Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. X ZR 5/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16225

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:160216UXZR5.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S [X.]LKES
URTEIL
X ZR
5/15
Verkündet am:
16. Februar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016 durch [X.], [X.] Grabinski
und
Hoffmann, die Richterin Schuster und [X.]
Deichfuß
für
Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das Urteil des 13. Zivil-senats des [X.] vom 18. Dezember 2014 aufgehoben und das Urteil der 18. Zivilkammer des [X.] vom 21. Januar 2014 abgeändert und wie folgt neu ge-fasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von
Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragener [X.], verlangt von der [X.], die über das [X.] von einem
konzernangehörigen Unternehmen oder anderen Luftfahrt-unternehmen durchgeführte Flugbeförderungsdienstleistungen anbietet, es beim Abschluss von [X.]n mit Verbrauchern zu unterlas-sen, folgende Allgemeine Geschäftsbedingung zu verwenden:
"Mit Zustandekommen des Vertrags werden sämtliche Zahlungen sofort fällig."
1
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-
Das Landgericht hat der [X.] die Verwendung der Klausel unter-sagt und sie zur Erstattung der Abmahnkosten nebst Zinsen verurteilt.
Die Be-rufung der [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zu-gelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung
im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die
eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers begründende Allgemeine Geschäftsbedingung
sei nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam. Sie weiche sowohl vom gesetzlichen Leitbild der [X.] (§ 641 Abs. 1 Satz 1 [X.])
als auch vom Grundsatz
der Leistungser-füllung Zug um Zug (§
320 [X.])
ab. Die Beklagte verkaufe nicht lediglich ein Recht auf eine Flugbeförderungsleistung durch eine Fluggesellschaft, sondern verpflichte sich selbst,
Luftbeförderungsleistungen
zu erbringen, wobei sie sich zur Erfüllung eines ausführenden Luftfrachtführers bediene. Der
Luftbeförde-rungsvertrag sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Die Abweichung vom gesetz-lichen Leitbild trage indes den berechtigten Interessen des Kunden nicht hinrei-chend Rechnung.
Zwar verfüge der
Kunde mit den
Regelungen der
Verordnung ([X.]) Nr.
261/2004 des [X.] und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs-
und Unterstützungsleis-tungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) 2
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Nr.
295/91 ([X.]. [X.] 46 S. 1 vom 17. Februar 2004, nachfolgend: Fluggast-rechteverordnung
oder [X.]) über ein gewisses Druckmittel ge-genüber dem Luftfahrtunternehmen, um die Erbringung der Leistung sicherzu-stellen.
Ebenso
werde der sich für den Kunden ergebende Nachteil in Form von Liquiditäts-
und Zinseinbußen durch den Umstand ausgeglichen, dass der Kun-de sich bei einer frühzeitigen Buchung aus den nur begrenzt zur Verfügung ste-henden Kapazitäten die ihm genehme Leistung zu
einem
möglichst guten Preis sichere. Allerdings
habe der Kunde das volle Risiko einer Insolvenz des [X.] zu tragen,
ohne wie im [X.] durch einen Si-cherungsschein abgesichert zu sein.

