Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2014, Az. III ZR 84/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8229

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 84/13
vom

31. Januar 2014

in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 31.
Januar 2014
durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], Seiters
und Reiter

beschlossen:

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Re-vision im Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 21.
Januar 2013 -
4
U 119/12
-
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert
für das Beschwerdeverfahren
wird auf 128.000

festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des §
543 Abs.
2 ZPO nicht vorliegen.

1.
Zutreffend rügt der Kläger jedoch die Rechtsauffassung des Berufungs-gerichts, der Anspruch des [X.] wegen des fehlerhaften Gutachtens des [X.] entfalle mangels Verschulden wegen
der Anwendung der [X.], weil die Baulandkammer und der Baulandsenat im Vorprozess das Gutachten des [X.] gewürdigt und für zutreffend gehalten hätten.

1
2
-

3

-

Ein Verschulden der Mitglieder des [X.] bei der [X.] kann nicht mit dem Hinweis auf
die [X.] verneint werden. Diese
beruht auf der Erwägung, dass von einem Beamten, der allein und im Drang der Geschäfte handeln muss, keine bessere Rechtseinsicht erwartet werden kann, als von einem Gremium mit mehreren Rechtskundigen, das in voller Ruhe und reiflicher Überlegung entscheidet, nachdem vorher der [X.] in ganzer Fülle vor ihm ausgebreitet worden ist. Insofern trifft nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ei-nen Beamten in der Regel kein Verschulden, wenn ein mit mehreren Berufsrich-tern besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig ange-sehen hat. Weiter ist Voraussetzung für die Anwendung der [X.], dass der Beamte eine zweifelhafte und nicht einfach zu lösende Rechtsfrage zu beantworten hat (vgl. ständige
Rechtsprechung zuletzt Senats-urteil vom 4.
November 2010 -
III
ZR 32/10, [X.], 286
Rn.
36
f mwN). Im vorliegenden Fall war die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung der Mitglieder des [X.] nicht Gegenstand der Entscheidung der [X.] im Vorprozess. Der Gutachterausschuss hatte als Sachverständiger zu tat-sächlichen Bewertungsfragen Stellung zu nehmen und keine Rechtsfragen zu beantworten. Die [X.] ist daher
im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

2.
Die Zulassung der Revision kommt wegen dieses Gesichtspunktes gleichwohl nicht in Betracht, da die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht beruht. Die Schadensersatzforderung des [X.] ist
nämlich verjährt, so dass der
Beklagte nach §
214 Abs.
1 BGB berechtigt
ist, die Leistung zu verweigern.

3
4
-

4

-

Die hier anwendbare regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren be-ginnt nach §§
195, 199 Abs.
1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden war und der Gläubiger von den den Anspruch begrün-denden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt
hat
oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste.

a) Danach begann vorliegend die Verjährungsfrist am 1.
Januar 2005. Mit der Entscheidung des Senats vom 1.
April 2004 im Vorprozess war das baulandgerichtliche Verfahren abgeschlossen und der Schaden spätestens ein-getreten. [X.] bleiben kann, ob bereits mit der Entscheidung des [X.] im ersten Rechtszug des [X.] ein Schaden eingetreten sein kann (vgl. dazu [X.], Urteile vom 21.
Februar 2002 -
IX
ZR 127/00, NJW 2002, 1414, 1415; vom 9.
Dezember 1999 -
IX
ZR 129/99, [X.], 1263, 1264; vom 12.
Februar 1998 -
IX
ZR 190/97, NJW-RR 1998, 742). Die erforder-liche Kenntnis beziehungsweise
grob fahrlässige Unkenntnis
als Voraussetzung
für den Beginn der Verjährungsfrist ist vorhanden, wenn der Geschädigte auf-grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Scha-densersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage,
erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie zumutbar ist. Die Frage, wann dem Geschädigten eine Klage zumutbar ist, beurteilt sich im [X.] nach ähnlichen Gesichtspunkten, wie der Senat sie für den Gebrauch eines Rechtsmittels im Sinne des §
839 Abs.
3 BGB angenommen hat (Senatsurteil
vom 11.
Mai 1989 -
III
ZR 88/87, NJW 1990, 245, 247; Be-schlüsse
vom 28.
Februar 1991 -
III
ZR 252/89, [X.]R BGB §
852 Amtshaf-tung
2 und
vom 25.
November 1991 -
III
ZR 190/90, [X.]R BGB §
852 Amts-haftung
3 zu §
852 BGB a.F.).

