Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. IX ZB 248/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9337

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB
248/11

vom

9. Februar
2012

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 34 Abs. 2
Eine Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist mangels einer formellen Beschwer auch dann unzulässig, wenn neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Insolvenzantrag gestellt hat.

[X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 -
IX ZB 248/11 -
LG Essen

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser, [X.] Dr. Gehrlein
und
Vill, die Richterin [X.] und [X.] Fischer

am
9. Februar
2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7.
Zivilkammer
des [X.]s Essen vom 10.
August 2011
wird auf Kosten des Schuldners
als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000

Gründe:

I.

Eine Krankenkasse stellte gegen den Schuldner, einen Rechtsanwalt, wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.700

8.
März 2011 einen Insolvenzantrag. Der Schuldner beantragte am 31.
März 2011 verbunden mit Anträgen auf Restschuldbefreiung und Verfahrenskosten-stundung ebenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Das Amtsgericht eröffnete durch Beschluss vom 1.
Juni 2011 das Insolvenzver-fahren. Nach der am 3.
Juni 2011 erfolgten
Begleichung der Beitragsrückstände nahmen die Krankenkasse und der Schuldner jeweils durch Schriftsätze am 3.
Juni 2011 die [X.] zurück. Die von dem Schuldner gegen die 1
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-
Eröffnung eingelegte Beschwerde hat das [X.] als unzulässig verwor-fen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter.

II.

Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1
ZPO, §§
7, 6 Abs.
1, 34 Abs.
2
[X.], Art.
103f
EG[X.]
statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil kein [X.] (§
574 Abs.
2 ZPO) eingreift. Die geltend gemachten Zulas-sungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO) und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 ZPO) sind nicht -
wie geboten
-
näher ausgeführt. Davon abgesehen steht die [X.] Entscheidung in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

1. Die Zulässigkeit der von dem Schuldner gegen den Eröffnungsbe-schluss eingelegten
sofortigen Beschwerde scheitert
bereits an dem Erfordernis einer formellen Beschwer.

a) Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht ihm gegen diese Entscheidung grundsätzlich kein Beschwerderecht zu. Diese rechtliche Würdigung beruht auf der Erwägung, dass der Schuldner durch die seinem Antrag entsprechende Verfahrenseröffnung keine formelle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einlegung eines Rechtsmittels erleidet. Daran anknüpfend hat der Senat einem Schuldner, der die auf seinem Antrag beruhende Verfahrenseröffnung unter dem Gesichtspunkt einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Masse (§
26 [X.]) beanstandet hat, die Beschwer abgesprochen ([X.], Beschluss vom 17.
Juli 2008 -
IX
ZB 225/07, [X.], 1752 Rn.
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mwN).
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-

b) Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn
-
wie hier
-
neben dem Schuldner ein Gläubiger einen Eröffnungsantrag gestellt hat.

Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann, wenn mehrere Anträge gestellt werden, nur einheitlich ent-schieden werden. Mehrere gleichzeitig anhängige [X.] sind [X.] -
wie vorliegend geschehen
-
spätestens mit der Verfahrenseröffnung mit-einander zu verbinden ([X.], Beschluss vom 11.
März 2010 -
IX
ZB 110/09, [X.], 898 Rn.
8). Infolge der Verfahrensverbindung
beruht die Eröffnung auch auf dem Antrag des Schuldners. Dies hat das Insolvenzgericht auch aus-drücklich so ausgesprochen. Bei dieser Sachlage fehlt es an einer formellen Beschwer. Ein bloßer Sinneswandel des Schuldners nach Antragstellung, der nicht zur Rücknahme des Insolvenzantrags vor der Verfahrenseröffnung geführt hat, begründet keine Beschwer ([X.], Beschluss vom 18.
Januar 2007 -
IX
ZB 170/06, [X.], 553 Rn.
14).

