Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2012, Az. 4 AZR 231/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 1166

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Gegenstand

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel - Inbezugnahme von Tarifverträgen für die Angestellten der Deutschen Bundespost Telekom


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen [X.]s vom 11. Februar 2010 - 6 [X.]/09 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] und in diesem Zusammenhang darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

2

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist seit 1984 bei der [X.] und ihren [X.] tätig. Sie ist zuletzt als Kundenbetreuerin beschäftigt. Im schriftlichen Änderungsvertrag mit der [X.] vom 21. Juni 1991 heißt es [X.].:

        

Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des [X.] genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der [X.] [X.] ([X.] (Ost) bzw. [X.] (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der [X.] [X.] in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der [X.] durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der [X.] in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - [X.]) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem die Klägerin tätig gewesen war, entstand kraft Gesetzes die [X.] (nachfolgend [X.]). Die [X.] vereinbarte in der Folgezeit mit der [X.] ([X.]) Tarifverträge, die [X.]. die zuvor zwischen der [X.] und der [X.] geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der [X.] in Ost und [X.] für den Bereich der [X.] abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der [X.] geschlossenen und nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „[X.] - [X.]“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das [X.]. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurden die jeweiligen für sie einschlägigen Tarifverträge der [X.] und später die der [X.] angewendet.

4

Die Kundenniederlassung, in der die Klägerin bislang tätig war, wurde von der [X.] im Wege des Betriebsübergangs mit Wirkung ab dem 25. Juni 2007 übernommen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses nicht. In der Folgezeit wendete die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die von ihr mit der [X.] [X.] gleichfalls am 25. Juni 2007 geschlossenen Haustarifverträge, darunter den Manteltarifvertrag für die [X.] ([X.]), den Tarifvertrag über besondere Arbeitsbedingungen bei der [X.] ([X.]) und den Entgeltrahmentarifvertrag ([X.] [X.]) an, die von den Tarifverträgen der [X.] [X.]. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt Abweichungen enthalten. In dem [X.] vom 17. Juli 2007 wurde die Klägerin [X.]. darüber informiert, dass ihr Entgelt ab dem 1. Juli 2007 auf das bei der [X.] bestehende Entgeltsystem der Haustarifverträge umgestellt und ihre wöchentliche Arbeitszeit entsprechend dem [X.] von 34 Stunden auf 38 Stunden ohne Lohnausgleich angehoben werde.

5

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Differenzentgelts auf Basis der Tarifverträge der [X.] mit dem Regelungsstand zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unter Anrechnung des von der [X.] nach dem [X.] [X.] gezahlten Entgelts. Die Tarifverträge der [X.] fänden auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da es sich bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht um eine Tarifwechselklausel handele.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, 6.630,45 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2008 an sie zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.376,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2008 zu zahlen,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Arbeitsentgelt für die Monate August, September und Oktober 2008 in Höhe von 2.064,00 Euro brutto zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, fortlaufend, beginnend für den Monat November 2008 und bis zum 31. Jan[X.]r 2010, einen monatlichen Differenzbetrag in Höhe von 688,00 Euro brutto zuzüglich zu dem bisher gewährten Gehalt zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Bezugnahmeklausel erfasse auch die von ihr geschlossenen Haustarifverträge.

8

Das Arbeitsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der Begründung des [X.] konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Ob sie im beantragten Umfang begründet ist, kann der Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).

I. Die Leistungsklage ist zulässig, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu den Anforderungen etwa [X.] 9. Oktober 2002 - 5 [X.]/01 - zu I der Gründe [X.], [X.] ZPO § 253 Nr. 40 = EzA ZPO § 253 Nr. 23). Unter Heranziehung des Sachvortrages der Klägerin (dazu [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 70 [X.]) ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass die [X.] begehrt wird, die sich aus einem Vergleich mit dem von der [X.] gezahlten monatlichen Bruttoentgelt iHv. 2.665,95 Euro und einer Vergütung nach [X.] der [X.] ([X.]) nach dem tariflichen Regelungsstand vom 24. Juni 2007 auf der Basis einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden ergibt. Diese [X.] können auch einzelnen Monaten zugeordnet werden.

II. Die Revision ist begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] finden die Tarifverträge der [X.] kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem tariflichen [X.] vom 24. Juni 2007 weiter Anwendung. Die [X.] aus dem Arbeitsvertrag vom 21. Juni 1991 erfasst nicht die von der [X.] geschlossenen Haustarifverträge.

1. Bei der Bezugnahmeregelung des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede iSd. früheren Rechtsprechung des Senats (ausf. [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 17 ff., [X.], 100). Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin, die [X.], tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden.

