Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. 4 StR 177/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5356

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140917B4STR177.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 177/17

vom
14. September
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 14.
September
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 30.
November 2016 mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen
II.
3
a, II.
3
b, II.
4, II.
5
a und II.
5
b der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b)
in den Aussprüchen über
aa)
die Gesamtstrafe,
bb)
die Sperrfrist,
cc)
den Adhäsionsantrag.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätz-lichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätz-lichem unerlaubten Besitz von Munition, vorsätzlichen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des [X.] in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen und vorsätz-lichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer [X.] von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine isolierte Sperrfrist von vier Jahren angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung for-mellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
I.
Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Revision einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht über angebliche [X.] gemäß §
243 Abs.
4
Satz
2 [X.] rügt, ist
in zulässiger Weise erhoben, jedoch

wie der Ge-neralbundesanwalt in seiner Antragsschrift an den [X.] zutreffend ausgeführt hat

unbegründet. Mit Blick auf den zweiten Teil der Verfahrensrüge, der sich auf ein (unangekündigtes) Aufsuchen des [X.] der Vorsitzenden Richterin durch die Verteidigung nach Ende des zweiten [X.] bezieht, bemerkt der [X.] ergänzend, dass hier auch keine Gespräche 1
2
-
4
-
stattgefunden haben, durch die frühere [X.] inhaltlich modifiziert worden wären (vgl.
[X.], Beschluss vom 12.
Juli 2016

1
StR 136/16, [X.], 56
f.). Vielmehr ergibt sich aus dem
Revisionsvorbringen
selbst
und aus der dienstlichen Erklärung der [X.] vom 16.
März 2017, dass sie bei dem unangekündigten Besuch
seitens der Verteidi-gung zu einem auf eine Verständigung abzielenden Gespräch oder zu einer Modifikation des
früheren Verständigungsvorschlags der [X.] gerade nicht bereit war und sich auf solche Erörterungen auch tatsächlich nicht einge-lassen hat.
II.
Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
1.
Die Verurteilungen in den Fällen
II.
3
a und II.
5
a der Urteilsgründe, jeweils wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, haben bereits wegen eines [X.] in Bezug auf die Voraussetzungen des Fahrens ohne Fahr-erlaubnis gemäß §
21 Abs.
1 Nr.
1 Var.
1 StGB keinen Bestand. Denn die [X.] verhält sich nicht näher zu der Frage, ob sich der Angeklagte, wie von ihm behauptet (UA
33), zum Zeitpunkt der Fahrten im Besitz einer österrei-chischen Fahrerlaubnis befand. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, eine e-standsmäßigkeit der von ihm mit Kraftfahrzeugen unternommenen Fahrten an-gesichts der Vorschriften der §§
7 Abs.
1 und 28 Abs.
1 und 4 Nr.
2 und 3 FeV

33).
3
4
-
5
-
Das [X.] durfte es indes nur dann offen lassen, ob der [X.] einer [X.] Fahrerlaubnis war, wenn auch tatsächlich die Voraussetzungen eines der Gründe nach §
28 Abs.
4 Satz
1 Nr.
2 und Nr.
3 FeV vorlagen, aufgrund derer eine in einem anderen Mitgliedstaat der Euro-päischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] erteilte Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen würde. Zu diesen
Voraussetzungen ver-hält sich das angefochtene Urteil jedoch auch unter Berücksichtigung des [X.] nicht.
2.
Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs
in den Fällen
II.
3
a und II.
5
a der Urteilsgründe kann auch derjenige
in den Fällen
II.
3
b und II.
5
b, jeweils wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß §
142 Abs.
1 Nr.
1 StGB,
nicht bestehen bleiben.
Die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und das sich daran an-schließende unerlaubte Sichentfernen vom Unfallort bilden, da sie nicht nur [X.] ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts-
und Schuldgehalt des Sichentfernens vom Unfallort nicht ohne Berücksichtigung der Umstände, unter denen es zum Unfall gekommen ist, beurteilt werden kann, einen einheitlichen Lebensvorgang und damit eine prozessuale Tat im Sinne des §
264 [X.] (st.
Rspr.; vgl. [X.], Urtei-le
vom 25.
März 1982

4
StR
705/81, [X.], 39, 42; vom 5.
November 1969

4
StR
519/68, [X.]St 23, 141, 144; Beschlüsse vom 9.
November 1972

4
StR
457/71, [X.]St 25, 72, 74; vom 22.
Juli 1971

4
StR
184/71, [X.]St 24, 185, 186; MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., §
142 Rn.
138).
5
6
7
-
6
-
Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, die Verurteilung wegen meh-rerer rechtlich selbständiger Taten innerhalb desselben geschichtlichen Vor-gangs nur teilweise aufzuheben bzw. bestehen zu lassen (vgl. [X.], Be-
schluss vom 22.
Juli
1971, aaO; [X.] in
[X.]/Schmitt, [X.], 60.
Aufl., §
318 Rn.
6
ff. und §
353 Rn.
6). Der [X.] kann jedoch nicht ausschließen, dass das
neue Tatgericht
in den Fällen
II.
3 a sowie II.
5
a der Urteilsgründe jeweils Feststellungen zu den Unfallgeschehnissen
trifft, die
in Widerspruch zu den bislang rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen des
sich anschließenden unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort
treten. Die den Fäl-len
II.
3
a und b sowie II.
5
a und b zugrunde liegenden Sachverhalte bedürfen daher insgesamt neuer tatrichterlicher Feststellung.
3.
Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Fall
II.
4 der [X.] unterliegt ebenfalls der
Aufhebung.
Die Annahme von Tatmehrheit (§
53 StGB) zwischen dieser Tat und den zueinander in Tateinheit stehenden [X.] gegen §
315c Abs.
1 StGB und §
21 Abs.
1 Nr.
1 StVG im Fall
II.
5
a der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für
sämtliche Tatbe-standsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Fahrzeug beför-dert
(Einfuhrfahrt, [X.] vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu einem Abnehmer etc.) durch das Führen des Transportfahrzeugs weitere Gesetzes-verstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungs-mittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch die-selbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. [X.],
Beschlüsse vom 31.
Januar 8
9
10
-
7
-
2017

