Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2015, Az. B 2 U 11/14 R

2. Senat | REWIS RS 2015, 404

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2106 - aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand: wissenschaftliche Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats oder BK-Merkblatt und Fachliteratur - keine Erschütterung durch einzelne Gegenstimmen oder Mindermeinung - typisches Krankheitsbild: eindeutige Beziehung zwischen Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund - Bejahung der naturwissenschaftlichen Kausalität im Einzelfall - Druckschädigung der Nerven - Pflücktätigkeit eines Obstbauers über mehrere Jahrzehnte


Leitsatz

1. Für die Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" (Nr 2106) ist eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend.

2. Einzelne Gegenstimmen sind nicht geeignet, einen einmal gebildeten und in der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats oder in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt.

3. Bei einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung und einem belastungskonformen Schadensbild kann bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität im Einzelfall bejaht werden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. März 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur [X.] ([X.] 2106).

2

Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. [X.] teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer [X.] 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005).

3

Das [X.] hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom ([X.]) ab 10.11.2005 als [X.] 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von [X.] zu entschädigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid des [X.] aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Kläger lasse sich das Vorliegen einer [X.] 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein [X.] vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der [X.] 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte [X.] nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang, dass das [X.] nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen [X.] kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit des [X.] liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht werde, während die unter die [X.] 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung exogener Einflüsse auf die Verursachung eines [X.] gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines [X.] durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer [X.] 2106 genüge die bloße Möglichkeit des [X.] jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des B[X.] sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen [X.] zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht. Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur [X.] 2106 auch das Krankheitsbild des [X.] als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger vorliegenden [X.] durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008 zwar sechs Verdachtsfälle eines [X.] als [X.] 2106 der [X.] gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der Berufsgruppe des [X.] befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen statistisch mit dem Auftreten weiterer [X.]-Erkrankungen zu rechnen gewesen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 [X.]B VII iVm [X.] 2106. Das L[X.] habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des [X.] gestützt, nach dem das Vorliegen der [X.] 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das L[X.] zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenrates beim [X.] vom [X.] zu entnehmen sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das [X.] ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der [X.] 2106 genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines [X.] verneint habe, habe das L[X.] nicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines [X.] annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als [X.] mit der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der [X.] habe angesichts der Vielzahl an Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten [X.] in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.

5

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des [X.] vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.    

den Gerichtsbescheid des [X.] vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als [X.] zu bewilligen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Zutreffend sei das L[X.] davon ausgegangen, dass ein [X.] in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu den von der [X.] 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit zu.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Die vom [X.] festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der [X.] 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende) [X.] zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], verbunden mit der auf Feststellung einer [X.] gerichteten Klage und der auf Verurteilung zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig ([X.] [X.] U 14/07 R - juris Rd[X.] 14).

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der [X.] ist § 9 Abs 1 [X.] iVm [X.] 2106. [X.] 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom [X.] ) lautet: "Druckschädigungen der Nerven". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 [X.] sind [X.]en nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] als solche bezeichnet sind (sog Listen-[X.]) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 [X.] begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-[X.] (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität ) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität ). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des [X.] - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden [X.] genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom [X.] - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 10, [X.] U 10/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 6 Rd[X.] 11 sowie B 2 U 20/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 8 Rd[X.] 10; s auch BSG vom [X.] - [X.] U 11/12 R - [X.], 90 = [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2109 [X.] 1, Rd[X.] 12; BSG vom [X.] - [X.] U 30/07 R - [X.], 45 = [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 3101 [X.] 4, Rd[X.] 16 mwN; BSG vom [X.] - [X.] U 9/08 R - [X.], 59 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 14, Rd[X.] 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - [X.] U 26/10 R - [X.] Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - [X.] U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - [X.] U 25/10 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 4111 [X.] 3 Rd[X.] 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-[X.], wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

A. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004 führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst § 2 Abs 1 [X.] 5b [X.] und sodann § 2 Abs 1 [X.] 5a [X.].

Den Feststellungen des [X.] lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der [X.] 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der [X.] 2106 enthält darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.

B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines [X.], wenngleich das [X.] die konkrete Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).

Bei der [X.] 2106 handelt es sich um eine sog offene [X.]-Bezeichnung (vgl Spellbrink, [X.] 2012, 360, 362; ders [X.] 2013, 431 f; [X.], NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen der Nerven", genannt wird. [X.] sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser [X.] ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 9 Rd[X.] 149 f).Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die [X.]-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen ([X.] vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - [X.], 149 = [X.] 4-5670 Anl 1 [X.] 240 [X.] 1, Rd[X.] 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).

