Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2017, Az. I ZR 100/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10655

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:180517UIZR100.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM [X.] [X.]S VOLKES
URTEIL
I [X.]
Verkündet am:
18. Mai 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Märchensuppe
Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006
Art. 8, Art. 9
a)
Eine nährwertbezogene Angabe über einen reduzierten Nährstoffanteil stellt auch dann eine vergleichende Angabe im Sinne des Art. 9 der Verordnung ([X.]) 1924/2006 dar, wenn sie auf einen erhöhten oder verminderten Nährstoffgehalt hinweist,
ohne Ver-gleichsprodukte zu benennen. Eine solche Angabe unterliegt, selbst wenn sie die in Art.
8 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 genannten Bedingungen einhält, zusätzlich den Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 dieser [X.].
b)
Die nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 erforderliche Informati-on über den Unterschied in der Menge des Nährstoffs ist so zu geben, dass der [X.] sie unschwer zur Kenntnis nehmen kann. Dies erfordert, wenn die [X.] nicht in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der nährstoffbezogenen Angabe erfolgt, mindestens einen im räumlichen Zusammenhang mit der Angabe ange-brachten Hinweis darauf, wo die Zusatzinformation aufgefunden werden kann.
[X.], Urteil vom 18. Mai 2017 -
I [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 18. Mai
2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr. [X.] und [X.] Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts [X.]
-
4. Zivilsenat -
vom 8. April 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach §
4 [X.] eingetragene [X.] und [X.].
Die Beklagte vertreibt [X.].
Sie vertrieb bis Juni 2015 die als "Märchensuppe", "[X.]"
und "[X.]"
bezeichneten Produkte mit der auf der Vorderseite der Verpackung aufgebrachten Angabe "Mild gesalzen -
voller Geschmack". Diese Produkte wiesen einen Salzgehalt von 0,6 g, 0,7 g und 0,8 g je 100 ml auf. Alle drei Produkte enthielten
mehr als 0,12 g Natrium je 100 ml.
Der Kläger hat die Angabe "Mild gesalzen -
voller Geschmack"
als eine nach § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 unzulässige Angabe beanstandet und hat die Beklagte vorgerichtlich abge-mahnt.
1
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3
-
3
-
Der Kläger hat beantragt,
1.
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu ver-urteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zu-sammenhang mit der Werbung für Märchensuppe, [X.], [X.] mit dem Hinweis "mild gesalzen"
wie nachfolgend [X.] zu werben oder werben zu lassen

2.

fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. April 2015
zu zahlen.
4
-
4
-

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungs-gericht
zugelassenen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abwei-sung der Klage
weiter.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
[X.] [X.] hat die geltend gemachten Ansprüche als [X.] angesehen und hierzu ausgeführt:

Die Angabe "Mild gesalzen"
sei eine nährwertbezogene Angabe. Es müsse nicht entschieden werden, ob der Durchschnittsverbraucher sie mit der Angabe "natriumarm/kochsalzarm"
gleichsetze
oder ihr die Bedeutung "weniger gesalzen"
entnehme. Der Natriumgehalt der von der Beklagten vertriebenen [X.] überschreite den für die Angabe "natriumarm/kochsalzarm"
nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 in Verbindung mit dem Anhang zu dieser Verordnung vorgeschriebenen Grenzwert. Verstehe der [X.] die Angabe im Sinne von "weniger gesalzen", liege ebenfalls ein Ver-stoß vor, selbst wenn die Angabe die Grenzwerte der im Anhang der Verord-nung ([X.]) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angabe "[X.] [NAME [X.]S NÄHRSTOFFS]-ANTEIL"
einhalte. Nach
Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 müsse bei vergleichenden Angaben der Unterschied der Menge eines Nährstoffs angegeben werden. Ein Vergleich im Sinne dieser Vor-schrift liege immer vor, wenn Unterschiede im Nährstoffgehalt angegeben wür-den, so dass die Vorschrift auch die im Anhang genannten Angaben über redu-zierte Nährstoffgehalte erfasse. Hingegen bezwecke die Vorschrift nicht, dass das Vergleichslebensmittel konkret benannt werde. Der Verbraucher müsse die Angabe über den Unterschied der
Menge eines Nährstoffs klar und eindeutig 5
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-
erkennen
können, so dass eine Angabe auf der Rückseite der Umverpackung nicht ausreiche, wenn kein Hinweis im Zusammenhang mit der auf der Vorder-seite des Produkts blickfangmäßig herausgestellten nährwertbezogenen [X.] erfolge.
Die Beklagte habe die danach vorgeschriebene Angabe unterlas-sen.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Unterlassung der [X.] Werbeaussagen sind nach §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG aF, §§ 8, 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 8
Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 begründet. Demnach war
auch die Abmahnung
berechtigt und hat das Berufungsgericht dem Kläger zu Recht die geltend gemachten [X.] (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG) nebst Zinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) zugesprochen.
1. Da der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt hat, ist seine Klage nur begründet, wenn das be-anstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der [X.] rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 7.
Mai 2015
-
I [X.], [X.], 1240 Rn. 31 = [X.], 1464 -
Der Zauber des Nordens;
Urteil vom 15.
Dezember 2016

