Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2020, Az. 2 StR 210/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11356

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:280720B2STR210.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 210/20

vom
28. Juli
2020
in der Strafsache
gegen

wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28.
Juli
2020 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 18.
Dezember 2019 mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben, soweit das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt abgesehen hat.

Im Umfang
der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
2.
Die weiter
gehende Revision wird als unbegründet verwor-fen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg;
im Übri-gen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1
-
3
-
1.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat aus den Gründen der Zuschrift des [X.] zum Schuld-
und Strafausspruch sowie zur Einziehungsentscheidung keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
2.
Das Urteil
hält jedoch insoweit der rechtlichen Prüfung nicht stand, als das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt
hat.
a.)
Das [X.] hat zum Rauschmittelkonsum des zur Tatzeit 42-jährigen Angeklagten festgestellt, dass dieser mit 13
Jahren begann, Cannabis zu konsumieren. Ab seinem 31.
Lebensjahr

ungefähr 2007

konsumierte er zusätzlich fünf bis acht Gramm Kokain täglich. [X.] stellte er seinen
Kokainkonsum ohne ärztliche Hilfe ein, setzte aber seinen erheblichen
Marihuanakonsum von sieben bis zehn Gramm pro Tag bis zu seiner Verhaf-tung in dieser Sache am 5.
April 2019 fort. Parallel dazu trank er im
erheblichen Umfang Alkohol, nämlich acht bis 15 Flaschen Bier am Tag. In der Justizvoll-zugsanstalt litt er unter Entzugserscheinungen und wurde medikamentös [X.]. Seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 2.
Mai 2019 lebt er drogenfrei, was er durch
negative [X.] im Juli, August und Dezember 2019 belegte. Er
strebt
eine ambulante [X.] an.
Das [X.] ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe sich im Tatzeitraum aufgrund seines exzessiven Drogen-
und Alkoholkonsums nicht ausschließbar
in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im [X.] des §
21 StGB befunden. Bis zu seiner Verhaftung im April 2019 habe eine langjährige Abhängigkeit von Alkohol und Cannabis und damit einhergehend 2
3
4
5
-
4
-
ein
Hang im Sinne des §
64 StGB bestanden. Ein solcher Hang sei jedoch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr festzustellen.
Die drei negativen Drogenscreenings belegten die dauerhafte Abstinenz des Angeklagten. Dieser verfüge

was die Einstellung seines früheren [X.] verdeutliche

über die Fähigkeit, seine Alkohol-
und [X.] auch ohne thera-peutische Unterstützung zu beenden und die Abstinenz dauerhaft aufrechtzuer-halten. Vor diesem Hintergrund komme die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB nicht in Betracht.
Ungeachtet dessen hat

zur Rückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer

gegebenenfalls auch ambulanten

Drogenentwöhnungsbehandlung im Sinne der §§

ten
erklärt.
b.)
Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach §
64 StGB nicht. Die Annahme des [X.]s, ein bis dahin [X.] des Angeklagten habe mit seiner Entlassung
aus
der Untersuchungs-haft ein Ende gefunden, ist nicht nachvollziehbar. Die vom Angeklagten präsen-tierten negativen Drogenscreenings waren nicht unter Aufsicht erfolgt und damit nur von sehr begrenztem Aussagewert.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte

was sich aus den mitgeteilten [X.] ergibt

bereits in der Vergangenheit gegenüber dem Gericht unwahre Angaben zu seiner angeblichen Drogenabstinenz gemacht hat.
Ungeachtet dessen stehen
Intervalle der Abstinenz
dem
Vorliegen eines Hanges nicht ent-gegen ([X.], Beschlüsse vom 27.
November 2018

3
StR
299/18, [X.], 6
7
8
-
5
-
265; vom 12.
April
2012

5
StR
87/12, [X.], 271; vom 30.
März
2010

3
StR
88/10, [X.], 216).
Soweit das [X.] das Nicht(mehr)vorliegen eines Hanges zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung damit begründet, dem Angeklagten sei auch im Jahre 2009 der Ausstieg aus der [X.] mit anschließender

Kokainabstinenz ohne therapeutische Hilfe gelungen, übersieht es die damali-gen Begleitumstände. Keineswegs hat der Angeklagte seinerzeit
seinen Betäu-bungsmittelmissbrauch vollständig eingestellt, sondern er ist vielmehr auf einen noch exzessiveren Konsum von
Cannabis und Alkohol ausgewichen, den er in den
folgenden Jahren
durchgehend aufrechterhalten hat.
Ein durchgreifender Widerspruch liegt zudem
darin, dass das [X.] gleichzeitig seine Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogenentwöhnungsbehandlung im Sinne der §§
35, 36 BtMG erklärt hat. Dies verdeutlicht, dass es von der Drogenabstinenz des [X.] und dem Nichtvorliegen eines Hanges gerade nicht überzeugt ist. Auf Begründung nicht stützen. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §
35 BtMG setzt eine Betäubungsmittelabhängigkeit zum Zeitpunkt der [X.] voraus (Körner/[X.]/[X.],
BtMG,
9.
Aufl.,
§
35 Rn.
194). Es ist damit zu besorgen, dass die
Strafkammer vorliegend einen Weg gesucht hat, der gegenüber der Unterbringung nach §
64 StGB nachran-gigen Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §
35 BtMG (vgl. [X.], [X.] vom 15.
Juni 2010

4
StR 229/10, [X.], 319;
Senat, [X.] vom 10.
März 2010

2
StR 34/10) den Vorrang einzuräumen.
9
10
11
-
6
-
c.)
Da das Vorliegen der
übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nach den Feststellungen des [X.]s nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungs-anstalt neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur
der Angeklagte [X.] eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht ([X.], Urteil vom 10.
April 1990

1
StR 9/90, [X.]St 37, 5). Der [X.] hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. Senat, Urteil vom 7.
Oktober 1992

2
StR 374/92, [X.]St 38, 362). Über die Maßregelanordnung ist
daher

gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen

neu zu entscheiden.
3.
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
VRi[X.] Dr. Franke

Appl

Eschelbach
ist wegen Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

Appl

Zeng

Schmidt

Vorinstanz:
[X.], [X.], [X.] -
601 [X.]/19 61 KLs 16/19
12

Meta

2 StR 210/20

28.07.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2020, Az. 2 StR 210/20 (REWIS RS 2020, 11356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11356

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