Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2010, Az. 15 W (pat) 10/10

15. Senat | REWIS RS 2010, 4450

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Patenterteilungsverfahren" – zum Naheliegen einer neuen Lehre zum technischen Handeln - hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents – im Prüfungsverfahren erfolgt die Entscheidung, ob den Unterlagen zur Patentanmeldung ein patentfähiger Gegenstand entnommen werden kann – Gesetzgeber hat Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe aus verfahrensökonomischen Gründen nicht vorgesehen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung ...

hier: Verfahrenskostenhilfe

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 26. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterinnen [X.] und [X.]. Zettler sowie des Richters Dr. Lange

beschlossen:

[X.] Der Beschluss der [X.] des [X.] vom 16. November 2009 wird aufgehoben.

I[X.] Für das Patenterteilungsverfahren in Sachen der Patentanmeldung ... wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller hat am 2. Januar 2009 ein Patent angemeldet, das einen [X.] für die [X.] bei Stranggießanlagen betrifft.

2

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 hat der [X.] Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren beantragt. Dem Schriftsatz war das ausgefüllte Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beigefügt sowie ein Bescheid über Leistungen nach dem [X.], [X.] ([X.]) vom 22. September 2008.

3

Mit den [X.] vom 4. Mai 2009 und vom 18. August 2009 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass das Prüfungsverfahren voraussichtlich nicht zur Patenterteilung führen werde. Auf diese Zwischenbescheide hat der Antragsteller mit den Eingaben vom 9. Juli 2009 und 5. Oktober 2009 fristgerecht, jeweils unter Vorlage eines Satzes neuer Patentansprüche, geantwortet.

4

Mit Beschluss vom 16. November 2009 wurde der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Patentanmeldung ... zurückgewiesen und die Verfahrenskostenhilfe verweigert. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Gesamt-Unterlagen - unabhängig von der Formulierung der Patentansprüche - eine Erteilung des Patents offensichtlich nicht erwarten ließen. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe sei nicht zuletzt aus verfahrensökonomischen Gründen zu verweigern.

5

Die Anmeldung gehe von der Druckschrift [X.] 2004 034 704 [X.] aus, aus der ein Pfannenstuhl mit Aufnahmen für zwei [X.] bekannt sei, wobei die Pfannen von einer Warteposition in eine Gießposition gedreht werden könnten. Um die anmeldungsgemäße Aufgabe - nämlich die Stabilität des [X.] zu sichern und die für die Pfannen notwendige Standfläche zu verringern - zu lösen, würden statt eines drehbaren Pfannenstuhls für zwei Pfannen zwei feste [X.] unmittelbar über dem Verteiler angeordnet. Diese Maßnahme liege aber ausgehend von der Druckschrift [X.] 2004 034 704 [X.] im Ermessen des Fachmanns, eines Fachschulingenieurs mit einer Ausbildung für hüttenmännische Anlagen.

6

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Eingabe vom 19. Januar 2010 Beschwerde eingelegt.

7

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die Beschwerde ist statthaft (§ 135 Abs. 3 [X.]), gebührenfrei (Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG, [X.]. Nr. 401 300) und auch im Übrigen zulässig.

9

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des patentamtlichen Beschlusses und zur Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren in Sachen der Patentanmeldung ...

Der Antragsteller hat seinem Gesuch vom 30. Dezember 2008 die gemäß § 136 Satz 1 [X.] i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO notwendige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Die Bedürftigkeit ist nachgewiesen. Das [X.] hat auch festgestellt, dass keine Monatsraten oder sonstige Zahlungen auf die Verfahrenskostenhilfe zu leisten sind.

Zur Begründung der Ablehnung der Verfahrenskostenhilfe wird in dem Beschluss vom 16. November 2009 zunächst auf die Gründe der Bescheide vom 4. Mai 2009 und 18. August 2009 verwiesen.

Im Bescheid vom 4. Mai 2009 wird insbesondere darauf hingewiesen, dass gemäß dem Oberbegriff des ursprünglichen Patentanspruchs 1 ein Pfannenstuhl unmittelbar über dem Verteiler gelegen sein solle und gemäß dem kennzeichnenden Merkmal der zweite Pfannenstuhl ebenfalls unmittelbar über dem Verteiler gelegen sein solle. Dass [X.] über (im Sinne von höher) dem Verteiler liegen müssten, sei selbstverständlich, da das Metall sonst nicht der Schwerkraft entsprechend auslaufen könnte. [X.] man "unmittelbar über dem Verteiler" aus als "senkrecht über dem Verteiler", dann würde dies der [X.]. 3 der Anmeldung widersprechen, in der gezeigt sei, dass sich die [X.] (1) senkrecht über dem Verteiler (17) befinde, die [X.] (2) aber schräg daneben. Außerdem sei in [X.]. 4 der Druckschrift [X.] 6 640 691 [X.] ebenfalls die [X.] 12 senkrecht über dem Verteiler angeordnet und die [X.] 11 auf der anderen Seite des [X.]. Außerdem sei die Anmeldung so unklar abgefasst, dass ein Fachmann auch bei redlichem Bemühen die in der Anmeldung dargestellte Lehre nicht verwirklichen könne.

