Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2011, Az. 26 W (pat) 8/11

26. Senat | REWIS RS 2011, 3020

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SCHLUMPFWICHSE" – Verstoß gegen die guten Sitten - keine Eintragungsfähigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 067 594.2

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 26. September 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen

2

"Klasse 33: Spirituosen, Liköre, Aperitifs, Digestifs und Cocktails auf der Grundlage von Spirituosen und Wein

3

Klasse 43: Verpflegung von Gästen in Gaststätten, Cafés, Restaurants, [X.], Kantinen"

4

angemeldet ist die Wortmarke

5

[X.].

6

Die Markenstelle für Klasse 33 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zunächst gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] sowie anschließend im Erinnerungsverfahren gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie in ihrem Erstbeschluss ausgeführt, die Eintragung des Wortes "[X.]" verstoße gegen die guten Sitten, denn der im Anmeldezeichen enthaltene [X.] „[X.]“ sei geeignet, das sittliche Empfinden eines beachtlichen Teils der maßgebenden Verkehrskreisen zu verletzen, welche nicht erwarteten, dass mit derartigen Vulgärausdrücken gebildete Gesamtmarken mit den Mitteln des staatlichen Hoheitsrechts rechtliche Ausschließlichkeitsbefugnisse zur kommerziellen Nutzung verliehen bekämen. In ihrem Zweitbeschluss hat die Markenstelle die Freihaltebedürftigkeit des angemeldeten Markenwortes [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die beanspruchten Waren unter Hinweis darauf festgestellt, dass es in seiner Bedeutung „Schlumpfsperma“ ein alkoholisches Mischgetränk bezeichne, welches sich ebenso wie die mit „Schlumpf“ betitelte blaue Comic-Figur durch seine auffällige blaue Farbe auszeichne. Der zweite Wortbestandteil „[X.]“ stelle in seiner Bedeutung als [X.] für flüssiges Sperma eine deutliche Anspielung auf ebenfalls weißen und flüssigen [X.] dar, der dem [X.] beigemischt werde. Zugleich fehle dem Zeichen für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], weil der Verkehr das Zeichen in der genannten Bedeutung stets nur als schlagwortartigen Sachhinweis, aber nicht als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb verstehen werde.

7

Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, ein unmittelbarer sachlicher beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren und Dienstleistungen fehle dem Anmeldezeichen ebenso wie ein diese beschreibender, im Vordergrund stehender Begriffsgehalt. „[X.]“ enthalte insbesondere keine massiv diskriminierende und die Menschenwürde beeinträchtigende sexuelle Aussage.

8

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

9

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 11. März 2010 und 21. Dezember 2010 aufzuheben.

Ergänzend wird auf die Akte des Amtes 30 2008 067 594.2 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg. Das von ihm zur Anmeldung gebrachte Zeichen verstößt gegen die guten Sitten, § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.].

Gegen die guten Sitten verstoßen Marken, die das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen geeignet sind, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig wirken oder eine grobe Geschmacksverletzung enthalten ([X.], 136, 137 – [X.]). Maßgeblich ist hierbei die Auffassung des angesprochenen Publikums in seiner Gesamtheit, wobei die weder übertrieben laxe noch besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers entscheidet ([X.] vom 16. Oktober 2002 – 24 W (pat) 140/01 - Dalai Lama; [X.]. 1983, 156 – Schoasdreiber). Die sittliche Anstößigkeit oder grobe Geschmacklosigkeit ist stets im Hinblick auf die betroffenen Waren zu beurteilen (vgl. [X.] 36, 19 – [X.]; [X.]. 1988, 75 - [X.]). Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die maßgebliche Verkehrsauffassung von der fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt ist. Soweit allerdings das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Verkehrs durch geschlechtsbezogene Angaben unerträglich verletzt wird, ist auch weiterhin von der Schutzunfähigkeit der Marke auszugehen (Hacker, [X.]/Hacker, [X.], 9. Auflage, § 8 Rdn. 501).

Bei Zugrundelegung dieses  [X.] ist die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht eintragungsfähig. „[X.]“ verbindet „Schlumpf“, den [X.] Namen einer von dem [X.] Zeichner [X.] für Kinder als Zielpublikum entworfenen, zwergenhaften, blauen Fantasiegestalt der Comicliteratur, welcher zugleich als umgangssprachliche Bezeichnung für eine Person verwendet wird, über deren Verhalten man auf eine eher gutmütige Weise empört ist (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl. 2011, [X.]. „Schlumpf“), mit dem Wort „Wichse“, einer Rückbildung des Verbums „wichsen“, welches sich lexikalisch in drei Bedeutungen, nämlich „1. wachshaltiges Putzmittel, das glänzend macht (bes. Schuhcreme), 2. schlagen, prügeln, 3. (derb) onanieren“ (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl. 2011, [X.]. „Wichse, wichsen“) nachweisen lässt. Die angemeldete Wortkombination „[X.]“ wird in Internetforen und Blogs u. a. als Bezeichnung für verschiedene, in ihren Rezepturen nicht übereinstimmende Getränkemischungen mit Alkoholanteil ([X.] mit Milch; [X.] mit [X.]; [X.] mit Zitronensorbet; Wodka, Korn oder Doppelkorn mit Hustenbonbons „Wick Blau“ oder „[X.]“; Korn mit Anchovis), benutzt. Der Anmelder bewirbt mit ihr einen [X.]. Zu den [X.] Eigenschaften dieser Getränke gehören ihre Viskosität und eine trübe, bläuliche Farbe.

[X.] Anstoß erregt die angemeldete Wortkombination in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen deshalb, weil sie einen derben Ausdruck für Ejakulat mit einer an das kindliche Publikum gerichteten, bei Kindern in [X.] zumindest in den 80er und 90er Jahren bekannten und beliebten Comicfigur verbindet. Zugleich stellt die Offerte eines derart gekennzeichneten Getränkes eine Aufforderung zum Spermatrinken im übertragenen Sinne dar. Diese Tatsachen sind in ihrer Kombination geeignet, das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises zu verletzen (vgl. hierzu [X.], 592, 595 – Busengrapscher; [X.] PROMA, -  26 W (pat) 107/97 – Schenkelspreizer; [X.] PROMA, 10 W (pat) 711/99 – Penistrillerpfeife; [X.] PROMA 26 W (pat) 36/10 - [X.]). Dieser Umstand steht der Veröffentlichung des angemeldeten Ausdrucks als Marke entgegen.

Aus diesen Gründen verbleibt es bei einer Zurückweisung. Die Beschwerde des Anmelders hat daher keinen Erfolg.

Meta

26 W (pat) 8/11

26.09.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.09.2011, Az. 26 W (pat) 8/11 (REWIS RS 2011, 3020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3020

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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