I
ZR
221/15, [X.], 292 Rn.
15 = [X.], 313 -
Energieverbrauchskennzeichnung im [X.]). Die nach der Vornahme der beanstandeten Handlungen durch das [X.] zur Änderung des [X.] ([X.] I 2015, S. 2158) mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 erfolgte Neufassung des [X.] in § 3a UWG hat nicht zu einer Änderung der [X.] geführt
(vgl. [X.], Urteil vom 4. Januar 2016 -
I [X.], [X.], 516 Rn. 11 = [X.], 581 -
Wir [X.]; Beschluss vom 18. Mai 2017 -
I [X.], [X.], 743 Rn. 13 = [X.], 801-
Uber Black).
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-
2. Bei Art. 8 und Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 handelt es sich um Marktverhaltensregelungen
im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF, § 3a UWG, deren Missachtung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von [X.] und Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG aF, § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. zu Art. 10 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 und § 3 UWG aF [X.], Urteil vom 9. Oktober 2014 -
I [X.], [X.], 498 Rn. 15 = [X.], 569 -
Combiotik, mwN; Urteil vom 10. Dezember 2015 -
I [X.], [X.], 142 Rn. 14 = [X.], 471 -
Lernstark).
3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei der beanstandeten Angabe handele es sich um eine nährwertbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006, ist frei von Rechtsfehlern.
a)
[X.] Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der [X.] ([X.]) Nr. 1924/2006 ist jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel aufgrund der Energie (des [X.]), die es liefert, in vermindertem oder erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert, oder aufgrund der Nährstoffe oder anderen Sub-stanzen, die es enthält, in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder nicht enthält, besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Im Unterschied zu gesundheitsbezogenen Angaben, mit denen ein Zusammenhang zwischen ei-nem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und dem gesundheitlichen Wohlbefinden hergestellt wird, beziehen sich nährwertbezogene Angaben auf die Menge an
Nährstoffen, anderen Substanzen oder Energie, die in einem [X.] enthalten sind (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015 -
I [X.], [X.], 403 Rn. 28 = [X.], 444 -
Monsterbacke II; [X.]/[X.]
in Zipfel/[X.], Lebensmittelrecht, [X.], 166. Lief. Juni 2017, Art. 9 Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 Rn. 108). Wie die im Anhang zu Art. 8 Abs. 1 der Verord-nung ([X.]) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angaben zeigen, sind vor allem solche Angaben als nährwertbezogen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Energie, 10
11
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die das Lebensmittel liefert, oder die in diesem enthaltenen Inhaltsstoffe
mit ernährungsbezogener Wirkung beziehen.
Dazu zählen auch solche An-gaben, die (nur) eine Sachinformation in Bezug auf einen bestimmten Nährstoff vermitteln ([X.]/[X.]
in Zipfel/[X.]
aaO
Art. 2 Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 Rn. 36a; Meisterernst in Meisterernst/Haber, [X.], 22. Lief. Februar 2014, Art. 2
Rn. 17).
b) [X.] hat offengelassen, ob die Angabe "Mild gesal-zen -
voller Geschmack"
vom Durchschnittsverbraucher mit der Angabe "natri-umarm/kochsalzarm"
gleichgesetzt oder im Sinne von "weniger gesalzen"
ver-standen wird. Es hat zu Recht angenommen, dass es sich in beiden Fällen um eine nährwertbezogene Angabe handelt, weil jeweils
eine Aussage über den Kochsalzgehalt des Produkts getroffen wird.
4. [X.] hat für den Fall, dass die Angabe "Mild gesalzen -
voller Geschmack"
vom Durchschnittsverbraucher mit der Angabe "natrium-arm/kochsalzarm"
gleichgesetzt wird, zu Recht einen Verstoß gegen Art. 8 Abs.
1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 angenommen.
a) Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 dürfen nähr-wertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang aufgeführt sind und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entsprechen. Im Anhang der Verordnung ist geregelt, dass die Angabe, ein Lebensmittel sei
natriumarm/kochsalzarm, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher vor-aussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig ist, wenn das Produkt nicht mehr als 0,12
g Natrium oder den gleichwertigen Gehalt an Salz pro 100
g bzw. 100
ml enthält.
b) [X.] hat festgestellt, dass der Natriumgehalt der von der Beklagten vertriebenen [X.] den für die Angabe "natriumarm/
kochsalzarm"
im Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 vorgeschriebe-13
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-
8
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nen Grenzwert von 0,12 g je 100 ml überschreitet.
Somit hat das Berufungsge-richt bei Zugrundelegung des Verständnisses der angegriffenen Angabe als "natriumarm/kochsalzarm"
zu Recht einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 der [X.] ([X.]) Nr. 1924/2006 angenommen.
5. [X.] hat weiter für den Fall, dass der
Verkehr die An-gabe "Mild gesalzen -
voller Geschmack"
im Sinne von "weniger gesalzen"
ver-steht, zu Recht einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) 1924/2006 angenommen.
a) Der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 in Bezug ge-nommene Anhang bestimmt unter der Überschrift "[X.] [NAME [X.]S NÄHRSTOFFS]-ANTEIL", dass die Angabe, der Gehalt an einem oder mehre-ren Nährstoffen sei reduziert worden, sowie jegliche Angabe, die für den [X.] voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig
ist, wenn die Re-duzierung des Anteils mindestens 30% gegenüber einem vergleichbaren Pro-dukt ausmacht; ausgenommen sind Mikronährstoffe, für die ein 10%iger Unter-schied im Nährstoffbezugswert gemäß der Richtlinie 90/496/[X.] akzeptabel ist, sowie Natrium oder der entsprechende Gehalt an Salz, für das ein 25%iger Unterschied akzeptabel ist.
b) [X.] hat offengelassen, welche Produkte im Streitfall
für die Beurteilung, ob ein 25%iger Unterschied eingehalten wird, heranzuzie-hen sind. In der Revisionsinstanz ist daher zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass die Produkte der Beklagten einen hinreichenden Unterschied im Natriumgehalt aufweisen.