4
StR
597/16, [X.], 123
f.; vom 2.
Juli 2013

4
StR
187/13, [X.], 320, 321; vom 5.
März 2009

3
StR
566/08, [X.], 119
f.).
Nach den Feststellungen zu Fall
II.
4 der Urteilsgründe waren die in dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter
II.
5
a der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Methamphetamins zu Handelszwecken, [X.] zu einem Abnehmer, diente und deshalb insoweit Tateinheit anzunehmen war.
4.
Die Aufhebung
der Verurteilung in den Fällen
II.
3
a, II.
3
b,
II.
4, II.
5
a und II.
5
b der Urteilsgründe und der zugehörigen Einzelstrafen zieht die Aufhe-bung der
Gesamtstrafe sowie der gemäß §
69a Abs.
1 Satz
3 StGB angeordne-ten isolierten Sperrfrist, der das [X.] die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen
II.
3
a und II.
5
a zugrunde gelegt hat (UA
38), nach sich.
III.
Auch die Adhäsionsentscheidung, wonach im Fall
II.
5
a der [X.] der von der Eigentümerin des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs gel-tend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gemäß §
823 Abs.
1 BGB festgestellt wurde, hat keinen Bestand.
Es besteht allerdings kein Anlass, gemäß §
406 Abs.
1 Satz
3 [X.] von einer Entscheidung abzusehen.
11
12
13
14
-
8
-
1.
Zunächst steht jedoch weder der Zulässigkeit (vgl. §
403 [X.]) noch der Begründetheit des Antrags (vgl. §
406 Abs.
1 [X.]) entgegen, dass die zur Aburteilung gelangte vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs der Antrag-stellerin als Eigentümerin des Fahrzeugs keinen strafrechtlichen Schutz vermit-telt.
a)
Zwar ist das vom Täter geführte Fahrzeug auch dann nicht als fremde Sache in den Schutzbereich des §
315c StGB einbezogen, wenn es

wie hier

ihm nicht gehört (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 1976

4
StR 465/76, [X.]St 27, 40, 41
f.; Beschlüsse vom 18.
Dezember 1957

4
StR 554/57, [X.]St 11, 148, 150; vom 13.
Januar 2000

4
StR
598/99, [X.], 213; vom 16.
April 2012

4
StR
45/12, [X.], 252; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
315c Rn.
15).
b)
Die fehlende Einbeziehung des der Antragstellerin gehörenden [X.] in den Schutzbereich der zur Aburteilung gelangten Vorschrift ändert
aber nichts daran, dass ihr als Verletzter im Sinne des §
403 [X.] aus der Straftat ein vermögensrechtlicher Anspruch (§
823 Abs.
1, §
249 BGB) erwach-sen und ihr Antrag im Sinne des §
406 Abs.
1 Satz
1 [X.] wegen dieser Straf-tat begründet ist.
Straftat im Sinne der §§
403, 406 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist die Tat im pro-zessualen Sinn gemäß §
264 [X.] (vgl. [X.] in [X.][X.], [X.], 26.
Aufl., §
405 Rn.
4 und 7, §
406 Rn.
2;
Zabeck in KK-[X.], 7.
Aufl., §
403 Rn.
2; [X.],
aaO,
§
405 Rn.
3). Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entschei-dend, aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletz-ten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. [X.], Urteil 15
16
17
18
-
9
-
vom 20.
Februar 2013

5
StR
306/13, [X.]St 58, 152, 154; Beschluss vom 27.
Januar 2010

5
StR
254/09, [X.]R StGB §
73 Verletzter
14 [jeweils zu §
73 Abs.
1 Satz
2 StGB in der bis zum 30.
Juni 2017 gültigen Fassung]).
2.
Zu Recht rügt der Angeklagte jedoch, dass er zum Entschädigungs-antrag in der Hauptverhandlung nicht gehört worden ist, was durch die dazu fehlenden Feststellungen im Protokoll bewiesen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Dezember 1990

4
StR
519/90, [X.]St 37, 260; [X.], aaO,
§
404 Rn.
10).
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Adhäsionsentscheidung und

da es sich um einen behebbaren Verfahrensfehler handelt und das neue Tat-gericht ohnehin
erneut mit der Sache befasst wird

auch insoweit zur [X.] zu neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Februar 2012

4
StR
602/11, [X.], 236; [X.],
aaO,
§
406a Rn.
5).
IV.
Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, in den Fällen
II.
3
a und II.
5
a der Urteilsgründe das Vorliegen der Voraussetzungen einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs

insbesondere im Fall
II.
3
a das Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Per-son oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert und im Fall
II.
5
a ein so-wohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht grob verkehrswidriges und rück-
19
20
21
-
10
-
sichtsloses Handeln des Angeklagten

eingehender, als dies bislang erfolgt ist, darzulegen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 177/17

14.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.09.2017, Az. 4 StR 177/17 (REWIS RS 2017, 5356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5356

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