Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.04.2019, Az. VI R 46/17

6. Senat | REWIS RS 2019, 8589

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Gegenstand

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einer Flugbegleiterin


Leitsatz

NV: Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung .

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2017 8 K 329/15 E aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehegatten. Die Klägerin ist seit dem [X.] in Vollzeit als Flugbegleiterin tätig. Sie war zunächst bei der [X.] angestellt, seit dem [X.] bei [X.] mit [X.] Die Kläger sind Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 148 qm.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2013) machten die Kläger u.a. [X.]ufwendungen in Höhe von 1.250 € für ein 13,5 qm großes [X.]rbeitszimmer als Werbungskosten der Klägerin geltend. Sie trugen vor, für die in dem [X.]rbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten stehe der Klägerin kein anderer [X.]rbeitsplatz zur Verfügung. [X.]us einer [X.]ufstellung der Reisekosten ergab sich, dass die Klägerin an 66 Tagen zum [X.] und zurück gefahren war, sich an 27 Tagen auf Reisen im Inland und an 107 Tagen auf Reisen im [X.]usland befunden hatte (insgesamt 134 Reisetage).

3

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) setzte die Einkommensteuer ohne [X.]erücksichtigung der [X.]ufwendungen für das [X.]rbeitszimmer fest.

4

Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) wies die im [X.]nschluss erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2018, 277 veröffentlichten Gründen ab.

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie beantragen,
das [X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 26. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger [X.]rbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € berücksichtigt werden.

7

Das F[X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Werbungskostenabzug zu Unrecht mit der seiner Ansicht nach im Hinblick auf den zeitlichen Nutzungsumfang fehlenden "Erforderlichkeit" eines Arbeitszimmers abgelehnt.

9

1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt (Satz 3 Halbsatz 1). Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2).

a) Häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er --wie ausgeführt-- überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.

Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind hingegen insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des [X.] --[X.]-- vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, [X.], 408, [X.], 265, Rz 68; [X.]-Urteile vom 16. Februar 2016 IX R 23/12, Rz 12; jeweils vom 17. Februar 2016 [X.], [X.], 148, [X.], 708, und X R 1/13).

b) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bestimmt dabei abschließend, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abziehbar sind. Weitere Voraussetzungen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer regelt das Gesetz nicht. Die Erforderlichkeit ist kein Merkmal des Abzugstatbestands ([X.]-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 13, m.w.N.). Der Gesetzgeber typisiert in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Abzugsvoraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer, indem er die [X.] auf die zwei im Gesetz genannten Fallgruppen (kein anderer Arbeitsplatz, Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung) begrenzt. Der Steuerpflichtige ist in den vom Gesetz genannten Fallgruppen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass die Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann (Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.], 408, [X.], 265, Rz 61; vgl. auch Urban, [X.] 2016, 747, 748 f.). Den in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG angesprochenen Fallgruppen liegt daher die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in diesen Fällen erforderlich sind (vgl. [X.], Der Betrieb 2016, 249, 250).

Das Gesetz verwendet aber den Begriff der Erforderlichkeit oder Notwendigkeit nicht. Vielmehr typisiert es mit den beiden genannten Fallgruppen die Erforderlichkeit der beruflichen oder betrieblichen Nutzung des Arbeitszimmers, ohne den Begriff der Erforderlichkeit in Gestalt eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu einem Tatbestandsmerkmal zu erheben (Senatsurteil vom 27. September 1996 VI R 47/96, [X.]E 181, 305, [X.] 1997, 68, unter 2.b). Ein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für die beiden Fälle, in denen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer überhaupt nur abzugsfähig sind, folgt daher weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung ([X.]-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 14). Denn mit den beiden in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG geregelten Fallgruppen sollen gerade Streitigkeiten über die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers vermieden werden (BTDrucks 13/1686, S. 16, [X.] 171/2/95, S. 36).

2. Das [X.] ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Denn es hat rechtsfehlerhaft die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin als maßgebend erachtet. Darauf, dass die Klägerin die Arbeiten, für die ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum hätte erledigen können, kommt es nicht an. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat zwar den Umfang der Arbeiten festgestellt, für die der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Es hat aber Feststellungen unterlassen, ob der Raum im Streitjahr tatsächlich --wie von den Klägern [X.] (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet wurde oder aber neben der einkünfterelevanten Nutzung eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorlag. Derartige Feststellungen obliegen dem [X.] als Tatsachengericht und sind zur Entscheidung des Falls erforderlich (s. Senatsurteil vom 15. Dezember 2016 VI R 86/13, [X.]E 256, 150, [X.] 2017, 941, und [X.]-Urteil vom 8. März 2017 IX R 52/14, Rz 16).

Kommt das [X.] unter Beachtung der Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis, dass etwaige sonstige private Tätigkeiten der Klägerin oder des [X.] in dem streitigen Raum im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen sind und der Raum ausschließlich oder zumindest nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerbaren Einnahmen genutzt worden ist, sind die Aufwendungen für [X.] als häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen.

Gelangt das [X.] hingegen zu der Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des Arbeitszimmers auf andere private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) entfällt, scheidet nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des [X.] in [X.], 408, [X.], 265 ein Abzug der Aufwendungen mangels Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers sowie wegen gemischter Nutzung der Arbeitsmittel aus.

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 46/17

03.04.2019

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 4. Mai 2017, Az: 8 K 329/15 E, Urteil

§ 9 Abs 5 EStG 2009, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG 2009, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.04.2019, Az. VI R 46/17 (REWIS RS 2019, 8589)

Papier­fundstellen: NJW 2022, 1191 REWIS RS 2019, 8589

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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