Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. X ZR 98/14

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16215

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:160216UXZR98.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S [X.]LKES
URTEIL
X ZR
98/14
Verkündet am:
16. Februar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
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Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016 durch [X.], die Richter [X.] und
Hoffmann, die Richterin Schuster und [X.]
Deichfuß
für
Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 4. September 2014 wird auf Kos-ten des [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragener [X.], verlangt von dem
beklagten
inländischen
Luftfahrtunternehmen, es
beim Abschluss [X.] mit Verbrauchern
zu unterlassen,
folgende Allgemeine Geschäftsbedingung zu verwenden:
"Buchung in voller Höhe fällig ist, erfolgt die Belastung Ihrer Kreditkarte bzw. der Einzug des Flugpreises sofort."
Das
Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klausel unter-sagt und sie zur Erstattung der Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt. Das Be-rufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abge-1
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wiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt
der Klä-ger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Verurteilung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine -
in [X.] 2015, 45 veröffentlichte -Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die beanstandete, die Vorleistungspflicht des Verbrauchers im [X.] begründende Allgemeine Geschäftsbedingung sei nicht wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam.
Aufgrund der sich aus der Natur des [X.] er-gebenden Besonderheiten sei die Klausel weniger an der gesetzlichen Vorleis-tungspflicht des Werkunternehmers nach § 641 Abs. 1 Satz
1
[X.] als an der Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 [X.] zu messen.
Die in Abkehr von der gesetzlichen Regelung dem Fluggast auferlegte Vorauszahlungspflicht
verursache keine derartig gravierenden
Nachteile für den Verbraucher, dass sie
in Anbetracht der berechtigten Interessen des Luftfahrtunternehmens an einer Vorauszahlung bei Vertragsabschluss zu einem erheblichen und ungerechtfer-tigten Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Parteien des [X.] führte.
Das Leistungsverweigerungsrecht als Druckmittel des Fluggasts sei ent-sprechend den Erwägungen des [X.] zum Reisevertrag ([X.], Urteil vom 12. März 1987 -
VII ZR 37/86, [X.]Z 100, 157, 167 f.) von [X.] ohne große Bedeutung. Gestehe man -
wie der Kläger selbst -
einem Luftfahrtunternehmen zu, den kompletten Flugpreis bereits Wochen (z.B. 30
Tage) vor [X.]
einfordern zu dürfen, mache es keinen entscheidenden 3
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-
Unterschied, ob das Leistungsverweigerungsrecht erst 30 Tage vor Abflug oder bereits geraume Zeit vorher verloren gehe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Leistungsstörungen im Regelfall ohnehin erst am Abflugtag aufträten, nicht aber Wochen oder Monate zuvor. Aufgrund der Regelungen der Verordnung ([X.]) Nr. 261/2004 des [X.] und des Rates vom 11.
Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-
und Unterstützungsleis-tungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
295/91 ([X.]. [X.]
L 46 S.
1 vom 17.
Februar 2004, nachfolgend: Fluggast-rechteverordnung
oder [X.]) habe der Fluggast -
im Gegensatz zum "normalen"
Reisekunden -
auch ohne das vertragliche Leistungsverweige-rungsrecht ein Mittel an der Hand, welches auf das Luftfahrtunternehmen finan-ziellen Druck zur Sicherstellung der Leistungserbringung
ausübe.
Das mit der Vorauszahlung verbundene, vom Fluggast zu tragende all-gemeine Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Luftfahrtunternehmens sei nicht von erheblichem Gewicht. Das Insolvenzrisiko eines Luftfahrtunternehmens sei aufgrund der staatlichen Überwachung seiner finanziellen Verhältnisse für die Erteilung und den Fortbestand der Betriebsgenehmigung nach Art. 5 und Art. 8 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1008/2008 des [X.] und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von [X.] in der [X.] ([X.]. [X.] L 293 S.
3 vom 31. Oktober 2008) im Rahmen der Beurteilung einer [X.] anders zu bewerten als das Insolvenzrisiko eines nicht staatlich über-wachten Unternehmens. Gegen das verbleibende Ausfallrisiko des [X.] könne sich der Kunde (für