Weder das
Interesse der [X.] an der Geringhaltung des Verwal-tungs-
und Abrechnungsaufwands noch deren
Vorlaufkosten rechtfertigten
das dem Kunden mit der [X.] aufgebürdete Insolvenzrisiko. Das allgemeine Geschäfts-
und Investitionsrisiko habe
typischerweise der Unter-nehmer
zu tragen.
II.
Diese Beurteilung
hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Klage erweist sich vielmehr als unbegründet.
1.
Vorauszahlungsbestimmungen in [X.] unterliegen nach §
307 Abs.
3 Satz 1 [X.] der Inhaltskontrolle, da durch sie von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die angegriffene [X.] erweist sich entgegen der Beurteilung
des Berufungsge-richts als wirksam. Durch ihre Verwendung werden die Verbraucher als [X.] der [X.] nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]).
2.
§ 309 Nr. 2 Buchst.
a
[X.], wonach in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen eine Bestimmung unwirksam ist, durch die das Leistungsverweige-7
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rungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach §
320 [X.] zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, findet keine Anwendung (vgl. zu § 11 Nr.
2a [X.]: [X.], Urteil vom 12. März 1987 -
VII ZR 37/86, [X.]Z 100, 157, 161).
3.
Eine Vorauszahlungsklausel ist nicht mit wesentlichen Grundge-danken des Personen(luft)beförderungsrechts unvereinbar (§
307 Abs. 2 Nr.1 [X.]).
a)
Ein auf die entgeltliche (Luft-)Beförderung von Personen [X.] ist allerdings nach allgemeiner Auffassung als Werkvertrag zu [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 1973 -
IV ZR 158/72, [X.]Z 62, 71, 75 ff.; Urteil vom 24. Juni 1969 -
VI [X.], NJW 1969, 2014, 2015; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., Einf.
v.
§ 631 Rn. 17a; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, [X.]. zu §§ 631 ff. Rn. 76; MünchKomm[X.]/Tonner, 6.
Aufl., Nach § 651 Rn. 1; [X.], Handelsrecht, 6. Aufl., S. 1102; Schwenk/[X.], Handbuch des Luftverkehrsrechts, 4. Aufl., [X.]; [X.], Der [X.], 3. Aufl., [X.] f.). Das Werkvertragsrecht sieht keine Vorleistungspflicht des Bestellers, welche das Gebot, gegenseitige Verträge Zug um Zug abzuwickeln (§§ 320, 322
[X.]), verdrängte, sondern vielmehr ei-ne Vorleistungspflicht des Werkunternehmers vor. Gemäß §
641 Abs. 1 Satz 1 und §
646 [X.] ist der Werklohn erst bei Abnahme oder Vollendung der Leis-tung des Werkunternehmers zu entrichten.
b)
Diese gesetzliche Regelung kann jedoch das Leitbild des [X.], an dem sich eine allgemeine Geschäftsbedingung messen lassen müsste, allenfalls mit erheblichen Einschränkungen bestimmen. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat zwar im Besonderen Schuldrecht in Titel 9 (Werkvertrag und ähnliche Verträge) nur für den Reise-vertrag ein eigenständiges Regelungswerk geschaffen. Gleichwohl weist (aber)
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auch der Personenbeförderungsvertrag Besonderheiten auf, denen bei der Be-stimmung des gesetzlichen Leitbilds Rechnung getragen werden muss.
aa)
Wie das Berufungsgericht nicht verkennt,
korrespondiert
mit der Vorleistungspflicht des Werkunternehmers in der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten typischen Situation das Recht des Werkunternehmers, das Werkstück nur gegen Zahlung des
Werklohns herauszugeben. Ihm steht unter den Vor-aussetzungen des §
647 [X.] ein Unternehmerpfandrecht zu, er kann unter den Voraussetzungen des §
648 [X.] die Einräumung einer Sicherungshypo-thek verlangen,
und er kann unter den Voraussetzungen des §
648a [X.] Si-cherheit für die von ihm zu erbringenden Bauleistungen beanspruchen. Auf ei-nen Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender bewegli-cher Sachen zum Gegenstand hat, finden nach §
651 [X.] in erster Linie und bei vertretbaren Sachen ausschließlich die Vorschriften über den Kauf und die §§ 640, 646 [X.] mithin keine Anwendung. Schließlich hat der [X.] unter den Voraussetzungen des §
632a [X.] einen Anspruch auf Ab-schlagszahlungen gegen den Besteller.
Ähnlich wie dem Werkunternehmer steht auch dem Frachtführer nach §
440 Abs.1 HGB für alle Forderungen aus dem [X.] ein Pfandrecht an dem ihm zur Beförderung übergebenen Gut zu.
bb)
Bei der Personenbeförderung besteht demgegenüber kein Siche-rungsrecht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers. Dementsprechend wäre der Unternehmer ungesichert mit der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung belastet, sähe man ihn grundsätzlich als [X.] an, was umso schwerer wöge, als denjenigen, der [X.] öffentlich anbietet, in der Regel eine Beförderungspflicht trifft, wie sie in §
10 A[X.] und ebenso in §
21 Abs. 2 Satz 3 [X.] vorgesehen ist. Zudem kann bei der Personenbeförderung eine Parallelität der vertraglichen Leistungen im Sinne des §
320 [X.] nicht erreicht werden. Um eine zeitnahe 14
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und zügige Erfüllung des [X.] zu ermöglichen,
ist es [X.], dass eine der Vertragsparteien in Vorleistung tritt. Diese Verpflichtung trifft in der Regel den Fahr-
oder Fluggast, denn eine Abwicklung des [X.] dergestalt, dass das Beförderungsentgelt erst nach Vollen-dung des Werks, mithin bei Ankunft am Zielort gezahlt wird, wäre, wie auch die Revision nicht verkennt, beim Massengeschäft der Fahr-
oder [X.] im Linienverkehr kaum praktikabel.
c)
Dieser vom allgemeinen Werkvertragsrecht abweichenden Be-sonderheit des [X.] hat auch der Gesetzgeber ver-schiedentlich Rechnung getragen. So ist die Vorauszahlung des [X.] im Recht der Eisenbahnbeförderung ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art.
4 der Verordnung ([X.]) Nr. 1371/2007 des [X.] und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr ([X.]. [X.] 315 S. 14 vom 3. Dezember 2007) i.V.m. [X.], [X.], Art. 8 Abs. 1 [X.]). Auch bei der Luftbeförderung zeigen die Regelungen zur Erstattung des Flugpreises nach Art. 8 [X.] ins-besondere in den Fällen der Nichtbeförderung oder Annullierung eines Fluges, dass das Unionsrecht davon ausgeht, dass der Flugpreis vor [X.] gezahlt wird. Nichts anderes gilt für das nationale Recht. In der Begründung des [X.] zu §
9 Nr. 2 [X.] wird der Verzicht auf ein gesetzliches Verbot der formularmäßigen Vereinbarung einer Vorleistungs-pflicht damit begründet, dass derartiges zu weit gehe, "zumal in vielen Berei-chen die technische Abwicklung des Vertrags ohne Vorleistungen kaum vor-stellbar wäre (Eintrittskarten, Fahrkarten)"
(BT-Drucks. 7/3919, [X.]). Die gän-gige Redeweise vom "Kauf"
einer Fahrkarte spiegelt den Umstand wieder, dass bei der Personenbeförderung der Erwerb der in der Fahrkarte "verkörperten"
Berechtigung zur Inanspruchnahme der Beförderungsleistung regelmäßig Zug um Zug gegen Zahlung des Fahrpreises erfolgt und damit die Vorleistung nicht vom Unternehmer, sondern vom Fahrgast erbracht wird.
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d)
Schließlich werden die Besonderheiten des Personen(luft)be-förderungsvertrags, die vom werkvertraglichen Leitbild abweichen, auch in der über die [X.] ([X.]) weltweit etablierten in-ternationalen Buchungs-
und Abrechnungspraxis abgebildet, zu denen, wovon das Berufungsgericht unbeanstandet ausgegangen ist, auch die Praxis der Vorauskasse für Flüge im globalen Buchungs-
und Reservierungssystem ge-hört.
4.
Vor diesem Hintergrund hält eine Vorauszahlungsklausel in einem [X.], die die sofortige Fälligkeit des Flugpreises unabhängig von dessen Höhe auch bei erst Monate
später anstehenden Flügen vorsieht,
der [X.] bei Abwägung der Interessen der Vertragspartner stand. Denn die vom Leitbild der gesetzlichen Regelungen abweichende [X.] des Kunden kann sich auf sachliche Gründe stützen.
a)
Eine Vorleistungspflicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann wirksam vereinbart werden, wenn sie durch einen sachlichen Grund ge-rechtfertigt ist, der bei Abwägung mit den hierdurch für den Vertragspartner ent-stehenden Nachteilen Bestand hat
(st. Rspr.;
[X.], Urteil vom 9.
Dezember 2014 -
X
ZR
85/12, [X.]Z 203, 335 Rn. 23; Urteil vom 4.
März 2010

