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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL3 StR 490/01vom7. März 2002in der Strafsachegegenwegen gefährlicher Körperverletzung- 2 -Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Mrz 2002,an der teilgenommen haben:Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf,Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan,die Richter am Bundesgerichtshof Winkler, von Lienen, Becker als beisitzende Richter,Bundesanwalt in der Verhandlung,Staatsanwltin bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Gescftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des LandgerichtsStade vom 14. August 2001 wird verworfen.Der Beschwerdefrer hat die Kosten des Rechtsmittels und diedem Nebenklr im Revisionsverfahren entstandenen notwendi-gen Auslagen zu tragen.Von Rechts wegenGr:Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefrlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rtder Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinenErfolg.1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen, wobei es sichzum Kerngeschehen der Tat mangels Erinnerung des gescigten Nebenkl-gers und wegen des Fehlens unmittelbarer Tatzeugen allein auf die Angabendes Angeklagten sttzt und mehrfach den Zweifelssatz zu dessen Gunsten zurAnwendung bringt:Der Angeklagte hatte sich am 7. Mrz 2001 gegen 0.30 Uhr in erheblichangetrunkenem Zustand zusammen mit zwei Freunden in die Gaststtte "E. Treff" in S. begeben. Als ihm dort der Zeuge J. schließlich mit demHinweis, er habe bereits genug getrunken, den Ausschank eines weiteren Bie-- 4 -res verweigerte, warf der Angeklagte einen Aschenbecher nach dem Zeugen,der ihn daraufhin im Ausgangsbereich der Gaststtte in den Schwitzkastennahm und ihm Schlins Gesicht versetzte. Der Angeklagte blutete stark ausder Nase, seine Lippe war aufgeplatzt. Sein Freund D. half ihm, sich vondem Zeugen J. zu lösen, und brachte ihn zu der Wohnung der ZeuginC. , der Freundin des Angeklagten, wo er sich von diesem trennte. DerAngeklagte holte sich in der Kche der Wohnung ein "Tomatenmesser" undging zu der Gaststtte zurck. Er wollte sich seine Latschen holen, die er beider Auseinandersetzung mit dem Zeugen J. verloren hatte, und diesenzur Rede stellen. Das Messer nahm er mit, um im Falle einer weiteren Ausein-andersetzung mit dem Zeugen, mit der er rechnete, einen besseren Schutz zuhaben. Zwar wollte er den Zeugen nicht unbedingt mit dem Messer angreifen,er wollte jedoch sichergehen, daß ihn der körperlicrlegene Zeuge nichtwieder verletzen werde.Die Gaststtte war zwischenzeitlich verschlossen. Jedoch wurde im In-neren weiter ein Geburtstag gefeiert. Nachdem der Angeklagte seine Latschen,die der Zeuge J. mit in die Gastwirtschaft genommen hatte, auf derStraße nicht finden konnte, klopfte er an die Tr und rief, er wolle seine Lat-schen wiederhaben. Die Zeugin W. - die Wirtin - öffnete und gab dem An-geklagten seine Latschen. Dieser packte die Tr und fragte in aggressivemTon, ob der Mann noch da sei, womit er den Zeugen J. meinte, "mit demer sich auseinandersetzen wollte". Die Zeugin W. , die neuen Streit be-frchtete, verneinte und versuchte die Tr zuzuziehen, was ihr jedoch nichtgelang. Der Angeklagte zog die Tr wieder auf ßerte nun, er wolle nochein Bier. Als er die Zeugin W. mit der Tr fast aus der Gaststtte herausge-zogen hatte, griff der Nebenklr, der Zeuge St. , der sich bei der- 5 -Geburtstagsgesellschaft