selbst absichern. Schließlich dürfe nicht übersehen werden, dass der Kunde den Zeit-punkt seiner Buchung selbst bestimme und sich bei einer frühzeitigen Buchung aus den nur begrenzt zur Verfügung stehenden Kapazitäten die ihm genehme 7
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Leistung und einen möglichst guten Preis sichere, dann aber im Gegenzug bis zum Reiseantritt das Insolvenzrisiko trage.
Die als nicht gravierend erkannten Nachteile des Verbrauchers seien durch das überwiegende Interesse des Luftfahrtunternehmens an einer soforti-gen Bezahlung
des Flugpreises bei Buchung gerechtfertigt.
Mehr als andere Unternehmen müsse ein Luftfahrtunternehmen im Li-nienverkehr erhebliche Vorkehrungen für die Erbringung der vereinbarten Leis-tung zu dem bei der Buchung festgelegten Zeitpunkt treffen und sei dabei in besonderem Maße auf Planungssicherheit angewiesen.
Dürfte ein Luftfahrtun-ternehmen erst 30 Tage vor Abflug den kompletten Flugpreis fordern, wäre bei einem größeren Umfang
ausbleibender
Zahlungen
eingedenk der nach erfolg-loser Mahnung und Rücktritt vom Vertrag noch verbleibenden Zeit
von wenigen Tagen, um andere Kunden zu finden,
eine hinreichende Flugzeugauslastung für einen wirtschaftlichen Betrieb des aufgestellten [X.]
nicht sichergestellt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Luftfahrtunternehmen im Fluglini-enverkehr nach § 21 Abs. 2 Satz 3 [X.] einem Kontrahierungszwang unter-lägen. Sei ein Luftfahrtunternehmen zum Vertragsschluss und zur Beförderung im Rahmen des veröffentlichten [X.] außer im Fall der Unzumutbarkeit jedermann
gegenüber verpflichtet, müsse es sicher gehen können, dass der Kunde die Leistung wirklich bezahlen werde.
Schließlich habe ein Luftfahrtunternehmen wie die Beklagte ein berech-tigtes Interesse an der Geringhaltung des Verwaltungs-
und Abrechnungsauf-wands. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein Ausscheiden aus dem weltweit praktizierten Flugbuchungsverfahren mit der allgemein üblichen Bezahlung ei-nes Fluges bei Buchung für die Luftfahrtunternehmen mit unübersehbaren Fol-gen
und
erheblichen Wettbewerbsnachteilen verbunden wäre.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
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1.
Vorauszahlungsbestimmungen in [X.] Geschäftsbedin-gungen eines [X.] unterliegen nach §
307 Abs.
3 Satz 1 [X.] der Inhaltskontrolle, da durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Das Berufungsgericht
hat
eine Klausel, die den Fluggast zur Zahlung des Flugpreises bei
der Flugbu-chung verpflichtet, zu Recht nicht als eine den Fluggast entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Regelung und damit als wirksam angesehen (§ 307 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
2.
§ 309 Nr. 2 Buchst.
a
[X.], wonach in [X.] Geschäftsbe-dingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die das Leistungsverweige-rungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach §
320 [X.] zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, findet keine Anwendung (vgl. zu §
11 Nr.
2a [X.]: [X.], Urteil vom 12. März 1987 -
VII ZR 37/86, [X.]Z 100, 157, 161).
3.
Eine Vorauszahlungsklausel ist nicht mit wesentlichen Grundge-danken des Personen(luft)beförderungsrechts unvereinbar (§
307 Abs. 2 Nr.
1 [X.]).
a)
