Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 33 W (pat) 121/09

33. Senat | REWIS RS 2010, 1786

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "astat" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 74 358.6

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 2. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des [X.] vom 28. April 2008 und vom 20. Juli 2009 aufgehoben, soweit die Zurückweisung auch die noch beanspruchten Dienstleistungen "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Imprägniermittel und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich" umfasst.

Gründe

I

1

Die Anmeldung der Wortmarke

2

[X.]

3

für verschiedene Waren der Klassen 1 bis 5, unter anderem für

4

Klasse 1: chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche Zwecke

5

ist mit Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 1 vom 28. April 2008 und vom 20. Juli 2009, letzterer im Erinnerungsverfahren nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], teilweise zurückgewiesen worden, nämlich für die Waren: chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke. Nach Auffassung der Markenstelle fehlt der Marke für die zurückgewiesenen Waren jegliche Unterscheidungskraft, da es sich um eine beschreibende Angabe handele, die vom Verkehr auch als solche verstanden werde. Insbesondere werde der angesprochene Verkehr den Begriff "[X.]" als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei den Waren um solche handele, die [X.] enthielten. [X.] sei ein radioaktives chemisches Element, das in der medizinischen Behandlung von Tumoren sowie als Diagnosemittel eingesetzt werde. Der Begriff "[X.]" sei dabei ohne weiteres verständlich und für die in Frage stehenden Waren glatt beschreibend.

6

Soweit der Anmelder die Bedenken der Markenstelle mit dem Zusatz "[X.] ausgenommen Erzeugnisse mit radioaktiven Elementen" ausräumen wolle, handele es sich um eine unzulässige Beschränkung, da sie nach den Grundsätzen der Entscheidung [X.] GRUR 2004, 674 - Postkantoor keine gegenständliche Beschränkung darstelle und zudem eine Täuschungsgefahr i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 [X.] begründe.

7

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,

8

die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

9

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er zwar nicht bestreite, dass der Begriff "[X.]" ein chemisches Element bezeichne, was auch aus dem Ergebnis der [X.] hervorgehe. Dem Rechercheergebnis sei jedoch auch zu entnehmen, dass es sich bei [X.] um das seltenste Element der [X.] mit einem natürlichen Vorkommen von weltweit nur 70 mg handele. Auch bei der künstlichen Herstellung von [X.] könnten nur wenige Mikrogramm hergestellt werden. Zudem sei die Lebensdauer der verschiedenen [X.]isotope extrem kurz, wobei das längstlebige Isotop eine Halbwertzeit von nur 8,3 Std. habe. Die einzig diskutierte Verwendung von [X.] sei die Nuklearmedizin, wobei der Einsatz wegen der schwierigen Verfügbarkeit des Stoffes aber nur sehr beschränkt möglich sei. Selbst auf diesem Gebiet sei eine Vermarktung kaum oder nur schwer möglich, was auch mehreren Expertenäußerungen zu entnehmen sei, die in verschiedenen Fundstellen der [X.] zitiert würden. Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere radiodiagnostische oder radiotherapeutische Präparate der [X.] seien vorliegend auch nicht angemeldet bzw. streitgegenständlich. Das Halogen [X.] sei nur wenigen Spezialisten bekannt. Zudem sei die Angabe der Inhaltsstoffe der streitgegenständlichen Waren auf Etiketten chemischer Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke gesetzlich vorgeschrieben. Eine Irreführung des Verkehrs sei daher ausgeschlossen, zumal beim Handel mit radioaktiven Stoffen noch schärfere Bestimmungen gelten würden. Ergänzend weist der Anmelder auf Voreintragungen von Marken wie "Platin", "Argon", "Cer" oder "Gold" für verschiedene Waren hin.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat der Anmelder auf die Ware "chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche Zwecke" verzichtet und die noch streitgegenständliche Ware "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" wie folgt eingeschränkt:

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Imprägniermittel und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Nach der Einschränkung des [X.] ist die Beschwerde begründet.

