Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2016, Az. VII ZR 47/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14751

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:100316BVIIZR47.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZR 47/13

vom

10. März 2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 522 Abs. 2, § 524 Abs. 4, § 139 Abs. 3
a)
Erachtet das Berufungsgericht eine Feststellungsklage entgegen der Auffassung des Erstgerichts für unzulässig, so muss es den Kläger gemäß §
139 Abs.
3 ZPO hierauf hinweisen. Darüber hinaus muss das Berufungsgericht dem Kläger jedenfalls dann Ge-legenheit geben, auf einen solchen Hinweis in der Berufungsinstanz durch eine An-tragsmodifizierung zu reagieren, wenn der vom Berufungsgericht erteilte Hinweis des-halb geboten war, weil das Erstgericht einen gegenteiligen Hinweis erteilt und dadurch die erstinstanzliche Antragstellung veranlasst hatte ([X.] an [X.], Beschluss vom 23.
April
2009

IX
ZR
95/06, NJW-RR 2010, 70).
b)
Stellt der Kläger auf einen solchen Hinweis des Berufungsgerichts als Hilfsantrag einen [X.], ist es dem Berufungsgericht verwehrt, die Berufung des [X.] ge-mäß §
522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und dadurch diese -
als Reaktion auf den [X.] des Berufungsgerichts erfolgte -
Klageerweiterung für wirkungslos zu erachten, §
524 Abs.
4 ZPO analog (Abgrenzung zu [X.], Beschlüsse vom 10.
Juni
2015

IV
ZR
366/14; vom 6.
November
2014

IX
ZR
204/13, NJW 2015, 251; vom 3.
Juni
2014 -
VI ZR 71/13).
[X.], Beschluss vom 10. März 2016 -
VII ZR 47/13 -
KG Berlin

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 10. März 2016
durch [X.]
Kartzke, Halfmeier
und Prof.
Dr.
Jurgeleit
und die Richterinnen [X.] und Sacher
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin
gegen die Nichtzulassung der Revi-sion
wird
teilweise
stattgegeben.
Der Beschluss des 21. Zivilsenats des [X.] vom 12.
Februar
2013
wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht den hilfs-hilfsweise gestellten Antrag auf Verurteilung der
Beklagten zur nebst Zinsen für wirkungslos erachtet hat.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur neuen [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht
zurück-verwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Gegenstandswert
der Nichtzulassungsbeschwerde und des statt-gebenden Teils: 223.513

-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine zusätzliche Vergütung für [X.] im Rahmen eines Bauvorhabens.
Mit Bauvertrag von August 2007, dem eine Ausschreibung der Beklagten vorangegangen war, verpflichtete sich die Klägerin zur Durchführung von Erd-arbeiten im Rahmen der Herstellung eines Tunnels. Die [X.]en streiten der Sache nach darüber, ob die Klägerin für [X.] eine zusätzliche Vergütung verlangen kann oder
ob
die [X.] von dem [X.] der Ausschreibung und damit vom Bauvertrag erfasst sind.
Die Klägerin hat ursprünglich Zahlung von 411.783,33

nebst Zinsen begehrt. Nach
einem
Hinweis des [X.] hat die Klägerin den [X.] umgestellt und die Feststellung begehrt, dass für die erbrachten [X.] eine zusätzliche Vergütung dem Grunde nach geschuldet wird. Diesen Antrag hat das [X.] als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Mit Beschluss vom 21.
August 2012 hat das Berufungsgericht die [X.] darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, die Berufung
durch einstimmigen Beschluss nach §
522
Abs.
2 ZPO zurückzuweisen, insbesondere
habe die [X.] offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der vor dem [X.] zuletzt gestellte Feststellungantrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen des §
256 Abs.
1 ZPO nicht gegeben seien. Daraufhin hat die Klägerin ihren Feststel-lungsantrag als Hauptantrag aufrechterhalten, hilfsweise einen modifizierten Feststellungsantrag gestellt und hilfs-hilfsweise beantragt, die Beklagte zur [X.] von 223.513

nebst Zinsen zu verurteilen.
1
2
3
4
-
4
-
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Beru-fung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzu-lässig abgewiesen wird. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die [X.] ihre Anträge weiter.

