu ihrer Überzeugung "aufgrund der glaubhaft geständigen Einlassung des Angeklagten, von deren Richtigkeit die Kammer überzeugt ist, fest".

4

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Das Urteil hat keinen Bestand, da die Feststellungen in dem mitgeteilten Beweisergebnis keine tragfähige Grundlage finden.

5

a) Die Bewertung eines Geständnisses unterfällt dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 [X.]. [X.] das Tatgericht die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, muss es von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Beweisergebnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt. Dabei sind, wenn sich der Angeklagte auf der Grundlage einer Absprache geständig eingelassen hat, an die Überprüfung dieser Einlassung und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis. In jedem Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (s. insgesamt [X.], Beschluss vom 13. September 2016 - 5 StR 338/16, [X.]R [X.] § 261 Abs. 1 Satz 2 Geständnis 1 Rn. 7 mwN; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, [X.]St 59, 21 Rn. 26 ff.; vom 29. Dezember 2015 - 2 StR 322/15, [X.], 147; vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, [X.], 53; vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, [X.], 214, 215; LR/Stuckenberg, [X.], 27. Aufl., § 261 Rn. 63).

6

b) Nach diesen Maßstäben lassen die Urteilsgründe eine revisionsgerichtliche Prüfung der Beweiswürdigung nicht zu. Da der Angeklagte nach den Feststellungen weder an der Abänderung der Dokumente noch an deren Vorlage bei der Prüfung unmittelbar beteiligt war, erschließt sich mangels eigener Wahrnehmung bereits nicht, auf welcher Grundlage er zu diesen für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Umständen Angaben hat machen können (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08, [X.], 467). Hinzu kommt, dass die Taten über sechs Jahre vor der Hauptverhandlung begangen worden sein sollen und die Feststellungen Details wie etwa die Namen der einzelnen Kunden enthalten. Insgesamt ist nicht ersichtlich, auf welche Weise sich das [X.] von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses überzeugt hat. Ein einfach gelagerter Fall, bei dem möglicherweise nähere Darlegungen entbehrlich sein könnten (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, [X.], 214, 215), liegt angesichts der aufgezeigten Umstände nicht vor.

7

c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf die in der Antragsschrift des [X.] ausgeführten Bedenken in Bezug auf die konkurrenzrechtliche Bewertung hin.

Schäfer     

      

[X.]     

      

Paul   

      

Anstötz     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 69/22

22.03.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 4. November 2021, Az: 8 KLs 17/21

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2022, Az. 3 StR 69/22 (REWIS RS 2022, 10155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 10155

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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