5
6
-

5

-

Im vorliegenden Fall konnte der Kläger
davon ausgehen, dass er mit den
gegen die vorinstanzlichen
Urteile der
Baulandgerichte eingelegten Rechtsmit-teln (Berufung, Nichtzulassungsbeschwerde)
die ihn belastenden Folgen des von ihm als fehlerhaft angesehenen Gutachtens des [X.] beseitigen konnte. Dies war für ihn in der damaligen Situation
der einfachere Weg, der im [X.] eine Schadensersatzklage aus seiner Sicht entbehrlich
gemacht hätte. Dementsprechend war es ihm zum Zeitpunkt des Erlasses des erst-
und zweitinstanzlichen Urteils
im baulandgerichtlichen Verfahren nicht zu-mutbar, bereits Schadensersatzklage wegen der wirtschaftlichen Folgen des von ihm als fehlerhaft angesehenen Gutachtens des [X.] einzureichen.

b) Die Frist war auch nicht durch Verhandlungen bis zum 31.
Dezember 2007 gehemmt. Zwar ist der Begriff der Verhandlung im Sinne des §
203 Satz
1 BGB weit auszulegen. Es kann jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen ausreichen, was aber nur gilt, wenn der Schuldner nicht sofort erkennbar Verhandlungen ablehnt (vgl. [X.], Urteil vom 26.
September 2006 -
VI
ZR 124/05, [X.], 64 Rn.
5). Verhandlungen schweben, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörte-rungen über
die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein ([X.], Urteil vom 26.
September 2006 aaO mwN).

Substantiierten Vortrag in dieser Weise hat der Kläger nicht gehalten. Das Berufungsurteil führt solches nicht aus und auch die Beschwerde nimmt auf solchen Vortrag keinen Bezug. In der ersten Instanz hat der Kläger lediglich

7
8
9
-

6

-

vorgetragen, stets mit dem Gutachterausschuss über eine Berichtigung des Gutachtens gesprochen und Schadensersatzansprüche angekündigt zu haben. Er selbst hat aber ausgeführt, dass vom Gutachterausschuss stets klargestellt worden sei, dass das Gutachten richtig sei. Dem Beklagtenvortrag
in erster In-stanz, dass Schadensersatzansprüche stets zurückgewiesen worden seien, ist der Kläger nicht entgegengetreten. Eine verjährungshemmende Verhandlung kann daher aufgrund des erstinstanzlichen Klägervortrags nicht angenommen werden.

c) Die Verjährung ist auch nicht gemäß §
204 Abs.
1 Nr.
3 BGB durch den
am 31. Dezember 2007 beantragten und am 21.
Februar 2008 zugestellten
Mahnbescheid
gehemmt worden.

Voraussetzung für die Hemmung der Verjährung nach dieser Vorschrift ist, dass im Antrag
der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Anspruch in einer den Anforderungen des §
690 Abs.
1 Nr.
3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert worden ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen zu unterscheiden
ist
und so abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähi-gen [X.] sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermög-licht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese [X.] erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; viel-mehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem
zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des [X.]s ab (ständige Rechtsprechung,
[X.], Urteil vom 17.
November 2010
-
VIII
ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn.
9 mwN). Voraussetzung für die verjäh-

10
11
-

7

-

rungshemmende Wirkung ist dabei nicht, dass aus dem Mahnbescheid für ei-nen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 17.
November 2010 aaO. Rn.
11 mwN).

Im vorliegenden Fall genügt der Mahnbescheidsantrag vom 31.
Dezem-ber 2011 den Anforderungen an eine hinreichende Individualisierung nicht.

aa) Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die Angabe "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gemäß Gutachten"
mit dem Aktenzeichen des erstinstanzlich täti-gen Baulandgerichts und mit dem Datum der Erstellung des schriftlichen Gut-achtens im baulandgerichtlichen Vorprozess ausreicht, um den Anspruch in diesem Fall hinreichend zu individualisieren. Es dürfte
für den Beklagten bezie-hungsweise das zur gerichtlichen Vertretung berufene [X.] für Finanzen
schon nicht möglich
gewesen
sein, einen Bezug zwischen dem
Gutachten und einem hieraus dem Kläger (unmittelbar)
entstandenen Schaden herzustellen.

