Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2013, Az. IX ZR 128/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 886

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 128/13

Verkündet am:

21. November 2013

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 133 Abs. 1
a)
Eine vom Schuldner veranlasste Banküberweisung ist eine Rechtshandlung, auch wenn zuvor zu Gunsten des Zahlungsempfängers der Anspruch auf Auszahlung des [X.] gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde.
b)
Ein [X.] kann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner die Entstehung des Pfandrechts zielgerichtet gefördert hat.

[X.], Urteil vom 21. November 2013 -
IX ZR 128/13 -
OLG Dresden

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
21. November 2013
durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 15. Mai 2013 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 12. August 2010 am 30.
September 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der
B.

GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war von der [X.] beauftragt worden, einen unbemann-ten Radpanzer zu entwickeln. Hierzu bediente sie sich der [X.], die Ent-wicklungs-
und Fertigungsleistungen erbrachte. Bei einem Gespräch ihrer Ge-schäftsführer am 15. Dezember 2008 vereinbarten die Schuldnerin und die [X.], dass eine seit dem 16. Dezember 2007
fällige Forderung der [X.] über 995.000

der Auftraggeberin der Schuldnerin über
rund 1,7 Mio.

sollte. In der Folge erwirkte die Beklagte einen rechtskräftigen Vollstreckungs-bescheid über ihre Forderung nebst Zinsen und Kosten und auf dessen [X.] am 4. Mai 2009 einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss betreffend 1
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ein Bankkonto der Schuldnerin. Der Beschluss wurde der Bank am 12.
Mai und der Schuldnerin am 13. Mai 2009 zugestellt. Ebenfalls am 13.
Mai 2009 wurde dem Bankkonto die erwartete Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin in Höhe von knapp 1,7
Mio.

Bank auf Anweisung der Schuldnerin zur Erledigung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses 1.117.949,20

Der Kläger hat die Überweisung insolvenzrechtlich angefochten und [X.] mit der Klage die Rückzahlung des überwiesenen Betrags nebst Zinsen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Rückgewähran-spruchs wegen Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.] be-jaht.
Die angefochtene Überweisung stelle sich
trotz der vorausgegangenen Pfändung und Überweisung
des Kontoguthabens als Rechtshandlung der Schuldnerin dar. Dies folge zwar nicht daraus, dass die Schuldnerin die Bank am 15. Mai 2009 angewiesen habe, den geschuldeten Betrag an die Beklagte 2
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auszuzahlen, denn zu diesem Zeitpunkt habe die Schuldnerin nur noch die Möglichkeit gehabt, entweder die Beklagte das gepfändete Guthaben einziehen zu lassen oder den Betrag selbst zu überweisen. Die Qualifizierung als [X.] sei aber gerechtfertigt, weil die Schuldnerin mit der Absprache vom 15. Dezember 2008, nach der die Beklagte ihre Forderung im Mahnverfah-ren titulieren lassen und die Schuldnerin dies hinnehmen sollte, und mit ihrem korrespondierenden Verhalten in der Folgezeit aktiv zu der [X.] beigetragen habe. Die Überweisung habe die Gläubiger der Schuld-nerin benachteiligt, weil das zuvor erlangte [X.] nicht [X.], sondern seinerseits nach § 133 Abs. 1 [X.] anfechtbar gewesen sei. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung seien gegeben, weil zum Zeitpunkt der Überweisung sowohl die Schuldnerin als auch die Beklagte Kenntnis von der Zahlungseinstellung und damit von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt hätten.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
Die Beklagte ist nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.] zur Rückgewähr der Zahlung in Höhe von 1.117.949,20