2. In vorliegender Sache kann nicht ausnahmsweise
auf eine formelle Beschwer des Schuldners verzichtet werden.

a) Der Senat hat offengelassen, ob der Schuldner auch nach Stellung eines [X.] eine sofortige Beschwerde mit der Begründung einlegen kann, der Eröffnungsbeschluss sei unrechtmäßig ergangen, weil sich seine Vermögenslage nach Antragstellung verbessert habe und der Eröffnungsgrund zum maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen sei (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Januar 2007, [X.]O).
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5

-

b) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Das Beschwerdegericht hat ausdrücklich festgestellt, es sei nicht ersichtlich, dass der Schuldner
mit seinem Vorbringen das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit durch eine Veränderung der Umstände zwischen Stellung des [X.] und der Verfahrenseröffnung in Frage stellen wolle. Gegen
diese Würdigung wird ein durchgreifender Zulas-sungsgrund nicht geltend gemacht.

c) Das Beschwerdegericht hat zwar vor Erlass des [X.] das rechtliche Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) des Schuldners verletzt. Ein ent-scheidungserheblicher Gehörsverstoß liegt jedoch nicht vor.

[X.]) Das Insolvenzgericht
hat
das Verfahren allerdings eröffnet,
ohne dem Schuldner -
wie Art.
103 Abs.
1 GG es gebietet
-
Gelegenheit zur Stellungnah-me zu dem Gutachten
des Sachverständigen
zu eröffnen. Da [X.] nach §
21 [X.] ohne vorherige Anhörung des Schuldners ergehen können ([X.], Beschluss vom 14.
Juli 2011 -
IX
ZB 57/11, [X.], 1875 Rn.
13), geben
Beschleunigungsgründe wegen der Möglichkeit des Erlasses derartiger Maßnahmen entgegen der Würdigung des [X.] keine Rechtfertigung dafür, von einer Bekanntmachung des Gutachtens an den Schuldner vor Erlass des [X.] abzusehen.

bb) Dieser [X.] ist jedoch nicht entscheidungserheblich.

(1) Da der Schuldner selbst einen Eröffnungsantrag gestellt hat, kann er sich allenfalls auf einen späteren Wegfall des [X.] berufen (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Januar 2007, [X.]O). Er kann aber nicht mit dem [X.] gehört werden, es habe von Anfang an kein Eröffnungsgrund vorgele-9
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12
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-

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-
gen. Die Insolvenzordnung
sieht auch nicht vor, dass dem Schuldner vor der Verfahrenseröffnung Gelegenheit gegeben werden muss, die Forderung des antragstellenden Gläubigers zu befriedigen.

(2) Das als übergangen gerügte Vorbringen des Schuldners, es hätten vor der Eröffnung des Verfahrens verbindliche Zusagen Dritter vorgelegen, die Begleichung der offenen Verbindlichkeit der Krankenkasse sicherzustellen, ist nicht entscheidungserheblich. Sind die Eröffnungsvoraussetzungen
im Zeit-punkt der Eröffnungsentscheidung gegeben, kann diese nicht durch den nach-träglichen Ausgleich der Forderung des Gläubigers zu Fall gebracht werden ([X.], Beschluss vom 2.
Dezember 2010 -
IX
ZB 121/10, [X.], 135 Rn.
3).

(3) Ohne Erfolg macht der Schuldner schließlich geltend, aufgrund der Zahlungszusagen Dritter sei der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit noch vor dem Eröffnungsbeschluss ausgeräumt worden. Tatsächlich hat der Schuld-ner selbst vorgetragen, der Ausgleich der Sozialversicherungsabgaben sei durch Dritte erfolgt, weil er über kein eigenes Vermögen verfügt habe. Darum kann schon nach seiner eigenen Darstellung nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine durchgreifende Besserung seiner Liquiditätslage abgezeichnet habe. Vielmehr
bestand mit Rücksicht auf die weiteren offenen Forderungen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fort. Folgerichtig hat auch das Beschwer-

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-
degericht
angenommen, dass der Schuldner mit der Beschwerde nicht geltend gemacht habe, er sei in der Lage, die fälligen Zahlungsverpflichtungen im [X.] zu erfüllen.

Kayser
Gehrlein
Vill

[X.]
Fischer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.06.2011 -
160 [X.] -

LG Essen, Entscheidung vom 10.08.2011 -
7 [X.]/11 -

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Meta

IX ZB 248/11

09.02.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2012, Az. IX ZB 248/11 (REWIS RS 2012, 9337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9337

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