Hierauf hat der Anmelder in seiner Eingabe vom 9. Juli 2010 zutreffend ausgeführt, dass die [X.] (2) in den [X.]uren 1 bis 3 nicht in ihrer Endposition über dem Verteiler dargestellt ist, sondern noch am Kran hängt. Dies kann der Fachmann den [X.]uren 1 bis 3 zweifelsfrei entnehmen. Ein Fachschulingenieur mit einer Ausbildung für hüttenmännische Anlagen kann bei Kenntnis der ursprünglich eingereichten Unterlagen mit den [X.]uren 1 bis 4 den [X.] auch ohne Weiteres verwirklichen.

Gemäß Bescheid vom 18. August 2009 geht die Anmeldung von der Druckschrift [X.] 2004 034 704 [X.] aus, aus der ein Pfannenstuhl mit Aufnahmen für zwei [X.] bekannt ist, wobei die Pfannen von einer Warteposition in eine Gießposition gedreht werden können. Die Prüfungsstelle versteht in diesem Bescheid den Gegenstand des neu vorgelegten Anspruchs 1 dahingehend, dass statt des drehbaren Pfannenstuhls für zwei Pfannen zwei feste [X.] unmittelbar über dem Verteiler angeordnet sind. Nach Ansicht der Prüfungsstelle liegt diese Maßnahme aber im Ermessen des Fachmanns, eines Fachschulingenieur mit einer Ausbildung für hüttenmännische Anlagen. Die weiteren Angaben zu den Längs- und Querträgern sind nach Auffassung der Prüfungsstelle für den Fachmann selbstverständlich, da ohne diese Längs- und Querträger ein Pfannenstuhl nicht vorstellbar sei. Außerdem sei dem Fachmann aus der Entgegenhaltung (1), vgl. [X.]. 1 bekannt, zwei [X.] 8, 9 oberhalb des Verteilers 12 anzuordnen. Das Vorbringen des Anmelders, dass sich der "[X.]" vom Stand der Technik dadurch unterscheide, dass beide [X.] "unmittelbar über dem Verteiler" und nicht nur "über" im Sinne von "höher als der Verteiler" angeordnet seien, möge richtig sein. Die erfinderische Tätigkeit lasse sich hierdurch aber nicht begründen, da in [X.]ur 1 der [X.] 2004 034 704 [X.] eine [X.] direkt über dem Verteiler stehe und die zweite [X.] durch Drehung des Pfannenstuhls direkt über den Verteiler gedreht werden könne. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit den Eingaben vom 5. Oktober 2009 und 26. Dezember 2009 nimmt der Anmelder zu folgender tragender Bemerkung der Prüfungsstelle ausführlich Stellung: "Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird dahingehend verstanden, dass statt des drehbaren Pfannenstuhls für zwei Pfannen zwei feste [X.] unmittelbar über dem Verteiler angeordnet sind. Diese Maßnahme liegt aber im Ermessen des Fachmanns, eines Fachschulingenieur mit einer Ausbildung für hüttenmännische Anlagen". Der Anmelder macht hierzu sinngemäß geltend, dass alles einfach sei, wenn es einmal erdacht sei. Die Prüfungsstelle habe aber noch kein Dokument ermittelt, dem diese angeblich so naheliegende Maßnahme, die technisch aufwendige Drehung des Pfannenstuhls oder Bewegung der [X.] mit Hilfe von Schienenkarren zu vermeiden, entnommen werden könne. Die von der [X.] ins Verfahren eingeführten Dokumente - die der Anmelder im Übrigen in den ursprünglichen Unterlagen selbst genannt hat - könnten diese Maßnahme auch nicht nahelegen.

Der Senat ist der Ansicht, dass weder den [X.] noch dem Beschluss der [X.] eine überzeugende Begründung entnommen werden kann, weshalb das aus den Dokumenten [X.] 2004 034 704 [X.] und/oder [X.] 6 640 691 [X.] Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lösung, nämlich statt des drehbaren Pfannenstuhls für zwei Pfannen zwei feste [X.] unmittelbar über dem Verteiler anzuordnen, zu gelangen. Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon dann als naheliegend bewertet werden, wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, vom Stand der Technik zum Gegenstand der beanspruchten Lehre zu gelangen ([X.], [X.].[X.] 2010, 217 - einteilige Öse). Somit besteht auf der Grundlage der von der [X.] bisher genannten Dokumente hinreichende Aussicht auf Erteilung eines Patents. Ob den eingereichten Unterlagen, die aus verfahrensökonomischen Gründen von der Prüfungsstelle in enger Zusammenarbeit mit dem Anmelder noch zu überarbeiten sind, schließlich ein patentfähiger Gegenstand entnommen werden kann, muss im Prüfungsverfahren entschieden werden, nachdem in einer ordnungsgemäßen Recherche der relevante Stand der Technik ermittelt worden ist.

Die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe aus verfahrensökonomischen Gründen ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Für das Patenterteilungsverfahren in Sachen der Patentanmeldung ... wird daher Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Mit dem Anmelder wird sodann noch die Frage zu klären sein, ob darüber hinaus Verfahrenskostenhilfe auch für die [X.] begehrt wird, weil die [X.] nicht automatisch Gegenstand eines Verfahrenskostenhilfeantrags sind. Sie müssen vielmehr, da es sich nicht um unmittelbare Verfahrensgebühren handelt, nach § 130 Abs. 1 Satz 2 [X.] gesondert beantragt werden.

Meta

15 W (pat) 10/10

26.07.2010

Bundespatentgericht 15. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 114 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2010, Az. 15 W (pat) 10/10 (REWIS RS 2010, 4450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4450

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