Ein auf die entgeltliche (Luft-)Beförderung von Personen [X.] ist allerdings nach allgemeiner Auffassung als Werkvertrag zu [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 1973 -
IV ZR 158/72, [X.]Z 62, 71, 75 ff.; Urteil vom 24. Juni 1969 -
VI [X.], NJW 1969, 2014, 2015; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., Einf.
v.
§ 631 Rn.
17a; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, [X.]. zu §§
631 ff. Rn. 76; MünchKomm[X.]/Tonner, 6.
Aufl., Nach §
651 Rn.
1; [X.], Handelsrecht, 6.
Aufl., S.
1102; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 4. Aufl., [X.]; Ruhwe-del, Der Luftbeförderungsvertrag, 3. Aufl., [X.] f.). Das Werkvertragsrecht sieht keine Vorleistungspflicht des Bestellers, welche das Gebot, gegenseitige Verträge Zug um Zug abzuwickeln (§§ 320, 322
[X.]), verdrängte, sondern 12
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vielmehr eine Vorleistungspflicht des Werkunternehmers vor.
Gemäß §
641 Abs. 1 Satz 1 und §
646 [X.] ist der Werklohn erst bei Abnahme oder Vollen-dung der Leistung des Werkunternehmers zu entrichten.
b)
Diese gesetzliche Regelung kann jedoch das Leitbild des [X.], an dem sich eine allgemeine Geschäftsbedingung messen lassen müsste, allenfalls mit erheblichen Einschränkungen bestimmen. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat zwar im Besonderen Schuldrecht in Titel 9 (Werkvertrag und ähnliche Verträge) nur für den Reise-vertrag ein eigenständiges Regelungswerk geschaffen. Gleichwohl weist (aber)
auch der Personenbeförderungsvertrag Besonderheiten auf, denen bei der Be-stimmung des gesetzlichen Leitbilds Rechnung getragen werden muss.
aa)
Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass
mit
der Vor-leistungspflicht des Werkunternehmers in der vom Gesetzgeber zugrunde ge-legten typischen Situation das Recht des Werkunternehmers korrespondiert, das Werkstück nur gegen Zahlung des [X.] herauszugeben. Ihm steht unter den Voraussetzungen des §
647 [X.] ein Unternehmerpfandrecht zu, er kann unter den Voraussetzungen des §
648 [X.] die Einräumung einer Siche-rungshypothek verlangen,
und er kann unter den Voraussetzungen des §
648a [X.] Sicherheit für die von ihm zu erbringenden Bauleistungen beanspruchen. Auf einen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender be-weglicher Sachen zum Gegenstand hat, finden nach §
651 [X.] in erster Linie und bei vertretbaren Sachen ausschließlich die Vorschriften über den Kauf und die §§ 640, 646 [X.] mithin keine Anwendung. Schließlich hat der [X.] unter den Voraussetzungen des §
632a [X.] einen Anspruch auf Ab-schlagszahlungen gegen den Besteller.
Ähnlich wie dem Werkunternehmer steht auch dem Frachtführer nach §
440 Abs.1 HGB für alle Forderungen aus dem [X.] ein Pfandrecht an dem ihm zur Beförderung übergebenen Gut zu.
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bb)
Bei der Personenbeförderung besteht demgegenüber kein Siche-rungsrecht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers. Dementsprechend wäre der Unternehmer ungesichert mit der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung belastet, sähe man ihn grundsätzlich als [X.] an, was umso schwerer wöge, als denjenigen, der [X.] öffentlich anbietet, in der Regel eine Beförderungspflicht trifft, wie sie in §
10 A[X.] und ebenso

