Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2007, Az. IX ZB 170/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5710

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[X.][X.]/06 vom 18. Januar 2007 in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 34 Abs. 2 Hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht diesem hiergegen grundsätzlich kein Beschwerderecht zu. [X.], [X.]uss vom 18. Januar 2007 - [X.]/06 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], Dr. [X.] und [X.] am 18. Januar 2007 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 20. September 2006 wird auf Kos-ten der Schuldnerin zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 32.418 • festgesetzt. Gründe: [X.] Mit einem am 10. Mai 2006 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schreiben beantragte die Schuldnerin wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Durch [X.]uss vom 15. Mai 2006 ordnete das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen an und bestellte den weiteren Beteiligten zum Sachverständigen. Dieser gelangte in seinem unter dem 17. Juli 2006 erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei; die Kosten des Verfah-rens seien gedeckt. Die Schuldnerin erhob gegen das Gutachten Einwendun-gen, die der weitere Beteiligte nicht für berechtigt hielt. 1 - 3 - Durch [X.]uss vom 2. August 2006 hat das Amtsgericht das Insol-venzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter bestellt. Hiergegen hat die Schuldnerin so-fortige Beschwerde eingelegt, die das [X.] durch [X.]uss vom 20. September 2006 als unzulässig verworfen hat. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 7 [X.]) und zulässig. Der Entscheidung des [X.]s liegt eine statthafte sofortige Beschwerde zugrunde (§§ 6, 34 Abs. 2 [X.]). Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage zur Beschwer des Schuldners, auf dessen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, grundsätzliche Bedeutung hat. 3 II[X.] Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat die Be-schwerde der Schuldnerin gegen den Eröffnungsbeschluss des [X.] mit Recht als unzulässig verworfen. 4 1. Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels nach der Zivilpro-zessordnung ist die Beschwer des Rechtsmittelführers, die nicht allein im Kos-tenpunkt bestehen darf. 5 - 4 - a) Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ih-rem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (sogenannte formelle Beschwer; [X.] 140, 335, 338; [X.], Urt. v. 2. März 1994 - [X.], NJW 1994, 2697; v. 12. März 2004 - [X.], [X.], 2019, 2020; [X.]/[X.], ZPO vor §§ 511 bis 541 Rn. 7; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. vor § 511 Rn. 20; [X.]/[X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. vor § 511 Rn. 13). Für einen Beklagten liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, hingegen in dem Betrag oder in dem Wert seiner Verurteilung (sogenannte materielle Beschwer, vgl. [X.]/[X.], aaO; Musielak/Ball, aaO). 6 b) Diese Grundsätze sind auf Entscheidungen des Insolvenzgerichts über Insolvenzanträge des Schuldners und der Gläubiger sinngemäß anzuwen-den (vgl. [X.] NZI 1999, 491, 492; [X.], 493; [X.]/Kind, [X.] 2. Aufl. § 34 Rn. 8; FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 34 Rn. 13, 18; [X.], [X.] § 34 Rn. 36, 38). 7 aa) Nach § 4 [X.] gelten, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Es ist [X.] anerkannt, dass sich die Bezugnahme auch auf das Rechtsmittelrecht erstreckt. Für die Anwendung der allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsät-ze spricht entscheidend die Ausgestaltung des Eröffnungsverfahrens als [X.] (§ 13 Abs. 1 [X.]; vgl. [X.], [X.]. v. 13. Juni 2006 - [X.] ZB 214/05, [X.], 1456; v. 27. Juli 2006 - [X.] ZB 204/04, [X.], 1957, 1960 f, z.[X.]. in [X.]). Bis zur Verfahrenseröffnung ist der Antragsteller Herr des Verfah-rens, der - de lege [X.] - jederzeit verfahrensbeendende Erklärungen abgeben 8 - 5 - kann (vgl. MünchKomm-[X.]/Ganter, [X.]. vor §§ 2 bis 10 Rn. 17; HK-[X.]/Kirchhof, [X.] 4. Aufl. § 13 Rn. 18). [X.]) Die Gegenauffassung, dass der Schuldner gleichsam einen Antrag gegen sich selbst stelle und die Entscheidung, durch die das [X.] eröffnet werde, allein wegen ihrer Bedeutung beschwerdefähig sein müsse (vgl. [X.]/Schilken, [X.] § 34 Rn. 26; MünchKomm-[X.]/[X.], § 34 Rn. 69), trifft nicht zu. Insbesondere kann sie sich nicht auf die Entstehungsge-schichte des § 34 [X.] berufen. Die Vorschrift knüpft an § 109 KO an. Dort war vorgesehen, dass gegen den Eröffnungsbeschluss "nur" dem Gemeinschuldner das Recht der sofortigen Beschwerde zustehe. Diese Formulierung wurde [X.] überwiegend in der Weise interpretiert, dass dem Schuldner, der selbst Konkursantrag stelle, grundsätzlich die für die Rechtsmitteleinlegung erforderli-che formelle Beschwer fehle (vgl. [X.]/[X.], [X.] 17. Aufl. § 109 KO Anm. 3; [X.]