III
ZR
79/09, [X.]Z 184, 345 Rn. 12; Urteil vom 24.
September 2002

KZR
38/99, [X.], 542, 543; Urteil vom 10. März 1999 -
VIII ZR 204/98, [X.]Z 141, 108, 114).
b)
Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des [X.] und vor dem Hintergrund des Unionsrechts, dem die Luftfahrtun-ternehmen der [X.] (Art. 2 Buchst. c [X.], Art. 2 Nr. 11 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008) unterworfen sind, widerspricht die beanstandete Rege-lung nicht einem angemessenen Interessenausgleich. Die gebotene [X.] erfordert es entgegen der Auffassung des [X.] und von [X.] des Schrifttums ([X.], [X.] 2014, 58-63; [X.], [X.] 2015, 109, 112) 18
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insbesondere nicht, die Vorauszahlungsmodalitäten in [X.] auf eine Anzahlung bei Vertragsschluss (in Höhe von regelmäßig 20 % des Flugpreises) und eine Restzahlung (höchstens 30
Tage) vor [X.] zu beschränken, wie dies der Rechtsprechung des [X.] zum [X.] entspräche ([X.]Z 203, 335).
aa)
In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass der Reiseveranstalter in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vorauszahlung des
Reisepreises vorsehen kann ([X.]Z 203, 335 Rn. 24; [X.], Urteil vom 20. Juni 2006

