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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2019:091019B4STR367.19.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 367/19
vom
9. Oktober
2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
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2
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Der 4.
Strafsenat des [X.]hat nach Anhörung des [X.]und des [X.]
zu 2. auf dessen Antrag
am 9.
Oktober 2019 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.]vom 28.
März 2019 mit den zugehörigen [X.]aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbrin-gung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]zurückver-wiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das [X.]hat den Angeklagten wegen besonders schwerer [X.]Erpressung unter Einbeziehung einer anderweitig erkannten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren
und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung
[X.]angeordnet. Von einer An-ordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß §
64 StGB hat es abgesehen.
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Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner [X.]auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übri-gen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Ent-ziehungsanstalt gemäß §
64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung, mit der das [X.]die Annahme der Gefahr zukünftiger hangbedingt begangener rechtswidriger Taten des Angeklagten und eine hin-reichend konkrete Aussicht für einen Behandlungserfolg verneint hat, beruht auf durchgreifenden Rechtsfehlern. Sie enthält Lücken und ist widersprüchlich.
a) Das [X.]hat
der Sachverständigen folgend
zutreffend ei-nen Hang des Angeklagten im Sinne des §
64 StGB bejaht. Der Angeklagte leidet nach den Urteilsfeststellungen
derzeit abstinent
an einer Kokainab-hängigkeit und betreibt Cannabismissbrauch. Er konsumiert seit 2004 Kokain. Zu [X.]kam es lediglich im Zeitraum von 2006 bis 2008 und während der Inhaftierung des Angeklagten in den Jahren 2011 bis 2013 aus Anlass sei-ner ersten Verurteilung wegen Raubes. Nach seiner Entlassung aus der [X.]konsumierte der Angeklagte zunächst kein Kokain mehr, gelegentlich aber Marihuana. In der Folge steigerte er den [X.]von Kokain jedoch von einem zunächst seltenen,
bis zum [X.]
im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung von seiner Ehefrau
zu einem massiven Missbrauch der Droge. Sein im Jahr 2017 unternommener Versuch, den [X.]einzustellen, scheiterte, weil sich der Angeklagte von den Eltern seiner Partne-rin unter Druck gesetzt fühlte. Erst nach der abgeurteilten Tat vom 5. Oktober 2017, bei der er einen Taxifahrer zur Beschaffung von Geld für den Ankauf [X.]Kokains unter Vorhalt eines Messers
zur Herausgabe von 80
[X.]Bar-2
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geld zwang, stellte der Angeklagte den [X.]von Kokain ein, raucht [X.]jedoch regelmäßig Marihuana, um kokainabstinent zu bleiben.
b)
Vor dem Hintergrund dieses Suchtverhaltens
vermag die Begründung, mit der das [X.]die Annahme der Gefahr zukünftiger hangbedingt be-gangener rechtswidriger Taten des Angeklagten verneint hat, nicht zu tragen.
aa)
Die Gefahr der zukünftigen Begehung erheblicher rechtswidriger und auf den Hang zurückzuführender Straftaten setzt eine naheliegende Wahr-scheinlichkeit voraus. Eine bloße Wiederholungsmöglichkeit genügt nicht. Für die Rückfallgefahr können sich Anhaltspunkte etwa aus der Persönlichkeit des Täters, seinem bisherigen Rauschmittelkonsum, seinem Vorleben und seinen Vorstrafen ergeben. Für die Frage der Wiederholungsgefahr ist eine umfassen-de Gesamtabwägung erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 11.
Dezember 1990
1
StR 611/90, BGHR StGB §
64 Abs.
1 Gefährlichkeit 3; Beschluss vom 13.
Dezember
2018
3
StR 386/18, Rn.
11, insofern nicht abgedruckt
in [X.]2019, 400; MüKo-StGB/van Gemmeren, 3.
Aufl., §
64 Rn.
55 mwN).
bb)
Das [X.]hat ausgeführt, zwar sei im Fall eines Rückfalls des Angeklagten in den [X.]mit erneuten Beschaffungstaten, die mit der [X.]vergleichbar seien, zu rechnen. Die Annahme einer erneuten Kokain-rückfälligkeit lasse sich jedoch nicht tragfähig begründen. Der Angeklagte sei zwar in Lebenskrisen infolge seiner dann eintretenden Resignation rückfallge-fährdet. Er lebe aber bereits seit mehr als einem Jahr kokainabstinent. Neben früheren, längerfristigen Kokainabstinenzen komme nunmehr hinzu, dass der motiviert sei, weiterhin abstinent zu leben. Seine über viele Jahre gelebte Straf-freiheit belege eine Abnahme seiner Straffälligkeit.
