Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.02.2010, Az. V ZR 126/09

5. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9635

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Gesetzwidrige Besetzung des Verwaltungsbeirats als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung


Leitsatz

Eine von § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG abweichende Besetzung des Verwaltungsbeirats entspricht nur dann einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer die Weichen für eine solche Wahl durch eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 WEG gestellt oder aber der Wohnungseigentümergemeinschaft die Festlegung der Zahl der Beiratsmitglieder zur Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss zugewiesen haben .

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 14. Zivilkammer des [X.] vom 10. Juni 2009 und das Urteil des [X.] vom 15. Januar 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben bzw. abgeändert, als zu dem zu [X.] 8 (Neuwahl des Verwaltungsbeirats) ergangenen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 18. Juli 2008 zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Der Beschluss wird für ungültig erklärt.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagten 9/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf der Mitgliederversammlung vom 18. Juli 2008 stand u.a. die Neuwahl des bislang aus drei Mitgliedern bestehenden Verwaltungsbeirats auf der Tagesordnung ([X.] 8). Gewählt wurden nur zwei Wohnungseigentümer, weil sich kein weiterer Wohnungseigentümer zu einer Kandidatur bereit fand. Die von der Klägerin hiergegen und gegen weitere Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage ist - soweit sie sich gegen den zu [X.] 8 ergangenen Beschluss wendet - in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision möchte die Klägerin diesen Beschluss weiterhin zu Fall bringen. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Wahl eines nur aus zwei Mitgliedern bestehenden [X.] entspreche zwar nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Dies bleibe aber folgenlos, weil die Nichtwahl eines dritten [X.]mitgliedes ohne Einfluss auf das Ergebnis der durchgeführten Wahl sei. Die Wohnungseigentümer hätten lediglich einen [X.] auf die Wahl eines dritten Mitgliedes, der gegebenenfalls gerichtlich durchgesetzt werden müsse.

II.

3

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die gegen den zu [X.] ergangenen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage ist begründet. Die Entsendung von nur zwei Wohnungseigentümern in den Verwaltungsbeirat ist rechtsfehlerhaft. Dies kann jedes Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen (vgl. Senat, [X.], 19, 22 m.w.[X.]).

4

1. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG ist der Beirat mit drei Wohnungseigentümern zu besetzen. Von dieser Vorgabe weicht der angefochtene Beschluss ab. Da Beschlüsse auch Rechtsnachfolger binden (§ 10 Abs. 4 WEG), kommt es für deren Auslegung grundsätzlich auf den Wortlaut und den Sinn an, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegend erschließt (vgl. nur Senat, [X.], 288, 292; Urt. v. 15. Januar 2010, [X.], zur [X.] bestimmt; [X.] in [X.], WEG, 10. Aufl., § 10 Rdn. 187 m.w.[X.]). Gemessen daran, ist der Beschluss zu [X.] nicht dahin auszulegen, dass der Verwaltungsbeirat erst durch die spätere Wahl eines dritten Mitgliedes konstituiert werden sollte. Ein solcher Vorbehalt ist dem Beschluss nicht zu entnehmen. Vielmehr ist der Beschluss im Hinblick auf den ebenfalls aus dem Protokoll ersichtlichen Umstand, dass der Verwaltungsbeirat zuvor aus drei Mitgliedern bestand, sich für die anstehende Neuwahl aber kein dritter Wohnungseigentümer zu einer Kandidatur bereit fand, nächstliegend so zu verstehen, dass es diesmal mit der Entsendung von nur zwei Wohnungseigentümern sein Bewenden haben sollte.

5

Auf dieser Grundlage ist der Beschluss zwar nicht nichtig. Es liegt innerhalb der Kompetenz der Wohnungseigentümer, die Mitglieder des [X.] durch Mehrheitsbeschluss zu bestimmen. Auch zielt die beschlossene Regelung - wie soeben dargelegt - nicht auf eine generelle künftige Abweichung von der in § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG vorgeschriebenen Besetzung ab. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Besetzung des [X.] mit nur zwei Mitgliedern rechtsfehlerhaft und daher anfechtbar ist ([X.], 812; Hogenschurz in [X.], WEG, § 29 WEG Rdn. 17; [X.], aaO, § 29 Rdn. 11 u. 16; [X.] in [X.]/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 29 Rdn. 12 m.w.[X.]; Bub, [X.] 2002, 7, 8 f.;vgl. auch BayObLG [X.], 527 f.). Die gesetzeswidrige Besetzung des [X.] entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung. Eine von § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG abweichende Besetzung ist nur dann ordnungsgemäß, wenn die Wohnungseigentümer die Weichen für eine solche Wahl durch eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 WEG gestellt oder aber der Wohnungseigentümergemeinschaft die Festlegung der Zahl der [X.]mitglieder zur Entscheidung durch Mehrheitsbeschluss zugewiesen haben (vgl. auch [X.] NJW-RR 1991, 594; KG NJW-RR 1989, 460; Bub, aaO). So verhält es sich hier nicht.