c) [X.] hat weiter zu Recht angenommen, dass eine nährwertbezogene Angabe über einen reduzierten Nährstoffanteil, die die im Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 genannten Bedingungen einhält, 17
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9
-
zusätzlich den Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung unter-liegt.
aa) Nach dem mit "Vergleichende Angaben" überschriebenen Art. 9 Abs.
1 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 ist unbeschadet der [X.] 84/450/[X.] ein Vergleich nur zwischen Lebensmitteln derselben Kategorie und unter Berücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln dieser Kategorie zulässig. Nach Satz 2 der Vorschrift ist der Unterschied in der Menge eines Nährstoffs und/oder im Brennwert anzugeben, und der Vergleich muss sich auf dieselbe Menge des Lebensmittels beziehen.
bb) Die Revision macht geltend, im Falle einer nährwertbezogenen An-gabe über einen reduzierten Nährstoffanteil handele es sich nicht um einen Vergleich im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006. Der Begriff des Vergleichs sei, wie aus der Erwähnung der Richtlinie 2006/114/[X.] in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 folge, unionsrecht-lich einheitlich zu verstehen. Ein Vergleich liege im
Streitfall nicht vor, weil die Angabe keine Wettbewerbsprodukte erkennbar mache.
Mit diesem Angriff
hat die Revision keinen Erfolg. Der Begriff [X.] Angabe im Sinne des Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 ist nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der vergleichenden Werbung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der an die Stelle der Richtlinie 84/450/[X.] getretenen Richtlinie 2006/114/[X.]
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.
Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung
(nachfol-gend: Richtlinie 2006/114/[X.]).
(1) Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/[X.] ist vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht. Nach Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2006/114/[X.] 21
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-
10
-
soll vergleichende Werbung dazu beitragen, die Vorteile der verschiedenen vergleichbaren Erzeugnisse objektiv herauszustellen und den Wettbewerb zwi-schen den Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der [X.] fördern. Nach Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2006/114/[X.] sollen Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung vorgesehen werden, mit denen festgelegt wird, welche Praktiken der vergleichenden Werbung den Wettbewerb verzerren, die Mitbewerber schädigen und die Entscheidung der Verbraucher negativ beeinflussen können. Hieraus wird deutlich, dass verglei-chende Werbung im Sinne der Richtlinie 2006/114/[X.] Werbung ist, die den Vergleich des eigenen Produkts des Werbenden mit Produkten von [X.] zum Gegenstand hat.
(2) Die Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 dient nach ihrem [X.] dazu, mit Blick auf nährwert-
und gesundheitsbezogene Angaben ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und dem Verbraucher die Wahl zwischen Produkten zu erleichtern. In den Erwägungsgründen 1 und 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 heißt es, dass dem Verbraucher die für eine sachkundige Entscheidung notwendigen Informationen zu liefern sind. Nach Erwägungsgrund 16 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 ist es wichtig und an-gezeigt, dass Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden können und Verbraucher vor irreführenden Angaben geschützt werden.
Das Erfordernis, den Verbraucher zutreffend über in
Lebensmitteln enthaltene Nähr-stoffe und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit zu informieren, besteht unab-hängig davon, ob die [X.] in der Angabe erkennbar gemacht werden. Zudem ist der Vergleich nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 nur zwischen Lebensmitteln derselben Kategorie und unter Be-rücksichtigung einer Reihe von Lebensmitteln dieser Kategorie zulässig; nach Absatz 2 der Vorschrift sind in den Vergleich eine Reihe von Lebensmitteln der-selben Kategorie, darunter auch Lebensmittel anderer Marken,
einzubeziehen. 25
-
11
-
Dem
ist zu entnehmen, dass auch Lebensmittel desselben Herstellers in den Vergleich einbezogen werden können, sofern sie unter einer anderen
Marke vertrieben werden (vgl. [X.]/[X.] in Zipfel/[X.] aaO
Art.
9 Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 Rn. 12). Der Begriff der vergleichenden Angabe im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 ist mithin nicht aus-schließlich mit Blick auf Produkte von Wettbewerbern
zu verstehen.
Eine ver-gleichende Angabe liegt vielmehr bereits dann vor, wenn sie auf einen erhöhten oder verminderten Nährstoffgehalt hinweist, ohne [X.] zu be-nennen.
Dass der letzte Satz des [X.] 21 der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 besagt, bei vergleichenden Angaben dem Endverbraucher ge-genüber müssten die miteinander verglichenen Produkte eindeutig identifiziert werden, steht dieser Beurteilung
nicht entgegen. In der Fassung des [X.] für eine Verordnung über nährwert-
und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel
([X.] [2003]
424, [X.]) war in Art. 9 Abs. 1 Satz 1 als weiteres Zulässigkeitskriterium vorgesehen, dass die
miteinander vergliche-nen Lebensmittel vom durchschnittlichen Verbraucher leicht zu
identifizieren sind oder eindeutig genannt werden.
Die Streichung dieses Kriteriums im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens spricht dafür, dass das verglichene Lebensmittel nicht konkret benannt oder identifiziert werden muss (vgl. Meisterernst in Meis-terernst/Haber aaO Art. 9 Rn. 22).
Jedenfalls kann aus
dem genannten [X.] nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Anwendung des Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 auf solche Vergleiche beschrän-ken wollte, in denen das Vergleichsprodukt konkret benannt wird. Der [X.] des hohen
Verbraucherschutzniveaus erfordert vielmehr, dass auch ver-gleichende Angaben dem
Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 unterfal-len, in denen eine solche Benennung nicht erfolgt.

