Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 1 StR 140/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 3021

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesamtstrafenbildung bei Betrug: Begründungspflicht bei erheblicher Erhöhung der Einsatzstrafe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. März 2017 - soweit es ihn betrifft -

a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte schuldig ist des Betrugs in sieben Fällen, davon in einem Fall in 521 tateinheitlichen Fällen,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Betrugs in sieben Fällen, davon in einem Fall in 522 tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Als Kompensation für die überlange Verfahrensdauer gelten sieben Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 8. Mai 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Soweit der Angeklagte mit Schreiben vom 12. April 2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision beantragt, ist dieser Antrag gegenstandslos, da der Verteidiger des Angeklagten die Revision form- und fristgerecht begründet hat.

4

2. Der [X.] hat den Schuldspruch betreffend den Angeklagten [X.]dahingehend korrigiert, dass der Angeklagte schuldig ist des Betrugs in sieben Fällen, davon in einem Fall in 521 tateinheitlichen Fällen. Da lediglich ein Zählfehler vorliegt, der die eigentliche Schadenssumme unverändert lässt, kann der [X.] eine entsprechende Berichtigung vornehmen, ohne dass es zu einer inhaltlichen Änderung der Entscheidung kommt ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2012 - 3 StR 408/11 Rn. 4 mwN).

5

3. Der [X.] von elf Jahren und sechs Monaten hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist die Bildung der Gesamtstrafe ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. Oktober 2009 - 5 [X.], [X.], 40 f. und vom 5. August 2010 - 2 [X.] Rn. 1; [X.], StGB, 65. Aufl., § 54 Rn. 6 mwN). Dabei sind bei der erforderlichen Gesamtschau der Taten namentlich das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander, insbesondere ihr Zusammenhang, ihre größere oder geringere Selbständigkeit, ferner die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der [X.] sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Ferner ist in einer Würdigung der Person des [X.] seine Strafempfindlichkeit, seine größere oder geringere Schuld im Hinblick auf das Gesamtgeschehen und seine innere Einstellung zu den Taten zu erörtern.

7

b) Diesen Anforderungen wird das [X.] nicht gerecht.

8

Zwar hat das [X.] im Rahmen seiner Ausführungen zur Gesamtstrafenbildung dem Grunde nach zutreffend erkannt, dass bei den auf Dauer angelegten Taten des Angeklagten ein besonders enger sachlicher Zusammenhang bestand und der aus den tatmehrheitlichen Fällen folgende „weitere“ Schaden im Verhältnis zu dem im Wege des uneigentlichen Organisationsdelikts verursachten Schaden nicht erheblich ins Gewicht fällt ([X.]). Aus der Einsatzstrafe von acht Jahren und sechs Monaten für das uneigentliche Organisationsdelikt mit einem Schaden von gerundet 15,2 Mio. Euro wird aber eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten gebildet, obwohl die weiteren in die Gesamtstrafe einzubeziehenden sechs Taten mit Einzelstrafen von drei Jahren, dreimal einem Jahr und sechs Monaten, einem Jahr und drei Monaten sowie einem Jahr nur Schadenssummen in Höhe von 263.076 Euro, 89.451 Euro, 76.410 Euro, 11.538 Euro und 2.500 Euro betreffen. Diese deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe trotz der bei den weiteren [X.] hinzukommenden verhältnismäßig geringen zusätzlichen Schadenssummen hat das [X.] nicht nachvollziehbar begründet. Ohne eine plausible Erklärung für die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe wird die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe dem Unrechts- und Schuldgehalt der festgestellten Taten nicht mehr gerecht und legt nahe, dass das [X.] die aufgestellten Grundsätze nicht ausreichend bedacht hat. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Bemessung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe auf diesem [X.] beruht.

9

4. Die Feststellungen werden durch den aufgezeigten [X.] nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Raum     

        

Jäger     

        

[X.]

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 140/18

10.10.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 7. März 2017, Az: 6 KLs 163 Js 28886/13

§ 46 StGB, § 54 Abs 1 StGB, § 263 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2018, Az. 1 StR 140/18 (REWIS RS 2018, 3021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3021

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 446/10 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung bei Sexualdelikten: Berücksichtigung der sinkenden Hemmschwelle bei wiederholter Begehung gleichartiger Taten


1 RVs 41/19 (Oberlandesgericht Hamm)


3 RVs 80/16 (Oberlandesgericht Hamm)


2 StR 217/23 (Bundesgerichtshof)

Bemessung der Gesamtstrafe: Erhöhung der Einsatzstrafe bei Zusammenhang zwischen gleichartigen Taten


1 StR 549/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 KLs 41 Js 44324/21

5 RVs 37/22

Zitiert

3 StR 408/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.