Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.11.2022, Az. XII ZB 311/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8150

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anspruch eines als Betreuer bestellten Rechtsanwalts für Insolvenzrecht auf Anwaltsvergütung für seine insolvenzrechtliche Unterstützung im Rahmen der Betreuung


Leitsatz

1. Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Hiervon ist auszugehen, wenn ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen würde (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 683/11, FamRZ 2014, 1628).

2. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines Eigeninsolvenzantrags des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 27. Juni 2022 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Wert: 908 €

Gründe

I.

1

[X.]er als Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätige Beteiligte ist seit November 2016 zum Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt. Er begleitete den Betroffenen, der früher selbständig tätig gewesen und hierdurch in finanzielle Schieflage geraten war, zunächst im Rahmen eines auf Fremdantrag eingeleiteten Insolvenzverfahrens und bereitete nach dessen Aufhebung einen Eigenantrag des Betroffenen auf [X.]urchführung eines Regelinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung vor. Aufgrund dieses Eigenantrags eröffnete das Amtsgericht – Insolvenzgericht – durch Beschluss vom 22. März 2021 ein erneutes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Betroffenen wegen Zahlungsunfähigkeit, nunmehr mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung.

2

Mit [X.] vom 20. August 2021 hat der Betreuer die Festsetzung einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Höhe von 907,97 € brutto für seine Betreuertätigkeit im Zeitraum vom 19. Februar 2021 bis zum 22. März 2021 beantragt. [X.]as Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. [X.]ie hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt er weiterhin die Festsetzung der beantragten Betreuervergütung.

II.

3

[X.]ie Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in der angefochtenen Entscheidung zugelassen hat (§ 70 Abs. 1 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

4

1. [X.]as [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuer könne die geltend gemachte Vergütung neben der pauschalen Betreuervergütung nicht verlangen, weil davon auszugehen sei, dass ein nicht anwaltlicher Betreuer der höchsten Vergütungsstufe die entfalteten Tätigkeiten ohne anwaltliche Unterstützung erbracht hätte. [X.]ass ein Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe im Regelinsolvenzverfahren anwaltliche Unterstützung benötige, sei mit Blick auf die gerichtliche Beratungspflicht aus § 1837 Abs. 1 Satz 1, § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nicht anzunehmen. Auch im Hinblick auf Insolvenzforderungen, die auf eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gestützt und daher von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien, habe es keinen besonderen Beratungsbedarf gegeben, weil auf die Erkenntnisse aus dem vorangegangenen Insolvenzverfahren habe zurückgegriffen werden können. [X.]ie Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses sei im Übrigen bereits Bestandteil der allgemeinen Amtsführung des Betreuers.

5

2. [X.]ies hält rechtlicher Überprüfung stand.

6

a) Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 2 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 4, 5 [X.] ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach der gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 5 Abs. 5 Satz 2 [X.] anwendbaren Regelung in § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. [X.]er als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann daher eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. [X.]ies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Betreute – und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse – keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen [X.]ienste eines [X.]ritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2014 - [X.] 683/11 - FamRZ 2014, 1628 Rn. 10 mwN).

7

b) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht zu Recht entschieden, dass der Betreuer keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB hat. Seine Annahme, ein nicht anwaltlicher Betreuer hätte unter den hier gegebenen Umständen keine anwaltliche Unterstützung für die Vorbereitung und das Stellen eines Regelinsolvenzantrags mit der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung in Anspruch genommen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

8

aa) Zu Recht hat das Beschwerdegericht insoweit zunächst auf die dem Betreuer nach § 1837 Abs. 1 Satz 1 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit hingewiesen, sich vom Betreuungsgericht bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben beraten zu lassen (vgl. hierzu [X.] in [X.]/[X.] Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht 5. Aufl. Teil [X.] Rn. 96; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 6. Aufl. § 4 [X.] Rn. 11; [X.] in [X.]/[X.]/Harm Betreuungsrecht 6. Aufl. § 4 [X.] Rn. 6). [X.]aneben hat der Betreuer die Möglichkeit, sich von der Betreuungsbehörde beraten und bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützen zu lassen (§ 4 Abs. 3 [X.]; vgl. hierzu [X.]/[X.] Betreuungsrecht 6. Aufl. § 4 [X.] Rn. 9 f.; [X.] in [X.]/[X.]/Harm Betreuungsrecht 6. Aufl. § 4 [X.] Rn. 12 f.; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 4 [X.] Rn. 26). Zur Vorbereitung eines [X.] halten zudem Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen – meist kostenlose – Beratungs- und Unterstützungsangebote bereit, auf die ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter Betreuer bei Bedarf zurückgreifen kann, so dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe für die Vorbereitung eines [X.] des Betreuten keiner anwaltlichen Unterstützung bedarf.

