Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.02.2011, Az. 26 W (pat) 36/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 9650

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ARSCHLECKEN24 (Wort-Bild-Marke)" – Schutzunfähigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 000 752.7

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 9. Februar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 21 des [X.] die Eintragung der für die Waren

2

Druckereierzeugnisse; Papierwaren; Bierdeckel; Glas-, Porzellan-, Steingut- und Keramikwaren, soweit in Klasse 21 enthalten; Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen“

3

Kleidungsstücke; Kopfbedeckungen“

4

angemeldeten Wort/-Bildmarke 30 2009 000 752.7 / 21

Abbildung

5

mit der Begründung zurückgewiesen, dass das angemeldete Zeichen gegen die guten Sitten verstoße. § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.]. „[X.]“ sei nicht lediglich im Sinne von „Rutsch [X.] den Buckel runter“ oder „Lass [X.] in Ruhe“, sondern in seinem Wortsinne zu verstehen. Eine Eingabe des als Wortbestandteil verwendeten Begriffs in Suchmaschinen führe vielfach auf einschlägige Sex- und Pornoseiten. Zusammen mit seinem Bild- und [X.] komme dem Zeichen die Bedeutung „Arschlecken rund um die Uhr“ und damit ein Aussagegehalt zu, der bei aller gebotenen Zurückhaltung sowohl anstößig als auch vulgär und grob geschmacklos sei. Die beanspruchten Waren richteten sich an breite Verkehrskreise, unter anderem somit auch an Kinder und Jugendliche.

6

Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Der Wortbestandteil der angemeldeten Zeichens sei in der [X.] Umgangssprache fest verankert und werde in Film und Fernsehen, in der Literatur und der Musik in verschiedenen Konfigurationen und Dialektformen quer durch die Gesellschaft im Sinne von „Lass [X.] in Ruhe“ verwendet. Im Zuge moderner Werbung werde der Verkehr immer häufiger damit konfrontiert, dass Waren oder Dienstleistungen mit Kennzeichnungen versehen würden, bei denen negative, schockierende oder den guten Geschmack verletzende Bedeutungsinhalte mitschwängen.

7

Der Anmelder beantragt,

8

die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

9

Ergänzend wird auf die Akte des Amtes 30 2009 000 752.7 / 21 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist unbegründet. Einer Eintragung des angemeldeten Zeichens steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 5 [X.] entgegen. Das Zeichen verstößt gegen die guten Sitten.

Der Begriff der guten Sitten ist der sittlichen Auffassung, dem „[X.] aller billig und gerecht Denkenden“ (vgl. [X.], 228, 232) zu entnehmen. Dabei kommt es nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinne, sondern darauf an, ob eine Marke geeignet ist, das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen, indem sie sittlich, politisch oder religiös anstößig wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung enthält ([X.], 136, 137-  [X.]). Die sittliche Anstößigkeit oder grobe Geschmacklosigkeit ist stets im Hinblick auf die betroffenen Waren zu beurteilen. Maßgeblich hierfür ist die weder übertrieben laxe, noch besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. [X.] PROMA 24 W (pat) 140/01 – Dalai Lama; [X.]. 1983, 156 - Schoasdreiber; [X.] PROMA vom 21.09.2005 - 26 W (pat) 244/02 - Ficke). Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Verkehrsauffassung Veränderungen unterliegt und von einer fortschreitenden Liberalisierung der Anschauungen über Sitte und Moral geprägt ist. Gleichzeitig ist die Frage zu stellen, ob der Verkehr sich daran stören würde, wenn das Zeichen durch die Eintragung den Anschein einer amtlichen Bestätigung erhielte (vgl. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., Rn. 278 zu § 8). Von der Schutzunfähigkeit eines Zeichens ist insbesondere dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Verkehrs durch geschlechtsbezogene Angaben verletzt wird ([X.]/Hacker, [X.], 7. Auflage, § 8 Rdn. 612).

Bei Zugrundelegung dieses [X.] ist die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren nicht eintragungsfähig.

Im [X.] etwa seit 1500 in Gebrauch, ist der als Wortbestandteil im angemeldeten Zeichen enthaltene Imperativ bzw. Indikativ durch die in [X.] [X.] (1773, [X.] im 3. Akt) enthaltene, inhaltlich, stilistisch und pragmatisch schockierende Beleidigung gegenüber dem Boten des Kaisers bekannt geworden. Im Imperativ bzw. Indikativ wird der [X.] auch heute in der [X.] Umgangssprache (vgl. [X.], [X.], Wörterbuch der [X.] Umgangssprache 1997) als derbe Form provokativer Abweisung verwendet, in der zugleich Ablehnung oder Auflehnung gegen eine im Verhältnis zum Sprecher mächtigere, einflussreichere Person oder Institution zum Ausdruck kommen können. In dieser Eigenschaft hat das Markenwort wenig von seiner durch die gewählte derbe Form verursachten Schockwirkung eingebüßt und wird von einem beachtlichen Personenkreis nach wie vor als sittlich anstößig empfunden.

[X.] Anstoß erregt der angemeldete Wortbestandteil deshalb, weil er zugleich eine Sexualpraktik zu beschreiben geeignet ist, deren Erwähnung das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises verletzt, wenn dies durch den gewählten vulgären Ausdruck geschieht (vgl. hierzu [X.], 592, 595 – Busengrapscher; [X.] PROMA 26 W (pat) 107/97 – Schenkelspreizer; [X.] PROMA, 10 W (pat) 711/99 – Penistrillerpfeife). Dieser Umstand steht der Veröffentlichung des angemeldeten Ausdrucks als Bestandteil einer Marke entgegen, für welche eine Urkunde mit dem [X.] als Zeichen hoheitlicher Anerkennung verliehen wird. Eine Kennzeichnung der beanspruchten [X.], Schmuckwaren und alltägliche Gebrauchsgegenstände - mit dem angemeldeten Zeichen brächte zudem eine Perpetuierung des als gesprochenes Wort flüchtig bleibenden Ausdrucks mit sich. Die dem Markenwort angefügte Zahl „24“ verstärkte diese Wirkung noch. Denn sie weist im Zusammenhang mit dem ihm vorangestellten Imperativ darauf hin, dass die derbe Form rund um die Uhr, d. h. dauerhaft zum Ausdruck gebracht werden soll (vgl. [X.] PROMA, 25 W (pat) 207/01 – [X.] m. w. N).

Der Bildbestandteil des angemeldeten Zeichens unterstreicht diese Aussage. Er besteht aus einem schwarzen Ziffernblatt, auf welchem im Uhrzeigersinn anstelle von Ziffern die Buchstaben des angemeldeten Markenwortes in weißer Druckschrift angeordnet sind und die Zahl „24“ die Ziffer „12“ ersetzt. Weder die Anordnung der Buchstaben und Ziffern, noch ihre Größe erschweren dabei merklich die Wahrnehmbarkeit des [X.] mit der Folge, dass das durch diesen bestimmte Zeichen in seiner Gesamtheit gegen die guten Sitten verstößt.

Aus diesen Gründen verbleibt es bei einer Zurückweisung. Die Beschwerde des Anmelders hat daher keinen Erfolg.

Meta

26 W (pat) 36/10

09.02.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.02.2011, Az. 26 W (pat) 36/10 (REWIS RS 2011, 9650)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9650

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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26 W (pat) 8/11

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