2. Die arbeitsvertragliche [X.], deren Auslegung vom Senat ohne Einschränkung überprüft werden kann (zum Maßstab [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 21 [X.], [X.], 100), enthält nur eine zeitdynamische Bezugnahme auf die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten der [X.] in ihrer jeweiligen Fassung. Sie erfasst nach ihrem Wortlaut hingegen nicht die ersetzenden Tarifverträge der [X.] im Zuge der Vereinbarung der Tarifverträge des [X.]. Diese sind keine „jeweilige Fassung“ des Tarifvertrages für die Angestellten der [X.]. Der Arbeitsvertrag ist hinsichtlich der Bezugnahme nur zeitdynamisch auf den Tarifvertrag für die Angestellten der [X.], nicht aber inhaltsdynamisch auf die Tarifverträge der [X.] ausgestaltet (ausf. [X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 22 ff. [X.], aaO).

3. Eine Anwendbarkeit der Tarifverträge der [X.] folgt jedoch aus einer ergänzenden Auslegung der im Arbeitsvertrag enthaltenen [X.].

Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält aufgrund des Übergangs der [X.] im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die [X.] zum 1. Januar 1995 und durch die Ablösung der fortgeschriebenen Regelungen des Tarifvertrages für die Angestellten der [X.] und der sonstigen Tarifverträge durch die Einführung des [X.] und der in diesem Zusammenhang geschlossenen Tarifverträge jedenfalls spätestens seit dem 1. Juli 2001 eine nachträglich eingetretene Regelungslücke. Diese ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Danach waren zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge der [X.] mit dem Stand vom 24. Juni 2007 anzuwenden. Dies hat der Senat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet ([X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 25 ff. [X.], [X.], 100; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 34 ff. [X.]; 16. November 2011 - 4 [X.] 822/09 - Rn. 21 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 [X.] 179/10 - Rn. 28 ff.). Da im Streitfall keine Besonderheiten erkennbar sind, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründungen in den genannten Entscheidungen.

4. Die von der [X.] geschlossenen Haustarifverträge werden von der [X.] nicht erfasst. Diese kann weder als eine sog. Tarifwechselklausel noch als eine solche verstanden werden, die auch auf die im Konzern der [X.] für die einzelnen Konzernunternehmen jeweils geschlossenen Tarifverträge verweist. Auch dies hat der Senat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden und ausführlich begründet ([X.] 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 36 ff. [X.], [X.], 100; weiterhin 6. Juli 2011 - 4 [X.] - Rn. 45 ff. [X.]; 16. November 2011 - 4 [X.] 822/09 - Rn. 21, 42 ff.; 14. Dezember 2011 - 4 [X.] 179/10 - Rn. 38 ff.).

III. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung.

1. Der Klage kann derzeit nicht stattgegeben werden. Die von der Klägerin beantragte [X.] ist nicht schlüssig dargetan. Nach den in Bezug genommenen Tarifverträgen der [X.] ([X.]: 24. Juni 2007) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV [X.] 34 Stunden. Bereits dieser Umstand steht dem Vorgehen der Klägerin entgegen, zur Bestimmung der [X.] die Entgelttabellen heranzuziehen, die für Arbeitnehmer gelten, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach dem MTV [X.] 38 Stunden betragen, weil sie in bestimmten Bereichen tätig sind. Dies berücksichtigt nicht, dass es sich bei der von der [X.] angeordneten Arbeitszeit, die über die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MTV [X.] vorgesehene von wöchentlich 34 Stunden hinausgeht, nicht um die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit, sondern um Mehrarbeit handelt. Diese ist grundsätzlich entsprechend den tariflichen Bestimmungen der Tarifverträge zur Mehrarbeit der [X.] zu vergüten. Ob und in welchem Umfang die Klägerin vergütungspflichtige Mehrarbeitsstunden in den streitgegenständlichen Monaten im Einzelnen geleistet hat, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

2. Die [X.] sind allerdings auch noch nicht unter Hinweis auf einen fehlenden Tatsachenvortrag der Klägerin abzuweisen. Die Vorinstanzen haben - von ihrem Rechtsstandpunkt konsequent - die Klägerin nicht auf ihren unzureichenden Sachvortrag hingewiesen. Ihr ist daher unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu geben, im Rahmen der neuen Verhandlung vor dem [X.] ergänzend vorzutragen.

3. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das [X.] ua. dem Vortrag der [X.] nachzugehen und zu beachten haben, die Klägerin habe bei ihrer Berechnung der Klageforderung weder die Umstellung der Entgeltstruktur bei der [X.] zum Jahreswechsel 2006/2007 noch die geleistete „Ausgleichszulage T-Service“ berücksichtigt. Weiterhin wird es die zweistufige Ausschlussfrist nach § 31 MTV [X.] zu bedenken haben.

        

    Eylert    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    Kiefer    

        

    Görgens    

        

        

Meta

4 AZR 231/10

21.11.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dresden, 11. Juni 2009, Az: 2 Ca 1593/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2012, Az. 4 AZR 231/10 (REWIS RS 2012, 1166)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1166

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