[X.], [X.] 2006, 256 Rn. 10; [X.]Z 100, 157, 164
f.). Beschränkungen bei der Vereinbarung einer [X.] des Reisenden unterliegt er nur insoweit, als er den vollen Reisepreis grundsätzlich erst 30
Tage vor Reiseantritt verlangen und bei einer bei Vertragsschluss fälli-gen Anzahlung grundsätzlich keinen Betrag beanspruchen darf, der 20 % des Reisepreises übersteigt. Auch insoweit hat der [X.] jedoch aner-kannt, dass vom Reiseveranstalter zu erbringende höhere Vorleistungen, ins-besondere in Gestalt der Erfüllung von Forderungen der Leistungsträger, deren sich der Reiseveranstalter für die Erbringung der Reiseleistungen bedient, auch eine höhere Anzahlungsquote rechtfertigen können ([X.]Z 203, 335 Rn. 28); als solche Vorleistungen sind insbesondere die Kosten einer Luftbeförderung in Betracht gezogen worden ([X.]Z 203, 335 Rn. 33).
bb)
Bei sofortiger Zahlung des Flugpreises verliert der Fluggast die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, d.h. das Recht, die ihm obliegende [X.] bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern (§
320 Abs. 1 [X.]). Wie beim Reisevertrag wäre aber ein solches Leistungsverweigerungsrecht faktisch regelmäßig ohne Bedeutung. Auch der Fluggast könnte das Leistungs-verweigerungsrecht nicht ausüben, weil er typischerweise keinen Einblick in die Flugvorbereitungen des Luftfahrtunternehmens hat (vgl. zum Reisevertrag [X.]Z 203, 335 Rn. 28; [X.]Z 100, 157, 167). Anders als im Reisevertrags-22
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recht besteht jedoch bei [X.]n im Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung aufgrund der darin gewährten unabdingbaren Min-destrechte der Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung, Annullierung oder gro-ßen Verspätung, namentlich
des pauschalen Ausgleichsanspruchs nach Art. 7, ein unionsrechtlicher Mechanismus, der unabhängig von einem individuellen Leistungsverweigerungsrecht präventiv auf die Luftfahrtunternehmen einwirkt und diese zur Einhaltung der Flugplanung und Erbringung der vertraglichen Be-förderungsleistung anhält.
cc)
Es verbleibt der Umstand, dass der Fluggast bei einer vollständi-gen und sofortigen Vorauszahlung des Flugpreises -
worauf der Kläger zutref-fend hinweist