darauf weist das Berufungsgericht zu Recht hin

in §
21 Abs. 2 Satz 3 [X.] vorgesehen ist. Zudem kann bei der Personenbeförderung eine Parallelität der vertraglichen Leistungen im Sinne des §
320 [X.] nicht erreicht werden. Um eine zeitnahe und zügige Erfüllung des [X.] zu ermöglichen,
ist es erforderlich, dass eine der Vertragsparteien in Vorleistung tritt. Diese Verpflichtung trifft in der Regel den Fahr-
oder Fluggast, denn eine Abwicklung des [X.] dergestalt, dass das Beförderungsentgelt erst nach Vollendung des Werks, mit-hin bei Ankunft am Zielort gezahlt wird, wäre, wie auch die Revision nicht ver-kennt, beim Massengeschäft der Fahr-
oder Fluggastbeförderung im [X.] kaum praktikabel.
c)
Dieser vom allgemeinen Werkvertragsrecht abweichenden Be-sonderheit des [X.] hat auch der Gesetzgeber ver-schiedentlich Rechnung getragen. So ist die Vorauszahlung des [X.] im Recht der Eisenbahnbeförderung ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art.
4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1371/2007 des [X.] und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ([X.]. [X.] L 315 S. 14 vom 3. Dezember 2007) i.V.m. [X.], [X.], Art. 8 Abs. 1 [X.]). Auch bei der Luftbeförderung zeigen die Regelungen zur Erstattung des Flugpreises nach Art. 8 [X.] ins-besondere in den Fällen der Nichtbeförderung oder Annullierung
eines Fluges, dass das Unionsrecht davon ausgeht, dass der Flugpreis vor [X.] gezahlt wird. Nichts anderes gilt für das nationale Recht. In der Begründung des Ge-19
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setzentwurfs der Bundesregierung zu §
9 Nr. 2 [X.] wird der Verzicht auf ein gesetzliches Verbot der formularmäßigen Vereinbarung einer Vorleistungs-pflicht damit begründet, dass derartiges zu weit gehe, "zumal in vielen Berei-chen die technische Abwicklung des Vertrags ohne Vorleistungen kaum vor-stellbar wäre (Eintrittskarten, Fahrkarten)"
(BT-Drucks. 7/3919, [X.]). Die gän-gige Redeweise vom "Kauf"
einer Fahrkarte spiegelt den Umstand wieder, dass bei der Personenbeförderung der Erwerb der in der Fahrkarte "verkörperten"
Berechtigung zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistung regelmäßig Zug
um Zug gegen Zahlung des Fahrpreises erfolgt und damit die Vorleistung nicht vom Unternehmer, sondern vom Fahrgast erbracht wird.
Schließlich werden die Besonderheiten des Personen(luft)[X.], die vom werkvertraglichen Leitbild abweichen, auch in der über die [X.] ([X.]) weltweit etablierten [X.] Buchungs-
und Abrechnungspraxis abgebildet, zu denen, wovon das [X.] unangegriffen ausgegangen ist, auch die Praxis der Vorauskasse für Flüge im globalen Buchungs-
und Reservierungssystem gehört.
d)
Auch die Revision stellt eine Vorleistungspflicht des Fahr-
oder Fluggastes nicht grundsätzlich in Frage, wenn sie es für möglich hält, eine Ver-pflichtung des Fluggastes zur vollständigen Zahlung 30
Tage vor [X.] zu vereinbaren. Ihre Annahme, weiter dürfe die Abweichung vom gesetzli-chen Leitbild mangels Erforderlichkeit einer solchen Regelung nicht gehen, setzt jedoch voraus, dass dem gesetzlichen Leitbild des [X.] die Zahlung des Flugpreises nach Ankunft des Flugzeugs am Bestimmungsort und damit nach Fertigstellung des "[X.]"
ent-spräche. Dies trüge, wie ausgeführt, der Eigenart des Personenbeförderungs-vertrages nicht Rechnung.
4.
Vor diesem Hintergrund hält eine Vorauszahlungsklausel in einem Luftbeförderungsvertrag, die die sofortige Fälligkeit des Flugpreises unabhängig 21
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von dessen Höhe auch bei erst Monate später anstehenden Flügen vorsieht,
der [X.] bei Abwägung der Interessen der Vertragspartner stand. Denn die von
der gesetzlichen Regelung abweichende Vorleistungs-pflicht des Kunden kann sich auf sachliche Gründe stützen.
a)
Eine Vorleistungspflicht in [X.] Geschäftsbedingungen kann wirksam vereinbart werden, wenn sie durch einen sachlichen Grund ge-rechtfertigt ist, der bei Abwägung mit den hierdurch für den Vertragspartner ent-stehenden Nachteilen Bestand hat (st. Rspr.;
[X.], Urteil vom 9. Dezember 2014 -
X
ZR
85/12, [X.]Z 203, 335 Rn.
23; Urteil vom 4.
März 2010
-
III
ZR
79/09, [X.]Z 184, 345 Rn.
12; Urteil vom 24.
September 2002
-
KZR 38/99, [X.], 542, 543; Urteil vom 10. März 1999 -
VIII ZR 204/98, [X.]Z 141, 108, 114).
b)
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des [X.] und vor
dem Hintergrund des Unionsrechts, dem

wie die [X.]

