Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2023, Az. XII ZB 115/23

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 5324

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Berufsbetreuung: Anspruch auf Aufwendungsersatz für Erstellung einer Einkommensteuererklärung


Leitsatz

Zum Anspruch eines anwaltlichen Berufsbetreuers auf Aufwendungsersatz für die Erstellung einer Einkommensteuererklärung für den Betreuten.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des [X.] vom 3. März 2023 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

[X.]: 129 €

Gründe

I.

1

Für den 1983 geborenen und mittellosen Betroffenen ist eine Betreuung unter anderem mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge eingerichtet und der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) zum Berufsbetreuer bestellt. Der Betreuer fertigte für den Betroffenen die Einkommensteuererklärung für das [X.] an, reichte diese bei der Finanzbehörde ein und prüfte den am 22. April 2022 erlassenen Einkommensteuerbescheid. Hierfür hat er die Festsetzung einer nach den [X.] der Steuerberatervergütungsverordnung berechneten Vergütung in Höhe von 129,41 € gegen die Staatskasse beantragt. Das Amtsgericht hat den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass Aufwendungsersatz für anwaltsspezifische Tätigkeiten nach §§ 1835 Abs. 3, 1908 i [X.] nur dann geschuldet sei, wenn ein nicht entsprechend qualifizierter Betreuer hierzu bei sachgerechter Arbeitsweise seinerseits einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei hier aber nicht erforderlich. Insbesondere könne der Anspruch nicht darauf gestützt werden, dass nach § 3 StBerG nur ein bestimmter Personenkreis - zu dem auch der Betreuer gehöre - zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen berechtigt sei. Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des [X.] liege nur bei der Besorgung fremder Steuerangelegenheiten vor, während die Besorgung eigener Steuerangelegenheiten nicht als Hilfeleistung angesehen werde. Eine fremde Steuerangelegenheit des Betreuers sei aber nicht gegeben, denn er sei im Rahmen des § 34 Abs. 1 [X.] als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen tätig geworden, was für ihn ein eigenständiges Pflichtenverhältnis zur Finanzbehörde begründet habe; dazu gehöre auch die Abgabe von Steuererklärungen. Der Betreuer habe nicht dargelegt, dass die Abgabe der Steuererklärung für den Betroffenen besondere Schwierigkeiten aufgeworfen hätte, zumal dieser nur Einkünfte aus einer Erwerbsminderungsrente bezogen habe und lediglich Vorsorgeaufwendungen und Pauschbeträge einschließlich des [X.] zu berücksichtigen gewesen seien.

4

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

5

a) Auf den geltend gemachten Vergütungsanspruch des Betreuers für die im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung und der Prüfung des Einkommensteuerbescheides bis zum April 2022 entfalteten Tätigkeiten ist das bis zum 31. Dezember 2022 geltende Recht anzuwenden (vgl. auch Senatsbeschluss vom 1. Februar 2023 - [X.]/22 - FamRZ 2023, 793 Rn. 7).

6

b) Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 [X.], §§ 4, 5 [X.] aF ist grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 [X.] kann jedoch ein Betreuer dem Betreuten erbrachte Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der Betreuer kann daher eine im Rahmen der Betreuung entfaltete Tätigkeit gemäß § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 [X.] nach dem für seinen Beruf maßgeblichen Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für diesen Beruf spezifische Tätigkeit darstellt. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betreute - und bei mittellosen Betreuten die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn sein Betreuer aufgrund seiner Spezialkenntnisse etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise gegen Entgelt fremde Hilfe in Anspruch genommen hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. November 2022 - [X.] 311/22 - FamRZ 2023, 470 Rn. 6 und vom 14. Mai 2014 - [X.] 683/11 - FamRZ 2014, 1628 Rn. 10 mwN). Andererseits darf die Einstandspflicht der Staatskasse für den Aufwendungsersatz des Betreuers bei mittellosen Betreuten nicht dazu führen, dass ihnen auf diesem Wege aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen gewährt werden, auf die sie als [X.] ohne Einrichtung einer Betreuung keinen Anspruch hätten (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - [X.] 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Gericht bereits bei der Betreuerbestellung die Qualifikation des Betreuers berücksichtigt hat und sich diese auf die Höhe der pauschalen Vergütung auswirkt (vgl. [X.], 573, 574; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1877 [X.] Rn. 22; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. November 2022 - [X.] 311/22 - FamRZ 2023, 470 Rn. 9).

