Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. VI ZR 577/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 386

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Gegenstand

Schadensersatz bei Kfz-Unfall: Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kfz-Kaskoversicherung bei Mithaftung des Versicherungsnehmers


Leitsatz

1. Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kfz-Kaskoversicherung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil des Geschädigten eingetreten sei, denn der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt - unabhängig von der Regulierungshöhe - allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden.

2. Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen (Bestätigung des Senatsurteils vom 18. Januar 1966, VI ZR 147/64, BGHZ 44, 382, 387).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 14. November 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das vorbezeichnete Gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die [X.] Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 17. April 2014 geltend, wobei Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch das Feststellungsbegehren bezüglich des Rückstufungsschadens in ihrer Vollkaskoversicherung ist. Die Beklagte zu 2 regulierte als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Pkw der [X.] zu 1 den von der Klägerin geltend gemachten Sachschaden von insgesamt 10.408,52 € außergerichtlich auf der Basis einer 75-prozentigen Haftung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt der Rückforderung. Nach der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung wegen des verbleibenden Schadens hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die [X.] verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Schadensereignis und der damit verbundenen Prämienerhöhung im Versicherungsbeitrag entstanden ist oder noch entstehen wird. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin von den Beklagten nicht den Ersatz des ihr entstandenen oder noch entstehenden [X.]s verlangen könne. Es sei zwar zutreffend, dass der [X.] der Klägerin in ihrer Vollkaskoversicherung letztlich adäquat kausale Folge des Verkehrsverstoßes der Beklagten zu 1 sei, nachdem insoweit für die Bejahung der Kausalität Mitursächlichkeit ausreichend sei. Jedoch begründe dies für sich genommen noch keine anteilige Ersatzpflicht der Beklagten an einem [X.] der Klägerin. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hänge die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden sei. Führe dies zu dem Ergebnis, dass der entstandene primäre Sachschaden vom Unfallgegner nur [X.] zu übernehmen sei, habe der Geschädigte seinerseits den sich hieraus ergebenden [X.]en Eigenanteil zu tragen. [X.] er nach Regulierung des Haftungsanteils des Unfallgegners dann ausschließlich in diesem Rahmen seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, um nicht auf einem Teil seines Schadens "sitzen zu bleiben", so beträfen die damit für den Geschädigten einhergehenden Kosten und finanziellen Belastungen wie Selbstbeteiligung und [X.] gerade nicht den Haftungsbereich des Unfallgegners, weshalb von diesem insoweit auch keine [X.]e Beteiligung gefordert werden könne. Ansonsten liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dass sich der Unfallgegner über seinen Haftungsanteil hinaus am eigenen Haftungsanteil des Geschädigten beteiligen müsse.

II.

3

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin in Höhe der Haftungsquote der Beklagten anteiligen Ersatz des [X.]s in ihrer Vollkaskoversicherung verlangen.

4

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden [X.]s ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. [X.]surteile vom 18. Januar 1966 - [X.], [X.], 382, 387; vom 25. April 2006 - [X.], [X.], 1139 und vom 26. September 2006 - [X.], [X.], 81 Rn. 8; ebenso [X.], Urteil vom 14. Juni 1976 - [X.], [X.], 1066, 1067, insoweit in [X.]Z 66, 398 nicht abgedruckt; [X.], 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung [X.]surteil vom 18. Januar 2005 - [X.], [X.], 558, 559). Dies zieht das Berufungsgericht im Grundsatz nicht in Zweifel.

5

2. Die Frage, ob der Schädiger auch bei nur anteiliger Schadensverursachung für den [X.] haftet, hat der erkennende [X.] mit Urteilen vom 25. April 2006 ([X.], aaO) und vom 26. September 2006 ([X.], aaO) bereits bejaht. Wie der erkennende [X.] in diesen Urteilen näher ausgeführt hat, gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der [X.] (auch) infolge der Regulierung des vom Geschädigten selbst zu tragenden Schadensanteils eintritt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. [X.]surteile vom 26. September 2006 - [X.], aaO; vom 25. April 2006 - [X.], aaO Rn. 10; vom 19. April 2005 - [X.], [X.], 945, 946; vom 20. November 2001 - [X.], [X.], 200, 201; vom 27. Juni 2000 - [X.], [X.], 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 - [X.], [X.], 862).