die Luftfahrtunternehmen der [X.] (Art. 2 Buchst. [X.], Art. 2 Nr. 11 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008) unterworfen sind, widerspricht die beanstandete Regelung nicht einem angemessenen
Interessenausgleich. Die gebotene Interessenabwägung erfordert es entgegen der Auffassung des [X.] und von Teilen des Schrifttums ([X.], [X.] 2014, 58-63; [X.], [X.] 2015, 109, 112) insbesondere nicht, die Vorauszahlungsmodalitäten in [X.] Geschäftsbedingungen auf eine Anzahlung bei Vertragsschluss (in Höhe von regelmäßig 20 % des Flugpreises) und eine Restzahlung (höchstens 30
Tage) vor [X.] zu beschränken, wie dies der Rechtsprechung des [X.] zum [X.] entspräche ([X.]Z 203, 335).
aa)
In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass der Reiseveranstalter in seinen [X.] Geschäftsbedingungen die Vorauszahlung des Reisepreises vorsehen kann ([X.]Z 203, 335 Rn. 24; [X.], Urteil vom 20. Juni 2006

[X.], [X.] 2006, 256 Rn. 10; [X.]Z 100, 157, 24
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164
f.). Beschränkungen bei der Vereinbarung einer Vorauszahlungspflicht des Reisenden unterliegt er nur insoweit, als er den vollen Reisepreis grundsätzlich erst 30
Tage vor Reiseantritt verlangen und bei einer bei Vertragsschluss fälli-gen Anzahlung grundsätzlich keinen Betrag beanspruchen darf, der 20 % des Reisepreises übersteigt. Auch insoweit hat der [X.] jedoch aner-kannt, dass vom Reiseveranstalter zu erbringende höhere Vorleistungen, ins-besondere in Gestalt der Erfüllung von Forderungen der Leistungsträger, deren sich der Reiseveranstalter für die Erbringung der Reiseleistungen bedient, auch eine höhere Anzahlungsquote rechtfertigen können ([X.]Z 203, 335 Rn. 28); als solche Vorleistungen sind insbesondere die Kosten einer Luftbeförderung in Betracht gezogen worden ([X.]Z 203, 335 Rn. 33).
bb)
Bei sofortiger Zahlung des Flugpreises verliert der Fluggast die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, d.h. das Recht, die ihm obliegende [X.] bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern (§
320 Abs. 1 [X.]). Wie beim Reisevertrag wäre aber ein solches Leistungsverweigerungsrecht faktisch regelmäßig ohne Bedeutung. Auch der Fluggast könnte das Leistungs-verweigerungsrecht nicht ausüben, weil er typischerweise keinen Einblick in die Flugvorbereitungen des Luftfahrtunternehmens hat (vgl. zum Reisevertrag [X.]Z 203, 335 Rn. 28; [X.]Z 100, 157, 167). Anders als im [X.] besteht jedoch bei Luftbeförderungsverträgen im Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung aufgrund der darin gewährten unabdingbaren Min-destrechte der Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung, Annullierung oder gro-ßen Verspätung, namentlich des pauschalen Ausgleichsanspruchs nach Art. 7, ein unionsrechtlicher Mechanismus, der unabhängig von einem individuellen Leistungsverweigerungsrecht präventiv auf die Luftfahrtunternehmen einwirkt und diese zur Einhaltung der Flugplanung und Erbringung der vertraglichen Be-förderungsleistung anhält.
cc)
Es verbleibt der Umstand, dass der Fluggast bei einer vollständi-gen und sofortigen Vorauszahlung des Flugpreises