einen Liquiditätsnachteil erleidet und das volle
Risiko der Leis-tungsunfähigkeit seines Vertragspartners zu tragen hat, das nicht, wie im [X.] gemäß §
651k
[X.], durch eine obligatorische Sicherstellung der Flugpreisrückerstattung im Insolvenzfall kompensiert wird. Beide Gesichts-punkte sind
nicht ohne Gewicht, vermögen jedoch im Ergebnis keine Unbillig-keit der angegriffenen Klausel zu begründen.
(1)
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Berechtigung der [X.] nicht in Frage steht, den vollen Flugpreis 30
Tage vor Abflug fällig zu
stellen. Insoweit ist die Überwälzung des Liquiditätsverlustes wie des [X.] ohnedies unvermeidlich. Hinzu kommt, dass [X.] im Land-
wie im Luftverkehr ohnehin häufig relativ kurzfristig geschlossen werden. Die verbleibenden Risiken rechtfertigen es nicht, je nach Buchungszeitpunkt eine Abweichung von der Regel für geboten zu halten, dass der Preis für den Flugschein wie für die Fahrkarte "beim Kauf"
verlangt werden darf.
(2)
Das Risiko, dass bei einer Insolvenz der
[X.] die [X.] nicht erbracht würde, ist für den Kunden als gering zu bewerten. Ihm wird bei der Buchung durch Übermittlung der Flugbuchungsnummer ein hinreichen-des Äquivalent für seine Vorauszahlung gegeben. Damit erhält der Fluggast 24
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gleichsam als Flugscheinersatz einen Berechtigungsnachweis über den für ihn von der [X.] im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter begründeten [X.] Anspruchs auf Beförderung gegenüber dem ausführenden Luft-fahrtunternehmen und kann davon ausgehen, dass dieses seiner Beförde-rungspflicht nachkommt (vgl. zu qualifizierten Reiseunterlagen als hinreichende Sicherheit im [X.] [X.]Z 100, 169 ff.).
(3)
Schließlich ist das Risiko der Insolvenz bei einem [X.] der [X.] durch die unionsrechtlichen Zulassungs-
und Auf-sichtsbestimmungen im Vergleich zu einem Unternehmen, das keiner staatli-chen Aufsicht unterliegt, deutlich verringert. Die wirtschaftliche Leistungsfähig-keit eines in der [X.] niedergelassenen Luftfahrtunternehmens gehört gemäß Art. 4, 5 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008
zu den Schwerpunkten des Ver-fahrens bei der Erteilung einer Betriebsgenehmigung. Um die Gültigkeit der Genehmigung aufrechtzuerhalten, unterliegt das Luftfahrtunternehmen der staatlichen Überwachung und ist jederzeit verpflichtet, seine finanzielle [X.] nachzuweisen (Art. 8, 9 [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008). Erscheinen die finanziellen Bedingungen für eine Aufrechterhaltung des Betriebs nicht gesi-chert, hat die Genehmigungsbehörde -
nicht zuletzt zur Verringerung des [X.] für Fluggäste (Erwägungsgrund 6 der [X.] ([X.]) Nr. 1008/2008) -
die [X.] auszusetzen oder zu widerrufen.
(4)
Sowohl der Unions-
als auch der nationale Gesetzgeber halten im Bereich des Personenbeförderungsrechts durch spezielle [X.], namentlich die Fluggastrechteverordnung und die Verordnung ([X.]) Nr.
1008/2008, einen ausreichenden Verbraucherschutz für gewährleistet. Dies folgt aus Erwägungsgrund 27 der Verbraucherrechterichtlinie (Richtlinie 2011/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/[X.] des Rates und der Richtlinie 1999/44/[X.] des Europäischen Parla-27
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ments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/[X.] des Ra-tes und der Richtlinie 97/7/[X.] des [X.] und des Rates; [X.]. [X.] 304 S. 64 vom 22. November 2011), wonach die Beförderung von Personen vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen sein solle, weil sie bereits im Rahmen anderer [X.] geregelt werde, [X.], was den öffentlichen Verkehr und Taxis betrifft, auf [X.] gere-gelt sei. Infolge der Umsetzung der Richtlinie fällt im nationalen Recht die Be-förderung von Personen nicht unter den Anwendungsbereich des Untertitels über besondere Vertriebsformen, "da hier europarechtliche Vorgaben, etwa bei [X.] und öffentlich-rechtliche Regelungen einen ausreichenden Schutz bieten"
(Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der [X.] und zur Änderung des [X.]; BT-Drucks. 17/12637, [X.] zu §
312 Abs. 2 Nr. 5 [X.]).
(5)
Im Ergebnis nichts anderes gilt für [X.], bei denen sich die Beklagte eines ausführenden Luftfahrtunternehmens eines Dritt-landes als Erfüllungsgehilfen bedient.
Wie die Luftfahrtunternehmen der [X.] sind auch diejenigen ei-nes Drittlandes zumindest bei Flügen, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mit-gliedstaats der [X.] angetreten werden, den Regelungen der Fluggastrechteverordnung (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a) unterworfen, die die Luft-fahrtunternehmen

wie ausgeführt

zur Erbringung der vertraglichen Beförde-rungsleistung anhält.
Das Risiko der Insolvenz eines ausführenden [X.] ist für den Fluggast

abgesehen davon, dass auch Drittstaaten regelmäßig eine staatliche Aufsicht vorsehen

durch eine zulängliche staatliche Überwachung im Inland verringert. Denn Luftfahrtunternehmen, die ihren
Hauptsitz nicht im Geltungsbereich des Luftverkehrsrechts der [X.] haben, bedürfen zur Durchführung von Fluglinienverkehr von und nach 29
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Deutschland gemäß § 21a [X.] i.V.m.
§ 63 [X.] einer Betriebsgenehmi-gung und unterliegen im Betrieb der Aufsicht nach §
65 [X.]; insoweit ist jedenfalls die für den sicheren Fluglinienbetrieb erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser Luftfahrtunternehmen (vgl. §
63 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 6 [X.]) Gegenstand der dem pflichtgemäßen Ermessen unterliegenden staatlichen Überwachung.

