Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.02.2014, Az. VI R 40/12

6. Senat | REWIS RS 2014, 7559

STEUERRECHT BÜRO BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER

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Gegenstand

Häusliches Arbeitszimmer bei Telearbeitsplatz


Leitsatz

Auch ein Raum, in dem ein Steuerpflichtiger zuhause einen Telearbeitsplatz unterhält, kann dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, in dem ein so genannter [X.] eingerichtet wurde.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war im Streitjahr als Oberregierungsrat beim [X.] beschäftigt. Als Werbungskosten machte er neben Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte Kosten für ein Arbeitszimmer in Höhe von 509 € (11 % der [X.]) geltend. Er legte dazu eine "Einvernehmliche Anordnung" zwischen ihm und seinem Dienstherrn über die Einrichtung eines [X.]es vor. Danach verpflichtete sich der Kläger, in seiner Wohnung einen geeigneten Arbeitsbereich zur Verfügung zu stellen und Beauftragten seines Dienstherrn nach Ankündigung den Zutritt zu gestatten. Von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sollten 24 Stunden (Dienstag, Mittwoch und Donnerstag) in der Dienststelle, die restliche Arbeitszeit zu Hause abgeleistet werden. Der [X.] sollte vom Dienstherrn in Absprache mit dem Kläger eingerichtet und vom Dienstherrn mit Arbeitsmitteln ausgestattet werden; eine Kostenerstattung für Raumnutzung, Energie und Mobiliar war nicht vorgesehen. Auf Anfrage des [X.] versagte der Arbeitgeber eine Bestätigung des Inhalts, dass dem Kläger sein Büro an den Heimarbeitstagen nicht zur Verfügung stehe. Eine solche Vereinbarung für Telearbeiter, die eine solche Bestätigung rechtfertige, gebe es nicht.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht.

4

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war in Bezug auf den hier im Revisionsverfahren allein noch streitigen Werbungskostenabzug für das häusliche Arbeitszimmer erfolgreich. Das Finanzgericht ([X.]) entsprach der Klage insoweit dem Grunde nach, berechnete allerdings die Kosten auf Grundlage einer geringeren Fläche.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012  4 K 1270/09 insoweit aufzuheben, als das [X.] der Klage stattgegeben hat, die Klage insgesamt abzuweisen und den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] waren die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Vorentscheidung ist dementsprechend aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Die genannte Regelung kommt auch im Streitfall zur Anwendung. Denn gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.

a) Der im Gesetz nicht näher bestimmte Begriff des häuslichen Arbeitszimmers erfasst nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]surteil vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, [X.]E 236, 92, [X.], 236, m.w.N.) Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt ([X.]-Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, [X.]E 201, 27, [X.] 2003, 185; vom 20. November 2003 IV R 3/02, [X.]E 205, 46, [X.] 2005, 203).

b) Anderes gilt für Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen. Solche Räume sind nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn sie nach ihrer Lage mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. Von der Rechtsprechung dazu bisher entschiedene Fälle betrafen Lager, Werkstätten, Arztpraxen oder Ausstellungsräume ([X.]-Urteile vom 19. März 2003 VI R 40/01, [X.]/NV 2003, 1163; vom 19. September 2002 VI R 70/01, [X.]E 200, 336, [X.] 2003, 139; in [X.]E 205, 46, [X.] 2005, 203; vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, [X.]E 201, 166, [X.] 2003, 463; vom 26. Juni 2003 VI R 10/02, [X.]/NV 2003, 1560; in [X.]E 201, 27, [X.] 2003, 185; vom 20. November 2003 IV R 30/03, [X.]E 204, 176, [X.] 2004, 775). Im Einzelfall ist das häusliche Arbeitszimmer von anderen beruflich oder betrieblich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls abzugrenzen ([X.]-Urteil in [X.]E 201, 27, [X.] 2003, 185). Ist eine Zuordnung zum Typus des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich, so sind die durch die berufliche Nutzung veranlassten Aufwendungen grundsätzlich unbeschränkt als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar, sofern die betreffenden Räumlichkeiten nahezu ausschließlich beruflich genutzt werden ([X.]-Urteile in [X.]E 205, 46, [X.] 2005, 203; vom 22. November 2006 [X.], [X.]E 216, 110, [X.] 2007, 304).