worauf der Kläger zutref-27
28
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12
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fend hinweist

einen Liquiditätsnachteil erleidet und das volle Risiko der Leis-tungsunfähigkeit seines Vertragspartners zu tragen hat, das nicht, wie im [X.] gemäß §
651k
[X.], durch eine obligatorische Sicherstellung der Flugpreisrückerstattung im Insolvenzfall kompensiert wird. Beide Gesichts-punkte sind nicht ohne Gewicht, vermögen jedoch im Ergebnis keine Unbillig-keit der angegriffenen Klausel zu begründen.
(1)
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Berechtigung des [X.] nicht in Frage steht, den vollen Flugpreis 30
Tage vor Abflug fällig zu stellen. Insoweit ist die Überwälzung des Liquiditätsverlustes wie des [X.] ohnedies unvermeidlich. Hinzu kommt, dass [X.] im Land-
wie im Luftverkehr ohnehin häufig relativ kurzfristig geschlossen werden. Die verbleibenden Risiken rechtfertigen es nicht, je nach Buchungs-zeitpunkt eine Abweichung von der Regel für geboten zu halten, dass der Preis für den Flugschein wie für die Fahrkarte "beim Kauf"
verlangt werden darf.
(2)
Das Insolvenzrisiko ist bei einem Luftfahrtunternehmen der [X.] durch die unionsrechtlichen Zulassungs-
und Aufsichtsbestimmun-gen im Vergleich zu einem Unternehmen, das keiner staatlichen Aufsicht unter-liegt, deutlich verringert. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines in der [X.] niedergelassenen Luftfahrtunternehmens gehört gemäß Art.
4, 5 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008
zu den Schwerpunkten des Verfahrens bei der Erteilung einer Betriebsgenehmigung. Um die Gültigkeit der Genehmigung [X.], unterliegt das Luftfahrtunternehmen der staatlichen Überwa-chung und ist jederzeit verpflichtet, seine finanzielle Leistungsfähigkeit [X.] (Art. 8, 9 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008). Erscheinen die finanziellen Bedin-gungen für eine Aufrechterhaltung des Betriebs nicht gesichert, hat die [X.] -
nicht zuletzt zur Verringerung des Risikos für Fluggäste ([X.] 6 der [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008) -
die Betriebsgenehmigung aus-zusetzen oder zu widerrufen.
29
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-
13
-
(3)
Sowohl der Unions-
als auch der nationale Gesetzgeber halten im Bereich des Personenbeförderungsrechts durch spezielle [X.], namentlich die Fluggastrechteverordnung und die Verordnung ([X.]) Nr.
1008/2008, einen ausreichenden Verbraucherschutz für gewährleistet. Dies folgt aus Erwägungsgrund
27 der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/[X.] des [X.]
und des Rates vom 25.
Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/[X.] des Rates und der Richtlinie 1999/44/[X.] des Europäischen Parla-ments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/[X.] des Ra-tes und der Richtlinie 97/7/[X.] des [X.] und des Rates; [X.]. [X.] L
304 S. 64 vom 22. November 2011), wonach die Beförderung von Personen vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sein solle, weil sie bereits im Rahmen anderer [X.] geregelt werde, [X.], was den öffentlichen Verkehr und Taxis betrifft, auf [X.] gere-gelt sei. Infolge der Umsetzung der Richtlinie fällt im nationalen Recht die Be-förderung von Personen nicht unter den Anwendungsbereich des Untertitels
über besondere Vertriebsformen, "da hier europarechtliche Vorgaben, etwa bei [X.] und öffentlich-rechtliche Regelungen einen ausreichenden Schutz bieten"
(Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der [X.] und zur Änderung des [X.]; BT-Drucks. 17/12637, [X.] zu §
312 Abs. 2 Nr. 5 [X.]).
(4)
Der Liquiditätsnachteil des Kunden geht mit einem Liquiditätsvor-teil des Luftfahrtunternehmens einher, der Teil der [X.] und damit Gegenstand der Preisfestsetzung ist. Nach Art.
22 Abs.
1 [X.] ([X.]) Nr.
1008/2008 legen die Luftfahrtunternehmen der [X.] ihre Flugprei-se und Frachtraten für innergemeinschaftliche Flugdienste (unbeschadet des Art. 16 Abs. 1, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, dem [X.] in wirtschaftlich schwachen Regionen gemeinwirtschaftliche Verpflichtun-gen aufzuerlegen) frei fest. Unter dem Begriff "Flugpreise"
sind nach Art. 2 31
32
-
14
-
Nr.
18 die [X.] zu verstehen sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten. Dies bedeutet, dass für das Luftfahrtunternehmen ein Spielraum für die Festsetzung der Flugpreise einschließlich der [X.], unter denen diese gelten, besteht. In diese Festsetzung kann deshalb grundsätzlich auch ein Liquiditätsvorteil einfließen, der, auch wenn nicht bei jeder frühzeitigen Flugbuchung ein Preisvorteil erzielbar sein mag, in der Regel nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden führen wird. Der Liquiditäts-
und gegebenenfalls Zinsnachteil wird bei frühzeitiger Flugbuchung jedenfalls tendenziell wirtschaftlich durch einen Preisvorteil des Kunden gegen-über einer späteren Buchung ausgeglichen.
(5)
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine andere Beurteilung das Luftfahrtunternehmen zwänge, die bereits erwähnte, auf einer Empfehlung der [X.] beruhende Buchungs-
und Abrechnungspraxis auf ein Vorauszah-lungsmodell mit einer Anzahlung bei Vertragsschluss und Restzahlung mög-lichst kurz vor [X.] umzustellen.
Eine solche Umstellung verursachte für das Luftfahrtunternehmen einen erheblichen verwaltungsmäßigen und abrechnungstechnischen Zusatzaufwand, dem