bb) Die mangelnde Individualisierung ergab sich jedenfalls aus einem weiteren Umstand. Der Kläger hat mit dem Mahnbescheid in Höhe von 128.000

den
er laut seiner Klagebegrün-dung zum einen dadurch erlitten hatte, dass er nach dem baulandgerichtlichen Verfahren 53.446,36

bezahlen musste. Zum
anderen
hat er gel-tend gemacht, dass ihm ein [X.] entstanden sei in Höhe von 87.500

Aufgrund des im Gutachten angegebenen Wertes
habe er das Grundstück mit einem zu hohen Preis am Markt angeboten und deshalb erst später verkaufen

12
13
14
-

8

-

können. Bei vorherigem Verkauf hätte er einen entsprechenden Zinsaufwand in Höhe von 87.500

später noch weiter ergänzt um den von ihm geforderten Ersatz für
aufgewende-te
Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 17.000

(1) Bei den mit der
Klagebegründung geltend gemachten zwei [X.], dem als Ausgleich zu zahlenden Betrag und dem wegen des verspäteten Verkaufs eingetretenen Zinsaufwand handelt es sich nicht um un-selbständige Rechnungsposten eines einheitlichen Schadens, sondern
um ver-schiedene prozessuale Ansprüche. Dies ist darin begründet, dass der [X.] im Hinblick auf den zu zahlenden Betrag durch die rechtskräftige Entscheidung im baulandgerichtlichen Verfahren eingetreten ist, während der Zinsaufwand entstanden ist aufgrund der nachfolgenden selbstschädigenden Handlung des [X.], weil er nach seinen Angaben auf die Richtigkeit des Gutachtens im gerichtlichen Verfahren vertraut
und das Grundstück zunächst überteuert angeboten
habe. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind
Ansprüche aus entgangenem Gewinn (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Juni 2000
-
II
ZR 319/98, [X.], 3718, 3719) wie auch [X.] (vgl. Senatsurteil vom 3.
Dezember 1953 -
III
ZR 66/52, [X.]Z 11, 192, 193
f) als selbständige Schadensersatzansprüche anzusehen.

(2) Da die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche in der Summe höher waren als der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Be-trag,
handelt es sich der Sache nach um einen Teilbetrag aus mehreren Einzel-forderungen. In einem solchen Fall muss zur ausreichenden Individualisierung der Forderung eine genaue Aufteilung des geforderten ([X.] aus jeder

15
16
-

9

-

Einzelforderung erfolgen, da sonst auf der Grundlage des Mahnbescheids we-der ein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen kann,
noch dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht wird, ob er sich gegen den [X.] ganz oder teilweise zur Wehr setzen will (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Ok-tober 2008 -
XI
ZR 466/07, [X.], 56 Rn.
21
f). Für das gerichtliche Verfah-ren ist dabei erforderlich, dass der Kläger die Individualisierung des [X.] selbst vornimmt. Er kann sie nicht dem Gericht zur Disposition stel-len ([X.], Urteil vom 24.
März 2011 -
I
ZR 108/09, [X.]Z 189, S.
56 Rn.
9).

(3)
Im vorliegenden Fall ist eine Individualisierung durch den
Kläger nicht vorgenommen worden. Eine solche kann auch nur nachgeholt werden in nicht rechtsverjährter Zeit ([X.], Urteil vom 21.
Oktober 2008 aaO Rn.
19). Im [X.] Fall konnte deshalb durch die Zustellung des Mahnbescheids im [X.], der die Ansprüche nicht hinreichend individualisiert hatte, die [X.] nicht mehr gehemmt werden.

Da die Verjährungsfrist mit dem 31.
Dezember 2007 abgelaufen ist, kann eine Individualisierung im Prozessverfahren eine Hemmung der Verjährung nicht mehr herbeiführen. Ein möglicher
Anspruch des [X.] ist deshalb ver-jährt.

17
18
-

10

-

3.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 zweiter Halbsatz ZPO abgesehen.

[X.]

[X.]
[X.]

Seiters
Reiter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.06.2012 -
2 O 33/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.01.2013 -
4 U 119/12 -

19

Meta

III ZR 84/13

31.01.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.01.2014, Az. III ZR 84/13 (REWIS RS 2014, 8229)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8229

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 92/12 (Bundesgerichtshof)


III ZR 170/14 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 11/14 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 11/14 (Bundesgerichtshof)

Verjährungshemmung: Zustellung eines Mahnbescheids über einen Teilbetrag aus mehreren Einzelforderungen bei Individualisierung der Forderungen nach …


IX ZR 47/19 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.