befand, ein. Er ging auf den Angeklagten zu, versetzteihm einen Stoû und unmittelbar danach zwei Faustschlr Ohrfeigen indas Gesicht. Der Angeklagte ging im Bereich der Tr zu Boden. Als er sichwieder aufrappelte, gab ihm der Nebenklr erneut einen Stoû. Der Ange-klagte taumelte zurck und strzte auf dem Brgersteig wiederum zu Boden.Der Nebenklr folgte ihm, mlicherweise aufgrund der mit dem Stoû ver-bundenen Eigenbewegung oder weil ihn der Angeklagte mitzog, eventuell aberauch aufgrund seines eigenen Entschlusses, "sich weiter mit dem Angeklagtenauseinander zu setzen". Als sich der Angeklagte aufsetzte, war der Nebenkl-ger dicht bei ihm. Der Angeklagte befrchtete, vom Nebenklr erneut ange-griffen und verprlt zu werden. Er zog daher das Messer aus der Kleidungund frte, ohne den Nebenklr vorher zu warnen oder mit dem Messer zubedrohen, zwei bogenfrmige Bewegungen in Richtung auf den Nebenklr.Hierbei brach seine latente Aggression durch. Er wollte nicht wieder unterlegensein und sich nicht erneut, wie zuvor von dem Zeugen J. , verprln las-sen, sondern sich zur Wehr setzen. Er wollte sich auch nicht aus der Gefah-renzone wegbewegen oder dem Nebenklr mitteilen, daû er aufgeben undgehen werde, "obwohl ihm dies mlich gewesen wre". Er erkannte, daû derNebenklr ihn nicht zusammenschlagen, "sondern lediglich vertreiben woll-te". Bei der ersten bogenfrmigen Bewegung des Messers traf der Angeklagteden Nebenklr am linken Oberschenkel. Die zweite Bewegung frte zu ei-ner Schnitt-/Stichverletzung im Bereich des Bauches mit Durchtrennung derBauchdecke und Erffnung des Drms, wodurch sich Darminhalt in dieBaucle ergoû, was zu lebensgefrdenden Entzfrte.2. Das Landgericht ist der Ansicht, die Tat des Angeklagten sei nichtdurch Notwehr gerechtfertigt (§ 32 StGB). Zwar habe sich der Angeklagte im- 6 -Zeitpunkt des Messereinsatzes an sich in einer Notwehrlage befunden. Dennnur die "ursprliche Aktion" des Nebenklrs im Bereich der Gaststttentrzur Abwehr des bevorstehenden Hausfriedensbruchs des Angeklagten seidurch ein Nothilferecht zugunsten der Gastwirtin W. gerechtfertigt gewe-sen; da es aber t habe, den Angeklagten von der Tr wegzuschiebenund diese dann zu verschlieûen, habe der Nebenklr durch seine weiterenAngriffe die Grenzen seines Nothilferechts rschritten und seinerseitsrechtswidrig gehandelt. Jedoch habe der Angeklagte seine nunmehr bestehen-de Notwehrlage durch den Versuch des Hausfriedensbruchs "provoziert", sodaû seine Abwehrrechte eingeschrkt gewesen seien. Die Grenzen dieseseingeschrkten Notwehrrechts habe er bei seiner Verteidirschritten,seine Tat sei daher nicht gerechtfertigt. Sie sei auch nicht gemû § 33 StGBentschuldigt. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.a) Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob die Ansicht des Landge-richts zutrifft, der Angeklagte habe sich im Zeitpunkt des Messereinsatzes ineiner Notwehrsituation befunden. Hiergegen kten Bedenken bestehen,denn die getroffenen Feststellungen lassen nicht eindeutig erkennen, ob indem Moment, als der Nebenklr den Angeklagten zum zweiten Mal zu Bo-den gestoûen hatte und erneut auf ihn eindrang, der Angriff des Angeklagtenauf das Hausrecht und die Freiheit der Willensbettigung der Gastwirtin W. bereits ltig abgewehrt und damit ohne Befrchtung unmittelbarer Wie-derholung vollstig abgeschlossen war (vgl. BGHSt 27, 336, 339; BGH NStZ1987, 20; Trle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 32 Rdn. 10 m.w.N.), so daû sichdas