(6)
Der Liquiditätsnachteil des Kunden geht mit einem Liquiditätsvor-teil des Luftfahrtunternehmens einher, der Teil der [X.] und damit Gegenstand der Preisfestsetzung ist. Nach Art.
22 Abs.
1 [X.] ([X.]) Nr.
1008/2008 legen die Luftfahrtunternehmen der [X.] ihre Flugprei-se und Frachtraten für innergemeinschaftliche Flugdienste (unbeschadet des Art. 16 Abs. 1, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, dem [X.] in wirtschaftlich schwachen Regionen gemeinwirtschaftliche Verpflichtun-gen aufzuerlegen) frei fest. Unter dem Begriff "Flugpreise"
sind nach Art. 2 Nr.
18 die [X.] zu verstehen sowie etwaige Bedingungen, unter denen diese Preise gelten. Dies bedeutet, dass für das Luftfahrtunternehmen ein Spielraum für die Festsetzung der Flugpreise einschließlich der [X.], unter denen diese gelten, besteht. In diese Festsetzung kann deshalb grundsätzlich auch ein Liquiditätsvorteil einfließen, der, auch wenn nicht bei jeder frühzeitigen Flugbuchung ein Preisvorteil erzielbar sein mag, in der Regel nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden führen wird. Der Liquiditäts-
und gegebenenfalls Zinsnachteil wird bei frühzeitiger Flugbuchung jedenfalls tendenziell wirtschaftlich durch einen Preisvorteil des Kunden gegen-über einer späteren Buchung ausgeglichen.

(7)
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine andere Beurteilung die Beklagte bzw. das Luftfahrtunternehmen zwänge, die bereits erwähnte, auf einer
Empfehlung der [X.] beruhende Buchungs-
und Abrechnungspraxis auf 32
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ein [X.] mit einer Anzahlung bei Vertragsschluss und Rest-zahlung möglichst kurz vor [X.] umzustellen.
Eine solche Umstellung verursachte für das Luftfahrtunternehmen einen erheblichen verwaltungsmäßigen und abrechnungstechnischen Zusatzaufwand, dem

je nach Buchungszeitpunkt

kein wesentlicher Ausgleich der Nachteile gegenüberstünde, die für den Fluggast mit einer Vorauszahlung ohnehin [X.] sind.
Zudem darf bei der gebotenen Interessenabwägung eine mögliche wirt-schaftliche Beeinträchtigung der Luftfahrtunternehmen, auch mit Blick auf einen bei einer Abkehr von der international angewandten Abrechnungspraxis mög-licherweise auftretenden Wettbewerbsnachteil,
nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Umstellung der etablierten Zahlungsabwicklung griffe in das Geschäfts-modell der Unternehmen ein. Zur Sicherstellung des für die Sommer-
und [X.] eines jeden Jahres aufzustellenden [X.] im Fluglinienver-kehr sind die Luftfahrtunternehmen in besonderem Maße auf Planungssicher-heit bei der Refinanzierung der Vorlaufkosten angewiesen. Das [X.] kann auch einzelne Plätze eines Fluges nur in begrenztem Umfang vorsorglich mehrfach vergeben, da eine Überbuchung der Kapazitäten zu einer Nichtbeförderung von Fluggästen und damit zu Ausgleichszahlungen nach Art.
7 i.V.m. Art. 4 [X.] führen kann. Es ist zwar richtig, dass das Risiko, kostendeckend zu wirtschaften, vom Unternehmen zu tragen ist. Da hö-here Risiken aber regelmäßig höhere Kosten bedeuten und daher auch das [X.] an niedrigen Preisen berühren, sind die Auswirkungen von Risikoerhöhungen gleichwohl in die Interessenabwägung einzubeziehen, zumal, wie dargelegt, Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr dem Kontrahie-rungs-
und Beförderungszwang im Rahmen des veröffentlichten [X.] (§
21 Abs. 2 Satz
3
[X.]) unterworfen sind und ihre wirtschaftliche Tätigkeit deshalb auch im Allgemeininteresse liegt.
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III.
Da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden und die Klage unter Aufhebung des Beru-fungsurteils mit der Kostenfolge des §
91 Abs. 1 ZPO
abzuweisen.
Meier-Beck
Grabinski
Hoffmann

Schuster
Deichfuß
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.01.2014 -
18 O 148/13 -

OLG Celle, Entscheidung vom 18.12.2014 -
13 [X.] -

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Meta

X ZR 5/15

16.02.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2016, Az. X ZR 5/15 (REWIS RS 2016, 16225)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16225

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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