2. Das [X.] ist teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Klage ist auch in Bezug auf den einzig verbliebenen Streitpunkt, den Werbungskostenabzug für das häusliche Arbeitszimmer, abzuweisen.

a) Entgegen der Auffassung des [X.] entspricht der vom Kläger genutzte Raum grundsätzlich dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers.

aa) Zutreffend verweist das [X.] zwar hinsichtlich der Frage, ob die Abzugsbeschränkungen für das häusliche Arbeitszimmer ohne weiteres auf Aufwendungen eines Arbeitnehmers für einen häuslichen Telearbeitsplatz übertragen werden können, auf das Urteil des erkennenden [X.]s vom 23. Mai 2006 VI R 21/03 ([X.]E 214, 158, [X.] 2006, 600). Danach können Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für einen Telearbeitsplatz derart zwangsläufig durch die Erwerbstätigkeit veranlasst sein, dass bereits zweifelhaft sein kann, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift überhaupt eröffnet ist. In der genannten Entscheidung hat der [X.] allerdings auch darauf hingewiesen, dass es die unterschiedlichsten Formen der Telearbeit gibt. Insbesondere ist das Urteil nicht dahingehend zu verstehen, dass der Tatbestand des häuslichen Arbeitszimmers stets schon dann ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer zuhause über einen Telearbeitsplatz verfügt.

bb) Im hier vorliegenden Streitfall tragen entgegen der Auffassung des [X.] dessen Feststellungen über die Vereinbarungen hinsichtlich der Einrichtung des [X.] nicht dessen Würdigung, dass der vom Kläger genutzte Raum schon prinzipiell nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entspreche. Denn der Raum wird vom Kläger im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze büromäßig genutzt und dient der Erledigung gedanklicher, schriftlicher und verwaltungstechnischer Arbeiten. Der als Arbeitszimmer genutzte Raum zuhause weist auch ansonsten keine Besonderheiten auf, die den Raum nicht als typisches häusliches Arbeitszimmer erscheinen ließen. Auch mit Blick auf den Arbeitsplatz in der Dienststelle folgt nichts anderes. Denn nach den Feststellungen war es dem Kläger weder untersagt, seinen Arbeitsplatz dort auch an den eigentlichen häuslichen Arbeitstagen zu nutzen, noch war der in der Dienststelle zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz hinsichtlich der Nutzung eingeschränkt. Dementsprechend war der Arbeitgeber nach den Feststellungen des [X.] auch nicht bereit, für steuerliche Zwecke eine Bestätigung darüber zu erteilen, dass der Kläger an seinen Telearbeitstagen kein Büro zur Verfügung habe.

Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, dass nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Kläger an zwei Tagen in der Woche zuhause arbeiten und dafür einen Raum vorhalten sollte. Denn allein eine Vereinbarung darüber, in welchem Umfang das häusliche Arbeitszimmer genutzt werden kann oder genutzt werden soll, lässt den Tatbestand des häuslichen Arbeitszimmers nicht entfallen. Entsprechendes gilt für den auf unterschiedlichsten Motiven beruhenden Umstand, dass der Arbeitgeber die im Zusammenhang mit dem Arbeitszimmer entstehenden Kosten für Kommunikation und Möblierung übernimmt. Anderes mag gelten, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer schon keinen Arbeitsplatz vorhält. Davon kann im Streitfall indessen, wie dargelegt, nicht ausgegangen werden.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] lässt sich der Werbungskostenabzug auch nicht unmittelbar auf § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2, 3 EStG mit der Annahme stützen, dass dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift nicht zur Verfügung gestanden habe. Denn ein solcher "anderer Arbeitsplatz" ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, sofern er zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (vgl. [X.]surteil vom 7. August 2003 VI R 17/01, [X.]E 203, 130, [X.] 2004, 78). Dazu muss dieser andere Arbeitsplatz allerdings so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist. Deshalb steht der andere Arbeitsplatz nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (vgl. [X.]surteil in [X.]E 203, 130, [X.] 2004, 78).

Daran gemessen tragen die Dienstvereinbarungen über die Einrichtung des [X.] weder nach ihrem unmittelbaren Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die Annahme, dass dem Kläger am Dienstsitz kein anderer Arbeitsplatz im vorgenannten Sinne zur Verfügung gestanden habe. Denn dieser Annahme stehen die Feststellungen entgegen, dass es dem Kläger nicht untersagt war, seinen dienstlichen Arbeitsplatz auch an den häuslichen Arbeitstagen weiterhin zu nutzen, dass der dienstliche Arbeitsplatz hinsichtlich dessen Nutzung nicht eingeschränkt war und der Arbeitgeber Gegenteiliges auch nicht bestätigen konnte.

Meta

VI R 40/12

26.02.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 19. Januar 2012, Az: 4 K 1270/09, Urteil

§ 9 Abs 5 EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG 2002, EStG VZ 2007, § 52 Abs 12 S 9 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.02.2014, Az. VI R 40/12 (REWIS RS 2014, 7559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7559

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