weitere Vorgehen des Nebenklrs als gegenwrtiger rechtswidriger An-griff auf den Angeklagten darstellte. Das Landgericht stellt nicht fest, daû derAngeklagte aufgrund des Eingreifens des Nebenklrs erkennbar seine Ab-- 7 -sicht auftte, eine Auseinandersetzung mit dem Zeugen J. oderden Ausschank eines weiteren Bieres zu erzwingen. Hiergegen kte spre-chen, daû er bei dem Messereinsatz immer noch durch die aggressive Stim-mung beherrscht war, die aus der vorangegangenen Auseinandersetzung mitdem Zeugen J. resultierte. Doch kann dies dahinstehen, weil dem Land-gericht im Ergebnis jedenfalls darin beizupflichten ist, daû der Angeklagte ge-r einem rechtswidrigen Angriff des Nebenklrs in seinen Verteidi-gungsrechten eingeschrkt war, weil er die Notwehrlage durch sein vorange-gangenes Verhalten selbst schuldhaft herbeigefrt hatte (vgl. allg. BGHSt 24,356; 26, 256; 39, 374; 42, 97); durch den Messereinsatz rschritt er dieGrenzen dieses eingeschrkten Notwehrrechts; er handelte daher seinerseitsrechtswidrig.b) Allein aus dem Umstand, daû der Angegriffene seine Lage (mit-)verschuldet hat, lût sich allerdings keine allgemeine Aussage ableiten, in wel-chem Maûe er sich im Vergleich zu einem schuldlos in eine NotwehrsituationGeratenen bei der Abwehr des Angriffs zurckzuhalten hat. Dies t viel-mehr von den Umsts konkreten Einzelfalles ab. Je schwerer einer-seits die rechtswidrige und vorwerfbare Verursachung der Notwehrlage durchden Angegriffenen wiegt, um so mehr Zurckhaltung ist ihm bei der Abwehrzuzumuten; andererseits sind die Beschrkungen des Notwehrrechts um sogeringer, je schwerer das durch den Angriff drohende Übel einzustufen ist(BGHSt 39, 374, 379; 42, 97, 101; Lenckner/Perron in Scke/Schrr,StGB 26. Aufl. § 32 Rdn. 60).Im Rahmen dieser Abwist dem Angeklagten hier sein Angriff aufdas Hausrecht und die Freiheit der Willensbettigung der Gastwirtin W. an-zulasten, weil er versuchte, widerrechtlich in die Gaststtte einzudringen und- 8 -dabei die Wirtin gewaltsam am Schlieûen der Tre hinderte, um die beabsich-tigte Auseinandersetzung mit dem Zeugen J. bzw. den Ausschank einesweiteren Bieres, der ihm wegen seiner Alkoholisierung schon bei seinem erstenAufenthalt in der Gaststtte verweigert worden war, zu erzwingen. Demgegen-r ist nach den insoweit nicht ganz eindeutigen Feststellungen des Landge-richts zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, daû ihm jedenfalls wei-tere Schls Nebenklrs drohten. Lebensgefrdende oder seine Ge-sundheit nachhaltig scigende Verletzungshandlungen des Nebenklrsstanden jedoch ersichtlich nicht zu erwarten.Die Abwzwischen der dem Angeklagten durch den Angriff desNebenklrs danach drohenden weiteren Verletzung seiner krperlichen Inte-gritt und dem Maû seines Verschuldens an der Entstehung seiner Notwehrla-ge ergibt fr die Einschrkung seiner Notwehrbefugnisse folgendes:Der Angeklagte muûte zchst versuchen, dem Angriff des Nebenkl-gers auszuweichen (BGHSt 24, 356, 358; 42, 97, 100). Konnte er dem Angriffdadurch nicht entgehen, war er zwar nicht verpflichtet, auf den Einsatz desMessers als Abwehrmittel unter allen Umstzu verzichten (vgl. BGHSt 24,356, 358 f.). Denn allein aufgrund dessen, daû er rechtswidrig und schuldhaftdie Ursache fr seine Notwehrlage gesetzt hatte, war ihm sein Notwehrrechtnicht vollstig genommen. Vielmehr war dieses Recht lediglich Beschrn-kungen unterworfen, die ihrerseits nicht unbegrenzt andauerten (BGHSt 39,374, 379 m.w.N.). Auch war sein vorhergegangener