9

bb) Ungeachtet dessen hat das Beschwerdegericht auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses gemäß § 1802 Abs. 1 Satz 1 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB bereits zu den allgemeinen Aufgaben eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge gehört (vgl. hierzu [X.], 63) und dass vorliegend für die Vorbereitung des [X.] des Betroffenen auf die Erkenntnisse des vorangegangenen Insolvenzverfahrens zurückgegriffen werden konnte. [X.]er vom Betreuer hervorgehobene Umstand, dass bei der Vorbereitung des [X.] von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 302 Nr. 1 Alt. 1 [X.]) in den Blick zu nehmen gewesen seien, lässt dabei nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass sich ein nicht anwaltlicher Betreuer unter den konkreten Umständen berechtigterweise zur Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung veranlasst gesehen hätte. Es stellt schon keine Besonderheit dar, dass gegen einen Insolvenzschuldner Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 Alt. 1 [X.] geltend gemacht werden. Auch insoweit trägt im Übrigen die Erwägung des [X.], dass für den Eigenantrag des Betroffenen weitgehend auf die bereits durch das frühere Insolvenzverfahren gewonnenen Erkenntnisse und daneben auf eröffnete kostenlose Beratungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden konnte. Ein zusätzlich angefallener rechtlicher Beratungsbedarf, der einen nicht anwaltlichen Betreuer der höchsten Vergütungsstufe berechtigterweise zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts veranlasst hätte, ist letztlich weder konkret dargetan noch sonst ersichtlich. [X.]ies gilt auch mit Blick auf etwa mit Gläubigern im Rahmen eines Schuldenbereinigungsversuchs geführte Verhandlungen, für die es regelmäßig keiner besonderen Rechtskenntnisse bedarf.

cc) [X.]ie Voraussetzungen für einen Anspruch des Betreuers auf Vergütung nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB, § 5 Abs. 5 Satz 2 [X.] ergeben sich schließlich auch nicht nach Maßgabe der Regelung in Art. 112 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 4, Sätze 2 und 3 [X.] iVm § 305 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 3 [X.].

(1) Gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 [X.] bedarf es für einen [X.] einer aufgrund persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellten Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass ein Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung gescheitert ist; die Bescheinigung ist von einer geeigneten Person oder Stelle auszustellen. Geeignet in diesem Sinne sind nach Art. 112 Abs. 1 [X.] iVm § 305 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 3 [X.] nur solche Stellen, die von der Regierung als geeignet anerkannt sind. Voraussetzung für die Anerkennung ist dabei unter anderem, dass die erforderliche Rechtsberatung sichergestellt ist (Art. 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.]). [X.]ies ist nach Art. 112 Abs. 2 Satz 3 [X.] der Fall, wenn mindestens eine der in der Stelle tätigen Personen für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts qualifiziert ist oder eine solche Person der Stelle beratend zur Seite steht. Nach Art. 112 Abs. 2 Satz 2 [X.] soll zudem jede zur Insolvenzberatung eingesetzte Person qualifiziert sein für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts oder ein Amt ab Besoldungsgruppe [X.] in den Fachlaufbahnen Verwaltung und Finanzen oder Justiz, beziehungsweise eine der weiteren in Nr. 2 und Nr. 3 genannten Ausbildungen abgeschlossen haben.

(2) [X.]anach kann ein [X.] am Wohnsitz des Betroffenen zwar nur gestellt werden, wenn für diesen im Vorfeld die Möglichkeit bestand, eine etwa erforderliche Rechtsberatung zu den im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsversuch auftretenden Fragen zu erlangen. [X.]a eine solche Schuldnerberatung zur Vorbereitung eines Insolvenzverfahrens einschließlich der Möglichkeit einer etwa erforderlichen Rechtsberatung jedoch flächendeckend kostenlos von gemeinnützigen Organisationen angeboten wird, die als geeignete Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 [X.] 1 und 3 [X.], Art. 112 Abs. 1 und 2 [X.] anerkannt sind, hätte auch unter diesem Gesichtspunkt ein nicht anwaltlicher Betreuer keine berechtigte Veranlassung gehabt, sich zur Erfüllung seiner Aufgaben anwaltlicher Unterstützung zu bedienen.

Guhling  

  

RiBGH Schilling ist wegen
Erkrankung an der Unter-
schrift gehindert.

  

Nedden-Boeger

  

  

Guhling

  

  

  

Botur  

  

  Pernice  

  

Meta

XII ZB 311/22

30.11.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG München I, 27. Juni 2022, Az: 13 T 15199/21

§ 1835 Abs 3 BGB, § 1908i Abs 1 S 1 BGB, § 5 Abs 5 S 2 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.11.2022, Az. XII ZB 311/22 (REWIS RS 2022, 8150)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8150 MDR 2023, 255-256 REWIS RS 2022, 8150 NJW 2023, 785 REWIS RS 2022, 8150

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 115/23 (Bundesgerichtshof)

Berufsbetreuung: Anspruch auf Aufwendungsersatz für Erstellung einer Einkommensteuererklärung


XII ZB 342/22 (Bundesgerichtshof)

Anspruch eines Rechtsanwalts auf gesonderten Aufwendungsersatz für Betreuertätigkeit


16 Wx 17/08 (Oberlandesgericht Köln)


XII ZB 118/03 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 683/11 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des anwaltlichen Betreuers: Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach Antrag auf Festsetzung pauschaler Vergütung; Abgrenzung pauschal …


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 115/23

XII ZB 342/22

Zitiert

XII ZB 683/11

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.