Bundessozialgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 154/11 R

4. Senat | REWIS RS 2012, 6334

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Adressierung an nur ein Mitglied einer mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaft - Inanspruchnahme auf den gesamten Erstattungsbetrag - Auslegung - Zuordnung einer Nachzahlung von Arbeitsentgelt zum Einkommen - Berücksichtigung als laufende Einnahme


Leitsatz

Ein nur an eine Person einer mehrköpfigen Bedarfsgemeinschaft adressierter Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist hinreichend bestimmt iS von § 33 SGB 10, wenn zwar der Höhe nach nicht nur dessen Individualanspruch betroffen ist, die Auslegung dieses Bescheids jedoch ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung und Rückforderung einer laufenden Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] in Höhe von 102,89 [X.] für Juli 2007.

2

Der Beklagte bewilligte der Klägerin und ihrer Tochter seit 2006 [X.]-Leistungen, zuletzt vom [X.] bis 30.11.2007, in Höhe von 392 [X.] monatlich. Dabei berücksichtigte er ein laufendes Nettoerwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 720 [X.] (Bescheide vom 3.5.2007 und [X.] in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 6.6.2007).

3

Nachdem die Klägerin dem Beklagten im September 2007 eine am [X.] ausgestellte Verdienstabrechnung über ein Nettogehalt von 854,27 [X.] für Juli 2007 (laufendes Entgelt zuzüglich einer Nachzahlung aus einem Tarifabschluss für das [X.]) übersandt hatte, hob er nach Anhörung der Klägerin mit einem allein an diese adressierten Bescheid vom 19.9.2007 die Bewilligung für die [X.] vom 1. bis [X.] in Höhe von 122,10 [X.] auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. In der Berechnung unterschied der Beklagte zwischen den beiden Leistungsarten "[X.] (Regelleistung)" und "Leistungen für Unterkunft und Heizung". Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese geltend machte, die Einmalzahlung sei auf sechs Monate zu verteilen, wies der Beklagte bis auf eine rechnerische Korrektur des Aufhebungs- und Rückforderungsbetrags auf 120,84 [X.] zurück (Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007).

4

Das [X.] hat den Bescheid vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007 aufgehoben. Es verstoße gegen die §§ 33, 37 [X.]B X, dass die Bescheide allein an die Klägerin adressiert seien, weil der Sache nach auch der Tochter der Klägerin bewilligte Leistungen von der Aufhebung und Rückforderung betroffen seien. Rechtswirkungen für diese seien den Bescheiden jedoch nicht zu entnehmen (Urteil vom 18.12.2008).

5

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] "teilweise aufgehoben und dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2007 (richtig: 19.9.2007) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2007 nur insoweit aufgehoben wird, als darin von der Klägerin mehr als 102,98 [X.] zurückgefordert werden" (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, entgegen der Ansicht des [X.] bestünden keine rechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit - insbesondere die hinreichende Bestimmtheit iS des § 33 Abs 1 [X.]B X - des Bescheids vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007. Bereits nach seinem ursprünglichen Verfügungssatz lasse der Bescheid keine andere Deutung als diejenige zu, dass die Bewilligung von Leistungen im Bescheid vom 3.5.2007 allein insoweit, als danach der Klägerin in eigener Person ein Anteil in Höhe von 272,38 [X.] an der Gesamtleistung zugesprochen worden sei, für den Monat Juli 2007 in Höhe von 122,10 [X.] aufgehoben werden solle und diese Beträge von der Klägerin zu erstatten seien. Zwar sei damit der Bescheid vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007 weiterhin materiell rechtswidrig, weil er das von der Klägerin im September 2007 erzielte [X.] allein der Klägerin zuschreibe und ihre Tochter - entgegen dem Prinzip der modifizierten horizontalen Berechnungsweise - von der nachträglichen Einkommensberücksichtigung ausgespart habe. Die damit verknüpfte teilweise Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung habe indes nicht auch ihre Unbestimmtheit zur Folge. Insoweit, als der Beklagte das Urteil des [X.] lediglich teilweise in der den Betrag von 17,95 [X.] übersteigenden Höhe angefochten und damit die gegenüber der Klägerin verfügte Aufhebung und Rückforderung auf nunmehr 102,89 [X.] beschränkt habe, stünden die angefochtenen Bescheide auch mit der materiellen Rechtslage in Einklang und seien auch der Höhe nach rechtmäßig. Die Klägerin könne auch nicht erfolgreich einwenden, dass die mit dem [X.] ausgezahlte Nachzahlung aufgrund des Tarifabschlusses für das [X.] in Höhe von 154,72 [X.] auf mehrere Monate zu verteilen sei.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es sei davon auszugehen, dass der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nicht hinreichend bestimmt sei (Hinweis auf Urteil des L[X.] Berlin-Brandenburg vom [X.] - L 28 AS 1354/08). Da es keinen Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft gebe, bestehe auch keine gesamtschuldnerische Haftung ihrer Mitglieder. Im Rückabwicklungsverhältnis müsse der Leistungsträger konkret prüfen, für welche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in welcher Höhe Leistungen zu Unrecht bewilligt worden seien und wer entsprechende Leistungen zu Unrecht erhalten habe. Dies sei nicht geschehen, weil ein nicht weiter nach Personen aufgegliederter Betrag zurückgefordert worden sei. Ein materiell rechtswidriger Verfügungssatz könne nicht hinreichend bestimmt sein.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2011 aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf das Urteil des L[X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass das von der Klägerin im Juli 2007 erzielte höhere Nettoarbeitsentgelt insgesamt als Einkommen im laufenden Leistungsmonat zu berücksichtigen ist.