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Diese Begründung erweist sich als lückenhaft. Das [X.]hat
wesentliche prognoserelevante Gesichtspunkte außer Betracht gelassen. Es hat nicht berücksichtigt, dass sich die Lebenssituation des Angeklagten seit der
Begehung der hier abgeurteilten Tat jedenfalls nicht vorteilhaft verändert hat. Verantwortung für seine Kinder hatte der Angeklagte schon zum Zeitpunkt der [X.]zu tragen. Gleichwohl beging er diese, gegenüber früherer Straffällig-keit in ihrem Schweregrad deutlich gesteigerte Tat, um sich Geld für den Er-werb weiteren Kokains zu beschaffen. Auch die Vollstreckung einer ersten Frei-heitsstrafe wegen Raubes bis zum [X.]konnte
den Angeklagten nicht davon abhalten, erneut zunächst gelegentlich, ab 2015 sogar massiv Kokain zu konsumieren. Darüber hinaus hat das [X.]bei seiner Prognoseent-scheidung den wesentlichen Umstand gänzlich außer [X.]gelassen, dass es dem Angeklagten auch nach der abgeurteilten Tat nicht gelungen ist, von [X.]abzulassen. Denn seit Einstellung seines Kokainkonsums raucht der Angeklagte nunmehr regelmäßig Marihuana, um von Kokain absti-nent zu bleiben. Sein Versuch, die Abkehr von Kokain durch einen regelmäßi-gen Missbrauch von Cannabis sicherzustellen, weist
vom [X.]unbe-achtet
auf die nur geringe Belastbarkeit der aktuellen Kokainabstinenz des Angeklagten hin.
c)
Zum anderen erweist sich die Begründung des Landgerichts, mit der es das Bestehen einer hinreichend konkreten Behandlungsaussicht beim Ange-klagten verneint hat, als widersprüchlich.
Das [X.]hat
der Sachverständigen folgend
die fehlende [X.]auf einen Behandlungserfolg des Angeklagten damit begründet, er könne 8
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derzeit von Kokain abstinent leben und sei auch aufgrund dessen nicht [X.]Substanz, bei der es vor allem um die persönliche Entscheidung gehe, das Mittel nicht mehr zu konsumieren und die Umgebung, in der der [X.]statt-
. Die letztgenannte Erwägung steht jedoch in einem nicht aufgelösten Widerspruch zu der
ebenfalls auf die Sachverständige gestützten
Feststellung des Landgerichts, nach welcher der Angeklagte, der seine Absti-nenz durch das Rauchen von Marihuana zu sichern versucht, an einer (psychi-
gilt erst recht mit Blick darauf, dass das [X.]
zudem unter Bezugnahme auf die Sachverständige
selbst an anderer Stelle ausgeführt hat, die [X.]der Kokainabhängigkeit des Angeklagten, die bislang zu keinem Zeitpunkt erfolgt sei, sei nach
lich lässt sich die bereits im Urteil erteilte Zustimmung des Landgerichts, die Vollstreckung der Strafe gemäß § 35 BtMG zurückzustellen, mit der Annahme einer fehlenden bzw. nicht zu weckenden Therapiebereitschaft des Angeklagten nicht in Einklang bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 5.
April 2016
3
StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209). Die erteilte Zustimmung lässt zudem besorgen, dass das [X.]das Rangverhältnis verkannt hat, demzufolge die Unter-bringung nach §
64 StGB der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach §
35 BtMG vorgeht ([X.]Rspr.;
vgl. nur BGH, Beschluss vom 5.
April 2016
3
StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209 mwN).
2.
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der [X.]nicht (vgl. BGH, Urteil vom 10.
April 1990
1
StR 9/90, 11
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7
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BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die
Nichtanwendung des §
64 StGB
durch das Tatgericht auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7.
Oktober 1992
2
StR 374/92, BGHSt 38, 362).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Quentin
Feilcke
Bartel
Meta
09.10.2019
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2019, Az. 4 StR 367/19 (REWIS RS 2019, 2822)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 2822
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 275/17 (Bundesgerichtshof)
6 StR 452/23 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Anforderungen an Darlegung einer Erfolgsprognose der Behandlung
4 StR 553/19 (Bundesgerichtshof)
5 StR 525/22 (Bundesgerichtshof)
(Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs)
3 StR 38/17 (Bundesgerichtshof)
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