Für die Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, nämlich Imprägniermittel und chemische Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich" hält der [X.] die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] stehen der Eintragung der [X.] für diese Waren somit nicht mehr gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Das angemeldete Markenwort "[X.]" bezeichnet das chemische Element [X.], bei dem es sich um ein radioaktives Halogen handelt. Es ist das seltenste aller in der Natur gefundenen Elemente. Eine gewerbliche Verwendung ist bisher nur in der Nuklearmedizin bekannt (vgl. Römpp Lexikon Chemie, 10. Aufl.; http://de.[X.].org/wiki/[X.]; [X.]; [X.]), wobei die aufwändige künstliche Herstellung und die geringe Haltbarkeit des Halogens Probleme bereiten, die - worauf auch der Anmelder hingewiesen hat - von Fachleuten auf dem Gebiet der Nuklearmedizin in verschiedenen Internetfundstellen diskutiert werden (vgl. [X.]/[X.]; [X.]; [X.] Forschungsbericht 2008, S. 422 ff.).

Im Hinblick auf die Eigenschaften von [X.] erscheint (auch in absehbarer Zukunft) eine gewerbliche Verwendung dieses Stoffes oder einer seiner Verbindungen im Bereich der Imprägniermittel und chemischen Erzeugnisse für den Fahrzeugbereich ausgeschlossen. Dabei ist es schon zweifelhaft, ob [X.] oder eine Verbindung mit [X.] überhaupt eine Eigenschaft entfalten kann, die für Imprägniermittel oder den Fahrzeugbereich eine irgendwie nützliche Funktion erfüllen könnte. Bereits hierfür hat der [X.] keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte aufgefunden. Zudem erscheint eine gewerbliche Anwendbarkeit von [X.] auf diesen technischen Gebieten auch wegen der besonderen Eigenschaften des Materials unwahrscheinlich, ja sogar abwegig. Zum einen ist ein radioaktiver Stoff bei [X.] oder chemischen Erzeugnissen für den Fahrzeugbereich wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren unerwünscht und schließt bereits als solches eine gewerbliche Verwendung auf diesen technischen Gebieten aus, zumal dort regelmäßig große Mengen von Mitteln und Chemikalien benötigt werden. Auch die Seltenheit und die geringe Haltbarkeit von [X.], dessen längstlebiges Isotop eine Halbwertzeit von nur 8,3 Stunden besitzt, verbietet eine nennenswerte wirtschaftliche Verwertung im Imprägniermittel- und Fahrzeugbereich. Dies kann auch nicht durch eine kostengünstige Gewinnung von [X.] durch künstliche Herstellung ausgeglichen werden, da [X.] durch Beschuss von Bismut mit Alphateilchen hergestellt wird, wobei das Halogen sodann im Stickstoffstrom bei 450 bis 600°C sublimieren und an einer gekühlten Platinscheibe abgetrennt werden muss (vgl. [X.], a. a. O.). Derartige Produktionsmethoden erscheinen bei [X.] und chemischen Erzeugnissen für den Fahrzeugbereich völlig unwirtschaftlich. Nach alledem bestehen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, die die Annahme eines Freihaltebedürfnisses der angemeldeten Bezeichnung für die noch streitgegenständlichen Waren rechtfertigen könnten.

Für diese Waren weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Von chemischen Erzeugnissen für gewerbliche Zwecke, nämlich Imprägniermittel und chemischen Erzeugnissen für den Fahrzeugbereich werden sowohl Fachleute, insbesondere Chemiker, wie auch breite Endverbraucherkreise angesprochen, die solche Waren für den Haushalt bzw. den Privatwagen benötigen. Im Hinblick auf die o. g. Eigenschaften von [X.] kann zunächst nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass alle Verkehrsteilnehmer auf diesen Gebieten das Halogen "[X.]" überhaupt kennen. Für Verkehrsteilnehmer, die diese Kenntnis nicht haben, stellt die angemeldete Marke nur eine Fantasiebezeichnung dar und verfügt daher ohne weiteres über Unterscheidungskraft. Soweit hingegen die Kenntnis dieses Elements bei Chemikern und entsprechendem Fachpersonal im Bereich chemischer Erzeugnisse schon eher erwartet werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass ihnen dann nicht nur der Begriff "[X.]" sondern auch die o. g. Eigenschaften in etwa bekannt sind, die eine Verwendung im beanspruchten [X.] völlig unwahrscheinlich machen. Auch für diese Verkehrsteilnehmer muss der Begriff unter diesen Umständen fantasievoll wirken. Der [X.] kann daher auch nicht die Eignung abgesprochen werden, die noch streitgegenständlichen Waren nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden.

Die angefochtenen Beschlüsse waren daher im Hinblick auf die streitgegenständlichen Waren aufzuheben.

Meta

33 W (pat) 121/09

02.11.2010

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.11.2010, Az. 33 W (pat) 121/09 (REWIS RS 2010, 1786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1786

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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