7

c) Die Besorgung von Steuerangelegenheiten des Betreuten durch einen Berufsbetreuer gebietet auch mit Blick auf das Steuerberatungsgesetz keine grundlegend abweichende Beurteilung. Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass Steuererklärungen für den Betreuten nur durch solche Berufsbetreuer abgegeben werden dürften, die nach § 3 Nr. 1 StBerG zur uneingeschränkten Hilfe in Steuersachen befugt seien (ebenso [X.] NJW-RR 2008, 1606), und es deshalb auf die Komplexität der für den Betreuten zu erstellenden Steuererklärung im Einzelfall nicht ankomme, trifft nicht zu.

8

aa) Ein Betreuer, dem - wie hier - der Aufgabenbereich der Vermögenssorge übertragen worden ist, hat als gesetzlicher Vertreter (§ 1902 [X.], jetzt § 1823 [X.]) des Betreuten nach § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] dessen steuerliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. [X.] Beschluss vom 28. Juli 2011 - VIII B 18/11 - juris Rn. 6). Er hat dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Seine Pflicht, die steuerlichen Verpflichtungen des Betreuten zu erfüllen, ist grundsätzlich umfassend. Der Betreuer ist insbesondere zur Abgabe und gegebenenfalls auch zur Berichtigung von Steuererklärungen verpflichtet (vgl. [X.], 680, 682; [X.]/Rätke [X.] 16. Aufl. § 149 Rn. 3; [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 149 Rn. 10; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1823 [X.] Rn. 117).

9

bb) Ob - wie das Beschwerdegericht meint - aus dieser abgabenrechtlichen Pflichtenlage des Betreuers ohne weiteres hergeleitet werden kann, dass er mit der Hilfestellung bei der Steuererklärung für den von ihm gesetzlich vertretenen Betreuten keine fremde, sondern eine eigene Angelegenheit im Sinne des [X.] besorgt, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Steuerangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (vgl. [X.] Beschluss vom 8. Oktober 2010 - [X.]/10 - juris Rn. 16). Indessen verhilft es der Rechtsbeschwerde auch nicht zum Erfolg, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass ein Berufsbetreuer bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung für seine Betreuten im Rahmen geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen tätig wird und er deshalb hierfür eine Befugnis nach den §§ 2 bis 4 StBerG benötigt.