II.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der [X.] sei unzulässig, da er eine bloße Vorfrage und kein Rechtsverhältnis zum Gegenstand habe. Das potentielle Rechtsver-hältnis sei die Frage, ob ein der Höhe nach bestimmter Vergütungsanspruch aus einem Vertrag folge. Insoweit stellten [X.] lediglich unselbständi-ge Aktivposten einer saldierten Abrechnung dar. Nur der Saldo könne einge-klagt werden. Zudem sei die Leistungsklage vorrangig, da die Klägerin, wie sich aus dem hilfs-hilfsweise gestellten Antrag ergebe, den Saldo beziffern könne.
Das Berufungsgericht habe nicht übersehen, dass die Formulierung des [X.] auf einem Hinweis des [X.] beruhe. Deshalb sei die Klägerin auf die abweichende Meinung des Berufungsgerichts hingewiesen worden. Gleichwohl habe die Klägerin ihren Feststellungsantrag aufrechterhal-ten. Dass die Klägerin hilfs-hilfsweise einen Leistungsantrag einführe, zwinge nicht dazu, über diesen Antrag mündlich zu verhandeln. Es hätte an der [X.] gelegen, diesen Antrag nicht nur hilfsweise zu stellen. Denn mit der Beru-fung erhobene Klageerweiterungen schlössen eine Beschlusszurückweisung nicht aus, sondern würden mit der Zurückweisung wirkungslos.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat teilweise Erfolg. Die Entscheidung des Berufungsgerichts
beruht auf einer 5
6
7
8
9
-
5
-
Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, Art.
103 Abs.
1 GG, soweit das Berufungsgericht den hilfs-hilfsweise gestellten [X.] der Klägerin für wirkungslos erachtet hat. Der Zurückweisungsbeschluss des
Berufungsgerichts
ist deshalb insoweit aufzuheben und die Sache ist an dieses
zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.
a) Bleiben Anträge einer [X.] deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung des Prozessrechts zu Un-recht für ausgeschlossen erachtet hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör (Art.
103 Abs. 1 GG) der [X.] verletzt
(vgl. [X.], NJW 2005, 1487, juris Rn.
11; [X.], Beschlüsse vom 1. Oktober 2014

[X.], [X.], 158 Rn.
10
= NZBau 2014, 779;
vom 9.
Juli 2014
VII
ZR
161/13, [X.], 1775 Rn.
12 =
NZBau 2014, 621).
Gerichtliche
Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überra-schungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der [X.]en auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], Beschluss vom 23. April 2009 -
IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 Rn. 5; [X.]E 84, 188, 190, juris Rn. 7). Hinsichtlich von Amts wegen zu berücksichtigender Punkte sieht § 139 Abs. 3
ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht vor, die auch für das Berufungsgericht gilt, §
525 Satz 1 ZPO. Erachtet das Berufungsgericht die Klage entgegen der Auffassung des Erstgerichts für unzulässig, so muss es den Kläger hierauf hinweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 2012 -
IV ZR 188/12,
Rn. 11 m.w.[X.]). Darüber hinaus muss das Berufungsgericht dem Kläger jedenfalls dann Gelegenheit geben, auf einen solchen Hinweis in der Berufungsinstanz durch eine Antrags-modifizierung zu reagieren (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
April 2009 -
IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 Rn. 5), wenn der vom Berufungsgericht erteilte [X.] deshalb
geboten war, weil das Erstgericht einen gegenteiligen Hinweis erteilt und dadurch die erstinstanzliche Antragstellung veranlasst hatte
(vgl.
10
11
-
6
-
[X.], Beschluss vom 23. April 2009 -
IX ZR 95/06, NJW-RR 2010, 70 Rn. 5). Denn sonst würde der Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör in Verbin-dung mit dem Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz unzulässig einge-schränkt. Bei einer solchen Verfahrenskonstellation ist es dem Berufungsgericht ausnahmsweise verwehrt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuwei-sen und dadurch eine -
als Reaktion auf den Hinweis
des Berufungsgerichts erfolgte
-
Klageerweiterung für wirkungslos zu erachten
(vgl. zur grundsätzlich entsprechenden Anwendbarkeit von § 524 Abs. 4 ZPO auf Klageerweiterungen bei [X.] gemäß § 522 Abs. 2 ZPO: [X.], Beschlüsse
vom 10.
Juni 2015 -
IV ZR 366/14; vom 6. November 2014 -
IX ZR 204/13, NJW 2015, 251 Rn.
2; vom 3.
Juni
2014 -
VI
ZR
71/13,
Rn.
1; Urteil vom 24.
Oktober
2013 -
III ZR 403/12, [X.]Z 198, 315 Rn. 19, zur Widerklage).
b) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, indem es den hilfs-hilfsweise geltend gemachten [X.]santrag nicht berücksichtigt hat. Mit diesem Antrag hat die Klägerin auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 21. August 2012 reagiert, mit dem das Berufungsgericht die Klägerin erstmals auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des als Berufungsantrag weiterverfolgten -
ursprünglich auf [X.] des [X.] hin gestellten -
[X.] hingewiesen hatte. Der Umstand, dass die Klägerin den [X.] als Hilfsantrag geltend gemacht hat, ändert angesichts der Verfahrenskonstellation im Streitfall an dem Gebot, diesen Antrag zu berücksichtigen, nichts. Denn es stellt eine sachge-rechte üblicher Praxis entsprechende Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis dar, dass ein Antrag, mit dem diesem Rechnung getragen wird, nur hilfsweise geltend gemacht wird.

12
-
7
-
3. Im Übrigen wird von einer Begründung der Zurückweisung der Be-schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision abgesehen, weil
sie nicht [X.] wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

Kartzke
Halfmeier
Jurgeleit

[X.]

Sacher
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.11.2011 -
9 O 94/11 -

KG Berlin, Entscheidung vom [X.] -
21 [X.] -

13

Meta

VII ZR 47/13

10.03.2016

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2016, Az. VII ZR 47/13 (REWIS RS 2016, 14751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14751

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