je nach Buchungszeitpunkt -
kein wesentlicher Ausgleich der Nachteile gegenüberstünde, die für den Fluggast mit einer Vorauszahlung ohnehin [X.] sind.
Zudem darf bei der gebotenen Interessenabwägung eine mögliche wirt-schaftliche Beeinträchtigung der Luftfahrtunternehmen, auch mit Blick auf einen bei einer Abkehr von der international angewandten Abrechnungspraxis mög-licherweise auftretenden Wettbewerbsnachteil, nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Umstellung der etablierten Zahlungsabwicklung griffe in das Geschäfts-modell der Unternehmen ein. Zur Sicherstellung des für die Sommer-
und [X.] eines jeden Jahres aufzustellenden [X.] im Fluglinienver-kehr sind die Luftfahrtunternehmen in besonderem Maße auf Planungssicher-33
34
35
-
15
-
heit bei der Refinanzierung der Vorlaufkosten angewiesen. Das [X.] kann auch einzelne Plätze eines Fluges nur in begrenztem Umfang vorsorglich mehrfach vergeben, da eine Überbuchung der Kapazitäten zu einer Nichtbeförderung von Fluggästen und damit zu Ausgleichszahlungen nach Art.
7 i.V.m. Art. 4 [X.] führen kann. Es ist zwar richtig, dass das Risiko, kostendeckend zu wirtschaften, vom Unternehmen zu tragen ist. Da hö-here Risiken aber regelmäßig höhere Kosten bedeuten und daher auch das [X.] an niedrigen Preisen berühren, sind die Auswirkungen von Risikoerhöhungen gleichwohl in die Interessenabwägung einzubeziehen, zumal, wie dargelegt, Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr dem Kontrahie-rungs-
und Beförderungszwang im Rahmen des veröffentlichten [X.] (§
21 Abs. 2 Satz
3
[X.]) unterworfen sind und ihre wirtschaftliche Tätigkeit deshalb auch im Allgemeininteresse liegt.
-
16
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Hoffmann

Schuster
Deichfuß

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.01.2014 -
2-24 O 151/13 -

O[X.], Entscheidung vom 04.09.2014 -
16 U 15/14 -

36

Meta

X ZR 98/14

16.02.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. X ZR 98/14 (REWIS RS 2016, 16215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16215

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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