/[X.], KO 11. Aufl. § 109 Rn. 1 und 1a). Abweichende obergerichtliche Rechtsprechung betraf den Sonderfall, dass der antragstellende Gläubiger mit seinem Begehren, eine Abweisung des Antrags mangels Masse zu erreichen, nicht durchgedrungen war (vgl. [X.] ZIP 1983, 200; [X.] ZIP 1989, 1070, 1071; [X.] ZIP 1993, 777 f). Hätte der Gesetzgeber bei Rechtsmitteln des antragstellenden [X.] die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze außer [X.] setzen wol-len, hätte es nahegelegen, diesen Punkt zumindest in der Gesetzesbegründung anzusprechen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Nach der amtlichen [X.] war im Gegenteil - mit Ausnahme der Beschwerden gegen die Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse - keine Veränderung der Rechtslage be-zweckt (vgl. BT-Drucks. 12/2443 [X.] zu § 41 des Entwurfs). 9 - 6 - 2. Bei den Erfordernissen der formellen oder materiellen Beschwer han-delt es sich um Hilfen zur Feststellung des [X.] für die Einlegung seines Rechtsmittels. Dies gilt auch für Beschwerden gegen die Eröffnungsentscheidung (vgl. [X.]/Schilken, aaO § 34 Rn. 26). Deshalb können es Sinn und Zweck gebieten, die sofortige Be-schwerde des antragstellenden Schuldners im Einzelfall als zulässig anzuse-hen, obwohl er durch die Eröffnungsentscheidung nur materiell beschwert ist. 10 a) In dem Fall, dass der Schuldner einen Insolvenzantrag zwar gestellt, ihn dann aber vor Erlass des [X.] wieder zurückgenommen hat, dürfte er durch die nachfolgende Eröffnungsentscheidung sogar formell beschwert sein. An diesen Fall knüpfen weitere im Schrifttum erörterte [X.] an (vgl. [X.]/Kind, aaO § 34 Rn. 10; HK-[X.]/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11), die im Streitfall jedoch nicht einschlägig sind, weil die Schuldnerin ihren Insolvenzantrag vor der Eröffnung nicht zurückgenommen hat und kein Streit über die Insolvenzantragsbefugnis oder die Rücknahmebefugnis besteht. 11 b) Die Schuldnerin hat mit ihrer sofortigen Beschwerde vielmehr geltend gemacht, das Insolvenzgericht hätte nicht dem Gutachten des von ihm beauf-tragten Sachverständigen folgen dürfen, weil dieser zu Unrecht die Insolvenz-gründe der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit ermittelt habe. 12 aa) Die Beanstandungen erschöpfen sich in dem - näher ausgeführten - Vorwurf, der Sachverständige habe unsorgfältig und lückenhaft gearbeitet. [X.] wird nicht geltend gemacht, die Vermögens- und/oder Liquiditätslage der Schuldnerin habe sich in dem Zeitraum zwischen dem 10. Mai 2006 (Eingang des Insolvenzantrags) und 2. August 2006 (Eröffnung) nachhaltig verbessert. Hiergegen spricht im Übrigen die von dem Sachverständigen berücksichtigte 13 - 7 - und von der Schuldnerin auch eingeräumte Kündigung des [X.] am 23. Mai 2006. Die Schuldnerin trägt hierzu mit Schriftsatz vom 16. August 2006 vor, auf den sich der angefochtene [X.]uss und die Rechtsbeschwerde glei-chermaßen beziehen, dass sich ihre offenen [X.] ge-genüber der Bank auf rund 76.000 • beliefen. [X.]) Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet ebenso wenig eine Beschwer wie ein Irrtum über die ursprüngli-chen Voraussetzungen der Verfahrenseröffnung (vgl. HK-[X.]/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11). Die gegenteilige Auffassung (vgl. [X.]/Kind, aaO § 34 Rn. 10; [X.], aaO § 34 Rn. 38; FK-[X.]/[X.], aaO § 34 Rn. 16) ist abzulehnen. Sie läuft darauf hinaus, das Erfordernis der formellen Beschwer für den Antragsteller insgesamt in Frage zu stellen und eröffnet dem Schuldner zahlreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Ob möglicherweise in Fällen etwas anderes gelten muss, in denen die antragstellende Schuldnerin die sofor-tige Beschwerde darauf stützt, der Eröffnungsbeschluss sei unrechtmäßig er-gangen, weil sich ihre Vermögenslage nach Antragstellung verbessert habe und der Eröffnungsgrund zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 27. Juli 2006 - [X.] ZB 204/04, aaO S. 1958 f) entfallen sei (vgl. HK-[X.]/Kirchhof, aaO § 34 Rn. 11), ist nicht zu entscheiden. Deshalb geht auch die Rüge der Rechtsbeschwerde weitgehend ins Leere, es gebe keinen überzeugenden Grund dafür, den Schuldner schon vor Rechtskraft des [X.] auf einen Einstellungsantrag nach § 212 [X.] zu verweisen. Die Verweisung auf die Einstellung des Verfahrens wegen Wegfalls des [X.] erscheint allenfalls dann nicht gerecht-fertigt, wenn sich der Sachverhalt, der den Eröffnungsgrund in Frage stellt, erst nach Antragstellung, aber vor Eröffnung ergeben hat. Ist der Eigenantrag [X.] - 8 - gen von vornherein zu Unrecht gestellt, muss sich der Antragsteller an ihm - vorbehaltlich einer Antragsrücknahme, die hier indes erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit unwirksam erfolgte - festhalten lassen. [X.] Mit der bestätigenden Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag der Schuldnerin auf Aussetzung der Vollziehung des [X.]. 15 [X.] Ganter [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.08.2006 - 7 IN 197/06 - [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

IX ZB 170/06

18.01.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2007, Az. IX ZB 170/06 (REWIS RS 2007, 5710)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5710

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