Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. VIII ZB 79/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6465

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren: Unterbrechung durch Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten


Leitsatz

Das Kostenfestsetzungsverfahren wird auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 29. Juni 2005, XII ZB 195/04, NZI 2006, 128).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des [X.] vom 15. August 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf bis zu 900 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die [X.]en haben zur Beilegung von zwei ursprünglich getrennt geführten Verfahren einen Vergleich geschlossen, dessen Zustandekommen mit Beschluss des [X.] vom 11. März 2011 festgestellt worden ist. Danach trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs und des [X.], welche die [X.]en jeweils selbst tragen. Am 31. März 2011 haben die Klägerinnen beantragt, die ihnen entstandenen Kosten gegen die Beklagte festzusetzen. Nachdem am 16. Juni 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] eröffnet worden war, hat das [X.] mit Beschluss vom 28. Juni 2011 die Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens festgestellt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

2

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 575 ZPO) ist unbegründet.

3

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Das Kostenfestsetzungsverfahren sei durch die Insolvenz der [X.] gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden. Denn das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß §§ 103, 104 ZPO stelle ein selbständiges Verfahren dar, auf welches § 240 ZPO unabhängig davon anwendbar sei, ob der zugrundeliegende Rechtsstreit noch anhängig oder - wie hier - rechtskräftig abgeschlossen sei. Auch der Sinn und Zweck des § 240 ZPO, dem Insolvenzverwalter und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich auf die durch die Insolvenzeröffnung eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen, spreche in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung in der neueren Rechtsprechung und Literatur für die Unterbrechungswirkung. Gegen eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens gemäß § 240 ZPO spreche, anders als die Beschwerde meine, auch nicht etwa, dass die Kostenfestsetzung "lediglich die Rechnung der Kosten" darstellen würde. Vielmehr handele es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein vielfach kontrovers geführtes Verfahren, das über eine bloße Berechnung feststehender Positionen auf der Grundlage einer Kostengrundentscheidung weit hinausgehe.

4

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Insolvenz der [X.] gemäß §§ 240, 249 ZPO zur Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens geführt hat.

5

Der [X.] hat bereits entschieden, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren für die Kosten der Vorinstanzen auch dann unterbrochen ist, wenn die Unterbrechungswirkung erst in einem späteren Rechtszug eintritt und die Kostengrundentscheidung somit nicht rechtskräftig wird ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, [X.], 128 unter [X.]). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird das Kostenfestsetzungsverfahren indes auch dann durch die Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten unterbrochen, wenn zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung die Kostengrundentscheidung bereits rechtskräftig ist.

6

Denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 [X.]). Dies hat zur Folge, dass der Schuldner auch die Prozessführungsbefugnis verliert, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist ([X.], 27, 29; [X.], [X.], 3529, 3530; [X.], Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 80 Rn. 9; vgl. [X.], 29, 32 ff.), so dass ein Rechtsstreit nicht ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters fortgeführt werden kann. Dies gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, aaO; [X.], [X.], 424 f.; Z[X.] 2011, 398 f.; [X.], [X.], 1203 f.; [X.], [X.], 95 f.). Denn das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein selbständiges, an das Verfahren des ersten Rechtszuges angegliedertes (§ 103 Abs. 2 ZPO) Verfahren ([X.], Beschluss vom 6. Dezember 2007 - [X.], [X.], 2040 Rn. 6; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 103 Rn. 2).

7

Auch der Sinn und Zweck der §§ 240, 249 ZPO gebietet entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung eine Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, aaO). Mit der Unterbrechung soll den Beteiligten des Verfahrens und dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die durch die Insolvenz einer [X.] eingetretene Veränderung der Sachlage einzustellen. Zwar ist der Kostenerstattungsanspruch bei Vorliegen eines Titels - wie hier der Fall - bereits dem Grunde nach gegeben; die Höhe dieses Anspruchs steht jedoch erst aufgrund des - gegebenenfalls streitig zu führenden - Kostenfestsetzungsverfahrens fest. Es ist daher geboten, auch insoweit dem Verwalter Gelegenheit zu geben, sich hinsichtlich des Verfahrens sachkundig zu machen und die Aufnahme des Verfahrens zu prüfen ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, aaO; [X.], aaO).

III.

8

Bei der Festsetzung des Streitwertes hat der Senat 10 % der geltend gemachten Kostenausgleichsforderung zugrunde gelegt, da eine höhere Verteilungsquote im Insolvenzverfahren weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (vgl. § 182 [X.]; [X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, aaO unter III mwN).

Ball                                               Dr. Frellesen                                               Dr. Milger

                      Dr. Fetzer                                                  Dr. Bünger

Meta

VIII ZB 79/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 15. August 2011, Az: 15 W 67/11

§ 104 ZPO, § 240 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. VIII ZB 79/11 (REWIS RS 2012, 6465)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6465

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Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 56/22

IX ZR 311/12

IX ZR 332/12

VIII ZB 79/11

12 W 1819/16

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