1. Das beklagte [X.] ist gemäß § 70 [X.] SGG beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass [X.] (§ 6d [X.] idF des [X.], [X.] 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 [X.] [X.]I) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene [X.] wegen der Weiterentwicklung des [X.]I stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b [X.]I bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (vgl dazu Urteile des Senats vom 18.1.2011 ua - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 37 [X.] 5).

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007, soweit der Beklagte mit diesem die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin für den Monat Juli 2007 in Höhe von 102,98 Euro aufgehoben und von ihr die Erstattung dieses Betrags gefordert hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 SGG).

Die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids beurteilt sich nach § 40 [X.]I iVm § 48 Abs 1 [X.] X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 S 2 [X.] mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach [X.] der Regelung in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden [X.]raum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des [X.]. Wegen § 40 Abs 1 S 2 [X.] [X.]I iVm § 330 Abs 3 [X.] [X.]II ist diese Rechtsfolge zwingend.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Falle der Klägerin erfüllt, denn durch den Zufluss des höheren Einkommens im Juli 2007 war der bindende Bescheid vom [X.], der die vorangehenden Bewilligungsbescheide für den [X.]raum vom [X.] bis 30.11.2007 komplett ersetzt hat, für diesen Monat teilweise aufzuheben und von der Klägerin der (nunmehr) festgesetzte Betrag in Höhe von 102,89 Euro zu erstatten. Der dies regelnde Bescheid vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007 ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil er nicht hinreichend bestimmt ist.

3. [X.] vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007 genügt - bei einzelfallbezogener Auslegung - den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten.

Nach § 33 Abs 1 [X.] X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den [X.] bzw die Verfügungssätze der Entscheidung (BSG [X.] 4-5910 § 92c [X.] Rd[X.]1) als auch auf den Adressaten eines Verwaltungsaktes. Insofern verlangt das Bestimmtheitserfordernis als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung zum einen, dass der [X.] nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl [X.], 194 = [X.] 4-4200 § 31 [X.] 2, Rd[X.]3 mwN; BSG [X.] 4-4200 § 31 [X.] 3 Rd[X.]6 mwN; [X.] vom 15.12.2010 - [X.] [X.]/09 R - juris Rd[X.]8; [X.], 289 ff = [X.] 4-4200 § 38 [X.] 2, Rd[X.] 31). Dies ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts zu ermitteln (BSG [X.] 4-5910 § 92c [X.], Rd[X.]1; vgl auch BSG [X.] 4-1200 § 48 [X.] 2 Rd[X.]5 zur nicht zulässigen Verfügung eines Gesamtbetrags bei Abzweigungen nach dem [X.] zu Gunsten eines [X.], der mehreren Kindern des Leistungsempfängers Unterhalt gewährt). Insofern ist - als Besonderheit des [X.]I - zu berücksichtigen, dass es keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher kennt, sondern [X.] jeweils alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend [X.], 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]2). Entsprechend können auch im Rückabwicklungsverhältnis die - hier auf § 48 Abs 1 S 2 [X.] gestützte - Aufhebung eines rechtswidrigen [X.] als auch die Erstattungsforderung erbrachter [X.]I-Leistungen nur gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger als einzelnem hilfebedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft iS von § 7 Abs 3 [X.]I erfolgen. Da es keinen "[X.]" der Bedarfsgemeinschaft gibt, besteht auch keine gesamtschuldnerische Haftung deren Mitglieder. Den Verfügungen des Aufhebungs- und [X.] muss sich daher entnehmen lassen, welcher Adressat bzw welche Adressaten betroffen sind (vgl bereits BVerwG FEVS 43, 324).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 19.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2007 diesen Vorgaben gerecht wird. Ihm lässt sich hinreichend klar entnehmen, dass Adressatin sowohl der Aufhebungsentscheidung als auch der Erstattungsforderung ausschließlich die Klägerin ist. Nur sie sollte verpflichtet werden. Der Beklagte hat sowohl im [X.] als auch in der Begründung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck gebracht, dass er für den konkreten Monat Juli die Leistungsbewilligung - bezogen auf die Regelleistung als auch die Kosten der Unterkunft und Heizung - ausdrücklich nur für sie aufhebt, sodass der Senat dahinstehen lassen kann, ob § 33 [X.] X entsprechende [X.] voraussetzt (vgl zur notwendigen zeitlichen Konkretisierung der Aufhebungsentscheidung betreffend Arbeitslosengeld: [X.], 51 = [X.] 4-4100 § 115 [X.], Rd[X.]0; zur Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf das [X.]I und zur Aufschlüsselung bei einer Erstattungsforderung: [X.], 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.] 2, Rd[X.] 35 ff). Mit den Formulierungen "die Entscheidung vom 3.5.2007 über die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.] ([X.]I) wird vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 für Sie in Höhe von 122,10 Euro aufgehoben … In der [X.] vom 1.7.2007 bis [X.] wurden Ihnen Leistungen nach dem [X.]I in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt. Sie haben Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung Ihres Anspruchs geführt hat" wird nicht auf die der gesamten Bedarfsgemeinschaft, sondern nur auf der Klägerin erbrachte Leistungen Bezug genommen. Auch aus der Höhe der Aufhebungs- und Erstattungsverfügung ergibt sich - anders als nach den einzelfallbezogenen Umständen - möglicherweise bei einer Aufhebung der Leistungsbewilligung in vollem Umfang (vgl hierzu zB [X.] Berlin Urteil vom [X.] - L 28 A[X.]354/08 - Rd[X.] 43) - keine offensichtliche Nichtübereinstimmung mit dem im Bewilligungsbescheid vom [X.] bewilligten Einzelanspruch der Klägerin. Nur für an mehrere Adressaten gerichtete belastende Verwaltungsakte gilt, dass erkennbar sein muss, ob sie als Gesamtschuldner oder nach Bruchteilen in Anspruch genommen werden sollen (vgl [X.] in von [X.], [X.] X, 7. Aufl 2010, § 33 Rd[X.] 6 mwN). Eine solche Konstellation liegt hier jedoch nicht vor.