26
-
12
-
Nach der am 14. Dezember 2007 veröffentlichten Leitlinie zur Anwen-dung
der
Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 geht auch der bei der [X.] gebildete Ständige Ausschuss für die Nahrungskette und Tier-gesundheit davon aus, dass die im Anhang der Verordnung genannten [X.]n "Erhöhter [NAME [X.]S NÄHRSTOFFS]-ANTEIL"
sowie "[X.]
[NAME [X.]S NÄHRSTOFFS]-ANTEIL"
vergleichende Angaben im Sinne des Art. 9 der Verordnung darstellen ([X.]. 1924/2006 on nutrition and health claims made on foods, [X.], S. 6; vgl. auch Meisterernst, WRP 2008, 755, 757).

(3) Mithin ist
Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 auch dann an-wendbar, wenn eine Angabe -
wie im Streitfall -
Unterschiede im Brennwert oder
Gehalt von Nährstoffen benennt, jedoch
Produkte von Mitbewerbern nicht erkennbar macht (vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO
Art. 9
Rn. 6 und 22).
cc) Die Revision macht weiter geltend, die Systematik der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 stehe der Annahme entgegen, eine nach Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 zulässige An-gabe sei zusätzlich an den Erfordernissen des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 dieser [X.] zu messen, weil es sich um eigenständige Tatbestände handele und Art.
8 nicht auf Art. 9 der Verordnung verweise.
Hiermit dringt die Revision nicht durch. Art. 9 der Verordnung ([X.]) Nr.
1924/2006 ist auf vergleichende Angaben anwendbar, auch wenn sie der Vorschrift des Art. 8 der Verordnung entsprechen
(vgl. [X.],
[X.], 468,
470; Meisterernst in Meisterernst/Haber aaO Art. 9 Rn. 12). Der Schutzzweck der Gewährleistung eines
hohen Verbraucherschutzniveaus rechtfertigt die Annahme, dass vergleichende Angaben zum erhöhten oder 27
28
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-
13
-
verminderten Nährstoffgehalt, die
den Erfordernissen des Anhangs zu Art. 8 der Verordnung genügen, mit Blick auf den behaupteten [X.] der weiteren, in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung genannten Zulässigkeitsvo-raussetzung unterworfen werden, dass
der Unterschied in der Menge des Nährstoffs anzugeben ist. Aus dem von der Revision herangezogenen [X.], dass im Anhang der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 für die Angabe "leicht"
ein Hinweis auf die Eigenschaften verlangt wird, die das Lebensmittel "leicht"
machen, lässt sich nicht schließen, dass der Anhang im Übrigen mit Blick auf vergleichende Angaben
eine abschließende Regelung darstellt, die der Anwendung des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung entgegensteht.
d) [X.] hat zu Recht einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) 1924/2006 darin gesehen, dass die nach dieser Vorschrift erforderliche Pflichtangabe nicht im Zusammenhang mit der auf der