6

3. Soweit das Berufungsgericht meint, der vorliegende Fall sei deshalb anders zu beurteilen, weil im Gegensatz zu den vom [X.] bereits entschiedenen Fällen die Klägerin ihre Vollkaskoversicherung erst nach der Regulierung des [X.] ihrer Unfallgegnerin "nur" hinsichtlich des von ihr selbst zu tragenden Schadensteils und damit nicht "auch" in Anspruch genommen habe, ist dem nicht zu folgen.

7

Für die Ersatzfähigkeit des [X.]s ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Regulierung des [X.] seines Unfallgegners für dessen Haftungsanteil abwartet und sich erst dann an seinen Kaskoversicherer wendet oder ob er dies sogleich hinsichtlich des Gesamtschadens tut und danach der Schaden quotenmäßig ausgeglichen wird. In beiden Fällen tritt der [X.] ein mit der Folge, dass in derartigen Fällen der [X.] vom Schädiger unabhängig von dessen Regulierungsverhalten regelmäßig anteilig zu ersetzen ist (vgl. [X.]surteil vom 26. September 2006 - [X.], aaO Rn. 10 mwN). Die Ersatzfähigkeit des [X.]s kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil der Klägerin eingetreten sei. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen ([X.]surteil vom 18. Januar 1966 - [X.], aaO, juris Rn. 16).

8

Im Gegensatz zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten des Geschädigten für die Inanspruchnahme seiner [X.] nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil (vgl. [X.]surteil vom 11. Juli 2017 - [X.]/17, NJW 2017, 3527) ist beim Kasko-[X.] keine Abgrenzung über die Zurechnung vorzunehmen. Denn der unfallbedingte [X.] tritt nach den Allgemeinen Bedingungen für die [X.] ([X.]) insgesamt abhängig vom Schadensfall und unabhängig von der Regulierungshöhe ein.

9

4. Soweit das Berufungsgericht gegen das Ergebnis Bedenken äußert, weil der Unfallgegner per Saldo höhere Kosten zu tragen habe, wenn der Geschädigte über Vollkaskoschutz verfüge und diesen in Anspruch nehme, ist ein entsprechendes Ergebnis - anders als das Berufungsgericht meint - dem Schadensrecht nicht fremd. Es liegt vielmehr darin begründet, dass der Schädiger den Geschädigten schadensrechtlich so hinnehmen muss, wie er ihn trifft. Schließlich vermag auch der Umstand, dass dem [X.] als Vorteil Versicherungsleistungen gegenüberstehen, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, denn die entsprechenden Versicherungsleistungen sind durch Prämien erkauft und dienen nicht dazu, den Schädiger zu entlasten.

5. Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die Beklagten für den [X.] nur anteilig haften und sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - mit der Haftungsquote nicht auseinandergesetzt hat. Deren Höhe ist auch Voraussetzung dafür, ob den Beklagten ein Rückforderungsanspruch zusteht, mit dem sie - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - in der Berufungsinstanz die Aufrechnung erklärt haben. Des Weiteren wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit dem Vorbringen im Zusammenhang mit der [X.] der Revisionserwiderung zu befassen.

[X.]     

      

[X.]     

      

von Pentz

      

Müller     

      

[X.]     

      

Meta

VI ZR 577/16

19.12.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Heilbronn, 14. November 2016, Az: 5 S 49/15 (II)

§ 249 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2017, Az. VI ZR 577/16 (REWIS RS 2017, 386)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 337-338 REWIS RS 2017, 386

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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