Zwar bezieht sich der Aufhebung- und Erstattungsbescheid vom 19.9.2007 auf den die vorangegangenen Bewilligungsbescheide vom 3.5.2007 und [X.] vollständig ersetzenden Bescheid vom [X.] und kann zur Auslegung des [X.]es auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte zurückgegriffen werden (BSG [X.] 4-2600 § 96a [X.] 9 Rd[X.] 38). Mit dem Bewilligungsbescheid vom [X.] hat der Beklagte in getrennt zu betrachtenden Verfügungen Einzelansprüche der Klägerin und ihrer Tochter bewilligt. Der angefochtene Bescheid bezieht sich nach seinem Inhalt - wie bereits dargelegt - aber von vorneherein nur auf den ([X.] der Klägerin.

4. Das [X.] ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass der im Juli 2007 ausgezahlte (höhere) Verdienst für das [X.] als Einkommen nur für Juli 2007 zu berücksichtigen ist. Hierdurch ist eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 S 2 [X.] gegenüber dem Bescheid vom [X.] - als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - eingetreten.

Auch der für zurückliegende [X.]räume mit dem regelmäßigen Nettoarbeitsentgelt ausgezahlte Betrag ist Einkommen, nicht Vermögen. Nach § 11 Abs 1 [X.] [X.]I sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert; die in § 11 Abs 1 [X.]I weiter normierten Ausnahmen sind hier nicht von Bedeutung. Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.]I ist nach der Rechtsprechung der für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur sog [X.] grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen iS von § 12 [X.]I, was er vor Antragstellung bereits hatte. Dabei ist nach § 11 [X.]I im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend (vgl nur BSG [X.] 4-4200 § 11 [X.]7 Rd[X.] 23; Urteile des Senats vom [X.] - [X.] AS 49/08 R - juris Rd[X.]2 und vom 16.12.2008 - [X.] AS 48/07 R - FEVS 60, 546; s auch bereits BVerwG Urteil vom 19.2.2001 - 5 C 4/00 - DVBl 2001, 1065 f zu nachgezahltem Arbeitsentgelt). Unerheblich ist deshalb, dass die - wegen der darin enthaltenen Nachzahlung - erhöhte Gehaltszahlung für das [X.] von der Klägerin bereits zu einem früheren [X.]punkt erarbeitet wurde.

