Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 25.04.2016, Az. 1 BvR 2423/14

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2016, 12453

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Trotz - einfachrechtlicher - Bedenken gegen die von den Fachgerichten im Ausgangsverfahren vorgenommene Auslegung keine Annahme der Verfassungsbeschwerde geboten, wenn die geltend gemachte Verletzung des Verfassungsrechts kein besonderes Gewicht hat und den Beschwerdeführer auch nicht in existentieller Weise betrifft (§ 93a Abs 2 BVerfGG)


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben sind geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <250>; 108, 129 <136>; stRspr).

2

1. Dies wäre nur der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung des Verfassungsrechts besonderes Gewicht hätte oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise beträfe. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, den Betroffenen von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat außerdem dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährleisteten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt. Eine existentielle Betroffenheit kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. [X.] 90, 22 <25>).

3

2. Zwar begegnet die hier vorgenommene Auslegung der Ausgangsgerichte hinsichtlich der Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis insbesondere in Ansehung der hierzu ergangenen Rechtsprechung einfach-rechtlichen Bedenken. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Auskunftspflicht des § 2314 BGB auf die Weitergabe von Wissen gerichtet ist, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muss ([X.], Urteil vom 9. November 1983 - [X.] -, [X.]Z 89, 24 <28>). Das notarielle Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist es erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterungen des Erben protokolliert und beurkundet. Der Notar ist dabei regelmäßig auch zur selbständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, er muss zudem durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein (stRspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 25. Januar 2011 - 3 U 36/10 -, juris, [X.] m.w.N.). Ein Verzeichnis, das sich inhaltlich lediglich auf die dem Notar seitens des Erben vorgelegte Auflistung beschränkt und nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen seien, erfüllt daher die Anforderungen nicht ([X.], Beschluss vom 26. April 2010 - 5 W 81/10 - u.a., juris, Rn. 13f.). Hier hätte es hinsichtlich der etwaigen Schenkungen insbesondere nahe gelegen, Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge und sonstigen Bankunterlagen für den Zehn-Jahres-Zeitraum zu nehmen oder eine Vollmacht des Auskunftsverpflichteten zur entsprechenden Anfrage bei der Bank einzuholen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 2014 - 2 W 495/13 -, juris, Rn. 21-28).

4

3. Der Verfassungsbeschwerde fehlt es jedoch am Vorliegen eines Annahmegrundes (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]) zu, denn sie betrifft im [X.] Auslegungsfragen des einfachen Rechts. Die angegriffenen Entscheidungen verkürzen zwar im Fall des Beschwerdeführers den Gehalt der Erbrechtsgarantie, weil es ihm als Pflichtteilsberechtigten anhand des erteilten Verzeichnisses nicht möglich ist, etwaige weitere ausgleichspflichtige Ansprüche zu erkennen. Der Rechtsfehler lässt jedoch nicht auf eine generelle Vernachlässigung oder grobe Verkennung des Grundrechts schließen. Auch eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

5

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2423/14

25.04.2016

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 21. Juli 2014, Az: 2 W 63/14, Beschluss

§ 90 Abs 1 BVerfGG, § 93a Abs 2 Buchst a BVerfGG, § 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG, § 2314 Abs 1 S 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 25.04.2016, Az. 1 BvR 2423/14 (REWIS RS 2016, 12453)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2943 REWIS RS 2016, 12453

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1457/18

2 BvR 1605/16

2 BvR 1719/16

3 O 21/20

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