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Rechtshandlung der Schuldnerin ausgegangen.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt es grundsätzlich an einer sol-chen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger durch eine Leis-5
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tung des Schuldners befriedigt wird, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist, etwa weil
der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Voll-streckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite [X.] zu dulden. Dann fehlt es an einer willensgeleiteten Rechtshandlung des Schuldners. [X.] ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer [X.] erfolgte Vermögensverlagerung hingegen
dann, wenn dazu zumin-dest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstre-ckung erfolgt sein. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen
([X.], Urteil vom 3. Februar 2011 -
IX
ZR 213/09, [X.], 501 Rn. 5, 12; vom 14. Juni 2012 -
IX
ZR 145/09, [X.], 1401 Rn.
8; jeweils mwN).

b) Nach diesen Maßstäben ist hier eine Rechtshandlung der Schuldnerin anzunehmen.

aa) Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede stehenden Betrag an die Beklagte zu über-weisen. Nach der Rechtsprechung des Senats nimmt ein Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto
zuguns-ten des
Zahlungsempfängers
gepfändet und ihm
zur Einziehung überwiesen wurden ([X.], Urteil vom 9. Juni 2011
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IX
ZR 179/08, [X.], 1343 Rn.
10 mwN; vom 22. November 2012 -
IX
[X.], [X.], 48 Rn. 9).
Anders als 8
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im Falle der Aushändigung des [X.] an den bereits anwesenden [X.] steht
nach der Pfändung des Anspruchs auf Auszah-lung eines Kontoguthabens und dessen Überweisung zur Einziehung noch nicht fest, dass der Abfluss eines Vermögenswerts unmittelbar bevorsteht. Denn es bleibt zunächst offen, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger von seiner Ermächtigung zur Einziehung der gepfändeten Forderung Gebrauch macht. Weist der Schuldner in dieser Situation seine Bank an, eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger auszuführen, kann der Handlung des Schuldners die Selbstbestimmtheit nicht abgesprochen werden.

bb) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Schuldnerin durch weitere [X.] im Vorfeld der Überweisung zielgerichtet zu der [X.] beigetragen hat. In dem von den Geschäftsführern am 15. Dezember 2008 geführten Gespräch einigten sich die Schuldnerin und die Beklagte auf ein [X.], mit dem die Beteiligten nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts
sicher stellen wollten, dass die Forderung der [X.] mittels einer von der Schuldnerin erwarteten Zahlung ihrer Auf-traggeberin ausgeglichen wurde.
Nach dieser Absprache sollte die Beklagte ihre Forderung im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens titulieren lassen. Die Schuldnerin sollte dies hinnehmen, ohne gerichtliche Schritte dagegen einzulei-ten. Unverzüglich nach Eingang einer für Ende Mai 2009 erwarteten Zahlung des Auftraggebers der Schuldnerin in Höhe von 1,7
Mio.

Betrag von 995.000

e-klagte überwiesen werden. An diese Absprache hielt sich die Schuldnerin in der Folgezeit.
Ihr Beitrag zu der eingetretenen Vermögensverlagerung auf die [X.] ging
entgegen der Ansicht der Revision über das bloße Unterlassen von ohnehin aussichtslosen Rechtsbehelfen hinaus und umfasste neben der [X.] des
beiderseitigen
Vorgehens
auch die Erteilung von Informationen 10
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über den erwarteten Zahlungseingang
als Grundlage der Befriedigung der [X.].

2. Die in der vereinbarten Überweisung liegende Rechtshandlung der Schuldnerin hat zu einer Verminderung ihres Aktivvermögens und damit zu [X.] Benachteiligung ihrer übrigen Gläubiger geführt.

a) Allerdings benachteiligt die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers die Gesamtheit der Gläubiger dann nicht, wenn sie aufgrund eines [X.]s erfolgt, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermö-gen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 [X.] berechtigt ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012 -
IX
ZR 145/09, [X.], 1401 Rn.
14; vom 22. November 2012 -
IX [X.], [X.], 48 Rn. 10, 13
f; jeweils mwN). Der Gläubiger erhält dann nur das, was ihm bereits aufgrund des insolvenzbeständigen Pfandrechts zusteht. Anders verhält es sich nur, wenn das Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliegt.

b) Letzteres ist hier der Fall. Das von der [X.] erwirkte [X.] ist nach § 133 Abs. 1 [X.] anfechtbar.