6

2. Der Verstoß gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung kann nicht im Hinblick auf die von dem Berufungsgericht für möglich gehaltene spätere - hier jedoch bislang unterbliebene - Bestimmung eines dritten Wohnungseigentümers hingenommen werden.

7

Die Auffassung des Berufungsgerichts vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil auch die nachträgliche Bestimmung eines dritten [X.]mitglieds - gleichgültig ob durch Mehrheitsbeschluss oder durch das Gericht - in jedem Fall die Bereitschaft eines weiteren Wohnungseigentümers zur Übernahme des Amtes voraussetzt (vgl. nur [X.], aaO, § 29 Rdn. 18; Bub, [X.] 2002, 7, 11), an deren Fehlen die Wahl eines dritten [X.]mitgliedes aber gerade gescheitert ist. Sie begegnet auch im Übrigen durchgreifenden Bedenken, weil der angegriffene Beschluss damit - entgegen seinem Regelungsgehalt (dazu oben 1.) - im Ergebnis doch unter Vorbehalt gestellt würde. Denn die Zulassung der Nachwahl führte gerade dazu, dass der Verwaltungsbeirat bis zu seiner Komplettierung durch ein drittes Mitglied noch gar nicht eingesetzt wäre, er als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht bestünde und deshalb die beiden bereits gewählten Mitglieder zumindest einstweilen gehindert wären, eine Tätigkeit als Verwaltungsbeirat zu entfalten.

8

Davon abgesehen kann eine Besetzung des [X.] durch das Gericht allenfalls in begründeten Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. Der Verwaltungsbeirat ist kein notwendiges Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft. Seine Einsetzung steht zumindest grundsätzlich im Belieben der Wohnungseigentümer (dazu [X.], aaO, § 29 Rdn. 9 m.w.[X.]). Als Hilfs- und Kontrollorgan nimmt er lediglich ergänzende Funktionen war (dazu näher etwa BayObLG NJW 1972, 1377, 1378; [X.], aaO, § 29 Rdn. 51 ff.). Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist auch ohne Verwaltungsbeirat in vollem Umfang handlungs- und funktionsfähig. Daher besteht zumindest im Regelfall kein Bedürfnis, den Wohnungseigentümern die Bestimmung der Mitglieder des [X.] abzunehmen. Erachten diese die Einsetzung eines [X.] als dringlich, mögen sie Überzeugungsarbeit leisten und einen dritten Wohnungseigentümer zu einer „Kandidatur“ bewegen und sodann einen den Vorgaben des § 29 Abs. 1 Satz 2 WEG entsprechenden Beirat bestimmen. Ihnen bleibt es auch unbenommen, die erforderliche Zahl der [X.]mitglieder im Wege der Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 WEG) zu reduzieren. Schließlich sind die Wohnungseigentümer nicht gehindert, durch Mehrheitsbeschluss einen Sonderausschuss für bestimmte einzelne Aufgaben einzurichten, sofern dadurch nicht den Wohnungseigentümern und dem Verwalter die ihnen nach dem Gesetz oder durch Vereinbarung zugewiesenen Befugnisse beschnitten werden ([X.], aaO, § 29 Rdn. 48; vgl. auch [X.] 1988, 188, 89). Die Anzahl der Mitglieder eines solchen Ausschusses festzulegen, liegt im Ermessen der Wohnungseigentümer. Das Gesetz enthält hierfür keine ausdrückliche Festlegung. Die Bestimmung der Mitgliederzahl muss lediglich den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen.

III.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 und 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                         Klein                               Lemke

                  Schmidt-Räntsch                              [X.]

Meta

V ZR 126/09

05.02.2010

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 10. Juni 2009, Az: 14 S 1464/09, Urteil

§ 10 Abs 2 WoEigG, § 29 Abs 1 S 2 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.02.2010, Az. V ZR 126/09 (REWIS RS 2010, 9635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9635

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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