Die Berücksichtigung der zugeflossenen (höheren) Entgelteinnahmen gemäß § 11 Abs 1 [X.] [X.]I ergibt sich aus § 2 Abs 2 [X.] der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld/Sozialgeld ([X.]/[X.] - [X.]) vom 20.10.2004 ([X.] 2622). Danach sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Hierunter fällt das in der Gehaltsabrechnung erfasste höhere [X.] für den Monat Juli 2007 insgesamt, ohne dass zwischen dem regelmäßigen monatlichen Entgelt und dem [X.] zu differenzieren ist. Laufende Einnahmen sind solche, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, bei einmaligen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung. Eine - hier neben der nachträglichen - einmalige Erbringung einer an sich laufenden Einnahme ändert deren Qualifizierung grundsätzlich nicht (vgl auch [X.] vom [X.] - [X.] AS 4/08 R - Rd[X.] 21 <Übergangsgeld>; [X.] vom 21.12.2009 - [X.] AS 46/08 R - Rd[X.]4 ; Striebinger in Gagel, [X.]I/[X.]II, § 11 [X.]I, Rd[X.] 40, Stand Januar 2012). Zudem wird das Einkommen nach Maßgabe des § 2 Abs 2 [X.] [X.] grundsätzlich im [X.]punkt seines Zuflusses, hier also - nach den Feststellungen des [X.] zum [X.]punkt der Erzielung höheren Einkommens - im Juli 2007 berücksichtigt.

Unabhängig hiervon hat das [X.] bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gehaltsnachzahlung auch als einmalige Einnahme nicht auf mehrere Monate zu verteilen, sondern allein im Juli 2007 als Einkommen zu berücksichtigen gewesen wäre. § 2 Abs 3 [X.] bestimmt, dass einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen ([X.]). Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen [X.]raum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen ([X.]). Nur wenn durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers in vollem Umfang entfällt, liegt vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ein Regelfall iS des § 2 Abs 3 [X.] [X.]I vor, der grundsätzlich eine Aufteilung der einmaligen Einnahme über mehrere Monate rechtfertigt. Entfällt durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht jedoch nicht in vollem Umfang und bleibt die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung bestehen, ist keine Aufteilung der einmaligen Einnahme über mehrere Monate gerechtfertigt. Ein Grund hierfür kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass durch "Streckung" der einmaligen Einnahmen auf mehrere Kalendermonate in jedem Monat des [X.] vom Einkommen abgesetzt werden könnten und dadurch der Umfang der Berücksichtigung insgesamt wirtschaftlich verringert würde (vgl ausführlich [X.] vom 30.9.2008 - [X.] [X.]/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]6 Rd[X.] 29 f).

5. Die Änderung berechtigte den Beklagten zu einer Aufhebung der bindenden Bewilligung im Bescheid vom [X.] in Höhe von 102,89 Euro.

Wesentlich iS des § 48 Abs 1 [X.] X sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (BSG [X.] 1300 § 48 [X.] 22, [X.]; vgl auch [X.], 295 ff = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 24, Rd[X.]0; BSG [X.] 4-4200 § 22 [X.] 38 Rd[X.]5). Insofern ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] davon auszugehen, dass der Beklagte den Bescheid vom [X.] wegen der Einkommenserzielung in zutreffender Höhe von 102,89 Euro aufgehoben hat. Das [X.] ist - im Einzelnen aufgeschlüsselt - für den Monat Juli 2007 entsprechend den (korrigierten) Berechnungen des Beklagten davon ausgegangen, dass einem unveränderten Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft unter Berücksichtigung der erhöhten Einkünfte der Klägerin und eines angewachsenen Freibetrags gemäß § 30 [X.]I ein höheres anrechenbares Gesamteinkommen gegenüberstehe, sodass der ungedeckte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft geringer sei. Zur Bestimmung des die Klägerin und ihre Tochter jeweils betreffenden Anteils der individuellen Leistungsminderung hat es den überzahlten Differenzbetrag nach der Methode der sogenannten modifizierten horizontalen Berechnung im Verhältnis der individuellen Bedarfe auf beide Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt.

6. Der Beklagte war auch berechtigt, gemäß § 50 Abs 1 [X.] [X.] X von der Klägerin die Erstattung des überzahlten Betrags zu verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 4 AS 154/11 R

16.05.2012

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Lüneburg, 18. Dezember 2008, Az: S 28 AS 13/08, Urteil

§ 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10, § 48 Abs 1 S 3 SGB 10, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 330 Abs 3 S 1 SGB 3, § 33 Abs 1 SGB 10, § 7 Abs 3 SGB 2 vom 20.07.2006, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 30.07.2004, § 12 Abs 1 SGB 2, § 2 Abs 2 S 1 AlgIIV vom 20.10.2004, § 2 Abs 3 S 1 AlgIIV vom 22.08.2005, § 2 Abs 3 S 3 AlgIIV vom 22.08.2005

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 154/11 R (REWIS RS 2012, 6334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6334

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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