-
voller Ge-schmack

aa) [X.] hat angenommen, der Verbraucher müsse die Angabe nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 klar und deutlich erkennen können. Eine Angabe auf der Rückseite der Verpackung [X.] nicht aus, wenn kein Hinweis darauf im Zusammenhang mit der auf der Vorderseite der Verpackung befindlichen Angabe erfolge.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
bb) Die Revision wendet ohne Erfolg ein, der durchschnittlich informierte, in vernünftigem Umfang aufmerksame und verständige Verbraucher werde die nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 erforderliche De-tailinformation nicht auf der Vorderseite, sondern auf der Rückseite des Pro-dukts erwarten.

31
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-
14
-
Die nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 erfor-derliche Information über den Unterschied in der Menge des Nährstoffs
ist
so zu geben, dass der Durchschnittsverbraucher sie unschwer zur Kenntnis nehmen kann. Dies erfordert, wenn die Information nicht in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der nährstoffbezogenen Angabe erfolgt, mindestens einen im räumlichen Zusammenhang mit der Angabe angebrachten Hinweis darauf, wo die Zusatzinformation aufgefunden werden kann. Zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus ist es erforderlich, dass der Verbraucher die für eine sachkundige Entscheidung notwendigen Informationen erhält (vgl. [X.] 9 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006). Bei der Beurteilung, auf welche Weise die in Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 verlangte Information gegeben wird, ist auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.]s abzustellen
(zur Richtlinie 2000/31/[X.] vgl.
[X.], Urteil vom 4. Juni 2015 -
C-195/14, [X.], 701
Rn. 36 = [X.], 847-
[X.]zentrale Bundesverband/Teekanne; [X.], Urteil vom 2. Dezember 2015 -
I [X.], [X.], 738 Rn. 13
f.
= [X.], 838 -
Himbeer-Vanille-Abenteuer
II). Der Verbraucher wird angesichts einer auf der [X.] hervorgehobenen, im unmittelbaren räumlichen [X.] nicht weiter erläuterten Angabe zum reduzierten Nährstoffgehalt
im Unkla-ren über das Maß der Nährstoffreduktion gelassen. Ohne einen in Verbindung mit der Angabe gegebenen
Hinweis darauf, an welcher Stelle der Verpackung diesbezügliche Zusatzinformationen zu finden sind, ist nicht sichergestellt, dass der Verbraucher die Informationen auffindet.
6. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 -
287/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257

C.[X.]L.F.[X.]T.), weil die sich im Streitfall stellenden Fragen zur Auslegung der 34
35
-
15
-
Verordnung ([X.]) Nr. 1924/2006 durch eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten sind.
II[X.] Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.10.2015 -
5 [X.]/15 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 08.04.2016 -
4 [X.] -

36

Meta

I ZR 100/16

18.05.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2017, Az. I ZR 100/16 (REWIS RS 2017, 10655)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10655

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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