aa) Dem Pfandrecht liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin [X.], obwohl es als Folge der von der [X.] veranlassten Forderungspfän-dung entstanden ist. Maßgebend ist insoweit, dass die Schuldnerin zu der aus-gebrachten Pfändung aktiv beigetragen hat, indem sie sich mit der [X.] in dem Gespräch vom 15. Dezember 2008 auf ein Vorgehen geeinigt hat, das die Befriedigung der [X.] aus der erwarteten Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin sichern sollte. Zwar ist nicht festgestellt, dass die getroffene [X.] auch den Zugriff der [X.] auf das Bankguthaben der Schuldne-11
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rin im Wege der Zwangsvollstreckung beinhaltete. Mit der abgesprochenen, von der Schuldnerin hingenommenen Titulierung der Forderung der [X.] sollte aber die Voraussetzung für einen solchen Zugriff geschaffen werden, und [X.] der [X.] vor der vereinbarten Überweisung durch die Schuldnerin hatten beide Beteiligte nach den
nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls in Betracht gezogen, sodass zumindest die Möglichkeit einer Forderungspfändung Bestandteil der getroffenen Absprache war. Zudem hat die Schuldnerin eine erfolgreiche Pfändung ihres Bankgutha-bens dadurch begünstigt, dass sie die Beklagte über den voraussichtlichen Zeitpunkt und über die erwartete Höhe des Zahlungseingangs in Kenntnis setz-te.
Selbst wenn man in diesem Vorgehen noch keine Vollstreckung in einver-nehmlichem, kollusivem
Zusammenwirken sieht, hat die Schuldnerin zumindest aktiv daran mitgewirkt,
dass die Beklagte
ein werthaltiges [X.] erlangen konnte (vgl. [X.], Urteil vom 3. Februar 2011 -
IX
ZR 213/09, [X.], 501 Rn.
12).
Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Mitwir-kungshandlung des Schuldners und der Vollstreckungsmaßnahme muss ent-gegen der Ansicht der Revision nicht bestehen.

bb) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung vom 15.
Dezember sei zumindest mitursächlich für die Titulierung der Forderung der [X.] und
für
die darauf beruhende Kontenpfändung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass die [X.] selbst nicht behauptet hat, sie hätte die streitgegenständliche Forderung auch ohne die Vereinbarung vom 15. Dezember 2008 bereits Anfang 2009 [X.] lassen. Es hat ferner darauf abgestellt, dass die Beklagte für zwei weitere Forderungen gegen die Schuldnerin über 1.785.000

ebenfalls fällig, aber von der Vereinbarung nicht betroffen waren, keinen Titel 15
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erwirkt hat. Die auf
diesen Umständen beruhende Würdigung
ist
rechtlich mög-lich und verstößt
weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.

cc) Das zugunsten der [X.] entstandene [X.] hat die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt, weil es ein Recht der [X.] zur abgesonderten Befriedigung aus den gepfändeten Forderungen begründete.

3. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung lagen sowohl zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des [X.]s wie auch zu dem nur wenige Tage später liegenden Zeitpunkt der Ausführung der
angefoch-tenen Überweisung vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte
die gewerblich tätige Schuldnerin zu den fraglichen Zeitpunkten ihre Zahlungen eingestellt und war damit zahlungsunfähig
(§ 17 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Dies war sowohl der Schuldnerin selbst als auch der [X.] bekannt. Mit Recht hat das Berufungsgericht aus diesen Umständen, die von der Revision nicht in

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Zweifel gezogen werden, auf den Vorsatz der Schuldnerin, ihre Gläubiger
zu benachteiligen, und auf die darauf bezogene Kenntnis der [X.] geschlos-sen.

Kayser
Gehrlein
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.04.2012 -
1 O 647/11 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 15.05.2013 -
13 [X.] -

Meta

IX ZR 128/13

21.11.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2013, Az. IX ZR 128/13 (REWIS RS 2013, 886)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 886

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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