Denn ein berufsmäßiger Betreuer mit dem Aufgabenbereich Vermögenssorge, der seine (uneingeschränkte) Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG herleiten kann, weil er nicht zu den dort genannten Berufsträgern (Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene [X.] Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer) gehört, ist jedenfalls nach § 4 Nr. 4 StBerG als berechtigt anzusehen, dem Betreuten Hilfestellung bei dessen eigener Steuererklärung zu geben (vgl. Kuhls/Maxl/Riddermann StBerG 4. Aufl. § 4 Rn. 28; HK-BUR/[X.]/[X.] [Stand: April 2023] § 1823 [X.] nF Rn. 13). Nach § 4 Nr. 4 StBerG sind Verwalter fremden Vermögens hinsichtlich des von ihnen verwalteten Vermögens zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Der Erlaubnistatbestand des § 4 Nr. 4 StBerG ist dabei nicht restriktiv auszulegen (vgl. [X.] NJW 2015, 2607 Rn. 8 f.). Verwalten im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, die wirtschaftlichen Interessen eines [X.] mit einer gewissen Handlungsfreiheit und für eine gewisse Dauer wahrzunehmen (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/von [X.] [Stand: April 2023] StBerG § 4 Rn. 8). Dem entspricht grundsätzlich die Tätigkeit eines Betreuers mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge, zu dessen gesetzlichen Aufgaben es gehört, das Vermögen des Betreuten - wenngleich unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Maßgaben (vgl. §§ 1835 ff. [X.]) - zu verwalten und folglich auch die damit im Zusammenhang stehenden steuerlichen Erklärungen zu erstellen. Wäre demgegenüber § 4 Nr. 4 StBerG auf einen Vermögensbetreuer nicht anwendbar, hätte dies zur Konsequenz, dass ein berufsmäßiger Betreuer, der nicht zu den in § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG genannten Berufsträgern gehört, die ihm persönlich durch § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegenüber der Finanzbehörde auferlegte Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für den Betreuten nicht erfüllen könnte, ohne zuvor für deren Erstellung die Hilfe eines qualifizierten [X.] in Anspruch nehmen zu müssen. Es ergibt sich nichts für die Annahme, dass eine unterschiedliche Behandlung von Betreuern bei der Erfüllung ihrer aus § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] erwachsenen Pflichten den Intentionen des Gesetzgebers entsprochen haben könnte.

d) Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es auch im Zusammenhang mit der Hilfeleistung bei Steuerangelegenheiten allein auf den konkreten Umfang der Tätigkeit und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten ankommt (so auch MünchKomm[X.]/[X.] 8. Aufl. § 1835 Rn. 40). Gemessen daran hat das Beschwerdegericht zu Recht entschieden, dass der Betreuer hier keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 iVm § 1908 i Abs. 1 Satz 1 [X.] hat. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des [X.] war die Erstellung der Steuererklärung für den Betroffenen weder umfangreich noch schwierig, weil in dieser Erklärung lediglich Renteneinkünfte, Vorsorgeaufwendungen und Pauschbeträge einschließlich des [X.] für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen gewesen sind. Die darauf gestützte Annahme, dass ein nicht zu den Berufsträgern nach § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG gehörender Betreuer der höchsten Vergütungsstufe unter diesen Umständen keinen Steuerberater mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den Betroffenen beauftragt hätte, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Hiergegen erinnert letztlich auch die Rechtsbeschwerde nichts.

[X.]     

      

[X.]     

      

Botur 

      

Krüger     

      

Pernice     

      

Meta

XII ZB 115/23

19.07.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Potsdam, 3. März 2023, Az: 8 T 68/22

§ 34 Abs 1 AO, § 3 S 1 Nr 1 StBerG, § 4 Nr 4 StBerG, § 1835 Abs 3 BGB vom 17.12.2008, § 1836 Abs 1 S 2 BGB vom 21.04.2005, § 1836 Abs 1 S 3 BGB vom 21.04.2005, § 1908i Abs 1 S 1 BGB vom 17.12.2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2023, Az. XII ZB 115/23 (REWIS RS 2023, 5324)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5324

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 311/22 (Bundesgerichtshof)

Anspruch eines als Betreuer bestellten Rechtsanwalts für Insolvenzrecht auf Anwaltsvergütung für seine insolvenzrechtliche Unterstützung im …


XII ZB 342/22 (Bundesgerichtshof)

Anspruch eines Rechtsanwalts auf gesonderten Aufwendungsersatz für Betreuertätigkeit


XII ZB 118/03 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 104/22 (Bundesgerichtshof)

Anspruch eines anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergütung


XII ZB 9/21 (Bundesgerichtshof)

Vergütung des Berufsbetreuers: Ermittlung der Unterhaltsansprüche bei der Feststellung der Mittellosigkeit des Betreuten; Überzeugungsbildung über …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

II B 111/10

VIII B 18/11

XII ZB 683/11

XII ZB 311/22

XII ZB 104/22

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.