Angriff auf die Rechtsterder Gastwirtin W. nicht so gewichtig, daû er allein deshalig vonder weiteren Entwicklung der "Kampflage" unter allen Umstie weitereAuseinandersetzung mit dem Nebenklr nur mit bloûen Htte frenrfen (vgl. BGHSt 24, 356, 359; 39, 374, 379; 42, 97, 100). Jedoch war er vor- 9 -und bei dem Einsatz des Messers zu besonderer Zurckhaltung verpflichtet. Erhatte daher den Messereinsatz zchst anzudrohen, um dem Nebenklrdas erte Risiko eines weiteren Angriffs aufzuzeigen, und zwar auch dann,wenn er durch dieses Androhen Zeit fr eine effektivere Verteidigung verlorund daher Gefahr lief, zchst weitere Schls Nebenklrs hinnehmenzu mssen. Erst wenn auch dies erfolglos blieb, durfte er das Messer einset-zen, wenn auch nicht sofort in lebensgefrdender Weise, sondern zchstnur zur Schutzwehr. Nur wenn der Nebenklr auch hierdurch nicht von wei-teren Angriffen abzuhalten war, durfte der Angeklagte zur Trutzwehr rge-hen.Nach diesen Maûstwar das Verteidigungsverhalten des Ange-klagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Der Angeklagte hat schon nicht dengebotenen Versuch unternommen, sich dem Angriff des Nebenklrs durchtatschliches Ausweichen oder den mlichen Hinweis, er werde jetzt Ruhegeben, zu entziehen. Dabei kann dahinstehen, ob die Überzeugung des Land-gerichts, der Nebenklr tte sich hierdurch tatschlich von einem weiterenVorgehen gegen den Angeklagten abhalten lassen, eine tragfige tatschli-che Grundlage im Beweisergebnis findet. Hierauf kommt es nicht an, da derAngeklagte aufgrund seines Verschuldens der Notwehrsituation auch dannversuchen muûte, sich dem Angriff des Nebenklrs durch Ausweichen zuentziehen, wenn der Erfolg dieses Versuchs zweifelhaft war und daher dieGefahr bestand, zchst weitere Schls Nebenklrs hinnehmen zumssen. Gleiches gilt bezlich der gebotenen Warnung vor dem Messerein-satz. Auch insoweit ist nicht entscheidend, ob ein mlicher Hinweis auf dasMesser oder eine schlssige Warnung vor dessen Einsatz vor den drohendenweiteren Schlch so rechtzeitig mlich gewesen wre, daû auch im- 10 -Falle eines Miûerfolgs der Warnung noch ein effektiver Messereinsatz zurSchutzwehr gewrleistet war. Vielmehr muûte der Angeklagte das Risiko ein-gehen, daû seine Warnung nichts fruchtete und er in der konkreten Kampflagewegen der durch die Warnung eingetretenen Verzrung einer wirksamerenVerteidigung zchst weitere Miûhandlungen erleiden werde; denn schwereoder gar lebensgefrdende Verletzungen drohten ihm unmittelbar nicht.Schon danach kommt eine Rechtfertigung des Messereinsatzes nach § 32StGB nicht in Betracht, so daû es keiner Errterung mehr bedarf, ob der Ange-klagte bei diesem Einsatz mit der gebotenen Zurckhaltung vorgegangen ist.3. Soweit die Revision darr hinaus rt, daû das Landgericht dieVoraussetzungen des § 33 StGB verkannt habe, und sich auûerdem gegen dieStrafrahmenwahl wendet, ist das Rechtsmittel unbegrt im Sinne des § 349Abs. 2 StPO.Tolksdorf Rissing-van Saan Winkler von Lienen Becker
Meta
07.03.2002
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.03.2002, Az. 3 StR 490/01 (REWIS RS 2002, 4203)
Papierfundstellen: REWIS RS 2002, 4203
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 272/01 (Bundesgerichtshof)
3 StR 385/01 (Bundesgerichtshof)
2 StR 159/01 (Bundesgerichtshof)
2 StR 363/18 (Bundesgerichtshof)
Einsatz eines Messers in Notwehrlage zur Abwehr eines Angriffs
3 StR 67/00 (Bundesgerichtshof)
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