Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.12.2011, Az. 2 StR 352/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 11

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikte: Strafmilderungsgrund der Aufklärungshilfe bei Widerruf der Angaben in der Hauptverhandlung


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2010 jeweils mit den Feststellungen aufgehoben

a) hinsichtlich des Angeklagten [X.] im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

b) hinsichtlich des Angeklagten [X.] im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 1) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) hinsichtlich des Angeklagten [X.]. im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3) der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten A.     und [X.].   wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten (A.     ) bzw. vier Jahren ([X.].   ) sowie den Angeklagten [X.]     wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge den aus dem [X.] ersichtlichen Erfolg.

2

1. Das [X.] hat hinsichtlich aller Angeklagten bei der Bemessung einzelner Strafen die Voraussetzungen des vertypten [X.] des § 31 BtMG nicht geprüft, obwohl nach den Urteilsfeststellungen dazu Anlass bestand.

3

a) Hinsichtlich des Angeklagten A.     begegnet unter diesem Aspekt die Einzelstrafe im Fall 2) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass sich das [X.] von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten [X.]. im Fall 2) maßgeblich aufgrund der insoweit glaubhaften Aussage des Angeklagten A.     überzeugt hat ([X.]). Dass der Angeklagte A.     nicht sein gesamtes Wissen offenbart, insbesondere versucht hat, im Fall 3) den Mitangeklagten [X.]     zu entlasten, steht - worauf der [X.] zutreffend hinweist - der Annahme des § 31 BtMG nicht entgegen. Hierfür genügt es, dass der [X.] bei einem Tatbeteiligten eingetreten ist.

4

b) Bei dem Angeklagten [X.]     legen die Urteilsfeststellungen nahe, dass er im Fall 1) durch Benennung des Zeugen S.     , von dem das erworbene Marihuana stammte, wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte ([X.], 31). Dass er den Zeugen erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, die mit Beschluss vom 1. Februar 2010 erfolgte, als tatbeteiligt bezeichnet hat, steht einer Berücksichtigung der Aufklärungshilfe nicht entgegen. Zwar wäre nach der ab 1. September 2009 gültigen, neuen Fassung von § 31 Abs. 2 BtMG, § 46b Abs. 3 StGB eine Milderung oder ein Absehen von Strafe ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart. Die Frage, welches Recht auf dieses Verfahren anwendbar ist, bestimmt sich aber nach den allgemeinen Regeln ([X.], 523, 524), nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung darstellt (§ 2 Abs. 3 StGB; vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2011 - 2 [X.]). Der Vorrang des günstigeren Rechts führt hier dazu, dass auf die am 14. Mai 2008 begangene Tat der zum damaligen Zeitpunkt geltende § 31 BtMG a.F. anzuwenden wäre, der noch keine zeitliche Präklusion für die Aufklärungshilfe enthielt.

5

c) Hinsichtlich des Angeklagten [X.].   hat es das [X.] versäumt, bei der Bemessung der Einzelstrafe im Fall 3) den vertypten [X.] des § 31 BtMG zu erörtern. Die [X.] hat sich in diesem Fall von der Tatbeteiligung des Mitangeklagten [X.]     vor allem aufgrund der Angaben des Angeklagten [X.]. im [X.] am 25. Juli 2008 überzeugt ([X.]). Dass der Angeklagte [X.].   die dort gemachten Angaben in der Hauptverhandlung relativiert hat, steht der Anwendung des § 31 BtMG nicht entgegen. Eine Aufklärungshilfe im Sinne dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn der Täter den Aufklärungsbeitrag im Ermittlungsverfahren leistet, seine entsprechenden Angaben aber in der Hauptverhandlung widerruft (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 20).

6

2. Bei allen Angeklagten beruhen die jeweiligen Einzelstrafenaussprüche auf den aufgezeigten [X.]. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Einzelstrafen milder ausgefallen, bzw. beim Angeklagten A.     im Fall 2) ein minderschwerer Fall (§ 29a Abs. 2 BtMG) anzunehmen gewesen wäre, wenn das [X.] den vertypten Strafmilderungsgrund des § 31 Nr. 1 BtMG angewandt hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch den jeweiligen Gesamtstrafen die Grundlage.

7

3. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird bei allen Angeklagten zu erwägen haben, ob eine - angesichts des in der Zuschrift des [X.]s sowie den Revisionsschriften der Angeklagten A.     und [X.].   mitgeteilten [X.] nahe liegende - Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorzunehmen ist.

Fischer                                      Appl                                Schmitt

                    Eschelbach                                  Ott

Meta

2 StR 352/11

28.12.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 2. Dezember 2010, Az: 61 KLs 44/08 - 101 Js 872/07

§ 31 BtMG vom 01.03.1994

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.12.2011, Az. 2 StR 352/11 (REWIS RS 2011, 11)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 11

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 131/13

1 StR 131/13

2 StR 352/11

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