Beim [X.], das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut [X.], G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses [X.] nach dem Willen des [X.] nicht vom Schutzbereich der [X.] 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen. So wird das [X.] sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur [X.] [X.] 2106: Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des [X.] vom [X.] - [X.] 4-45222-2106; [X.] 9/2001, [X.]-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt (Bekanntmachung des [X.] vom 1.10.2002, [X.] 11/2002, [X.]) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität" als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der [X.], der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der [X.] 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für die wissenschaftliche Begründung von [X.]en maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim [X.] davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der [X.] 2106 umfasst sein sollte.

Zutreffend hat das [X.] zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der [X.] noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - [X.] U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen [X.] heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 8 Rd[X.] 15; BSG vom 12.4.2005 - [X.] U 6/04 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] 5 Rd[X.] 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - [X.], 149 = [X.] 4-5670 Anl 1 [X.] 2402 [X.] 1, Rd[X.] 17 mwN; BSG vom [X.] - [X.] U 16/00 R - [X.] 3-2200 § 551 [X.] 16 [X.]5 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom [X.] - [X.] U 34/99 R - [X.] 3-5670 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 2).

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein [X.] nicht durch Druckbelastung verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der [X.] 2106 ausscheidet, wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen [X.] unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen [X.]en-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen [X.] auch revisionsrechtlich überprüfbar (zuletzt BSG vom [X.] - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 20, [X.] U 10/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 6 Rd[X.] 20, B 2 U 20/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 8 Rd[X.] 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung anderer Senate de[X.]). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom [X.] - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 22; BSG vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - [X.], 291, 295 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 7, Rd[X.] 20).

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen Erkenntnisstand (s jeweils zur [X.] 2108 BSG vom 23.4.2015 - [X.] U 10/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - [X.] U 6/13 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 22), sie gelten aber auch bei anderen [X.]en für die in der wissenschaftlichen Begründung des [X.], in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein [X.] zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein [X.] könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich auch das [X.] nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines [X.] durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält. Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten [X.] konnte das [X.] schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des [X.] durch äußere Druckeinwirkung existiere.

C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das [X.] zu Recht den [X.] zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der [X.] 2106 und dem festgestellten [X.] verneint hat. Für die Anerkennung einer [X.] im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein [X.] zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige [X.] 2106 bedeutet dies, dass das beim Kläger festgestellte [X.] durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht worden sein muss. Für den [X.] zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im [X.]en-Recht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - [X.] U 9/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 44 Rd[X.] 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.], 177 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 46, Rd[X.] 37; zu [X.]en [X.] vom 29.11.2011 - [X.] U 26/10 R - juris Rd[X.] 32; [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 13 sowie - [X.] U 26/04 R - juris Rd[X.] 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ([X.]). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der [X.] fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten [X.] fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - [X.] U 8/14 R - ; BSG vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.], 177 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 46, Rd[X.] 37 sowie [X.] [X.] U 17/10 R - [X.], 274 = [X.] 4-2700 § 11 [X.] 1, Rd[X.] 28 ff).

Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des [X.] die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das [X.] - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen lassen (dazu unter 1.), sowie ob das [X.] zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).

1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung des [X.] als [X.] 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element der Anspruchsprüfung einer [X.], das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen (s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 8 Rd[X.] 13; vgl [X.], Die Umsetzung der [X.] 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/[X.] , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" <[X.] 2108>, [X.] 2014, [X.], 193). Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des [X.] ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden Pflückschürze geerntet hat.

Das Urteil des [X.] enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das [X.] offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen [X.] hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden können ([X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 30).

Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer [X.] 2106 eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend ist ([X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, [X.]). Erst wenn diesbezügliche Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen. Hierbei wird das [X.] zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung des [X.] der [X.] 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des [X.] vom [X.] - [X.] 4-45222-2106; [X.] 9/2001, [X.]-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des [X.] vom 1.10.2002, [X.] 11/2002, [X.]) oder die aktuelle Fachliteratur zur [X.] 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.

Das [X.] wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der [X.] - weitere beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein [X.] zu verursachen.Sowohl in der wissenschaftlichen Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur ([X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, [X.]) werden neben "[X.] auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm"als bekannte arbeitsbedingte Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei [X.] eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.

Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des bindend festgestellten Krankheitsbildes des [X.] schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das [X.] durchaus aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann ([X.], Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der [X.] Studie, Dissertation [X.], 2004, [X.] f; [X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, [X.]).

2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des [X.] ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen [X.]s zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der [X.] 2106 und dem beim Kläger festgestellten [X.], dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind (dazu unter a). Ferner wird das [X.] ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 [X.] zu erwägen haben (dazu unter b).

a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom [X.] - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 18).

Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 163 Rd[X.] 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das [X.] von einem offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - [X.] U 10/14 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 6 Rd[X.] 20, sowie BSG vom [X.] - B 2 U 16/08 R - [X.] Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom [X.] - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 2108 [X.] 7 Rd[X.] 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - [X.] U 100/12 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 24 Rd[X.] 18; BSG vom 24.7.2012 - [X.] U 9/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 44 Rd[X.] 69; BSG vom 15.9.2011 - [X.] U 25/10 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 4111 [X.] 3 Rd[X.] 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - [X.], 291 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 7, Rd[X.] 20; [X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17 mwN).

Das [X.] hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des [X.] die Verursachung des [X.] durch die durch das Tragen der [X.] entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt zur [X.] 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des [X.] durch exogene Einflüsse existiere. Soweit das [X.] deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung des [X.] der [X.] 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur ([X.]/[X.]/[X.], Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, [X.]) jeweils "[X.] auf der Schulter" neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm, Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.

Soweit das [X.] nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen [X.] letztlich nicht entschieden werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl [X.] vom 26.11.1992 - 7 [X.] - [X.], 256 = [X.] 3-4100 § 119 [X.] 7, Rd[X.] 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 [X.] und § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen (stRspr, BSG vom 24.11.2010 - [X.] [X.] 35/09 R - juris Rd[X.] 20; Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 4/09 R - juris Rd[X.] 17; BSG vom 24.5.2006 - [X.]a [X.] 7/05 R - [X.], 238 = [X.] 4-4220 § 6 [X.] 4, Rd[X.] 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - [X.] U 9/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 44 Rd[X.] 61).

Das [X.] führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler [X.]en es keinen Automatismus der Bejahung des [X.]s allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer bestimmten Erkrankung gibt ([X.] vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - [X.], 291 = [X.] 4-2700 § 9 [X.] 7, Rd[X.] 19 sowie BSG vom [X.] - [X.] U 15/05 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 4104 [X.] 2 Rd[X.] 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender [X.] die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen regelmäßig zu einer Anerkennung der [X.] führen würde ([X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 20; BSG vom 7.9.2004 - [X.] U 34/03 R - juris Rd[X.] 22; s zur Unfallkausalität beim [X.] vom 24.7.2012 - [X.] U 9/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 44 Rd[X.] 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen ([X.] - [X.] U 1/05 R - [X.], 196 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 17, Rd[X.] 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim [X.] vom 31.1.2012 - [X.] U 2/11 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.] 43 Rd[X.] 30; s auch bereit[X.] vom 21.11.1958 - 5 [X.] 33/57 - [X.], 245, 247; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 128 Rd[X.] 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben <[X.] 3101> BSG vom [X.] - B 2 U 19/05 R - juris Rd[X.] 16; vgl zur Verursachung von [X.] bei Bergleuten <[X.] 2102> BSG vom 27.11.1986 - 5a [X.]U 3/85 - [X.] 5670 Anl 1 [X.] 2102 [X.] 2 Rd[X.] 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.

Daher wird das [X.] nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des [X.] ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle des [X.] mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte [X.] auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a [X.]U 3/85 - [X.] 5670 Anl 1 [X.] 2102 [X.] 2 Rd[X.] 12). Hierzu wird das [X.] auch festzustellen haben, welche Variante des [X.] beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung verursachbares [X.] in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der [X.], der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der [X.] betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom oder [X.], wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das [X.] als Sonderform des [X.] bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen verursacht wird (s zum Vorstehenden [X.], Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der [X.] Studie, Dissertation [X.], 2004, [X.] f).

Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden [X.] und des Ortes der [X.] lassen sich Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete [X.] war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das [X.] unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis zum [X.] zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes [X.] ausgeht, wird es nicht den Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von [X.] negieren können, der offenkundig das Bestehen des [X.] verneint. Auch wird das [X.] dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines [X.] als [X.] 2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des [X.] befunden hat, keine den [X.] ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das [X.] sind (vgl aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie [X.] nach § 9 Abs 2 [X.]: BSG vom 18.6.2013 - [X.] U 6/12 R - [X.] 4-2700 § 9 [X.] 22 Rd[X.] 17 ff).

b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom [X.] offengelassen wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das [X.] auch zu erwägen haben, ob die in § 9 Abs 3 [X.] vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der [X.] 2106 gegeben sind.

Im [X.] daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der [X.] feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten [X.] fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare) Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - [X.] U 19/11 R - [X.], 177 = [X.] 4-2700 § 8 [X.] 46, Rd[X.] 37 sowie [X.] [X.] U 17/10 R - [X.], 274 = [X.] 4-2700 § 11 [X.] 1, Rd[X.] 28 ff).

Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des [X.] in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen durchaus in Betracht.

Das [X.] wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Meta

B 2 U 11/14 R

17.12.2015

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Stade, 5. Mai 2010, Az: S 20 U 30/05, Gerichtsbescheid

§ 9 Abs 1 SGB 7, Anl 1 Nr 2106 BKV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2015, Az. B 2 U 11/14 R (REWIS RS 2015, 404)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 404

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